Stuttgart. 4. Nov. Die bürgerl. Kollegien haben, entsprechend einem früheren Beschluß, die Warenhaussteuerordnung dahin abgeändert, daß die Warenhaussteuer künftig auf den Höchstsatz von 60°/° (seither 20°/») erhöht ist.
Stuttgart. 4. Nov. In dem Entschädigungsprozeß des Mechanikers Böhler gegen den Grafen Zeppelin hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und ihm die Kosten des Verfahrens zur Last gelegt.
Stuttgart. 2. Nov. Der Württembergische Journalisten- und Schriftstellerverein hat in einer zahlreich besuchten Versammlung Stellung genommen zu dem Rechte der Presse auf uneingeschränkte Berichterstattung und zu dem Urteil der Stuttgarter Strafkammer im Prozeß Kolb gegen „Beobachter". Nach einem gründlichen Referate des Vereinssyndikus, Dr. Reis, wurde eine Resolution angenommen, in der die Versammlung der Ueber- zeugung Ausdruck gibt, daß das Urteil der Stuttgarter Strafkammer, welche einem wahrheitsgetreuen Berichte über eine öffentliche Strafoerhandlung den Schutz des § 193 versagte, dem Rechtsempfinden der Standesgenoffen des Verurteilten auf das schärfste widerspreche. Die Versammlung erblicke in der durch dieses Urteil inaugurierten Gerichtspraxis eine schwere Gefahr für die Gerichtsberichterstattung und die Berichterstattung überhaupt. Sie richte an die Standesgenoffen das Ersuchen, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß bei der bevorstehenden Strafrechtsnovelle die Straflosigkeit wahrheitsgetreuer Gerichtssaalberichte unter die im § 193 aufgeführten Fälle ausdrücklich eingereiht werde.
Stuttgart, 5. Nov. In der Waschküche eines Hauses der Vaihingerstraße fiel ein 2ff, Jahre alter Knabe in einen Kübel heißen Wassers. Er zog sich hierdurch nicht unbedeutende Brandwunden zu und wurde nach der Olgaheilanstalt verbracht.
Zuffenhausen, 4. Novbr. Die im hiesigen Revier abgehallene Hofjagd ergab als Strecke: 5 Rehe, 60 Hasen und 42 Fasanen. Der König war diesmal nicht selbst bei der Jagd anwesend.
Tübingen, 4. Nov. (Schwurgericht.) In nichtöffentlicher Sitzung wurde der 20 jährige Taglöhner Karl Adam von Loffenau von der Anklage des Verbrechens gegen § 176 Z. 1 St.G.B. nach Verneinung sämtlicher Schuldfragen freigesprochen und aus der Haft entlassen.
Tübingen. 4. Nov. (Schwurgericht.) Verhandlung gegen den 20jährigen Bauernsohn Johann Georg Lutz von Naislach, OA. Calw, wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod. Der Angeklagte hat am 20. Okt. nachts zwischen 11 und 12 Uhr in Naislach einen sehr dicken Prügel aus 17 Meter Entfernung von einer kleinen Anhöhe herab nach dem auf dem tiefer gelegenen Ortsweg gehenden 47jähr. ledigen Taglöhner Adam Maisenbacher von dort mit großer Wucht geworfen. Er traf damit den Maisenbacher an den Kopf, was den Tod des Verletzten zur Folge hatte. Der Angeklagte machte geltend, er habe den M. nicht treffen, sondern nur abschrecken und Heimtreiben wollen. Der Angeklagte ist gut beleumundet und nicht vorbestraft. Die Geschworenen
so trat Breitfeld auf Samuel Wolfs zu: „Wenn Sie ein Wort darüber verlieren, wer ich bin —"
Aber Samuel unterbrach ihn: „Lassen Sie mich aus dem Spiel."
„Warum wollten Sie nicht, daß Palm eintrat?"
„Ich bitte Sie, wenn jemand bei mir die Polizei findet. „Samuel bemühte sich, harmlos auszusehen.
Aber Breitfeld durchschaute ihn.
„Niemand weiß, daß ich Beamter bin. Ich muß jetzt fort. Wenn Sie also nicht reinen Mund halten, so wird sich die Behörde in den nächsten Tagen Ihr Geschäftslokal einmal ansehen."
Samuel legte die Hand auf den Mund, zum Zeichen, daß er schweigen werde. Der Detektiv sah diese Gebärde schon nicht mehr. In großer Eile war er hinausgestürmt, er wollte die Spur Palms unter allen Umständen verfolgen.
Als er die Straße betrat, sah er in einiger Entfernung den Baron über den Damm schreiten. Es mochten etwa 30 Minuten vergangen sein, Herr von Palm hatte seine Schritte immer mehr beschleunigt, da stand er vor einem Caf6 der Friedrichstraße. Er winkte dem Portier freundlich zu und ging hinein.
Breitfeld überlegte. Sollte er ihm folgen? Das hätte bei Palm Verdacht erregen können. Sollte er vor der Tür warten? Es konnten vielleicht Stunden vergehen, ja es konnte bis zum Morgen dauern, ehe der Baron sein Heim aufsuchte. Er trat ein.
„Verzeihen Sie, ist Herr von Palm im Cafö?" fragte er den Portier und ließ dabei einen Nickel in die Hand gleiten.
sprachen den Angeklagten nur einer Uebertretung des 8 366 Ziff. 7 S1.G.B. schuldig, worauf er zu der Haftstrafe von 12 Tagen verurteilt wurde.
Tübingen. 4. Nov. Der Handelsverein hat sich an die Stadt gewandt, ob nicht durch eine Verlängerung der Automobilverbindung von Echter- dingen-Weil bis Tübingen der Verkehr, der durch die Böblinger Bahn, die ja leider 12 Kilometer vor Tübingen endet, von hier abgezogen wird, wenigstens zum Teil hierher gelenkt werden könnte. An eine Verlängerung der Bahn bis Tübingen ist ja nicht zu denken.
Tübingen, 3. November. Die abgefeimtesten Schwindler finden doch immer noch ihr Publikum. Hier erschien ein Inserat, in dem sich unter Chiffre jemand zur Vermittlung von Hausoerkäufen anbot. Die Interessenten bekamen auf ihre Anfrage hin von einer „Deutschen Verkaufszentrale in München G. m. b. H." ein Schreiben, worin 10 oder 20 Mk. je nach Höhe des zu verkaufenden Objekts verlangt werden mit der Versicherung, die Summe werde zurückgezahlt, wenn ein Verkauf bis zu einer bestimmten Zeit nicht erfolge. Das Geld wurde durch eine dritte Person abgeholt. Die Leute, die so leichtgläubig waren, auf den Schwindel hereinzufallen, sahen ihr Geld natürlich niemals wieder.
Göppingen, 5. Novbr. Der hiesige Jungliberale Verein veranstaltet in Verbindung mit der Nationalliberalen (Deutschen) Partei in diesem Winter einen zehn Vortragsabende umfassenden politischen Kurs zur Förderung des Interesses an allgemeinen politischen Fragen und im Sinne der staatsbürgerlichen Erziehung. Vorträge werden gehalten über: 1) „Die Reichsverfassung", 2) „Württ. Staatsverfassung", 3) „Reichs-, Landes- und Gemeindesteuern". 4) „Die Deutschen Kolonien", 6) „Der deutsche Reichstag und seine Fraktionen", 6) „Angestelltenrecht", 7) „Handwerkerfragen", 8) „Schutzzoll und Freihandel". 9) „Strafrechtsfragen". 10) „Heer und Flotte". Für die Teilnahme an allen 10 Vorträgen wird eine Einschreibgebühr von 1 Mk. erhoben. Die Vorträge sollen einen rein sachlichen Charakter haben.
Göppingen, 6. Novbr. Heute nacht 4 Uhr ist das bekannte Zigarrengeschäft von Schmied beim Hotel „Sand" mit dem angebauten Kolonialwarengeschäft von Bauer durch ein Schadenfeuer völlig zerstört worden, obgleich der Löschzug und die gesamte freiwillige Feuerwehr rasch zur Stelle waren. Der Schaden ist sehr bedeutend. Die Entstehungsursache konnte noch nicht ermittelt werden. Damit sind wieder zwei alte Gebäude, von denen das letztere Eigentum der Stadt war, in der verkehrsreichen Marktstraße gefallen. Die beiden Nachbargebäude. zwei Hotels, konnten dank dem energischen Eingreifen der Feuerwehr gerettet werden.
Cannstatt, 4. Novbr. Teurer „Heuriger". Bei einer Versteigerung von Weinmoft in der städt. Kelter wurden aus den Kaulla'schen Zuckerweinbergen die 14 Hektoliter Rotgewächs zu 132 und 134 Mk. pro Hektoliter und die 4 Hektoliter Riesling zu 180 Mk. pro Hektoliter verkauft. Der Eimer Riesling kommt darnach auf 540 Mk. zu stehen, ein Preis, wie er bisher unerreicht dasteht.
„Soeben ist er gekommen. Die Herren warten schon.
„Ah. er ist in Gesellschaft?"
„Ja, die Herren spielen immer ihr Partiechen."
„Nun; da will ich nicht stören. Ich werde ihn ! morgen in seiner Wohnung aufsuchen."
Mit eiligen Schritten entfernte sich der Detektiv. Etwa eine Stunde später betrat das Cafe, in dem Herr von Palm im oberen Saale beim Spiel saß, ein feingekleideter Herr. Sein aufrechter, etwas steifer Gang verriet den Aristokraten. Das linke Auge hatte er mit einem schwarzen Tuche verbunden, das fast den ganzen Kof bedeckte. Im rechten Auge trug er ein golgerändertes Monokel. Nachlässig schlenderte er durch den dichtbesetzten Saal. Sein Auge schweifte augenscheinlich interessiert über den Schwarm schwatzender, lärmender, fröhlicher Menschen. Dann stieg er langsam die Treppe zu den Spielsälen empor. Auch hier waren ziemlich alle Tische besetzt. Endlich nahm der alte Herr an einem Tische Platz, an dem niemand saß. Dafür ging es am Nebentisch um so toller her. Hier saßen acht Herren im Spiel vertieft. Vor ihnen lagen Haufen von Gold und Silbergeld. ^
Es wurde gepokert und die Gelder flogen auf dem Tische hin und her. Mit unermüdlicher Ausdauer sah der alte Herr dem Spiel zu. Und als endlich einige der Herren aufstanden, um nach Hause zu gehen, bat der Alte um die Erlaubnis, mitspielen zu dürfen. Man räumte dem neuen Spieler einen Platz neben einem jungen Mann ein, der sich ihm als Baron von Palm vorstellte.
10 Hektoliter Rotgewächs aus der Klett'schen Steinhalde wurden zu 117 Mk. pro Hektoliter versteigert.
Eßlingen, 6. Nov. Ein schönes Denkmal hat sich die Witwe des verstorbenen Arztes Dr. Salzmann gesetzt, indem sie ein Gebäude inmitten der Stadt als Pflegestätte für kleine Kinder der Arbeiterbevölkerung einrichten ließ, deren Mütter genötigt sind, den Tag über außerhalb des Hauses Arbeit zu suchen. Die sämtlichen Unterhaltungs- und Verpflegungskoften werden von der edlen Wohl- täterin selbst bestritten. Die Räume bestehen aus Kinderzimmern, Badestube, Schlafraum, Garderobe, Küche, schön angelegter Terrasse, die in den für die Kinder bestimmten Garten führt, sowie den Wohnungen für die Pflegerinnen. Alles ist neuzeitlich mit Gas, Warmwasserheizung usw. versehen.
Backnang, 5. Nov. Der Zusammenbruch der Vereinigten Lederwerke L. Uebinger, Graubner und Scholl G. m. b. H. in Höchst a. M. und Backnang erregt weit über die interessierten Kreise der Lederbranche hinaus großes Aufsehen. Die verschiedensten Sanierungspläne konnten infolge des Widerstandes der Hamburger Gesellschaften nicht verwirklicht werden und der Konkurs wurde jetzt eröffnet. Am 29. ds. Mts. findet in Backnang die erste Gläubigerversammlung statt. Zum Konkursverwalter wurde Dr. Nördlinger in Stuttgart ernannt. Die Lederwerke L. Uebinger in Backnang standen schon vor Jahren vor dem Zusammenbruch und die Umwandlung der Firma in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung vermochte die jetzt eingetretene Katastrophe nur kurze Zeit aufzuhalten. Hauptlieferanten der Vereinigten Lederwerke waren die Firmen W. Rockmann in Straßburg und Johann Huber in Jmmenstadt, die selbstverständlich stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Den etwa 4ff, Millionen Passiven stehen nur sehr geringe Aktiven gegenüber. Als beteiligte Bankinstitute kommen die Württ. Vereinsbank und die Württ. Bankanstalt mit ungefähr 400000 in Betracht. Als Sicherheiten sollen diesen Forderungen jedoch genügende hypothekarische Verpfändungen gegenüberstehen. Beteiligt ist ferner die Bank von Elsaß-Lothringen in Straßburg mit einem Kapital von über ff, Million Mark. Interessiert sind weiter Chr. Stähling. L. Valentin u. Co., Kom.-Ges. auf Aktien in Straßburg.
Freuden st adt, 3. Novbr. Das Komitee zur Errichtung einer Schwimmbadanlage hat die Badanlage des Göringerschen Etablissements in Rippoldsau eingehend besichtigt und kam zu der Ueberzeugung, daß es möglich sein werde, mit einer Summe von 100 000 Mk. ein schönes Schwimmbad zu erstellen.
Freudenstadt, 5. Nov. Ein schönes Meteor soll am Donnerstag abend gegen 7 Uhr zu beobachten gewesen sein. Es bewegte sich in ziemlicher Geschwindigkeit in nordwestlicher Richtung am Himmel, um dann wieder in den Wolken zu verschwinden, und verbreitete eine auffallende Helligkeit am Nachthimmel.
Huzenbach OA. Freudenstadt, 3. Nov. Einen seltenen und unerwarteten Gast erhielt am Sonntag
abend Maurermeister Pfeifle in der Ledergasse.
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Niemand achtete auf die Uhr. Erst als die Flammen verlöschten und die ersten Strahlen der Morgensonne durch die hohen Bogenfenster drangen, warf man die Karten endlich zusammen.
Der alte Herr wandte sich freundlich an seinen Nachbar: „Herr Baron wohnen hier in der Nähe?"
„Nein, leider nicht! Ich bin ganz draußen in einem westlichen Vorort zu Hause," erwiderte Palm. ! „Ach, das trifft sich gut," entgegnete der Alte, j „So haben wir bis zur Bahn denselben Weg."
„Ich möchte noch nicht nach Hause gehen. Es ist eine niederträchtige Geschichte. Früher hatte ich hier ganz in der Nähe eine famose Unterkunft. Einer der Herren, mit dem ich zu spielen pflegte, wohnte dort und wir, ein Freund von mir und ich, übernachteten häufig bei ihm, wenn es zu spät geworden war. Wenn man jetzt den Zug versäumt, so muß man immer den Morgen absitzen."
Damit erhob er sich, nahm seinen Hut und verabschiedete sich.
„Trifft man häufig hier so angenehme Gesellschaft?" fragte der alte Herr noch.
„Wenn es Ihnen Spaß macht, können Sie uns morgen abend um dieselbe Zeit wieder treffen."
Als letzter Gast verließ Breitfeld — er war der alte Herr — das Cafä.
Als er in seinem Heim angekommen war, legte er seine Verkleidung ab.
(Fortsetzung folgt.)