Verhandlung endigte mit dem Freispruch des Redak­teurs; die Widerklage wurde zurückgewiesen. Die Kosten fallen zu den geistlichen Klägern und zu */«> dem Widerkläger Alt zu. Die Verhandlung war reich an Zwischenfällen; besonders interessant war, was da durch die Beweisaufnahme festgestellt wurde. Durch die eidliche Aussage eines Zeugen wurde konstatiert, daß der Pfarrer Weiß in Meers­burg fast im gleichen Moment, nachdem er einem Todkranken die Sterbesakramente gespendet hatte, ihm das Abonnement auf die ultramontanenKonst. Nachrichten" empfohlen hatte mit der Bemerkung, daß es gottlos sei, ein Blatt zu halten, das die katholischen Geistlichen hätten wegen Beleidigung verklagen müssen. Einem jungen Geschäftsmann in Meersburg hat der Herr Pfarrer gedroht, wenn er halsstarrig sei und weiter die liberale Zeitung lese und halte, werde ihmdas Licht ausgeblasen" werden. Es wurde ferner festgestellt, daß der Pfarrer von Owingen mit dem Redakteur desLinzgauboten", an dem auch katholische Geistliche Aktionäre sind, in der Gemeinde Hohenbodmann von Haus zu Haus lief, um die Leute zu veranlassen, denSeeboten" abzubestellen und dafür denLinzgau-Boten" zu abonnieren. Dabei ist aber das Zentrum bei Leibe keine konfessionelle Partei.

Wiesbaden, 29. Juli. Ein ebenso raffinierter wie origineller Gaunertrick wurde in den letzten Tagen im Dorfe Ershausen-Sulzwiesen ausgeführt. Zu später Abendstunde, als die meisten Dorf­bewohner schon im ersten tiefen Schlummer lagen, klopft es an einem der Fenster. Auf die Frage des Hausherrn: Was gibt's? erfolgt die schlagfertige Antwort: Ein Telegramm! Hier ist es; es kostet, weil's Nachtzeit ist, 2 Mk. Zustellgebühr! Halb im Schlafe zahlt der Bauer seine 2 Mk. und macht sich voller Aufregung an die Lektüre des geheimnis­vollen Zettels. Auf diesem steht in lakonischer Kürze die Aufforderung: Morgen früh 10 Uhr auf der Staatsanwaltschaft zu W. vorsprechen. Der Bauer verbringt in Sorge und Unruhe eine kummervolle, schlaflose Nacht, bis er am nächsten Morgen erfährt, daß noch eine ganze Anzahl ähnlicherTelegramme", natürlich zu den unentbehrlichen 2 Mk., verabfolgt worden waren. Der Telegrammträger war längst mit seinem Gelde über alle Berge; die Avisierten aber hatten zu dem Schaden noch den Spott zu tragen.

Aus dem Rheingau, 1. Aug. Ein neues Fehljahr droht den Winzern. Das furchtbare Unwetter im Mai hat mit der Zerstörung des Bodens den Anfang gemacht, die lange Regenzeit und der kalte Sommer haben die Blüte allzuweit hinaus­gezogen, die in manchen Gegenden dann noch bis zum 3. Teil dem Heuwurm zum Opfer fiel. Im Rüdesheimer Berg" hat er sogar ganze Arbeit gemacht und die Ernte vernichtet. Im oberen Rhein­gau dürfte es kaum einen halben Herbst geben. Dazu treten nun noch die Blattkrankheiten Oidium und Peronospora. Aus Rheinhessen wird Aehnliches gemeldet.

Petersburg, 1. Aug. Gestern machte auf dem Landguts in Berlin der Inhaber eines der an­gesehensten Bankgeschäfte Petersburg Trapesnikow

--«WW»>WW»>>W»W>M>WSS»WSM»WM»MW>>WSLW>SWWM>UW>WMI

stieg die Treppe empor und klopfte an die Tür des Malers. Erst auf wiederholtes Klopfen erklang von innen ein mattesHerein!" Dem Eintretenden bot sich ein bejammenswerter Anblick dar. Auf dem Sopha ausgestreckt, die Augen halb geschlossen, das feuchte Haar in wirrer Unordnung, lag der Maler da, scheinbar zu sehr mit sich selbst beschäftigt und des Eintretenden kaum achtend. Erst als dieser sich teilnahmsvoll nach dem Erfolg der heutigen Berg­tour und nach seinem und seiner Gattin Ergehen erkundigte, erfolgte ein plötzliches Aufleuchten der Augen, und sich scheinbar mühsam vom Lager er­hebend, ächzte der Gefragte, das Antlitz mit beiden Händen, die fieberhaft zitterten, bedeckend:Meine Gattin tot!" Nach mehreren vergeblichen Ver­suchen des Wirtes, näheren Aufschluß über den Un­glücksfall zu erhalten, teilte ihm endlich der Maler in oft zusammenhangloser Rede mit, seine Gattin habe sich, vertieft in den wundervollen Anblick, den das Panorama von der Hochjochhöhe aus darbot, etwas zu weit nach vorn gewagt, sei infolge des noch immer schlüpfrigen Erdbodens ausgeglitten und in die etwa 200 Meter tiefe grauenvolle Kaiserschlucht" abgestürzt! Ein dumpfes Stöhnen folgte diesen Worten.Aber hatten Sie denn klares Wetter?" fragte der Hotelwirt weiter, wohl wissend, daß gerade der dem Nebel folgende Regen oft ein Zeichen beginnender Aufklärung ist, die naturgemäß sich zuerst auf den Höhen geltend macht.Wunder­bar klar!" lautete die mit brechender Stimme ge­gebene Antwort. Die folgenden Stunden

seinem Leben durch einen Revolverschuß ein Ende, kurz nach einer kleinen Festlichkeit, die er in seiner Villa veranstaltet hatte. Das Bankhaus setzte jähr­lich viele Millionen um. Seine Spezialität war die Veranstaltung von Wohltätigkeits-Lotterien. Auch verwaltete Trapesnikow viele Waisengelder. Die Ursache des Selbstmordes liegt in dem Zusammen­bruch der Firma. Die Passiven betragen mehrere Millionen.

Durch Kurzschluß in den Schaufensterbeleuchtungs­anlagen brach, wie aus London gemeldet rpird, in einem großen Weißwarengeschäft in Accington Feuer aus, das das ganze Geschäft zerstörte. In dem stark besuchten Geschäft entstand eine wilde Pank. Fünf Frauen, darunter 3 Verkäuferinnen, kamen in den Flammen um.

Paris, 1. August. Hier starb eine 70 jährige Bettlerin namens Descomp infolge schlechter Ernähr­ung beziehungsweise infolge Hungers. Sie hatte seit langer Zeit Armenunterstützung bezogen. Als nach der Beerdigung ihre Wohnung durchsucht wurde, fand man in ihrem Bett 14000 Franken vor.

Paris, 1. Aug. DasJournal" meldet aus Amiens: Eine heftige Explosion ereignete sich gestern nachmittag auf dem Schießplatz der Gesell­schaft der jungen Schützen in Amiens. Eine Kiste mit 400 Patronen explodierte plötzlich. Das Ge­bäude wurde vollständig zerstört. Zwei junge Schützen wurden sehr schwer verletzt.

Oran, 1. Aug. Auf dem Bahnhof von Tlelat ist ein Personenzug mit einem Güterzug zusammen­gestoßen. 20 Personen wurden getötet und 40 verletzt.

Dallas (Texas), 2. Aug. Aus Anlaß der Rassenkämpfe sind in dem Distrikt von Anderson mehrere Weiße verhaftet worden. Die Behörden erklären, der Angriff der Weißen auf die Neger sei gänzlich ungerechtfertigt gewesen.

Vermischtes.

S. Carlo Borromeo, die unschuldige Ursache der nach ihm benannten Enzyklika Pius' X. und der daraus hervorgegangenen Wirrnisse, war- ein sehr teurer Heiliger. Ein Turiner Blatt hat jüngst aus alten Quellen zusammengestellt, wie viel die Familie des Mailänder Erzbischofs für die Ehre hat zahlen müssen, einen der Ihrigen unter die Heiligen versetzt zu sehen. Unter anderm erhielten Papst Paul V. Borghese, der die Kanonisation vollzogen hat, 300 Goldgulden (Scudi), der Dekan des Kardinal­kollegiums und der Präfekt der Ritterkongregation je 200, die der letzter» Kongregation angehörenden Kardinäle je 100, der Dekan der Rota 200 Scudi, die Sänger der päpstlichen Kapelle 50, der Küchen­chef Sr. Heiligkeit 25, der Kellermeister 4, der Leibarzt 12, die Trompeter 6, die Schweizer Bom­bardiere 4, der Glöckner der Peterskirche 2, die päpstlichen Stallknechte 20, die Auskehrer 8 Scudi usw. Papier und Schreibgebühren machten eine Rechnung von 1167 Scudi, die 74 Bildnisse des neuen Heiligen für die Beamten der Kurie 752 Scudi, die Gerüste und Dekorationen der Peters-

. brachten eine ungeheure Aufregung unter den Hotel-

z gästen hervor, und jeder beeilte sich, dem beklagens­werten Maler, der in dumpfem Dahinbrüten in seinem Zimmer verweilte und scheinbar nur teil­nahmslos die sofort ins Werk gesetzten Vorbereitungen zur Auffindung der Leiche unterstützte, seine Teil­nahme zu bezeugen.Er ist ganz hingenommen von seinem Schmerze!" äußerten die einen. Andere wieder fällten ziemlich harte Urteile über die Toll­kühnheitgewisser Leute".. Nach längeren, an­strengenden Bemühungen ward der Leichnam ge­funden, hart unter der Stelle, von wo aus der Absturz erfolgt sein sollte! Er war im übrigen wohl erhalten, nur der Hinterkopf und die rechte Schläfenseite zeigten einige, scheinbar leichte Ver­letzungen, die offenbar auf eine Gehirnerschütterung Hindeutelen, die den Tod herbeigeführt hatte. Das Antlitz hatte einen verstörten, fast möchte man sagen, grimmen, schmerzlichen Ausdruck angenommen. . . . Da ereignete sich etwas ganz Unerwartetes. Bei einem Verhör, das der inzwischen aus der nächsten Stadt heraufgekommene Bezirksamtmann mit einigen Hirten der Umgegend veranstaltete, sagten diese über­einstimmend aus, zur besagten Zeit, da der Unfall stattgefunden haben sollte, habe auch droben, gerade wie im Tale, undurchdringlicher Nebel geherrscht, und von Aussicht sei keine Rede gewesen! Infolge­dessen lenkte sich ein furchtbarer Verdacht auf den Maler, dessen eigenartiges Verhalten, das keine Spur von schmerzlicher Erregung verriet, jenen zu bestätigen schien. Er wurde trotz alles Protestierens

Redaktion^ Druck Mld Beklag von T. Reeh i« Neuenbürg.

kirche zur Kanonisationsfeier 11743, die Paramente und sonstigen neuen Festkleider des Papstes und der Kardinäle 2500 Scudi usw. Im ganzen beliefen sich die Unkosten für die Kanonisation des heiligen Borromäus auf 300000 Franken nach heutigem Gelde. Wenn man eins ins andere rechnet, ist jedoch die Borromäus-Enzyklika 300 Jahre später dem Heiligen Stuhl wohl noch teurer zu stehen gekommen.

Der Ochs als König der Tiere. Vor einem Jahrzehnt oder mehr wurde die sentimentale Menschheit durch die Kunde betrübt, daß nicht mehr der Löwe, sondern der Ochs der König der Tiere sei. Diese Umwälzung im Tierreich war durch einen Kampf in einem amerikanischen Zirkus herbei­geführt, wobei ein Stier den Löwen ohne viel Mühe überwunden und getötet hatte. Neuerdings ist die Ueberlegenheit des Rindviehs auch gegenüber der menschlichen Technik bestätigt worden, und zwar durch einen Zusammenstoß zwischen einem Automobil und einem Ochsen unweit Turin. Man sollte wohl denken, daß das unwiderstehliche Schreckensinstru- menl den glotzäugigen Vierfüßler, der sich ihm in seiner Dummheit entgegenstellte, zermalmt hätte. Weit gefehlt! Als der Zusammenstoß erfolgte, flogen zunächst die Maschine links und der König der Tiere rechts in den Straßengraben. Die Maschine hauchte ihren letzten Seufzer aus und blieb liegen, ihre beiden Insassen wurden schwer verwundet von mitleidigen Menschen in Sicherheit gebracht; der Ochs dagegen erhob sich aus dem Straßengraben und humpelte brummend, aber triumphierend von dannen.

Bauernregeln im August. Häufiger Höhen­rauch deutet auf einen strengen Winter. Jst's in den ersten Wochen heiß, so bleibt der Winter lange weiß. Wenn die Finken früh vor Sonnenaufgang singen, so verkünden sie Regen. Der Sichel ver­gißt nicht Barnabas, er sorget gern für's längste Gras. Im August Wind aus Nord jagt Un­beständigkeit fort. Mehltau im August ist sehr ungesund, ungereinigt Obst bringt nicht in den Mund.

Wenn der Kuckuck lange nach Johanni schreit, so rufet er die teure Zeit. Sind Laurentius und Bartholomäus schön, ist guter Herbst vorauszusehen.

Schön Wetter zu Mariähimmelfahrt, verkündet Wein von bester Art. Wenn großblumig wir viele Disteln erblicken, will Gott gar guten Herbst uns schicken.

Knackmandel.

Aus dem WorteGeis" bilde man den Namen eines Nebenflusses auf der rechten Seite des Rheins. Wie heißt der Fluß.

Auflösung des Wort-Rätsels in Nr. 119. Sand Ale; Sandale.

Auflösung -es Rätsels in Nr. 121.

Ohr Oehr.

Richtig gelöst von Berta Hiller in Neuenbürg und Karl Trinkner in Rotenbach a/E.

in Haft genommen. Unterdessen mehrten sich die Verdachtsgründe derart, daß die Stellung des Malers vor die Geschworenen beschlossen wurde. Man ver­mißte nämlich bei der Leiche Verlobungs- und Trauring und Kurgäste beschworen, beide an den Händen der Frau gesehen zu haben. Beim Absturz konnten sie nicht verloren gegangen sein, und alle weiteren Nachforschungen erledigten sich dadurch, daß der Trauring nicht weit vom Fundorte in dichtem Gestrüppe entdeckt wurde. Der Maler hatte offen­bar, bevor er sein Opfer jählings in den Abgrund stürzte, demselben beide Ringe mit Gewalt abge­zogen, um eine Rekognoszierung vor der Hand zu verhüten, und sie dann von sich geschleudert. Daß dies nicht ohne heftiges Widerstreben der Unglück­lichen abgegangen war, bewiesen die Verletzungen an Arm und Hand. In der Verhandlung legte der Maler, dessen wirklicher Name übrigens anders lautete, ein umfassendes Geständnis ab: die Liebe zu einem anderen Mädchen, das durch Jugend und Schönheit ihn zu fesseln gewußt hatte, hatte ihn zum Mörder an seiner Gattin gemacht, die er nur ihres Geldes wegen geheiratet hatte. Er wurde zu lebens­länglichem, schwerem Kerker verurteilt. Zwei Men­schen waren auf ewig aus der Gemeinschaft der Menschen geschieden. . . . (Nachdr. Verb.)

sJn der Reitbahn.) Sergeant:Däseke, wat nehmen Sie denn den Kopp so weit zurück und sehn immer in die Höh? Sie sehn sie doch nicht, die Loreley, denn hier wird keen Frauenzimmer jeduldet!"