Anna Schmid aus Pfäffingen sprang von der oberen Brücke aus in die Wogen des hochgehenden Neckars. Dieselbe wurde vom Wasser etwa 200 Meter weit f ortgetrieben und bei der Neckarwirtschaft von Neckarwirt Schmollinger mittelst eines Hakens aus dem Wasser herausgezogen. Die Bedauernswerte, die. nach ihrem Aeußeren zu schließen, einer besseren Familie anzugehören scheint, wurde im hiesigen Spital untergebracht; auf dem Wege dorthin äußerte sie, daß sie so was nicht mehr mache, „denn sie habe müssen fest Wasser schlucken."
Ulm, 12. Febr. Bürgermeister Hofrat Koll- mann beging vorgestern sein 25jähriges Amtsjubiläum als Stadtvorstand von Neu-Ulm. Die bürgerlichen Kollegien haben ihm als Anerkennung der vielfachen Verdienste des Jubilars um die Entwicklung der Stadt das Gehalt um einen namhaften Betrag erhöht. In einer Feier wurde der Jubilar mannigfach geehrt.
Bietigheim, 12. Febr. Am Mittwoch nachmittag rasten zwei Pferde mit einem leeren Wagen ohne Fuhrmann den Weg vom Forst gegen Bietigheim zu. Als sie an den Bahnübergang kamen, waren die Schlagbäume gerade heruntergelassen, weil der Schnellzug von Heilbronn her erwartet wurde. Rasch entschlossen hob der Wärter die Sperre in die Höhe und ließ die dahersausenden Pferde durch, so daß sie mit dem Wagen noch über die Gleise hinüberkamen. Andernfalls wäre ohne Zweifel ein Unglück geschehen. Bevor die Pferde Bietigheim erreichten, wurden sie aufgehalten, sie gehören wahrscheinlich einem Holzfuhrmann.
Glatten OA. Freudenstadt, 12. Febr. G stern nacht erschoß sich auf dem Friedhof in Böffingen der 30 Jahre alte Oberbrauer Schmidt der hiesigen Schwanenbrauerei. Er war ein stiller, fleißiger, von seiner Herrschaft sehr geschätzter Arbeiter und wollte eine Bürgerstochter von Böffingen, die einige Zeit in der Schwanenbrauerei als Kellnerin tätig war, heiraten, wurde aber von deren Angehörigen wiederholt abgewiesen und scheint die Tat in Verzweiflung darüber begangen zu haben.
Tettnang, 12. Febr. Beim Fällen eines Baumes verunglückte am Mittwoch abend der Bauer Nopper in Ried dadurch, daß unvermutet ein schwerer Ast brach und auf Nopper herabstürzte. Der fleißige Mann erlitt hierbei so schwere Verletzungen, daß nach furchtbaren Schmerzen am Donnerstag abend der Tod ein trat. — In Wielandsweiler wurde beim Holzfällen am Donnerstag abend der im besten Mannesalter von 44 Jahren stehende August Straub von einer fallenden Buche so schwer getroffen, daß er am Freitag morgen den erhaltenen Verletzungen erlegen ist.
Schwaigern, 10. Febr. Der „Leintalbote" veröffentlicht folgende interessante Annonce: „Ich warne hiermit jedermann, meiner vorgestern abend in Gesellschaft eines 24jährigen Burschen durchgebrannten Frau unter Mitnahme meiner 4 Kinder etwas zu borgen, da ich für nichts aufkomme. Desgleichen warne ich vor dem Wiederbringen meiner treulosen Frau. Wilh. Reinhardt."
Slus StaSt, Bezirk imS Umgebung.
):( Neuenbürg, 14. Febr. Am letzten Freitag vormittag wurde der im Bezirk allgemein bekannte und beliebte frühere Bezirksfeldwebel Schramm zur ewigen Ruhe bestattet. Der Verstorbene hat sich während seiner Tätigkeit im Bezirk durch sein leutseliges aber auch soldatisches Auftreten viel Achtung erworben und es hat sein Hinscheiden unter seinen früheren Freunden und Bekannten tiefes Bedauern und allgemeine Teilnahme erweckt. Der Dahingeschiedene stand im 53. Lebensjahr und war zur Zeit in Zwiefaltendorf wohnhaft.
1° Herrenalb, 14. Febr. In der dichtbesetzten Kirche hielt Stadtpfarrer Stöckle, der nach Münster (Cannstatt) verzieht, seine Abschiedspredigt an der Hand des hoch und weit schauenden Jesusworts: „Ich lebe und Ihr sollt auch leben!" Der Kirchenchor, dessen Vorstand der Scheidende war, ließ es sich trotz mißlicher Hindernisse nicht nehmen, den erhebenden Gottesdienst durch das weihevolle Gebet W. Sauers zu verschönen: „Flehend heben wir die Hände" rc. Wenn die allgemeine, tiefe Ergriffenheit der Andächtigen, vom Kinde bis zum Greis empor, ein Gradmesser ist für die Wertschätzung eines Geistlichen, Seelsorgers und gewissenhaften Lehrers der Jugend, so hat die Kirchengemeinde den Verlust einer hervorragenden Kraft voll energischen Betätigungstriebs zu beklagen. Wir dürfen die Ueber- zeugung aussprechen, daß sein Andenken als geistvoller Kanzelredner auf lange Jahre hinaus lebendig erhalten bleibt; an Krankenbetten und Totenbahren wußte er stets das rechte Wort zu treffen. Die
Renovierungen der hiesigen Klosterkirche und des Filialkirchleins zu Bernbach haben seinen Namen in den Annalen der beiden Gemeinden für immer verzeichnet. Schwere Erschütterungen des bürgerlichen Lebens fielen in seine hiesige Amtszeit; er darf jedoch diese Jahre mit dem Bewußtsein abschließen, daß gut fundierte Ordnung ihre segensreiche Wirkung entfaltet hat. daß auf Ruinen neues Leben erblüht. Möge der Segen Gottes den scheidenden Geistlichen und seine Familie auf neuen Lebenspfaden begleiten!
Handelskammer Calw. Der Katalog der staatlichen Erfindungsausstellung Stuttgart 1910 ist eingetroffen und kann auf der Kanzlei der Handelskammer (Stadtschultheißenamt) eingesehen werden.
vermischtes»
Wahre Begebenheit! Eine alte Frau fuhr mit einem Billet 3. Klaffe in Klasse 4 von E. nach Sch. Von dem Schaffner befragt, warum sie nicht in der betreffenden Klasse fahre, antwortete sie: „Ja, wisset Se, Herr, i be halt arm ond muaß halt au spara!, au gleich, wo i sitz!"
Wunderzeichen in alter Zeit. In früheren Jahrhunderten war das Volk für Vorgänge am Firmament sehr aufmerksam und beobachtete gut. allerdings durch eine abergläubische, fabulose Brille. So sei am 4. Februar 1616 morgens zwischen 3 und 4 Uhr über Stuttgart her ein feuriger Drach geschossen. Anno 1620 ist ein Komet am Himmel erschienen, 3 Monat lang, der einer Ruthen ähnlich war. Dessen Bedeutung soll vermutlich diese gewesen sein, daß wie die drei Monat 12 Wochen in sich halten, also die Plagen 12 Jahre währen sollen. Am 27. und 30. April ist ein Wunderzeichen am Himmel am Hellen Tag gesehen worden, als wann ein Kriegsheer in der Luft wider einander stritten, auch eine Totenbahr war nahe dabei. Anno 1630, an Pauli Bekehrung, zu Nacht ist ein erschreckliches Wunderzeichen gegen Abend gesehen worden mit hohen weißen Spitzen, daß es blinket und blitzet. Bisweilen weiß, dann rot sich erzeigt. Was es bedeutet, bemerkt der Chronist, wird die Zeit mit bringen. Es haben sich auch sonsten Wunder erzeigt. Im Anfang des Maien hat es bei Nacht in unterschiedlichen Orten Korn und auch Blut geregnet. Auch sind an den Eichbäumen in Wäldern Träub- lein gewachsen, wie Sankt Johannes Träublein, das nicht bald erhört ward. Vom Jahr 1573 wird berichtet: In dem vorigen und diesen Jahr sah man einen weißen, Hellen, funkelnden und wunderbaren Stern, welcher gegen Mitternacht bei der Kassiopeia stund; viele hielten ihn für einen, viele für keinen Kometen. Anno 1624 am Weihnachtsabend hat es sich mit unerhörten Winden und mit schrecklichen Donnern, Blitz und Hagelwettern zu Nagold und Wildberg hören lassen, so daß man vermeinte, der jüngste Tag sei vorhanden. So haben sich auch Wunderzeichen erzeigt: bei Altensteig hat man unter dem Erdreich hören singen, als wenn es Musika wäre.
Die „Farbenintelligenz" der Kinder. Es ist nicht immer leicht, auch für den Pädagogen und den Arzt nicht, über die Intelligenz eines Kindes ein bestimmtes Urteil abzugeben; von besonderer Wichtigkeit und Schwierigkeit aber ist diese Aufgabe, wenn es sich darum handelt, ob ein Kind in eine Hilfsschule, d. h. in eine Schule für geistig minderwertige Kinder überwiesen werden soll. Zu derartigen Prüfungen ist nun mit gutem Erfolg der Farbensinn benutzt worden, wie Dr. F. Marburg in der Umschau berichtet. Um sich von dem Wert der Farbensinnprüfung als Unterlage für eine Jn- telligenzprobe bei Kindern zu überzeugen, stellte der Gelehrte eingehende Untersuchungen an etwa 1800 Kindern von Normal- und Hilfsschulen an. Es konnte ihm nicht darauf entkommen, festzustellen, ob die Kinder Farben wahrnehmen oder unterscheiden, da diese sogenannte Farbentüchtigkeit fast ausnahmslos angeboren ist und daher für eine Jntelligenz- probe nicht in Betracht kommt. Die Prüfung erstreckte sich also nur auf das Farbenbenennungsvermögen; sie geschah an Wollfäden, die auf einen Karton aufgeklebt waren. Die Fäden zerfielen in zwei Gruppen, von denen die erste Weiß, Schwarz, Rot, Gelb, Grün und Blau, die zweite Braun, Grau und Violett umfaßte. Den Kindern wurden bestimmte Farbenfelder gezeigt und die Angabe der Namen dieser Farben von ihnen gefordert. Es -zeigte sich bei all diesen Untersuchungen, daß die Mädchen besser als die Knaben die Farben zu benennen wissen, was aber nicht als ein Zeichen höherer Intelligenz bei den Mädchen aufgefaßt werden darf. Das Bedeutsame war, daß bei Mäd
chen wie bei Knaben die Zahl der benannten Farben durchaus im Einklang mit der Intelligenz stand. Die Zahl der richtigen Antworten vermehrt sich von Klasse zu Klasse; die Intelligentesten wissen auch die meisten Farbennamen. So ist es ohne besondere Mühe möglich, in den unteren Klassen die besten und die schlechtesten Schüler herauszufinden. Die durch die Farbenproben gewonnenen Resultate stimmten meist überraschend mit den Erfahrungen der Lehrer überein. Die Farben der ersten Gruppe wurden viel häufiger richtig benannt als die der zweiten. Die Farbe Weiß wurde in 99 Prozent und Schwarz in 98,9 Prozent aller Fälle richtig angegeben, Rot in 94 Prozent, Gelb in 87, Grün in 73 und Blau in 71 Prozent. Dagegen wurden Braun nur in 50 Prozent, Grau in 36 und Violett in 29 Prozent der Fälle richtig benannt. Die Farben der zweiten Gruppe sind daher für die Beurteilung der Intelligenz von besonderer Wichtigkeit. Bei geistig minderwertigen Kindern ist natürlich der Farbenausfall am stärksten. Kinder von 6 bis 8 Jahren, die die zweite Gruppe richtig benennen, haben normale Intelligenz.
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Berlin, 13. Febr. Zu den heutigen Demonstrationsversammlungen, die in 43 Lokalen in Berlin und den umliegenden Kreisen, davon 18 in Berlin selbst, stattfanden, wird noch gemeldet, es beteiligen sich etwa 20000 Personen. An den Umzügen durch die Straßen nahmen etwa 50000 Personen teil, darunter auffallend wenig Frauen. Wie stets, versuchten die Demonstranten auch diesmal nach dem Stadtinnern zu ziehen, wurden aber daran gehindert und ohne Anwendung von Waffengewalt auseinander getrieben oder sie gingen von selbst auseinander. Zu irgend welchen Zusammenstößen mit der Polizei war es bis 2 Uhr nicht gekommen. Nur aus Rixdorf liegt eine Meldung über Zusammenstöße der Polizeimannschaften mit der Menge vor, wobei ein Polizeileutnant und ein Wachtmeister durch Steinwürfe unerheblich verletzt wurden. Ueber Verletzungen aus dem Publikum liegen keine Meldungen vor.
Berlin, 13. Febr. Gegen ^/«5 Uhr kam es heute nachmittag an der Kronprinzenbrücke zu einem Zusammenstoß zwischen Polizeimannschaften und etwa 400 halbwüchsigen Burschen. Die Aufforderung des Polizeioffiziers wurde mit Hohnrufen und dem Rufe Bluthunde und mit Steinwürfen beantwortet, worauf der Offizier blank ziehen ließ. Nach den bisherigen Feststellungen wurden 3 Personen verletzt. Sie ließen sich in der Charilö verbinden.
Halle a.S., 13. Februar. Mach Schluß der heutigen sozialdemokratischen Wahlrechtsdemonstrationsversammlungen kam es zu Massenansammlungen auf den Straßen. Beim Neuen Theater, wo etwa 2000 Personen den Zugang zum Markt erzwingen wollten, wurde die Polizei mit Steinen beworfen und tätlich angegriffen. Die Polizei mußte blank ziehen, wobei es zahlreiche Verletzungen gab. Die Ansammlungen dauerten bis in den späten Nachmittag. Die Zahl der Demonstranten wird auf mindestens 4000 geschätzt.
Paris, 13. Febr. Der Marineminister hat mehrere Torpedobootszerstörer nach der Küste der Insel Mallorca beordert, um bei der Bergung der Leichen und Güter des untergegangenen Dampfers General Chancy behilflich zu sein. Die Kompägnie Transatlantique hat gleichfalls einen Dampfer zur Hilfeleistung dorthin entsandt. Die ertrunkenen Mannschaften hinterlassen 14 Witwen und 102 Waisen. Bei Mallorca herrscht noch immer hoher Seegang, wodurch die Bergungsarbeiten sehr erschwert werden. — Die Blätter behaupten, der Dampfer habe 30 Tonnen Pulver an Bord gehabt, die möglicherweise explodiert seien. Die Gesellschaft erklärt, sie habe keine Meldung über eine solche Ladung erhalten.
Palma, 13. Februar. Der Gouverneur der Baliaren erklärte einem Berichterstatter gegenüber, der Sturm verhindere alle weiteren Nachforschungen, so daß es möglich sei, daß mehrere Schiffbrüchige des „Generals Chancy" gerettet worden seien, indem sie sich an Schiffstrümmer anklammerten und an einen entlegenen Teil der Küste geflüchtet hätte, denn es sei schwer zu glauben, daß alle umgekommen sein sollten.
Santiago de Chile, 13. Februar. Der Pacificdampfer „Lucia" ist in der Magalhamsstraße gescheitert und gilt als verloren. Der englische Dampfer „Hathuinit" nahm 250 Schiffbrüchige auf, 80 Personen blieben an Bord der „Lucia", da es unmöglich war, sie zu retten. Der erste Steuermann und 50 Passagiere sind ertrunken.