Schwenningen, 23. Nov. Ein ca. 18jähriges Mädchen wurde in der Harzergasse von einer Frauensperson überfallen und lnißhandelt, so daß es genötigt war, in ein Haus zu flüchten. Die Täterin, unter der man eine verkleidete Manns­person vermutet, konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden. In der Zündholzstraße stürzte ein 2*/-- jähriges Kind aus der im 3. Stock gelegenen Wohn­ung seiner Eltern auf die Straße. Glücklicherweise trug es nicht die geringsten Verletzungen davon.

Mundelsheim, 20. Nov. Das Ergebnis des heurigen Herbstes ist 1714 Hektoliter bei einem Gesamterlös von 129 500 Mk., gegen 5500 Hektol. mit 222 000 Mk. im vorigen Jahre. Der heurige Durchschnittspreis beträgt 75*/- Mk. pro Hektoliter, der ferndige war bloß 39 Mk.

Die Bäder in Württemberg. Die Fre­quenz der wichtigsten württembergischen Heilbäder im Jahr 1900 und 1907 ergibt interessante Zahlen. In Wildbad waren es in den genannten Jahren 6354 und 10 349 Badgäste, eine Zunahme in sieben Jahren somit um 3895 Personen. Das K. Bad Tein ach hat an Besuchern sich mehr als verdoppelt, die Zahlen heißen 405 und 970. Eine nicht weniger starke Zunahme verzeichnet das Karlsbad Mergent­heim mit 673 bezw. 1139 Badgästen. Liebenzell mit dem Unteren Bad und Kleinwildbad hat auch eine kleine Zunahme zu verzeichnen: 951 gegen 869. Das Mineralbad Jordan bei Biberach ist von 595 auf 790 Badbesucher gestiegen. Ditzenbach aber hat von 120 Gästen im Jahre 1900 eine Frequenz von 634 im Jahre 1907 zu verzeichnen. Auch Ueber- kingen strebt empor: 1900 noch 106, 1907 schon 230 Badgäste. Einen Rückgang an Besuchern hat nur das Stahlbad Niedernau zu vermerken. Hier waren es 1900 noch 473, 1907 dagegen nur 425 Badbesucher. Niedernau ist vorzüglich Frauenbad.

tLa«desprod<tkte«bSrfe Stuttgart). Bericht vom 21. November. Die feste Stimmung im Getreidegeschäft hat auch in abgelaufener Berichtswoche angehalten und sind keine wesentlichen Veränderungen zu verzeichnen. Die Ge­treideabladungen nach Europa waren etwas stärker, aber trotzdem herrschte gute Kauflust. Von Argentinien kamen erstmals Klagen, daß in einigen Distrikten die Ernte not­gelitten habe; es läßt sich aber noch nicht beurteilen, wie weit diese Angaben richtig sind. Die Zufuhren in inländischer Ware waren gut, aber immer noch nicht in dem Umfang wie in früheren Jahren, was umsomehr ausfällt, als doch in der SWNartinizeit stets das stärkste Angebot hierin war. Mehl-

! se per 100 Kilogramm inkl. Sack Mehl Nr. 0: 32.50 bis 33.50 Nr. 1: 31.50 bis 32.50 Nr. 2; 80.50

bis 31.50 Nr. 3: 2S bis 30. «k, Nr. 4: 25.50 ^

bis 26.50 Kleie 8. bis 8.50 (ohne Sack netto

Kasse).

Kus Sta-t, Bezirk unS Amgebung.

Neuenbürg. Die Handwerkskammer Reut­lingen schreibt: Mit dem Nahen der Weihnachts­tage stellen sich auch wieder die verlockenden An­preisungen und Kataloge auswärtiger Versandgeschäfte ein, welche durch entsprechende Aufmachung und viel­fach auch durch scheinbare Vergünstigungen aller Art auf ein gutgläubiges Publikum zu wirken suchen. Die Käufer bedenken hiebei in der Regel nicht, daß viele diesergroßen" Versandhäuser in Wirklichkeit recht bescheidenen Umfanges sind, meist wesentlich teurer anbieten als jeder Geschäftsmann am Platze und daß in letzter Linie die Käufer es sind, welche die ungeheuren Spesen und Unkosten, die Reklame- und Verpackungskosten, das Porto und die Nachnahmegebühren und ebenso aber auch etwa an­geboteneExtra-Geschenke" u. dergl. mehr selbst bezahlen müssen, daß also von einem besonders vor­teilhaften Kauf nicht die Rede ist. Wie dies nicht anders sein kann, finden sich die glücklichen Em­pfänger beim Eintreffen einer solchen Sendung dann vielfach bitter getäuscht und ärgern sich mit Recht darüber, daß der erhaltene Gegenstand den gestellten Erwartungen nicht, oder doch nur teilweise entspricht. Gut zu machen ist ein solcher Schaden in der Regel nicht mehr und wenn diekoulansteten" Beding­ungen im Katalog stehen, jedenfalls aber nur mit weiteren nicht geringen Spesen. Aber auch die Lust am Kaufen und Schenken ist damit verloren. Um vieles besser ist es deshalb, am Platze oder wenn die betreffende Branche nicht vertreten sein sollte in der Nachbarstadt zu kaufen. Dadurch, daß der Käufer die Möglichkeit hat, sich von Aussehen und Qualität des Gegenstandes persönlich zu überzeugen, nach Geschmack, Preis oder anderen Rücksichten per­sönlich auszuwählen, ist er den obenerwähnten un­angenehmen Ueberraschungen nicht ausgesetzt. Sollte sich einmal ein Mangel. Herausstellen, so kann er die Ware Umtauschen; denn der ansässige Geschäftsmann ist ganz anders als der auswärtige daran interessiert, daß der Kunde wieder kommt. Er wird ihm auch sonst in jeder Weise gern entgegenkommen und da­

durch, daß sich seine Aufträge mehren, in Auswahl und Preis immer leistungsfähiger werden. Dies zu fördern liegt in der Hand des Publikums. Zu alle­dem ist der ansässige Geschäfsmann meist Fachmann in seinem Spezialfachs; seine Warenkenntnisse und seine Erfahrungen setzen ihn in den Stand, dem Käufer mit praktischen Ratschlägen an die Hand zu gehen.'

Die ansäßigen Geschäfte mögen aber auch ihre Waren gerade jetzt vor Weihnachten in aus­giebiger Weise im Lokalblatt empfehlen.

(Verjährung.) Nur noch einige Wochen trennen uns vom Jahresschluß. Es sei deshalb schon jetzt darauf aufmerksam gemacht, daß am 31. Dez. alle Forderungen an Geschäftsleute verjähren aus dem Jahre 1906 und alle Privatforderungen aus dem Jahre 1908, soweit darauf in der Zwischenzeit keine Zahlungen erfolgt sind oder Schuldscheine, Schuldanerkenntnisse oder Urteile vorhanden sind. Der einfachste und billigste Schutz gegen Verjährung ist heutzutage der Zahlungsbefehl, der durch die Zivilprozeßnovelle eine Verbilligung und gleichzeitige Vereinfachung erfahren hat.

8.-U. Neuenbürg, 21. Nov. Zur Berufs­wahl der Volksschüler. Eine Lücke in unserem Wirtschaftsleben ist es, daß junge Leute bezw. deren Eltern bei der Berufswahl zu wenig zuverlässiges Material darüber haben, in welchen Berufen tat­sächlich eine stärkere Ueberfüllung herrscht und in welchen dies nicht der Fall ist. Daß es auch Be­rufe gibt, in denen es sogar an Leuten mangelt* zeigt sich in manchen Handwerkerberufen. So wird allgemein von den Glasermeistern in Württemberg darüber geklagt, wie schwer es sei, Glaser zu be­kommen; dabei werden z. B. in Stuttgart Glaser­gesellen anfangs der 30er Jahre 50 Stundenlohn bezahlt, wie es ihnen auch später nicht allzuschwer fällt, sich selbständig zu machen. Eine große Er­leichterung besonders für die Leute im Lande wäre, wenn seitens der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, die sich das Material leicht und zuverlässig von den 4 Handwerkskammern beschaffen könnte, etwa alle 3 Jahre ein kurzgefaßter Leitfaden über die Verhältnisse in den einzelnen Handwerkerberufen an die Vorsteher der Volksschulen für eventl. Be­kehrung der Schüler oder Ratserholung der Eltern hinausgegeben würde; der Beseitigung des Mangels an Arbeitskräften in manchem Handwerk würde da-' durch ebenfalls gedient. Mit einer kleinen staat­lichen Ausgabe könnte hier doppelt genützt werden.

Neuenbürg, 33. Nov. Auf den Höhen ist der Schnee für diese Jahreszeit außerordentlich stark gefallen, so daß die Wege schon von den Schnee­massen gesäubert werden mußten. Wenn in diesem Winter so viel Schnee fällt als in diesem Sommer Regen, so kann man sich auch auf gewaltige Schnee­massen gefaßt machen. Sehr starke Schneefälle werden besonders aus dem Riesengebirge, aus Tirol und der Schweiz gemeldet.

Nagold, 32. Nov. Der zur Zeit herrschende Lehrermangel öffnet dem hiesigen la Kurse jetzt schon die Türe, die ins praktische Leben und in die Schule hineinführt. Das erste Dienstexamen, das deswegen von demselben in diesen Tagen abgelegt wird, findet zum erstenmal hier unter den Vor­schriften des neuen Schulgesetzes und in Anwesenheit von zum Teil neuen Mitgliedern des Oberschulrates statt. Neben Hrn. Regierungsrat Dr. Rheinöl, der schon früher als Konsistorialrat der Prüfungskom­mission angehörte, erschien zum erstenmal der oberste Leiter unseres Volksschulwesens, Hr. Regierungs­direktor Dr. v. Hieber, Vorstand des neugeschaffenen Oberschulrates. Die Prüfung wird im Laufe dieser Woche beendet, und die jungen Schulamtskandidaten (38 an der Zahl) werden auf ihre ersten Posten entsendet werden.

Die November-Nummer der Blätter des Württ. Schwarzwaldvereins bringt zu Eingang einen hübsch illustrierten Artikel über Schwarz­waldburgen von K. A. Koch, welch letztere aller­dings außer Burg Schenkenzell dem Gebiet des bad. Schwarzwalds zugehören als die Ruinen Hausach, Alt-Wolfach, Valkenstein und Sterneck. Von Fest­lichen Stunden auf der Teufelsmühle erzählt Ru­dolf Müller, welcher damit der Einweihung der neuen Schutzhütte mit Aussichtsturm am 25. Sept. ds. Js. ein schönes Gedenkblatt widmet. Zum Heimatschutz" wird von der Schriftleitung ein Bei­trag geliefert durch den Abdruck des Abschnitts Forstwirtschaft und Forstästhetik, entnommen aus dem BuchHeimatschutz und Landschaftspflege" von Prof. Dr. E. Gradmann. Ein weiterer Artikel tritt für Heimatschutz ein, in dem die Erhaltung her Dorfweiher empfohlen wird. Es folgen noch Vereins­berichte und Verschiedenes.

Kriegschronik von 187071.

23. November 187«.

Vormarsch des Großherzogs von Mecklenburg. Die Schweiz verstärkt die Grenztruppen.

99. Dep. vom Kriegsschauplatz.Baugy. Die Belagerung von Thionville hat gestern begonnen. Festung wird aus 76 Geschützen beschossen; Stadt brennt seit gestern nachmittag. Die Avantgarde, die Kavallerie-Division Graf Göben, unter Oberst von Lüderitz, hat heute nachmittag bei le Quesnel ein glückliches Gefecht gegen französische Mobilgarden aus Amiens bestanden, die in wilder Flucht zurück­getrieben wurden. Graf Wartensleben."

Dijon. Die Stadt Chatillon sur Seine muß dafür, daß ihre Bewohner den Garibaldianern unter Ricciotti's Führung bei dem Ueberfalle der Deutschen Hilfe geleistet haben, 1 Million Franks Kriegskon­tribution zahlen. Es wurden deutsche Verwundete, wie man jetzt hört, sogar in den Betten erstochen und die Einwohner ließen sich mitunter scheußliche Untaten an denselben zu schulden kommen. Anderer­seits haben viele edelgesinnte Bürger unsere Sol­daten vor den Meuchelmördern gerettet,, indem sie dieselben versteckten. Aber da muß, wie immer im Kriege, der Unschuldige mit dem Schuldigen leiden.

Versailles. Die Verträge mit Hessen und Baden über den Beitritt zum Norddeutschen Bund sind abgeschlossen, die Schlußverhandlungen mit Württemberg sind in den letzten Tagen in Berlin gepflogen worden. Die Verhandlungen mit Bayern sind noch nicht abgeschlossen; sie lassen jedoch ein nahes Ergebnis Dank Bismarcks unübertrefflichen Diplomatenkunst in Aussicht stellen. Die eigent­lichen Hemmnisse in den vorbereitenden Stadien be­stehen in gewissen Velleitäten des mißtrauischen Königs von Bayern, dessen außerordentliches Sou­veränitätsgefühl sich nur schwer mit dem Gedanken befreunden kann, einengleichgestellten" Monarchen einen Teil der ererbten Rechte preiszugeben, anderer­seits in den freisinnigen Anschauungen des Kron­prinzen, zugleich aber auch in den konservativen Neigungen des Altpreußentums, das die Besorgnis hegt, daß der alte Königsstaat Preußen vor dem neuen deutschen Kaisertum zu kurz kommen könnte.

Dem Maulbronner Amtsblatt wurde folgender Feldzugsbrief aus Oetisheim zur Verfügung ge­stellt. Geschrieben wurde dieser von einem Glaser­gesellen mit dem wunderbaren Namen Eberschwein (später Meister in Huchenfeld) an seinen Meister Michael Heugel (Glaser-Michele) -j-1907 in Oetis­heim: Emraiwille, den 22. November 1870. Werte Freunde! Ich muß mich entschuldigen, weil ich so lange nicht geschrieben habe, ich habe geglaubt, ich könnte Euch die frohe Nachricht vom Frieden bringen, aber leider haben wir bis jetzt noch keine Aussicht, wir haben jetzt schon 10 Wochen Paris belagert. Nach der Sage eines Deserteurs kann es nicht mehr lang dauern, nämlich, daß ein Mann täglich 3 Kar­toffel bekommt und Pfund Pferdefleisch. Wir haben seither noch wenig Mangel an Lebensmittel gehabt, Württemberg tut viel an seinen Soldaten, besonders kommt auch viel Weißzeug, das ist schön. Unser Regiment hat noch schlimmes zu hoffen, auf den Platz wo wir sind, sollen andere Truppen kommen, und wir müssen Neuorleans zumarschieren, dem Garibaldi entgegen, welcher sich dort mit einem großen Heere gesammelt hat. Das ist eine große Aufgabe für uns, besonders bei dem schlechten Wetter, kalt ist es nicht, aber jeden Tag Regen. Doch ein Württemberger Soldat gibt den Mut nicht auf, wir stehen fest, wenn auch das Schicksal grollt, wenn rings um unsere Häupter der Donner rollt.' Doch wäre es uns sehr lieb, wenn wir wieder in unser Vaterland zurückkehren dürften, aber wir können es nicht ändern und müssen uns in unser Schicksal mit Geduld ergeben. Werte Freunde! Ich wüßte vieles zu schreiben, was im großen und im kleinen vorkommt, und die Leute würden sagen, das kann gar nicht möglich sein, was wir schon oft erfahren haben, deswegen will ich jetzt mein Schreiben schließen, und wenn es Gottes Willen ist, so werden wir auch einmal wieder zusammenkommen, wo wir miteinander reden können. Werte Freunde, ich hätte eine Bitte an Euch, wenn Ihr so gut sein wollt und mir 100 Stück Zigarren schicken, es dürfen dreierlei Sorten, mittelstarke Zigarren sein, in eine Schachtel verpackt und dürfen 23 fl. kosten, und auch gleich die Rechnung und das Porto, welches 24 x. kosten wird dazu. Ich hoffe, daß Euch mein Schreiben alle gesund antrifft, wie es mich verläßt. Ich grüße Euch alle von Herzen, Euer Freund Ludwig Eberschwein.

Rebattio», Druck und Verlag von L. Merh tu Neuenbürg.