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Neuenbürg, Mittwoch den 5. Oktober MO

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RunSschau

Berlin, 3. Okt. Im Laufe des gestrigen Tages hat die Kriminalpolizei wegen der Unruhen in Moabit 24 Personen, die sich an den Streikun­ruhen beteiligten, festgenommen, darunter zwei, die nachweislich auf die Polizei geschossen haben. Die Verhafteten sind zum großen Teil organisierte. Es befinden sich darunter auch streikende Arbeiter der Handelsgesellschaft der Apotheker. Diese haben Automobile mit Lebensmitteln für die Arbeitswilligen betriebsunfähig gemacht, indem sie die Pneumatiks zerschnitten. Zu den Verhafteten gehört auch ein alter Bekannter der Strafbehörde, der sich bei den Wahlrechtsdemonstrationen beim Einzug des Königs Eduard im Februar d. I. hervortat. Er wurde damals als Führer festgenommen und zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Vier der Verhafteten sind streikende Arbeiter der Firma Kupfer u. Cie.

Köln, 4. Okt. In dem Vorort Deutz kam es gestern abend zu schweren Streikunruhen. Bei Abbrucharbeiten an der Umwallung waren die Ar­beiter eines Unternehmers in den Ausstand getreten. Auf ihrer Stelle waren von auswärts bezogene Arbeitswillige zum erstenmale an die Arbeit ge­gangen. Als sie unter polizeilicher Bewachung nach dem Bahnhof geführt wurden, um die Heimfahrt anzutreten, stürzten sich etwa 200 Personen aus die Arbeitswilligen und die Polizei. Es kam zu einem förmlichen Handgemenge. Ein Hagel von Steinen überschüttete die Beamten, die, nur 5 Mann start, sich zurückziehen mußten. Als die vom Polizei­präsidium aus sieben Revieren zusammengezogenen Schutzmannschaften in Deutz erschienen, hatte sich die Menge verzogen.

Das Deutschtum in Ungarn macht stetige Fortschritte. Die 40 000 schwäbischen Bauern, welche die Kaiserin Maria Theresia in den Jahren 1764 und 1765 in das durch die Türkenkriege verwüstete Ungarn berief, sind heute, nach 145 Jahren, allein im Temeser Banat auf 600 000 angewachsen. Die Gesamtzahl der Schwaben in Südungarn beträgt 900000. Dazu kommen noch etwa 250000 Sachsen in Siebenbürgen, ebenso viele Deutsche in und um Ofenpest, 100000 im Bakonierwald (Weißburger Komitat), 150000 in Nordungarn (Zips, um Krem- niß, Deutsch-Proben, um Munkacz) und 600000 Deutsche in Westungarn (Oedenburg, Wieselburg und Eisenstadt). Dies ergibt zusammen 2 250000 Deutsche sür Ungarn. Auch die im Gebiete der Schwaben angelegten französischen Kolonien und viele dazwischen befindliche ehemalige serbische und rumä­nische Dörfer tragen jetzt deutschen Charakter.

Ein Millionenschwindel. Die Verhaftung des Berliner Bankiers Sattler gestaltet sich zu einer der größten Sensationen der letzten Zeit. Bis­her liegen etwa 2800 Anzeigen von Geschädigten vor. Die Anzeigen kommen durchweg von kleinen Rentnern und Beamten aus der Provinz, die von den Agenten Sattlers ausgesucht und bearbeitet worden waren, sich in Börsenspekulationen einzulassen, und auf diese Weise ihr kleines Vermögen verloren haben. Sattler hat in fünf Jahren etwa 2Vi Mil­lionen Mark verdient, die er bei ausländischen Banken in Sicherheit gebracht hat. Der Bankier war bei seiner Verhaftung sehr wütend und verlangte, daß seine Entlassung schnellstens erfolge, da alle seine Börsengeschäfte amtlich zugelassen seien. Ob er wegen Betrügereien strafrechtlich verurteilt werden kann, wird selbst von behördlicher Seite bezweifelt.

Mannheim, 1. Okt. Die Sunlight-Seifen- fabrik plant die Wegverlegung ihres Etablissements. Um diesen Entschluß rückgängig zu machen, hat der Stadtrat Verhandlungen mit der Fabrikdirektion an­gebahnt, welche bereits zu dem gewünschten Erfolg geführt haben sollen.

Viersen, 4. Okt. Der Fabrikbesitzer Kaiser hat aus Anlaß seiner Ernennung zum Kommerzien­rat für seine Arbeiter und Angestellten 100000 Mk. gestiftet, außerdem zum Bau einer Festhalle 150000 Mark und für andere gemeinnützige Zwecke 30000 Mk.

Infolge der großen Konkurrenz und ungünstigen Zeitverhältnisse mußte die Ziehung der Baden-

Badener Geldlotterie vom 27. September auf 31. Oktober verlegt werden. Für nur 1 Mk. kom­men Gesamtgewinne im Betrage von 45800 Mk. zur Verlosung. Der Hauptgewinn beträgt 20000 Mark. Bei der Nürnberger Geldlotterie kommen Hauptgewinne von 100000 Mk., 50 000 Mk., 30000 Mk. usw., zusammen 16887 Gewinne im Betrage von 440 000 Mk. zur Verlosung. Die Ziehung findet vom 20.22. Oktober statt.

Gleiwitz, 3. Okt. Der Amtsrichter Siebe ist im Czernitzer Forst von Wilderern erschossen worden.

Oppenau, 1. Oktbr. Von hier wurden über 1800 Zentner Heidelbeeren versandt. Der Erlös betrug etwa 22 000 Mk. Das Kirchspiel Peterstal dürfte eine Einnahme von rund 50000 Mk. aus dem Verkauf von Heidelbeeren erzielt haben.

Eine Bombenexplosion ist auf dem Baseler Bahnhofe in Zürich vorgekommen. Dort waren zwei Bahnbeamte mit dem Einladen von Koffern beschäftigt, die aus Amerika kamen und auswandernden Russen gehörten. Als einer der Beamten einen Koffer fallen ließ, erfolgte eine furchtbare Explosion, durch die die beiden Beamten schwer verletzt wurden. In dem Koffer war eine Bombe verpackt. Der Eigentümer des Koffers, ein Russe aus Agram, wurde verhaftet.

New-Aork, 4. Okt. Eine Feuersbrunst, die auf dem Häuserblock der 24. Straße und der 11. Avenue ausgebrochen war, hat ein dort befindliches Holzlager und ein Hotel zerstört. Gegen Mitter­nacht war der Brand noch nicht gelöscht und breitete sich in der Richtung des Depots der Baltimore- und Ohio-Eisenbahn und nach der 10. Avenue hin aus.

Württemberg.

Stuttgart, 3. Okt. Der Denkmalausschuß für die Errichtung eines Reformationsdenkmals für Württemberg erläßt einen öffentlichen Aufruf zur Zeichnung von Gaben zur Errichtung eines württ. Reformationsdenkmals. Aus den bis jetzt schon ein­gegangenen Gaben darf der Schluß gezogen werden, daß der Aufruf an die evangelische Bevölkerung die erforderlichen Mittel im Betrag von 50000 Mark zusammenbringen werde.

Stuttgart, 3. Oktober. Bei dem Umzug der Königsdragoner in die neue Staigkaserne erregte ein kleiner Junge die Aufmerksamkeit des Publikums, der in der ordonanzmäßigen Uniform des Regiments auf einem Pony saß und im Zuge mitritt. Er hatte sich an der König Karl-Brücke zur Begrüßung seiner Kameraden eingefunden und sich, stramm salutierend, mit den zur Bewillkommnung erschienenen Artillerie­offizieren beim Marsch durch Cannstatt an die Spitze des Regiments gesetzt. Der Junge, der Sohn eines Cannstatter Pferdehändlers, ist den Dragonern längst eine wohlbekannte Erscheinung und bei ihnen wohl­gelitten, denn längst hat er sich in treuer Kamerad­schaft ihnen angeschlossen. Auf seinem Pony hat er forsch und schneidig bei den Uebungen auf dem Cannstatter Exerzierplatz schon manche Attacke mit­geritten und sich damit ein unbestrittenes Anrecht darauf erworben, mit seinen Freunden in ihr neues Heim einziehen zu dürfen.

Stuttgart, 3. Okt. In der Frage der Bildung eines Landesausschusses für Leibesübungen der schul­entlassenen Jugend fand am Samstag hier eine Versammlung statt, in der Turnlehrer Held-Reut­lingen Vorschläge über die Bildung des Landes­ausschusses und über die Aufgaben machte; es wurde ein geschäftsführender Ausschuß gewählt, der eine Prüfung dieser Vorschläge vornehmen soll.

H.-X. Stuttgart, 3. Okt. (Die erste württ. Jurist in). Einer kürzlichen Sitzung des hiesigen Jugendgerichtshofs wohnte auch eine junge Dame, die Tochter des Generalstaatsanwalts Dr. v. Rupp, bei. Fräulein Rupp absolvierte das hiesige Mädchen­gymnasium und studiert als erste Württembergerin seit zwei Jahren Jurisprudenz und zwar in Straß­burg. Für Juristinnen bietet sich gerade auf dem neuen Gebiete der Jugendgerichtspflege ein geeignetes Feld zur Betätigung, dem sich auch Frl. Rupp zu­wenden dürfte.

68. Jahrgang.

R.-L. Stuttgart, 3. Okt. Die Auswüchse im Tuch- und Kleiderversand haben den hiesigen Bund für Handel und Gewerbe veranlaßt, eine Organi­sation der Schneidermeister ins Leben zu rufen.

Stuttgart, 4. Oktbr. Nachdem die Fünfzig­pfennigstücke außer Kurs gesetzt sind, werden die neuen Fünfundzwanziger in den Verkehr gebracht. DieMünzen" geben sie sackweise zu hundert Mark an die öffentlichen Kassen und Banken aus. Da seit der erstmaligen Ausgabe derneuen Spielmarke", wie der Volkswitz die schönen Fünfundzwanziger taufte, schon ziemlich lange Zeit, ein volles Drei­vierteljahr, verstrichen ist und man sie nur vereinzelt als Zahlmittel auftauchen sah, so war in weiten Kreisen die Anschauung vertreten, daß dieneue Spielmarke" aus dem Verkehr überhaupt zurück­gezogen worden sei. Daß dem nicht so ist, beweist das neueste Vorgehen der Münzämter.

Tübingen, 3. Oktober. Die Stadt Tübingen braucht Geld, einmal zur Ablösung ungünstiger Schulden, dann aber vor allem zu den vielen großen und kostspieligen Arbeiten, die schon seit längerer Zeit im Gange sind. Es handelt sich dabei vor allem um die Neckarkanalisation mit der Stauwehr­und Elektrizitätswerksanlage, um die Steinlach­korrektion rc. Es wird daher eine Anleihe von 3 Millionen Mark in Obligationen zu 4 Prozent ausgegeben werden, wozu das Ministerium bereits die Erlaubnis erteilt hat. Die Tilgung soll in 50 Jahren erfolgen.

Tübingen, 3. Oktober. Die ehemalige Fleisch­warenfabrik im Industrieviertel wurde von Berlags- buchhändler Dr. Siebeck um 83 500 Mk. gekauft, der sie als Magazin verwenden will.

Gmünd, 3. Oktbr. Der Gemeinderat hat be­schlossen, für die Beteiligung der württembergisch- hohenzollerischen Vereinigung für Fremdenverkehr, an der internationalen Ausstellung, die 1911 in Berlin stattfindet, einen Garantieschein über 300 Mk. zu unterzeichnen, Heilbronn hat 500 Mk., Hall 300 Mk. und Stuttgart 1000 Mk. gezeichnet. Ob­wohl der hiesige Fremdenverkehrsverein von der Stadt jährlich 500 Mk. erhält, gibt ihm die Stadt zur Belegung von 3 Quadratmetern der Ausstellung einen außerordentlichen Beitrag von 150 Mk.

Eßlingen a. N., 3. Okt. Die Arbeiter der Lederfabrik I. H. Roser sind, nachdem eine Einig­ung mit der Firma nicht zu erzielen war, in den Aus st and getreten.

Sontheim, 3. Oktbr. Auf eine 60jährige Dienstzeit bei einer und derselben Herrschaft kann die in den 70er Jahren stehende, von hier gebürtige Katharina Kurz zurückblicken, die bei der Witwe des früheren Oberbürgermeisters Zerrenner in Pforzheim im Dienst steht.

Kirchheim u. T. Bei der im Lauf des Sep­tember in Stuttgart vor der Kgl. Kommission ab­gehaltenen Einjährig-Freiwilligen-Prüfung hat die hiesige Handelsschule zwar nicht, wie schon oft in letzter Zeit, einen vollen Erfolg erzielt, aber doch ganz befriedigend abgeschnitten. Von den von der Direktion zur Prüfung bestimmten Zöglingen haben nämlich zehn dieselbe bestanden, während es zwei Schülern, teilweise infolge Kränklichkeit, noch nicht gelungen ist, den Berechtigungsschein zu erhalten. Besonders hervorzuheben ist, daß unter den Be­standenen einige sind, die in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit, trotz geringer Vorbildung, ihr Ziel er­reicht haben.

Ebingen, 3. Okt. Vor einiger Zeit ging die Mitteilung durch die Presse, daß in einem Bezirk des Landes die sogenannten Rekrutensammlungen verboten worden seien. Die hiesigen Rekruten, 34 an der Zahl, hatten kürzlich bei einem Rundgang durch die Stadt eine solche Sammlung von Ge­schenken veranstaltet, die die Summe von 1610 Mk. ergab.

Böblingen, 3. Oktober. Den eifrigen Nach­forschungen des Stationskommandanten gelang es, die Entstehungsursache des Brandes im Gasthaus zumRitter" zu ermitteln. Der 11jährige Sohn des Fuhrmanns Maier spielte in der Scheuer mit Zündhölzchen und warf ein brennendes weg, wodurch das auf dem Boden liegende Stroh in Brand geriet.