Rundschau.

Der Prozeß vor dem Landgericht Berlin gegen den Herausgeber derWahrheit", den Reichstags­abgeordneten Bruhn und Genossen wegen versuchter Erpressungen ist am Dienstag nach mehrwöchiger Dauer mit dem Freispruch für alle Angeklagten zu Ende gegangen. Unmittelbar darauf, am Mitt­woch, hat vor dem Landgericht Berlin I ein neuer Sensationsprozeß begonnen, welcher die Moabiter Straßenkrawalle betrifft. Gleich der erste Verhand­lungstag in diesem Prozeß zeitigte eine Sensation, indem die Verteidigung den gesamten Gerichtshof als befangen ablehnte. Infolgedessen wurde die Mittwochsverhandlung abgebrochen.

Berlin, 8. Nov. Das Haupt der Bande von Pelzwarendieben, die seit Februar für nahezu 300 000 Mk. Pelze und auch Seidenwaren erbeutet hat, ist von der Kriminalpolizei festgenommen worden. Es ist der 34 Jahre alte frühere Geschäftsreisende und Agent Karl Göbel, einer der gewandtesten und gefährlichsten Einbrecher Berlins, der auch in Buch­macherkreisen sehr bekannt ist. Nach jedemgroßen Schlag" machte Göbel Vergnügungsreisen, auf denen er zugleich Absatz für die Beute suchte. Als Holtz und Schröter Ende September festgenommen wurden, gelang es Göbel, im letzten Moment nach Brüssel zu entfliehen. Von dort machte er mehrere Abstecher nach Köln, wo dann sein Haupthehler, der Kürschner­meister Paul Krowina, festgenommen wurde. Vor einigen Tagen kehrte Göbel nach Berlin zurück, wahrscheinlich um einen neuen Raubzug auszuführen. Gestern ermittelte ihn die Kriminalpolizei.

Oberhausen, 10. Nov. In der vergangenen Nacht wurde ein Kriminalschutzmann, der zur Abstellung eines Wirtshausstreites gerufen wurde, mit Messern bedroht und gab daraufhin drei Schüsse ab. Ein Schuß traf versehentlicherweise den dem Schutzmann zu Hilfe eilenden Anstreicher Overmann in den Kopf. Overmann war sofort tot. Die beiden andern Schüsse trafen einen Arbeiter, der das Messer gezückt hatte, in den Kopf. Der Schwerverletzte mußte ins Krankenhaus verbracht werden.

Der Wasserstand des Rheins ist Donners­tag nacht bei Mannheim von 4.43 Meter auf 5.54 Meter, bei Maxau von 4.98 auf 5.90 und bei Kehl von 3.56 auf 4.43 Meter gestiegen, dagegen bei Hüningen von 4.00 auf 3.1 Meter gefallen. Der Neckar führt Hochwasser. Sein Wasserstand ist bei Mannheim von 4.44 auf 6.08 und bei Heilbronn von 1.30 auf 3.85 Meter angewachsen.

Der Kölner Pegel ist auf annähernd fünf Meter gestiegen. Ein amtlicher Hochwaffernach- richtendienst wurde eingerichtet. Auch in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag wurden verschiedene Gebiete des Rheinlandes von schwerem Unwetter heimgesucht, besonders einzelne Dörfer der Eifel und des Hunsrücks haben unter dem Unwetter der letzten Tage sehr zu leiden. Auch in den Seitentälern des Rheins hält das Hochwasser an. In den Ruhr- Häfen find seit einigen Tagen die Verladegeschäfte sehr erschwert. Das Regenwetter dauert fort, so daß den Rheinbewohnern in diesem Jahre zum sechsten Male eine Hochwasserkatastrophe droht.

Köln, 11. Nov. Der Wasserstand des Rheins ist seit gestern von 4.66 auf 5.35 Meter gestiegen.

Berlin, 11. Nov. Hier ist ebenfalls Schnee­fall eingetroffen.

Selbstmord auf dreifache Weise hat eine Ber­liner, 50 Jahre alte Zahnärztin verübt. Sie öffnete den Gashahnen, nahm Gift und erschoß sich schließlich.

Bernau, 9. November. Der älteste Hof, der Schindelhof, der im 13. Jahrhundert erbaut sein soll, ist um den Preis von 81 auf Abbruch ver­steigert worden.

Marseille, 11. Nov. Gestern vormittag riß die Leitung der elektrischen Straßenbahn und fiel auf mehrere Telephondrähte, so daß Kurzschluß ein­trat. Im Haupttelephonamt schlugen sofort meter­hohe Stichflammen aus den Apparaten hervor. Unter den Beamten und Telephonistinnen brach eine Panik aus. Sechs von ihnen erlitten schwere Brand­wunden. Zwei der Verletzten liegen im Hospital in hoffnungslosem Zustand darnieder.

In der Nähe von Cuevas (Spanien) wurde ein Postwagen von den scheugewordenen Pferden gegen eine Mauer geschleudert. Vier Reisende wurden getötet und neun verwundet.

Ein neuer Komet 10. Größe wurde, wie die Heidelberger Sternwarte mitteilt, von Cerulli in Teramo (Italien) im Sternbild des Stier entdeckt. Am 9. Nov. stand der Komet zwischen den Sternen 10 und 13 im Stier.

In den Waadländer Alpen verlor ein junger Landwirt im Nebel den Weg und stürzte mit Roß und Wagen in einen mehrere hundert Meter tiefen Abgrund. Seine Leiche und das tote Pferd wurden am Fuße der Felsen schrecklich verstümmelt aufgefunden.

Aus der Bahn des Verbrechens.

Detektivroman von Max Arendt-Denart.

) -- (Nachdruck verboten.)

Der neue Tag sollte dem Detektiv eine neue Ueber- raschung bringen. Ein Kollege machte ihm die Mit­teilung, daß er seines Amtes vorläufig enthoben sei. Wolfs hatte gegen ihn Beschwerde geführt I Und in der Tat, Samuel Wolfs war nachts auf dem Polizeirevier erschienen, um Protest gegen die Weg­nahme seiner Schlüssel zu erheben und Breitfeld sah jetzt erst ein, daß er nicht dem Richter, sondern seiner Behörde hätte Mitteilung machen müssen. Aber hätte man ihn dort nicht wieder ausgelacht, wie schon vor Wochen. Und durfte er denn heute sagen, was ihn zu solcher Maßnahme veranlaßt hatte? Man würde vielleicht Wolfs verhaften und Palm wäre gewarnt. Endlich aber schmeichelte es seiner Eitel­keit, allein das Rätsel des Mordes in der Villa Klinger zu lösen. Kurz entschlossen verweigerte er also die Herausgabe der Schlüssel, bereit, alle da­raus entstehenden Folgen zu tragen.

ck *

*

Am Nachmittage war Breitfeld pünktlich zur Stelle. Er brauchte auf Herrn von Palm nicht lange zu warten. Ehe sie das Caf6 verließen, trat Breitfeld an eine Dame, die an einem Tische nahe der Türe saß.

Nun?" fragte er leise.

Er ist es!" gab sie ebenso zurück.

Sie irren sich nicht?"

Das ist ganz ausgeschloffen!"

Mit einem lauten Scherzworte verabschiedete sich Breitfeld von ihr. Sie sah ihm verwundert nach, genau so wie heute morgen der Richter, als er ihn um Ueberlassung des Brillanten gebeten hatte. Breit­feld, wieder in der Maske des alten Herrn, fragte seinen Begleiter:Haben wir noch weit zu gehen?"

Nur wenige Querstraßen," antwortete Palm.

Breitfeld hatte richtig gerechnet. Bald standen sie vor dem Hause des alten Samuel.

Palm klingelte und die alte Haushälterin öffnete. Als sie den Baron erblickte, flüsterte sie ihm blitz­schnell einige Worte zu, aber dem feinen Ohr des Detektivs war es nicht entgangen, daß sie ihn zur Vorsicht gemahnt hatte.

Bestürzt stieg Palm die Treppe empor, wo Sa­muel die Tür seines Zimmers geöffnet hatte. Als er den Fremden in Begleitung des Barons erblickte, schien er unwillig.

Alter Freund!" rief ihm Palm zu,ich bringe einen neuen Kunden!"

Breitfeld folgte ihm klopfenden HerzenS; denn er wußte wohl, daß ihn die geringste Bewegung ver­raten konnte, und wenn er auch keine Furcht kannte, so war Palm als Gegner nicht zu unterschätzen, wenn er sich entdeckt sah; aber mit der Zuversicht, die immer die Helferin des Erfolges ist, betrat Breitfeld die ihm wohlbekannte Stube.

Er wußte, daß von dieser Stunde das Schicksal seines ganzen Planes abhing.

Er hielt daher den forschenden Blick des Geld­maklers aus, der jetzt mißtrauisch auf ihm ruhte.

Sie wollen Geld entleihen?" fragte er.

Allerdings," entgegnete Breitfeld.

Verhelfen Sie mir zu meinem Geldschrank­schlüssel", sagte Samuel Wolfs.

Baron von Palm sah seinen Begleiter überrascht an. War Samuel plötzlich von Sinnen? Wie konnte er von ihm verlangen, daß er ihm seinen Geldschrank- schlüffel besorgen sollte?

Samuel Wolfs aber begann zu erzählen. Breit­feld wandte sich ab. Er trat ans Fenster und un­bemerkt von den beiden öffnete er es. Die Beamten unten auf der Straße, die auch noch auf Beobachtungs­posten standen, wurden aufmerksam.

Palm war erbleicht. Wenn man seine Gold­sachen bei Samuel gefunden hatte, war er verloren.

Wer hat sich so Ungeheures erlaubt?" schrie er, als er sich von dem ersten Schreck erholt hatte.

Ich," klang es vom Fenster.

Wie elektrisiert starrten die beiden auf den Sprecher, der jetzt, ehe einer der beiden sich rühren konnte, seinen Revolver gezogen hatte und auf Palm anlegte.

Niemand rührt sich!" rief er dann. Zähne­knirschend stand Palm an den Geldschrank gelehnt. Inzwischen kamen die Beamten herauf; denn Breit­feld hatte vorsorglich die Tür offen gelaffen.

Nun, Baron von Palm," sagte Breitfeld.Wir können uns ganz gemütlich miteinander unterhalten."

Der Gauner, der inzwischen seine Ruhe wieder gefunden hatte, lächelte geringschätzig.

Mit Spionen rede ich nicht!"

Einen Augenblick schien es, als ob Breitfeld eine harte Antwort geben wollte. Aber er war sofort wieder völlig Herr der Situation.

Sie werden mir schon antworten," sagte er.

Damit nahm er auf dem Sofa Platz und ersuchte den zitternden Samuel, sich auf den Sessel zu setzen, der heute an den Tisch gerückt war.

Mit verzweifeltem Blick auf Palm und den Beamten setzte sich der Wucherer nieder.

Breitfeld sah sich im Zimmer um.

Also, Herr von Palm, Sie haben mir zwar die Beantwortung aller Fragen abgelehnt, aber ich denke. Sie werden Ihre Meinung ändern, wenn Sie mich gehört haben. Aus dem Verzeichnis der Sachen, die vor längerer Zeit bei Klinger gestohlen worden sind, habe ich feststellen können, daß auch eine Uhr sich darunter befand, die derjenigen ähnlich ist, die Sie bei Wolfs verpfändet haben."

Breitfeld öffnete den Geldschrank. Er nahm den Schubkasten heraus und stellte ihn auf den Tisch.

Sehen Sie hier," sagte er,diese Uhr meine ich, Herr von Palm!"

Der Baron antwortete nicht.

Ich schließe daraus, daß Sie zunächst an dem Einbruch, den die Behörde nicht aufklären konnte, beteiligt waren."

Herr von Palm wurde unruhig.

Aber ich habe noch mehr gefunden," fuhr Breit­feld fort.Sehen Sie diese Manschettenknöpfe. An dem einen ist ein Brillant herausgebrochen. Diesen habe ich in dem Schreibtisch des Herrn Klinger ge­funden. Können Sie sich erklären, wie dieser Stein dahin kommt, denn diese Manschettenknöpfe sind ebenfalls von Ihnen hier verpfändet worden."

Das ist nicht wahr!"

Breitfeld ließ sich durch seine Zuversichtlichkeit nicht beirren:Dann hätte also Samuel Wolfs ge­logen und wir müßten ihn verhaften, um von ihm zu erfahren, wie er zu den Manschettenknöpfen kam." In diesem Augenblick betraten die Beamten von der Straße, die Breitfeld verständigt hatte, das Zimmer. Jetzt ging in dem Gesicht des Geldmaklers eine merkwürdige Veränderung vor.

Mühsam erhob er sich von seinem Platz. Er erhob die zitternde Hand wie zum Schwur:Ich habe die Wahrheit gesagt," erklärte er feierlich.Die Sachen in diesem Schubkasten sind mir sämtlich von Herrn von Palm übergeben worden."

Breitfeld winkte den Beamten, die Palm nicht aus den Augen gelaffen hatte. Blitzschnell hatten sie sich seiner Hände bemächtigt und ehe er sich zur Wehre setzen konnte, war er überwältigt und gefesselt.

So," sagte Breitfeld,nun wird Herr v. Palm im Gefängnis Muße haben, über das nachzudenken, was er uns sagen oder verschweigen will."

Jetzt unterbrach Palm erstmals sein Schweigen.

Wessen klagt man mich an?" fragte er mit einer Ruhe, die offenbar gekünstelt war.

Und in die Stille hinein antwortete der Detektiv mit starker Stimme:

Der Ermordung und Beraubung des Kaufmanns Emil Klinger."

Ein feines Lächeln der Genugtuung umspielte die Lippen des Barons:

Sie werden das beweisen müssen."

Einen Augenblick ließ sich Breitfeld durch die Zuversichtlichkeit des Verhafteten verblüffen, dann wandte er sich ohne zu antworten an Wolfs:

Ich erkläre auch Sie im Namen des Gesetzes für verhaftet."

* *

Diese sensationelle Wendung in der Klingerschen Mordsache hatte niemand erwartet. Zwar war die Enthebung Breitfelds von seinem Posten von Amts­wegen aufrecht erhalten worden, aber der Name des Detektivs war in aller Munde. Als Breitfeld am Tage nach der Verhaftung Palms bei ihm erschien, war seine Frage:Wie haben Sie das angestellt?"

Sehr einfach," erzählte Breitfeld.Bei meinen Nachforschungen nach dem Manne, der in der Klinger­schen Villa die Tür geölt hatte, kam ich zufällig auf Herrn von Palm."

Vom Gericht aus begab sich Breitfeld zum Bank- direktor Baum.

Nach einer Weile sagte Baumgart:

Hat er gestanden?"

Nein," entgegnete Breitfeld,aber es wird ihm angesichts der Beweise nichts anderes übrig bleiben." (Fortsetzung folgt.)

Nedaltiorr, Druck mrb Verlag von L. M««h i« Neuenbürg.