Stuttgart, 30. Juli. Den bei den ständischen Beratungen schon wiederholt zum Ausdruck gebrachten Wünschen entsprechend werden im Interesse der Verminderung des Aufwandes für das Landwirt­schaftliche Wochenblatt künftig die sogenannten Vereinsnachrichten, d. h. Berichte über lokale land­wirtschaftliche Versammlungen eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr ausgenommen, wenn nicht be­sondere Gründe vorliegen. Auch die Berichte der Landwirtschaftlichen Bezirksvereine sollen im all­gemeinen nur mit Kürzungen Aufnahme finden.

Stuttgart, 27. Juli. Die 11. Hauptver­sammlung des Deutschen Forstvereins wird vom 5.9. September in Ulm abgehalten. Es werden eine Reihe von Referaten gehalten, so von Oberforstmeister Tricke-Münden und Forstrat Dr. Speidel-Stuttgart über Erfahrungen über die Formen des Lichtwuchsbetriebs; von Oberforstrat Gretsch- Karlsruhe und Oberforstmeister Riebel-Filehne über Kartellbewegungen der Holzinteressenten; ferner von Prof. Dr. Sauer-Stuttgart und von Oberforstrat Dr. Haug-Stuttgart über die Bodenverhältnisse auf den geologischen Spezialkarten und über die Forst­wirtschaft in Deutsch-Ostafrika. .

Stuttgart, 30. Juli. (Strafkammer.) Voriges Jahr berichteten hiesige Zeitungen, daß ein Mädchenhändler ein hiesiges 20 Jahre altes Mädchen nach Brasilien verschleppt habe. Der an­gebliche Mädchenhändler, ein von hier gebürtiger Gärtner, hatte sich nun heute vor der Strafkammer zu verantworten. Die Anklage lautete aber nicht auf Mädchenhandel, sondern nur auf Entführung. Wie die Verhandlung ergab, hatte der Angeklagte das Mädchen, das sich auf ein von ihm erlassenes Inserat gemeldet hatte, mit Einwilligung ihrer Eltern mitgenommen. Er war durch eigenartige Umstände dazu gekommen. Er war voriges Jahr von Bra­silien, wo er eine Gärtnerei betrieb, nach Stuttgart zurückgekehrt, um seine Familie zu holen. Von einer Auswanderungsagentur hatte er für sich und für seine Familie freie Ueberfahrt zugesichert erhalten. Da sich aber seine Frau weigerte, nach Brasilien zu gehen, so erließ er das Inserat. Den Eltern des Mädchens kamen nach der Abreise Bedenken, sie benachrichtigten die Polizei und diese veranlaßte die Festnahme des Angeklagten bei der Ankunft in Brasilien. Der Angeklagte wurde nach einigen Tagen wieder freigelassen. Es war ihm bei der ganzen Sache nur um freie Ueberfahrt zu tun, er gab des­halb das Mädchen als seine Frau aus. Das Mäd­chen wollte in Brasilien in Stellung treten. Der Angeklagte kehrte freiwillig nach Stuttgart zurück, um sich zu rechtfertigen. Er gab an, er habe nicht gewußt, daß das Mädchen noch minderjährig sei. Die Verhandlung endigte mit Freisprechung.

Stuttgart, 29. Juli. Als Nachfolgerin für Frl. Anna Sutter am Kgl. Hoftheater ist in erster Linie die Hofopernsängerin Marga Burchardt, bis­her am Kgl. Hoftheater in Hannover, in Aussicht genommen. Die Sängerin wird sich im September dem Stuttgarter Publikum verstellen.

Stuttgart, 30. Juli. In der vergangenen Nacht um 2 Uhr 50 Min. haben die Teilnehmer an der Fahrt in das Krcüner Höhlengebiet, wo unter der wissenschaftlichen Führung von Professor Dr. Endriß-Stuttgart die weltberühmten Grotten von St. Canzian u. Adelsberg besucht werden, Stutt­gart verlassen. Daß das Interesse für Höhlenkunde sehr groß ist, geht daraus hervor, daß von Stutt­gart aus insgesamt 130 Personen an der Besich- tigungsreise teilnehmen. Die Teilnehmerzahl an der Adriareise beträgt insgesamt 200.

Feuerbach, 31. Juli. Gestern nachmittag, in der Zeit zwischen 1 und 4 Uhr, hat sich hier eine schwere Mordtat zugetragen. Der am 16. Juli dieses Jahres von Baden-Baden angezogene, in der Wilhelmsstraße wohnhafte, verheiratete 60 Jahre alte Topograph a. D.- Karl Mensch aus Stuttgart hat seine 36 Jahre alte Ehefrau Luise Mensch in seiner Wohnung mit einem Taschenmesser dadurch gelötet, daß er ihr den Hals abschnitt. Einem Mitbewohner des Hauses war vor der Tat das niedergeschlagene Verhalten der Ermordeten, die heftig weinte, aufgefallen. Auch der Mann, der nach der Tat, etwa um 4 Uhr, das Haus verließ, zeigte ein so ungewöhnliches und auffallendes Be­nehmen, daß die Mitbewohner sich veranlaßt sahen, der Polizei Anzeige zu erstatten. Diese öffnete die Wohnung und fand die Frau mit durchschnittenem Halse auf dem Boden vor. Sie war bereits tot. Der Mörder wurde noch gestern nacht auf dem Bahnhof festgenommen. Er hat die Tat gleich bei der Verhaftung eingestanden. Er hatte hier nur vorübergehend, auf die Dauer von zwei Monaten, ein Zimmer gemietet und weilte angeblich zur Er­

holung hier. Das Ehepaar war erst seit Januar verheiratet. Als Beweggründe gab Mensch lediglich Mangel an Uebereinstimmung an. Das Gericht traf noch in der Nacht zum Sonntag hier ein. Heute vormittag wurde der Mörder seinem Opfer gegen­übergestellt. Auch die gerichtliche Leichenöffnung wurde noch am Sonntag vorgenommen. Die Auf­regung in Feuerbach ist groß.

Tübingen, 31. Juli. Bei der Staatsanwalt­schaft in Ulm ist gegenwärtig eine große Dieb­stahlssache anhängig, bei der es sich um etwa 50 Angeklagte und um mehr als 100 einzelne Diebstähle handelt. Zwei Mitglieder der Diebesbande, Eugen Kortner von Sillenbuch und Friedrich Lutz von Bonlanden, wurden von der hiesigen Strafkammer wegen eines in Reutlingen verübten Diebstahls ab­geurteilt und zunächst einmal mit 3 und 2fft Jahren Gefängnis bedacht.

Heilbronn, 29. Juli. In der gestrigen Ge­meinderatssitzung wurde beschlossen, der hiesigen Sektion des Deutschen und Oesterreichischen Alpen­vereins, die am Taschljöchel dieHeilbronner Hütte" erstellt hat, zur Einweihung der Hütte am 9. August als Geschenk der Stadt ein Bild des Rathauses mit Marktplatz zu stiften.

Ulm, 28. Juli. Der älteste Bürger Münchens, der 101 Jahre 4 Monate alte Privatier Wilhelm Valentin, ist gestorben und wird im hiesigen Krema­torium eingeäschert.

Ulm, 30. Juli. Die hiesige Liedertafel ist zur Zeit auf der Suche nach einem neuen Dirigenten begriffen, da der bisherige Dirigent, Prof. Graf, sein Amt niedergelegt hat. Um die Stelle sind 32 Bewerber eingekommen, unter denen eine engere Auswahl getroffen wurde. Zur Wahl stehen nun noch zwei Bewerber, der Komponist Halm in Korn­tal und der Lehrer am Kölner Konservatorium Walter. Die beiden Bewerber werden demnächst zu einem Probedirigenten geladen, von dem es abhängen wird, wer künftig die Liedertafel zu ihren künstlerischen Siegen führen wird.

Brackenheim, 29. Juli. Bei einer unver­muteten Revidierung der Darlehenskasse Ochsen­burg wurde ein größerer Fehlbetrag man spricht von 17 000 Mk. entdeckt. Der Rechner, Gemeindepfleger Achauer, ist verhaftet. Ob sich auch in der Kaffe der Gemeinde Abmängel Heraus­stellen, wird die Untersuchung ergeben. Wenn sich der Abmangel nicht noch erhöht, so wird der Bestand der Darlehenskasse nicht gefährdet sein.

Kirchheim u. Teck, 30. Juli. Wegen .Belei­digung und Verleumdung eines Bürgerausschußmit­glieds, begangen in einem anonymen Brief, wurde der vom Amt suspendierte Stadlschultheiß Kauderer von Owen vom hiesigen Schöffengericht zu einem Monat Gefängnis verurteilt.

Crailsheim, 30. Juli. Die Stadtgemeinde hat mit einer Stuttgarter Firma einen Probevertrag auf einhalb Jahr zur Einrichtung einer Ferndruck­zündung, wie sie bereits in Stuttgart besteht, ab­geschlossen.

Vom Lande, 28. Juli. Im Briefkasten der Jllustr. Landw. Ztg." fragte jüngst ein Leser an, in welchem Alter man Fohlen am besten kupiere", d. h. den Schweif stutze. Das Blatt veröffentlichte darauf folgende Antwort eines anderen Lesers:Die beste Zeit zum Verhacken eines schönen Pferde­schweifes ist sehr bald nach dem Tode des Pferdes. Dabei gewinnen sie einen guten Roßhaarwedel, er­sparen dem Pferde bei Lebzeiten viel Plage durch Fliegen und helfen mit zur Beseitigung einer tier- quälerischen Modetorheit."

Eingesandt. Die unter dem Protektorate Sr. Majestät des Königs stehende Württ. Sparkasse in Stuttgart hatte, lt. Jahresbericht, im Jahre 1909 an Einlagen 27 500 000 Mk. zu verzeichnen, gegen 23 500000 Mk. im Vorjahre und beträgt nun der Vermögenszuwachs im Jahre 1909 samt den kapitalisierten Zinsen ca. 10 000000 Mk. und das Gesamtvermögen dieses Instituts am 31. Dezember 1909 201500000 Mk. Die Württ. Sparkasse ist in Folge des großen Zuflusses an Einlagen und des großen Besitzes an sofort verkäuflichen Wertpapieren in der Lage, stets jede Einlagesumme ohne vor­herige Kündigung sofort zurückzubezahlen, wie sie auch bei Aufnahme des letzten 4°/» Kgl. Württ. Staatsanlehen an einem Tage 350 000 Mk. ohne Kündigung an die Einleger zurückbezahlt hat. Auch ist dieselbe in der Lage bei etwa eintretender Krisis sofort 1012 000000 Mk. für die Einleger flüssig zu machen. Anlehensgesuche werden von derselben stets bereitwilligst entgegen genommen, bezw. von sämtlichen Agenten kostenlos vermittelt und in mitt­leren und größeren Städten, in Ausnahmefällen, bis zu 60°/o der Schätzung honoriert.

Aus StaSI, Bezirk unS Umgebung.

Seine Majestät der König hat den Assistenten Englert bei dem Oberamt Leonberg zum Kanzlei- beamten bei dem Oberamt Riedlingen unter Ver­leihung des TitelsOberamtssekretär" ernannt. (E. war Gorher in Neuenbürg und Birkenfeld.)

CI Neuenbürg. (Gemeinderatssitzung am 30. Juli.) Die erledigte Totengräberstelle wurde dem Schuhmachermeister Gottfried Blaich über­tragen; neben den Gebühren, die er für die Gräber bekommt, erhält er aus der Stadtkaffe ein Wartgeld von 250 Mk., wofür er verpflichtet ist, die Fried­hofwege instand zu halten, die Halle und die Schächte zu reinigen, den Graswuchs zu beseitigen usw. Der Neuanstrich der in verschiedenen Straßen befindlichen eisernen Geländer wurde dem Gipsermeister Kölle und die Herstellung eines eisernen Geländers am Unterwässerweg dem Schloffermeister Finkbeiner übertragen. In provisorischer Weise ist dem Werk­führer Bl «ich die Gewinnung von Sand aus dem Elektrizitätswerkskanal übertragen worden; er hat pro Kubikmeter 1 Mk. an die Werkskasse abzuliefern.

Enzberg, 30. Juli. In der früheren hiesigen Papierfabrik herrscht gegenwärtig rege Tätigkeit mit Bauen. Das bei dem Brand im Jahr 1905 stehen gebliebene alte Gebäude ist abgebrochen. Von der Firma I. H. Roser in Eßlingen, die die Papier­fabrik käuflich erworben hat, wird eine Gerberei, sowie eine Lederfabrik der Neuzeit entsprechend ein­gerichtet.

Pforzheim, 30. Juli. Der heutige Schweine­markt war mit 172 Milchschweinen befahren, von welchen 100 Stück zu 2234 pro Paar ver­kauft wurden.

vermischtes.

August.

Der August, der achte Monat in unserem Kalen­der, war im Jahre der alten Römer der sechste, daher Loxtilis genannt, und hatte nur 29 Tage. Kaiser Augustus gab ihm den Namen August zur Erinnerung an glückliche Ereignisse, die ihm dieser Monat gebracht hatte. In denSaturnalien" über­liefert uns der römische Schriftsteller Macrobius den Text des Ediktes, in dem Kaiser Augustus dem römischen Senate folgenden Entschluß mitteilte. Da er, Cäsar Augustus, in dem sechsten Monate sein erstes Konsulat angetreten und in demselben Monate dreimal einen Triumph gefeiert habe, so möge der Senat es billigen, daß dieser dem Kaiserreich so günstige Monat fortan nach dem Kaiser genannt werde. Nun hatte aber der vorangehende Monat, den Julius Cäsar sich auserkoren hatte, 31 Tage aufzuweisen, und der Kaiser Augustus wollte hinter seinem großen Vorgänger nicht zurückstehen. Um den Kalender nicht in Verwirrung zu bringen, entlehnte er sich für den August, den bereits Cäsar um einen Tag verlängert hatte, einen Tag aus dem Februar, und dieser kleinen römischen Eitelkeit haben wir es zu verdanken, daß der August so umfangreich ge­worden ist. Nach dem norddeutschen Volksglauben ist der 1. August ein Unglückstag, da an diesem Tage der Satan aus dem Himmel gestoßen worden sei. Der 15. August wird in allen katholischen Gegenden als Mariä Himmelfahrt gefeiert. Man läßt in der Kirche Kräuterbüschel weihen, die dann im Hause angebracht werden und dieses vor Blitz­schlag und anderen Gefahren behüten sollen. Vom 15. August an soll dreißig Tage lang die ganze Natur dem Menschen hold sein, wohltätige Pflanzen ihre höchste Kraft erweisen, giftige Tiere sogar un­schädlich werden. Für den Landmann gilt der August als eigentlicher Erntemonat, eine Zeit unend­licher Arbeit und Mühe. Daher wünscht er sich auch diesen Monat trocken und sonnig, wie die alten Bauernregeln besagen:

Der August muß Hitze haben,

Sonst wird der Früchte Zahl und Güte begraben. Oder:

Was im Herbste soll geraten,

Das muß der August braten.

Mit dem August ist die Höhe des Jahres über­schritten. Die ersten Anzeichen des nahenden Herbstes gibt uns schon die vorsichtige Vogelwelt: im August verlassen uns bereits Kuckuck, Bachstelze, Fliegen­schnepper, Gartengrasmücke, Turm- und Uferschwalbe. Die übrigen Zugvögel sammeln sich, bilden Züge, um besonders die Jungen im Fluge Zu üben. Sie schlagen Nachtlager auf und haben das trauliche Familienleben mit dem Gesamtleben in einem Staate vertauscht. Die Auerhühner, Birkhühner und Fasanen sind eifrig bemüht, ihre Jungen noch rechtzeitig im