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setzes und machte der Freude ein Ende. Mit Genugtuung können wir auf unser schönes Fest, zu dem uns auch der Himmel lachte, zurückblicken. Es war ein Fest, wie es unser stilles Tal noch nie gesehen hat. L.
Neuenbürg, 29. Aug. Vorgestern nacht brannten inGrunbach 3 Wohnhäuser nieder. Die Ortsfeuerwehr, unterstützt von den Feuerwehren von Engelsbrand und Salmbach, hatte große Mühe, den Brand auf seinen Herd zu beschränken. Die Entstehungsursache ist unbekannt.
Stuttgart, 28. Aug. Vor der Ferienstrafkammer wurde heute die Strafsache wegen Verbrechens wider die Sittlichkeit im Sinne des 8 176 Ziff. 3 des Strafgesetzbuches gegen den verheirateten Bürstenmacher Wilhelm Klink von Lützenhardt. OA. Horb, verhandelt. Der Angeklagte, welcher früher bekanntlich in Feuerbach wohnte und das wenig gelesene anarchistische Blatt „Die Freiheit" herausgab, wurde zu 7 Monaten Gefängnis verurteilt, wovon 2 Monate Untersuchungshaft in Abrechnung kommen.
Stuttgart, 29. Aug. Seitens der Eisenbahnverwaltung werden seit letzten Dienstag versuchsweise Probefahrten mit 100 Lm Geschwindigkeit pro Stunde auf der Strecke Cannstatt-Süßen und zurück ausgeführt. Die Züge haben nur 4 Wagen. In einem derselben befindet sich ein Geschwindigkeitsmesser. Beamte des maschinenbautechnischen Bureaus machen die Fahrten mit.
Cannstatt, 26. Aug. In der „Gebets- heilanstalt Villa Seckendorf" hier sprang, wie dem Schw. B. gemeldet wird, gestern die 28 Jahre alte Marie Käst, welche dort als krank behandelt wurde, aus dem Fenster des zweiten Stockes herab und erlag nach zwei Stunden ihren Verletzungen.
Heilbronn, 26. Aug. (Ledermarkt.) Die Zufuhren betrugen ca. 1200 Zentner, wovon 1041 Zentner verkauft und der Rest als unverkauft zurückgezogen wurde. Der Verkauf ging lebhaft von statten, so daß bis mittag das Meiste verkauft war. Die Preise haben gegen letzten Maienmarkt etwas angezogen. Trotzdem sind die Lederpreise nicht genügend gegenüber den Rohpreisen, die bei den Hautversteigerungen in Heilbronn, Cannstatt, Ulm und Hall erzielt wurden. Wildoberleder, Zeugleder und Kalbleder waren begehrt, ebenso braune Schafleder und Sohlleder, während deutsches Rindleder etwas vernachlässigt war.
Heidenheim, 28. Aug. In Dettingen stürzte plötzlich das Dach einer Scheune, in der wenige Augenblicke zuvor noch mehrere Personen mit Garbenabladen beschäftigt waren, zusammen.
Gerabronn, 26. Aug. Der am gestrigen Tagein dem benachbarten Beimbach abgehaltene Bartholomäusmarkt war äußerst schwach besucht. Der Handel war sehr flau und der Umsatz sehr
gering. Bei einem Auftrieb von ca. 150 Stück Groß- und Kleinvieh sind etwa 25 Käufe abgeschlossen worden. Die in größerer Anzahl anwesenden Händler haben schlechte Geschäfte gemacht, da sie ihr zugetriebenes Vieh entweder um den Selbstkostenpreis oder mit geringem Nutzen veräußern mußten. Daß der früher berühmte Markt den Maßstab für den Verkaufswert der verschiedenen Viehgattungen abgegeben hätte, kann diesmal nicht gesagt werden.
Ulm, 28. Aug. In der Nachbarsgemeinde Neu-Ulm hat der dortige Spar- und Bauverein soeben ein umfangreiches Gebäude vollendet, das 14 zwei- und 14 dreizimmerige Wohnungen enthält und am 1. Oktober bezogen wird. Die Erstellungssumme beträgt 104000
Ulm, 28. August. Von Viehseuchen hat man seit einigen Jahren hier und in der Umgebung nichts mehr gehört. In der letzten Zeit scheint hierin eine unerfreuliche Wandlung wieder einzutreten. Geflügelcholera und Rotzkrankheit haben kürzlich manches Opfer gefordert und nun gibt das Bezirksamt Neu-Ulm bekannt, daß in den Orten Offenhausen, Ottenhofen, Finningen, Holzschwang, der Schweinerotlauf ausgebrochen ist.
Ravensburg, 28. August. In Albers- hofen hiesigen Stadtbezirks ist gestern über Mittag lt. „Oberländer" die Wirtschaft zur „frohen Aussicht" mit angebautem Oekonomiegebäude bis auf den Grund niedergebrannt. Mit Ausnahme des Viehs, das zum Teil beschädigt, gerettet wurde, ist das ganze Mobiliar mitverbrannt. Entstehungsursache angeblich Kamindefekt. Der Besitzer, erst kürzlich aufgezogen, ist noch nicht versichert.
Jsny, 27. Aug. Große Freude wurde unserer Stadt gestern durch die Anwesenheit Ihrer Majestäten des Königs und der Königin bereitet, welche bei herrlichem Wetter nachmittags '/-I Uhr unter dem Geläute aller Glocken der Stadt per Sonderzug eintrafen um mit einem Besuch des Fürsten von Quadt einen solchen unseres All- gäustädtchenS zu verbinden. An? Bahnhof war offizieller Empfang, hierauf Vorbeimarsch der Vereine im Hof des fürstlichen Schlosses. Nachmittags besichtigten die hohen Gäste das Rathaus, sowie verschiedene Fabriken rc. Die Abreise Ihrer Majestäten erfolgte abends 6 Uhr. Die Stadt prangt in reichstem Fahnen- und Festschmuck.
Vom Bodensee, 29. Aug. Die Preise für schöne Qualität von Frühhopfen sehr fest, per Zentner 175—185 Im allgemeinen sind die Produzenten mit dem Ergebnis des heurigen Jahres wohl zufrieden, obgleich sowohl bei den Frühhopfen wie auch bei den Späthopfen mit einem erheblichen Ausfall im Ertrag zu rechnen ist.
— In Pforzheim konnte heute der 86jäh- rige Privatmann Christian Mayer mit seiner Frau
Magdalene, geborene Münchbach, das Fest der diamantenen Hochzeit begehen. Aus diesem Anlaß gingen dem geistig und körperlich noch rüstigen Ehepaar viele Geschenke und Blumenspenden zu, darunter auch ein Geschenk seitens des Großherzogs von Baden.
Heidelberg, 27. Aug. Wegen Zweikampf hatten sich vor der Strafkammer die Studenten der Chemie Ludwig Schmitt von Zweibrücken und Emil Marx von Schweinfurt, ferner wegen Beihilfe hierzu der Wirt Eduard Pfaff von Kleingemünd, in dessen Lokal am 8. Mai das ziemlich unblutig verlaufene Säbelduell ausgetragen wurde, zu verantworten. Die beiden Kampfhähne erhielten je drei Monate Festungshaft; Pfaff, dem nicht nachgewiesen werden konnte, daß mit seinem Wissen oder seiner Erlaubnis der Zweikampf in seinem Hause stattfand, wurde freigesprochen.
München, 28. Aug. Gegenüber weitergehenden Meldungen von typhösen Massenerkrankungen auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg teilt die Korrespondenz Hoffmann mit: Am 23. ds. MtS. erkrankten vom zweiten Bataillon des gegenwärtig auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg befindlichen 4. Jnf.-Reg. plötzlich nach dem Mittagessen 150 Mann an heftigem Erbrechen. Sämtliche Leute befanden sich nach 6 Stunden wieder wohl und sind zur Zeit im Dienst. Die Ursache dieser Massenerkrankung wird dem Genuß von Kartoffelsalat zugcschrieben.
Aus Franken, 27. Aug. (Hopfen.) In der Gegend von Abenberg (Spalt) hat die Hopfenernte begonnen. Es kommen täglich fremde Hopfenpflücker an. Bei dem gesunden Stand der Pflanzen in Abenberg hat die Ernte keine große Eile. Es werden vorerst die Anlagen durchsucht und reife Ware kommt zur Pflücke. Bei günstigem Wetter, wie wir es eben haben, gibt es eine recht schöne, qualitätvolle Ware. Der vorjährige Ertrag wird nicht ganz erreicht. — Im Aischgrund wird die Ernte in Bezug auf Menge und Güte des Erträgnisses gegen die vorjährige Ernte etwas Zurückbleiben. Man rechnet auf gute Preise. — Im Pegnitztal hat die Ernte des Frühhopfens begonnen. Eine Schätzung des Ernteergebnisses ist noch nicht möglich; in einzelnen Orten wird dasselbe die vorjährige Ernte übertreffen.
Aachen, 28. Aug. In dem benachbarten neutralen Moresnet herrscht außerordentlich starker Fremdenverkehr seit den letzten Tagen. Zahlreiche ausländische Berichterstatter sind eingetroffen. Die Anmeldungen zum Spielklub mehren sich außerordentlich.
K assel, 28. Aug. Der Kaiser gab heute abend um 7 Uhr im Residenzpalais eine Tafel für die Provinz Hessen-Nassau. Ihre Majestäten wurden auf der Fahrt von und nach Wilhelmshöhe aufs lebhafteste begrüßt.
„Na, wer weiß, vielleicht hätte er eine andere gesehen, die ihm bester gefiel, — Männerherzen sind unberechenbar."
Tante Martha lachte leise in sich hinein, als ihr Susanne die Hand auf den Mund legte: „So etwas darfst du nicht sagen, Tante, ich kann es nicht hören. Fritz hätte nie eine andere genommen!"
„Weiß schon, Kindchen, ich scherze ja nur."
Jetzt stand das junge Mädchen auf und schritt zur Türe.
„Wo willst du denn hin?" fragte die Tante.
„Nur nach Jsa sehen".
„Laß sie doch schlafen, Susanne."
„Ach Tante, ich habe heute solche Angst, ich weiß nicht, weshalb. Aber bitte, laß mich hinauf, es beruhigt mich.
„So geh, mein Kind."
Susanne war schon hinaus und stieg lautlos die breite, teppichbelegte Treppe empor. Sie öffnete leise die Türe, das Zimmer war ganz dunkel, nichts zu hören. Sie tappte sich vorsichtig in das anstoßende Schlafzimmer und schlug die seidenen Vorhänge zurück. Trotz der Dunkelheit erkannte sie, daß das Lager unberührt war.
Erschrocken spähte Susanne umher.
-Jsa, — Jsa," rief sie laut. Keine Antwort.
Zitternd machte sie Licht und lief durch die beiden Zimmer. Da fiel ihr Blick auf den Brief der auf dem Tische lag. Hastig las sie die wenigen Zeilen, dann stieß sie einen lauten Schrei aus, flog die Treppe hinab und stand im nächsten Augenblick vor der erschrockenen Tante.
„Um Gotteswillen, Susanne, was ist denn geschehen?"
„Ach, Tante, Jsa ist fort, — bei diesem Sturm, — wenn ihr etwas zu- gestoßen wäre?"
„Fort, — aber wohin, — weshalb?"
„Hier, lies selbst!"
Susanne war erregt.
„Was sollen wir nur machen?" fragte sie immer. „Ich werde hinüberschicken und Fritz holen lasten. Vielleicht weiß er guten Rat."
„Er kann in der Sache gar nichts tun," meinte die Tante, „der Zug, den Jsa wahrscheinlich benutzt hat, ist längst abgefahren. Heute abend geht keiner mehr."
Aber Susanne wollte sich durchaus nicht beruhigen lasten.
„Es muß doch irgend etwas geschehen," sagte sie. —
Fritz Heßfeldt, den sie rufen ließ, kam mit bestürztem Gesicht. >Er hatte offenbar viel Schlimmeres erwartet und atmete sichtlich auf, als Susanne ihm entgegenflog und berichtete, was vorgefallen war.
„Aengstige dich darum nicht, mein Herz," tröstete er, und streichelte das Haar des Mädchens, „wir können für heute nichts weiter tun, als einen Boten nach der Station schicken, um uns zu überzeugen, ob Jsa wirklich abgereist ist. Diesen Abend müssen wir sie ihrem Schicksal überlasten. Wenn es dich beruhigt, fahre ich morgen mit dem ersten Zuge nach der Residenz, und erkundige mich nach dem Schicksal der jungen Dame. Hoffentlich gelangt sie glücklich zu ihrem Vater."
Der Bote, der nach der Station geschickt worden war, kam mit der Meldung zurück, daß allerdings eine Dame, die bis an die Nase eingemummt gewesen sei, den Zug benützt habe, um nach der Residenz zu fahren. Weiter wußte man nichts.
„Wenn Kurt eine Ahnung hätte, daß Jsa, seine angebetete Jsa, jetzt vielleicht einsam in der großen Stadt umherirrt," klagte Susanne, „wenn er wüßte, daß ich diejenige, die seinem Herzen so teuer ist, so schlecht behütet habe, er würde in Verzweiflung geraten. Aber warum ist er nicht da, — ich weiß nicht einmal, wo er sich aufhält! Könnte ich ihm doch sagen: Jsa, deine Jsa ist wieder frei,