Schnellfeuer sich auf mich stürzten, als sei ich irgend eine Sensation. Ich hatte mich darauf gefreut, daß ich bei der Einfahrt in den Hafen mir die Befreiungsstatue mit guter Muße ansehen könne, aber man hat mich mit Beschlag belegt und ich habe die Sratue gar nicht gesehen."
Die billige Ferienreise. Mitte vorigen Monats traf ich, so erzählt man der „Frkf. Zig.", auf der Fahrt mit der Schwarzwaldbahn einen Zweijährigen in Uniform, der mir durch seine lebhaften munteren Augen und sein beständiges Aufzeichnen in sein Notizbuch auffiel. Wir kamen durch seine Wißbegier ins Gespräch. Wie die Station heiße? Wie hoch sie liege? Was ein Kehrtunnel sei? Was im Schwarzwald gearbeitet würde, wo Garnison liege usw. Es war ein zwanzigjähriger Fabrikarbeiter aus der Umgegend von Chemnitz, der eine 14tägige Urlaubsreise über Schaffhausen, Konstanz, Lindau, Bregenz, Augsburg, München und Nürnberg zurück nach Chemnitz machte. Sein Gepäck bestand aus einem Päckchen, das bequem in eine Zigarrentasche hineinging, sein Reisegeld aus 50 „Die Hab' 'ch mer g'sport." Denn er bekäme täglich 27 „Pfenn'ch" und an Trinkgeldern als Offiziersbursche durchschnittlich etwa 15 Mark monatlich. „So scheene wie bei's Milledär Hab' 'ch's nie wedder; alle Dage Fleesch essen" usw. Natürlich war ich neugierig, zu erfahren, wie er es anfing, eine vierzehntägige Reise mit 50 Mk. zu machen. Da blitzten seine Augen so lustig, als wollten sie sagen: mer Sachsen sein Helle. An Fahrgeld brauchte er nur die Hälfte dritter Klasse zu zahlen. Dann richtete er es stets so ein, daß er am Abend in einem Ort anlangte, wo Militär liegt. „Da müssen se mer uffnähmen, Quartier und zu essen gäben". Ich fing an zu begreifen; aber woher das zweite Frühstück, das Mittagbrot, der berühmte sächsische Nachmittagskaffee mit Bemmchen? Wieder Antwort mit vergnügten Augen: „Sie glooben gar- nich, wie viel ich Sie friesticken gann." Der tapfere Vaterlandsverteidiger aß also auf Vorrat. „Und für e Schälchen Heeßen reicht's schon." Damit klopfte er stolz auf seine Tasche mit den „gesparten" 50 Mk. Aengstlich besorgt wollte er wieder und immer wieder wissen, „wo die Schweiz anfängt", denn sein Hauptmann hatte ihm streng verboten, die Grenze zu überschreiten. „Aber nach Bregenz därf 'ch, mer sind doch Verbindet?." Auf die gastliche Aufnahme bei den „Bundesbriedern" schien er sich besonders zu freuen.
Reicht nicht. Ein Student in Leipzig schrieb — so erzählt man der „Tägl. Nundsch." — im Jahre 1849 seinem Vater um 50 Taler, er müsse Kollegiengelder und Schulden bezahlen. Der alte Herr, der sich das Schuldenmachen streng verbeten
Der Assessor wurde immer wütender.
„Ich will doch nicht nach Buchenhain und Grune- wald," heulte er, „ich will in's Forsthaus."
„Dann steigen Sie man auf," entgegnete Klaus ruhig.
Und der Assessor mußte, ob er wollte oder nicht. Vorsichtig hob er seine Rockschöße hoch und kletterte auf. Noch in der Schwebe, das eine Bein draußen, ließ der Alte kräftig anziehen.
„Au," brüllte der Assessor, „ich bin ja noch nicht eingestiegen. Gleich brech ich noch das Genick in diesem jämmerlichen Nest."
Gleichmütig drehte sich Klaus um und meinte verwundert: „Ach so, ich dachte Sie wären drin gewesen."
Endlich war er's und versuchte sich auf die knorrige Stange zu setzen. Sprang aber nach einer halben Minute wieder auf.
„Solche Gemeinheit," schrie er, „das kann kein Mensch aushalten."
„Versuchen's nur mal," tröstete Klaus, „wenn Sie's gewohnt find ... ."
„Der Teufel hol' die Gewohnheit," wütete der Assessor, „und Euch dabei."
Aber der Alte hatte seinen Gaul mittlerweile in einen Zuckeltrab gesetzt und der arme Assessor mußte — mußte sich auf die Stange setzen, wollte er nicht riskieren, daß er bei dem holperigen Weg über Bord schlug.
Nachmittags um vier Uhr kamen sie vor dem Forsthaus an. Klaus hatte es verstanden, aus dem zwei Stunden langen Weg fünf Stunden zu machen und dazu die schlechtesten Wege ausgesucht, die es gab. Er war ehrlich müde dabei geworden und das Pferd noch viel mehr und der Assessor gar — der war kaum fähig zum sitzen, und liegen und stehen, dem dünkte es am Ende seiner Kraft.
In der Tür wurden sie von Förster Bartels in Empfang genommen, dem der alte Klaus verständnisvoll zuwinkte, worauf sich das brummige Gesicht
hatte, schickte indes dem flotten Sohn nur 30, dazu irrte er sich in der Portoberechnung, so daß der Brief nicht genügend frankiert war. Die Post schrieb daher, wie damals die übliche Formel lautete, „Reicht nicht" mit roter Tinte unter die Worte „inliegend dreißig Taler". Dem Studiosus war aber die Floskel unbekannt, und schon ärgerlich durch die getäuschte Hoffnung ergrimmte es ihn vollständig, daß auch noch' die Post Glossen darüber mache. Wütend läuft er in die Expedition und spricht zu dem Postsekretär: „Herr, es hat sich jemand einen schlechten Wiß erlaubt, und ich werde deshalb beim Hrn. Oberpost- amts-Direktor Klage führen. Reicht nicht. Das weiß ich wohl, daß ich nicht damit auskomme, aber das geht die Post gar nichts an, die hat sich nicht um meine Moneten zu kümmern." — Der Postsekretär hatte Mühe, ihm die Sache klar zu machen,
— dann lachten sie beide.
Das vielseitige „Kärtche". Mit der Einführung der Bahnsteigsperre war auch die Ausgabe einer Karte notwendig geworden, die das Betreten des Bahnsteigs für die Nichtreisenden gestattete. Oft kommt es aber vor, daß die Leute den Automaten nicht sehen und am Fahrkartenschalter eine Bahnsteigkarte verlangen. In welch drolligen Ausdrücken das mitunter geschieht, davon zeugt nachstehende Sammlung, die, dem „Mannh. Gen.-Anz." zufolge, von den Beamten der Frankentaler Station zusammengestellt wurde. Es wurde verlangt: e Kärtche for nei un raus — e Uebersteigbillett für naus uffs Trottoir — e Trottoirbillett — e Sperrkarte — e Kart for mein Mann zu begleite, i bleib do — eine für an de Zug — e rüber und e »über
— durch un wieder heim — for zehn Pfennig do naus — e Durchgehkart — e Uebertrittsbillett — e Perronsteigkart — e for üwer de Bahnsteig — e Steigkarte — e Perrökart — e Abholbillett.
Das Telephon als Wünschelrute. In der Nähe von Paris haben, wie der „Prometheus" (Verlag von Rudolf Mückenberger in Berlin IV io) mitteilt, kürzlich Versuche mit einem von Ingenieur Dienert erfundenen Apparat zur Aufsuchung unterirdischer Wasseradern stattgefunden, die zufriedenstellende Resultate ergeben haben sollen. Die moderne Wünschelrute besteht in der Hauptsache aus einem empfindlichen Mikrophon mit Höhrrohr, das unterirdische Geräusche verstärkt und dadurch dem Ohr deutlich vernehmbar macht. Fließendes Wasser soll im Apparat ein Geräusch Hervorbringen, das dem Sausen des Windes im Walde ähnlich klingt, Tropfenfall in unterirdischen Hohlräumen gibt ein Geräusch wie dumpfer Glockenschlag. Bei den erwähnten Versuchen wurden in einem wasserarmen Seitental der Marne mehrere Wasserläufe in einer Tiefe von 15 Metern festgestellt, von deren Vor
merkwürdig aufheiterte, so daß er ein joviales „Grüß Gott" knurren konnte.
Der Assessor wankte wie ein Trunkener auf das Haus zu, von dem Förster in die Stube begleitet, wo er ihn bat, an dem Tische Platz zu nehmen, wo gerade die Magd saß und ein quiekendes Schwein- chen mit Milch päppelte.
> „Nehmens nur Platz Herr," ermunterte er den Assessor „und langen's zu. Ich hol die Büchsen und dann gehen wir zum Anstand."
„Jetzt schon," ächzte der Unglückliche, der mit Abscheu den angewiesenen Platz musterte.
„Freilich, freilich!" nickte der Förster eifrig. „Wir haben immer noch 'nen Weg vor uns und wollen doch was getan kriegen."
Was blieb ihm übrig? Er war dem Förster für vierzehn Tage überliefert. Und resigniert folgte er, nachdem er noch den Rock mit einer Lodenjoppe vertauscht. Durch dick und dünn ging's bergauf und bergab, immer im Geschwindschritt, volle vier Stunden. Der Schweiß rann ihm über's Gesicht, das schon von den Dornen blutig geritzt war. Und der Jäger kannte kein Erbarmen, immer sah er geradeaus. Bis es dämmerte, da machte er in einer Talsohle halt.
„So," sagte er, „nun paßen's auf. Dort hinten kommt ein starker Bock aus dem Gehölz, den können Sie nicht sehen. Ich paß derweil hier auf."
Der Assessor, todmüde wie er war, lehnte sich gegen einen Baumstamm und lugte auf das Gehölz zu. Sehen konnte er nichts. Es flimmerte ihm nur so vor den Augen. Wie oft hatte er schon die Jagd verwünscht. Er hatte sie satt und wollte —
Drüben regte sich was. Der Assessor zuckte zusammen. Ah dort einen dunklen Schatten — der Bock. Vorsichtig ging er mit dem Gewehr hoch — krach —
Ein Freudengeheul ausstoßend lief er dem Walde zu. Auch der Förster. Im Gebüsch lag die Beute — ein Jagdhund — mausetot.
handensein mit unbewaffnetem Ohre nichts wahrgenommen werden konnte, während das Rauschen im Telephon ihre Anwesenheit deutlich anzeigte.
Die Schwalbenschwanz-Schleppe. Nicht einmal mehr die durch eine so lange Ueberlieferung geheiligte Form der Schleppe besteht vor dem strengen Urteil der neuesten Mode. Lady Duff-Gordon, die englisch-amerikanische Modekönigin, hat erklärt, daß es mit „königlichen Falten" und mit Stoffüberfluß allein nicht mehr gemacht sei, sie hat daher als Neuestes von Neuem die Schwalbenschwanz-Schleppe erfunden. Das erste Modell aus der Werkstatt ! Lady Duff-Gordons, das mit dieser neuen Schleppe versehen war, bestand aus changierender blauer Seide. Eine Art Ueberkleid aus blauer Spitze bedeckte die Schultern, die Taille und die Hüften. Der „Schwalbenschwanz" wurde dadurch erreicht, daß die Schleppe in der Höhe der Kniekehlen geteilt war i und so auf jeder Seite getrennt herniederfloß. Der j Eindruck, den die Neuerung macht, soll ebenso eigenartig wie kleidsam sein, und sie soll die Vorläuferin - einer ganz neuen Moderichtung sein. !
(Urlaub.) „Wie lange gedenken Sie denn in Urlaub zu bleiben?" — „Nicht lange. Ich will nur die nötigsten Ansichtskarten schreiben." ^
(Nach und Nach) „Wie finden Sie das neue l Sittenstück?" — „Einfach skandalös. Nach dem ! ersten Akt habe ich meinen Mann nach Hause geschickt, nach dem zweiten meine Tochter, und nach dem dritten bin ich selbst gegangen!"
(Mildernder Umstand.) Dame (zum stellesuchenden Mädchen): „Haben Sie einen Schatz?"
— Dienstmädchen: „Der kommt sowieso — 's ist der Briefträger."
(Mißglückte Ausrede.) Gattin (als ihr Mann abends noch weggeht): „. . . Eine Briefmarke willst du holen? Drüben im Zigarrengeschäft sind immer welche vorrätig." — Er: „Nein, nein; ich geh' in den „roten Hirsch" ... da sind sie besser."
Aufgabe.
Auf einem Zahlbrett lagen 20 Münzen: Frankstücke, Markstücke und Silberrubel. Rechnet man den Frank gleich 0,80 Mark, den Silberrubel gleich 2,25 Mark, so war der Wert der 20 Münzen gleich 29 Mark. Wieviel Frankstücke, wieviel Markstücke und wieviel Silberrubel waren unter den 20 Münzen.
Auflösung des Rätsels i« Nr. 133.
Man muß 6 mit 175, 5 mit 172 multiplizieren. Richtig gelöst von A. Löhr z. Zt. Kurgast in Bernbach; Christin« Rühle, Bäckers Tochter, und F. Bürkle in Conweiler; Wilhelm Finter in Schwann.
Der Assessor stand wie geknickt.
, „Herr," brüllte ihn der Förster an, „Sie sind doch gekommen auf Rehböcke zu jagen und zum Dank dafür schießen Sie meinen besten Hund tot. Wissen Sie was der unter Jägern wert war?"
Der arme Kerl konnte kein Wort sagen. Wortlos starrte er das Opfer feiner ersten Jagd an.
„Wieviel, wie hoch", stotterte er.
„Unter dreihundert Mark hätte ich ihn meinem ! Herrn nicht verkauft," polterte der Förster.
„Schweigend holte der Assessor seine Brieftasche ! heraus und gab ihm vier blaue Lappen.
„Da" sagte er noch immer stotternd, „und Sie erzählen nichts, nicht wahr."
„Ich kann schweigen," sagte der Förster, dem es verdächtig um den Mund zuckte.
Der Jagdeifer war aber für heute vorbei und schweigend ging man nach Hause. Kurz vor Mitternacht kamen sie an der Försterei an. Mit dem Assessor war's völlig zu Ende. Fast tot fiel er angekleidet auf das ihm zugewiesene Bett.
Der Förster aber ging schmunzelnd zum Klaus.
„Den werden wir morgen schon wieder los Alter", sagte er gut gelaunt und reichte ihm dabei zwei von den blauen Scheinen. „Das ist für Dich und dann gehst Du morgen früh und gräbst dem Hofbauer seinen verendeten Hund in die Erde. Das arme Vieh ist zweimal gestorben. Einmal krepiert und einmal von dem da erschossen. Aber gut war's doch."
Und beide lachten geheimnisvoll.
Am nächsten Morgen aber muße der Assessor unbedingt wieder abreisen. Es war ihm in der , Nacht eine sehr wichtige Angelegenheit eingefallen, die keinen Aufschub duldete.
Die beiden glaubten's.
Später hörten sie, der unglückliche Jagdgast wäre vier Wochen in einer Nervenheilanstalt gewesen.
Redaktion, Druck und Verlag von L. Meeh in Reueubürg.