Nach der Trauung begaben sich die Neuvermählten zur Ordnung ihrer Papiere und Vertrüge zum Amtsgerichte, und nach Erledigung der dortigen geschäftlichen Angelegenheiten kehrte Möller ins Gefängnis und seine Frau nach Altona zurück.
Einen köstlichen Schwabenstreich, der es verdient, auch weiteren Kreisen bekannt zu werden, haben die Teilnehmer an der 5. Mittelmeerfahrt des Prof. Dr. Konrad Miller in Stuttgart geleistet. Während ihres Aufenthalts in Jerusalem besuchten sie auch die sogenannte Dormitio auf dem Berge Sion, den Ort, den der Kaiser um 80 000 Franken von der türkischen Regierung erworben und den deutschen Katholiken zum Geschenk gemacht hat. Der deutsche Verein vom heiligen Lande erbaute an dieser Stätte eine herrliche Kirche mit Kloster und übergab sie den Beuroner Benediktinern. Diese haben sich dort bereits häuslich eingerichtet; nur fehlte ihrer Kirche noch das Geläute. Die türkische Regierung verwehrte nämlich auf Betreiben der Derwische des nahe gelegenen Cönaculums das Aufhängen und Läuten der von Deutschen gestifteten und in Deutschland gegossenen 4 Glocken. Jene Derwische zeigen dort außer dem Abendmahlssaal auch das Grab Davids, das sich indes tatsächlich irgendwo anders befindet. Nun behaupteten sie, der Prophet David würde sich vom Grabe erheben und schwere Heimsuchungen über Land und Volk bringen, wenn die Christen nebenan ihre Glocken läuteten, und so mußten auf Befehl des Paschas die schönen Glocken 4 Monate lang wohl verpackt unten im Freien ihrer Aufgabe harren. Als nun die Carovana Miller eintraf, entwarf der leitende Architekt, Sandel, ein Württemberger, der dort das Augusta-Viktoria- Heim baut, einen kühnen, aber schlau ausgedachten Plan. Die Teilnehmer an der Orientreise sollten die Glocken auf den Turm hinaufziehen, die Patres und Laienbrüder aber sollten von der ganzen Sache nichts wissen, damit sie mit den türkischen Behörden nicht in Konflikt geraten. Gedacht — getan! Am Morgen des 19. August war zuerst die Instruktion und Vorprobe, von Sandel geleitet. Um 8'ft Uhr begann nun das interessante Schauspiel. Hoch oben auf dem Turme wehte die deutsche Flagge stolz im Winde. Mehr als 50 Herren aus allen Ständen, Aerzte, Beamte, Geistliche, Professoren, Gymnasial-, Real- und Volksschullehrer, Kaufleute, Landlagsabgeordnete und Privatiers, darunter mehrere Herren aus Stuttgart, legten mit Hand an und beförderten mittels der Flaschenzüge die Glocken in die stolze Höhe. Die Damen indessen bildeten einen Schutzkordon um die im Schweiße ihres Angesichts emsig Arbeitenden, so daß die türkischen Sicherheits- orgone, selbst die Kawaffen bei ihrer großen Hochachtung vor dem weiblichen Geschlechts nicht zu durchbrechen wagten. Die schwierige Arbeit verlief ohne jeden Unfall, und binnen 3 Stunden waren sämtliche 4 Glocken an ihren Bestimmungsort hoch oben auf^dem Turme befördert, worauf die bewegte Mengb ohne Unterschied der Konfession und der Stammeszugehörigkeit das „Großer Gott, wir loben Dich!" anstimmte und mit Rührung und Begeisterung zu Ende sang. Wohl am meisten überrascht
und zugleich hoch erfreut waren die Benediktinerpatres, als sie dieses schwierige Problem in so einfacher Weise gelöst sahen. Ein Erfrischungstrunk von ihren Händen gespendet und gewürzt durch zahlreiche launige Reden, beschloß diesen denkwürdigen Glockenaufzug. Die Türken und besonders die Derwische waren natürlich über diesen gelungenen Schwabenstreich nicht wenig erstaunt und überrascht und ärgerten sich weidlich darüber. Die übrigen Bewohner Jerusalems aber, ohne Unterschied der Nationalität, bezeigten den Deutschen ausnahmslos ihre Zustimmung und ihre freudige Sympathie zu diesem wohlgelungenen Trick. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde davon durch die Heilige Stadt, von Straße zu Straße und von Haus zu Haus, verbreitet. Wohl erhob der Pascha von Jerusalem Protest beim deutschen Konsul. Doch scheint diese Beschwerde eine papierne geblieben zu sein; denn schon kurz nach ihrer Landung, die in Monaco erfolgte, konnten die Orientreisenden der Carovana Miller die freudige Nachricht entgegennehmen, daß auf Vorstellungen des deutschen Konsuls beim Sultan in Konstantinopel dieser die ganze Glockenaffäre zu Gunsten der deutschen Benediktiner entschieden habe. Wie wir hoffen, erschallen nun die deutschen Glocken vom Berge Sion herab und verkünden weithin des Ewigen Ehre!
Schuster bleib' bei deinen Leisten! Ein etwas verdrehter Bureaugehilfe in Oberschlesien wollte durchaus eine Offiziersuniform tragen. Der bunte Rock hatte es ihm angetan. Er mußte nichts Besseres zu tun, als seinen unwiderstehlichen Drang zur Höhe dem Kaiser zu offenbaren. In welcher Form dies geschah, darüber wird dem „B. T." aus Gleiwitz berichtet: Ein eigenartiges Immediatgesuch an den Kaiser richtete vor einiger Zeit ein Bureaugehilfe aus Gleiwitz. In diesem Schreiben bat er, da er nach höheren Zielen strebe, der Kaiser möge ihm die Erlaubnis zum Tragen der Uniform eines Offiziers der Gardehusaren erteilen. Er wäre leider selbst nicht Soldat gewesen, würde sich indessen zu jeder Zeit der Uniform würdig zeigen und sie bei allen hohen Festgelegenheiten mit Ehren tragen. Das Gesuch wurde dem Ministerium des Innern überwiesen, das dem Schreiber jetzt den Bescheid zukommen ließ, daß eine derartige Verleihung ungesetzlich sei und demnach das Bittgesuch abgelehnt werden müßte.
Seiltänzer und kindlicher Uebermut. Der 29jährige Seiltänzer Friedrich Muck gab als Mitglied einer reisenden Theatergesellschaft Schaustellungen in Misburg bei Hannover. Als er sich auf dem Seile befand, rissen Kinder an der Verankerung des Seiles, so daß es schwankte. Der Seiltänzer verlor das Gleichgewicht, stürzte herab und erlitt schwere innere Verletzungen, denen er nach kurzer Zeit erlag. Der Verunglückte hinterläßt drei kleine Kinder.
Zwei Spitzbuben, Williams und Head, beraubten jüngst mit Hilfe dressierter Ratten in einer Londoner Bar am Hellen Tage vier Damen. Die Damen hockten auf den bekannten hohen Barschemeln und schlürften irgend ein Mischgetränk, als die beiden
Gauner eintraten und unbemerkt auf die Schultern der trinklustigen Damen ein Paar gezähmte Ratten setzten. Die abgerichteten Tiere machten sich sofort an die Arbeit, und wenige Sekunden später sprangen die vier Frauen voll Entsetzen auf die Schemel und schrien und kreischten, bis ihnen der Atem ausging, es entstand eine unbeschreibliche Verwirrung. Williams und Head nahmen sich als galante Ritter der Damen an, um sie von den Ratten zu befreien und ihnen zu gleicher Zeit recht geschickt die Geldtaschen und die Juwelen abzunehmen. Sie konnten das in aller Gemütsruhe machen, da die Kellner und die Gäste der Bar, in der löblichen Absicht, sich nützlich zu machen, mit den Damen mitschrien, wi^ toll herumliefen und sämtliche Stühle umwarfen. Der Sieg blieb den beiden Spitzbuben, die ruhig das Lokal verließen, nachdem ihnen die Damen noch ihren tiefgefühlten Dank ausgesprochen hatten. Zu ihrem Pech hatte jedoch ein Kriminalpolizist, der sich zufällig in der Bar befand, das ganze Spiel durchschaut: er ließ die Gauner ruhig auf die Straße gehen, folgte ihnen dorthin, nahm sie fest und brachte sie samt ihren Ratten ins Gefängnis.
Wenn man einen Trauring fijndet. Es ist schon oft darüber geklagt worden, daß mancherlei Umstände und Schwierigkeiten dem bereitet werden, der einen Fund, den er gemacht, in die Hände der Polizei abliefern will. Das ist nämlich wirklich nicht so leicht und geht nicht ohne Scherereien ab. In einer an den „B. Lok.-Anz." gerichteten Zuschrift wird folgendes Histörchen erzählt: Schneidermeister Bruno S. aus der Zimmerstraße fand auf der Friedrichstraße unweit seiner Wohnung einen schweren, goldenen Trauring. Er nahm das verlorene Dokument ehelicher Treue an sich, um es der Polizei zu übergeben. Von seiner Wohnung aus telephonierte er an sein Revier und bat, den Ring abholen zu lassen. Der Beamte erklärte jedoch, das ginge nicht, dazu wären keine Leute da. Darauf der Schneidermeister: „Nun, wenn Sie nicht wollen, dann lege ich den Ring wieder dorthin, wo ich ihn gefunden habe." Der Beamte erklärte dagegen, das ginge auch nicht, dann mache sich der Finder strafbar, der Ring müsse auf dem Fundbureau im Polizeipräsidium abgegeben werden. Wohl oder übel mußte nun der Schneidermeister, der sich wegen seiner Ehrlichkeit schließlich nicht noch bestrafen lassen wollte, den Gang dorthin antreten. Anderthalb Stunden mußte er warten, ehe er abgefertigt wurde und mußte obendrein noch 30 Pfg. Gebühren bezahlen. Ein Protest half nichts. Die 30 Pfg. könne er sich — falls der Ring binnen Jahresfrist nicht abgeholt werde — von dem Versteigerungserlös des Ringes abziehen.
Wechsel-Rittsel.
Mit u den Schönheitselementen Gehört es zu und an Studenten,
Bei wicht'ger Feier mahnt's mit i,
Mit a an fleiß'ge Kolonie.
Auflösung des Wechsel-Rätsels in Nr. 158. Pera, Peri, Perm, Peru.
Wetzlichs, der sich bereitwilligst als sichere Stütze angeboten, den schweren Gang angetreten. In der seligsten Stimmung lud er seinen Begleiter zum Mittagessen ein. „Sie — Sie — ja — gefallen — mir — mir — junger Mann."
Als Meyer am Vormittage mit wüstem Kopfe erwachte, konnte er sich zunächst auf die Ereignisse der letzten Nacht nicht deutlich besinnen, dann aber entrollte sich vor seinem geistigem Auge nach und nach das Erlebte. Hastig kleidete er sich an und badete sein Antlitz in dem kühlen Wasser des Waschbeckens . Er mußte seiner Frau ja Mitteilung von dem Eintreffen des Tischgastes machen. Frau Meyer sagte kein Wort, aber der Blick, den sie ihrem Eheherrn zuwarf, sprach Bände. Schleunigst zog sich der Schützendirektor deshalb in seine Gemächer zurück. Er befand sich in einer keineswegs launigen, zumal er nicht wußte, ob der Schützenbruder, dessen Namen er nicht einmal kannte, über die Vorkommnisse in der Nacht auch schweigen würde.
In diesem Widerstreit seiner Gefühle überbrachte ihm das Dienstmädchen eine Karte, zu gleicher Zeit betrat auch die Tochter das Wohnzimmer.
Kaum hatte Meyer einen Blick auf die Karte getan, als er wütend ausrief: „Der Herr Direktor Wetzlich soll sich zum Teufel scheren; sagen Sie ihm, ich wäre für ihn nicht zu sprechen."
Immer ungemütlicher wurde die Stimmung Meyers. Da fuhr er von seinem Platze auf. Türen wurden geöffnet und geschloffen. Schon wollte er sich selbst überzeugen, was das zu bedeuten habe.
! als seine Tochter ins Zimmer trat und dem Vater , mitteilte, daß ein Schütze da wäre, der behaupte, i vom Vater zu Tische geladen zu sein. Daß sie selbst mit diesem Schützen schon eine ganze Zeit im Salon gesessen, verschwieg sie wohlweislich.
„Endlich!" rief Meyer aus und begab sich in den Salon, den Gast zu begrüßen. Er stutzte, als er, nachdem er nochmals höflichst um Angabe des Namens gebeten hatte, vernahm, daß der Schützenbruder Wetzlich heiße, doch bald hatte er sich gefaßt. Der Wetzlich, den er haßte, obwohl er ihn noch niemals gesehen, gehörte nicht zur Schützengesellschaft. Daß sein Gast auch den Namen Wetzlich führte, dafür konnte er nicht. Schnell schüttelte Meyer seine Befangenheit ab und kam, da beide allein im Salon waren, auf die Ereignisse der Nacht zu sprechen, den Schützenbruder bittend, davon seinen Frauen kein Wort zu verraten. Arm in Arm betraten beide das Wohnzimmer, in dem Meyer seinen Gast den Frauen vorstellte.
Aber was war denn das? Diese überaus herzliche Begrüßung konnte Meyer gar nicht fassen.
Berta, in deren Augen tausend Teufelchen sprühten, lachte auf, als sie den Vater völlig fassungslos dastehen sah. Dieses Lachen aber gab Meyer den Schlüssel zu dem Rätsel. Jetzt konnte er es nicht einmal wagen, dazwischen zu fahren, denn er hatte die Partie verspielt. Nur das war ihm nicht recht klar, wie der arge Spötter und Verächter der Schützen in deren Uniform kam, die ihn noch dazu vortrefflich kleidete.
Weyncy gav oem allen Herrn nicht nur bereitwilligst über den Vorfall am Stammtische des „Löwen" Auskunft, sondern erklärte, daß er ihn tief bedauere. Jedenfalls sei er anderer Pflicht, als der Herr Referendar Ohmke. Um das auch durch die Tat zu beweisen, sei er selbst der Schützengesellschaft als Mitglied beigetreten. Nachdem diese Erklärung Meyer voll befriedigt hatte, kam Wetzlich auf seine persönlichen Verhältnisse zu sprechen. Und da ergab es sich, daß Meyer seinem Gaste bitter Unrecht getan hatte, als er ihn einen Mitgiftjäger nannte. Er hatte übrigens nur gedankenlos nachgesprochen, was man am Stammtische erzählte. Wetzlich wollte seine Werbung um Berta anbringen, aber der Eintritt des Mädchens, das meldete, das Essen sei angerichtet, vereitelte das.
Meyer strahlte vor Vergnügen, als er während des Mahles den Schützenbruder mit seiner Tochter plaudern sah. Plötzlich erhob er sein Glas und trank den beiden zu: „Auf das Wohl des jüngsten Brautpaares!" /
Einen Augenblick trat Stille ein. Dann aber hatte die Tochter den Vater stürmisch umarmt.
Als auch Wetzlich auf den Schwiegervater zutrat, sahen sich beide Männer lange in die Augen, während die Tochter der Mutter um den Hals gefallen war.
Tränen rannen Frau Meyer über die Wangen. Nun hatte ihr Gatte also doch den Schwiegersohn wider Willen bekommen. Aber niemals erfuhr sie, wie das zuging, denn die beiden Männer schwiegen beharrlich über jene erreignisreiche Nacht.
Redaktion, DrM »tck Verlag 8. Meeh i« We«s»»8sg,