gemeinden um Verstaatlichung und Weiterführung der Filderb ahn bis Eßlingen bezw. Plochingen hatte wenige Freunde im hohen Haus. Der Be­schluß ging nur auf Kenntnisnahme, mit welchem sich Ministerpräsident v. Weizsäcker ganz einver­standen erklärte.

Stuttgart, 14. Aug. Die Zweite Kammer hielt heute ihre Schlußsitzung ab. Im Einlauf befand sich ein Nachtragsetat mit den Forderungen für zwei neue Schullehrerseminare. Ueber eine Reihe von Eingaben persönlicher Art wurde nach kurzen Referaten zur Tagesordnung übergegangen. Große Heiterkeit knüpfte sich an eine Eingabe des Kaufmanns Georg Schlecht in Stuttgart. Der Referent Maier (D. P.) gab zu, daß der Petent mit seiner Ehefrau, gegen die sich die Eingabe richtete, gründlich hereingefallen sei. Eine Eingabe mußte wegen Abwesenheit des Referenten Storz zurück­gestellt werden. In der Schlußabstimmung wurde der Etat mit 63 gegen 14 Stimmen der Sozial­demokratie angenommen. Die Sozialdemokratie stimmte motiviert ab. Sie erklärte, den Etat wegen der Steigerung der indirekten Steuern im Anschluß an die Reichsfinanzreform ablehnen zu müssen. In der Abendsitzung gelangten noch zwei weitere Eingaben zur Behandlung, von welchen eine, die­jenige des Bauers Schilling in Ochsenhöfle, Gde. Sulzbach, OA. Gaildorf, betr. Erzwingung eines Ueberfahrlsrechtes für den Forstfiskus der Regierung zurBerücksichtigung" übergeben wurde. Nach Mit­teilung verschiedener Noten der Kammer der Standes­herren gelangte sodann das Reskript zur Verlesung, durch welches der Landtag bis auf weiteres vertagt wird. Präsident v. Payer gab hierauf die übliche Geschäftsübersicht und wünschte den Mitgliedern des Hauses gute Erholung in den Ferien. Im Anschluß daran sprach sodann der Abg. Bantleon als Alters­präsident dem Präsidenten v. Payer den Dank des Hauses für seine umsichtige und unparteiische Ge­schäftsführung aus.

Stuttgart, 14. August. Gestern abend fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit eine sozial­demokratische Parteiversammlung statt, die sich mit dem Vorfall derHofgängerei" der 7 Land­tagsabgeordneten beim König in Friedrichshafen befaßte. Der Redakteur derSchwäb. Tagwacht". Westmeyer erhob scharfe Anklage gegen diePrin­zipienbrecher". Er behauptete, beim Besuche der Abgeordneten in Friedrichshafen hätte es sich nicht um eine zwingende Anstandspflicht gehandelt und legte folgende Resolution vor:Die Versammlung erklärt: Der Ausflug der Stände nach Friedrichs­hafen bedeutete in seiner Verbindung mit dem Besuch beim König eine Demonstration zu Gunsten einer Staatseinrichtung, deren Bekämpfung grundsätzliche Pflicht der Sozialdemokratie ist. Die Teilnahme sozialdemokratischer Abgeordneter ist daher ein Ver­stoß gegen die Grundsätze der Partei. Der Land­tagsabgeordnete Fischer vertrat in längerer Rede die Auffassung, von der sich die 7 Teilnehmer der Friedrichshafener Fahrt leiten ließen. Er meinte, man habe lediglich mit einer alten, von den 48er Demokraten herrührenden Ueberlieferung gebrochen.

Lampert übergab dem Rechtsanwalt den Brief des Londoner Hauses.

Sie sehen, daß meine Operation nicht so resul­tatlos geblieben ist. wie Sie damals glaubten," sagte er,aber es fragt sich, ob wir gesetzlich be­rechtigt sind, auf diesen Brief hin gegen den Makler einzufchreiten. Wenn ich auch jetzt noch nicht be­haupten will, daß er an dem Verbrechen direkt oder indirekt beteiligt gewesen ist, so mußte Schulz doch die Nummern der Wertpapiere kennen.

Der Beweis, den wir in diesem Briefe haben, reicht vor Gericht nicht aus," erwiderte er.Vor allen Dingen müssen wir uns die Briefe, mit welchen Schulz die Wertpapiere dem Londoner Hause ein­schickte, wie die Quittung, die er über den gezahlten Betrag ausgestellt hat, zu verschaffen suchen. Auch wird es ratsam sein, die Wertpapiere, wenn dies in der Möglichkeit liegt, zu kaufen, um ihre Identität mit den in den Akten verzeichneten Dokumenten fest­stellen zu können. Sind wir im Besitz aller dieser Wertpapiere, so erwirken wir einen Haftbefehl gegen Schulz, den das Gericht nicht verweigern kann. Die Durchsicht der Geschäftsbücher, die das Gericht an­ordnen muß, wird alsdann ergeben, ob Schulz die Papiere im Aufträge eines Dritten oder für eigene Rechnung verkauft hat."

Schon der Umstand, daß er sie einem Londoner Hause und nicht an der hiesigen Börse verkauft hat, beweist, daß er kein reines Gewissen hatte", sagte der Bankier,und ich denke, dieser Beweis muß schwer in die Wagschale fallen."

Die Abgeordneten dürften für sich das Recht ver­langen, nach eigener Ueberzeugung, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Sieben weitere Redner tadelten die Haltung der 7 Abgeordneten, und einer davon brachte noch folgende weitere Re­solution ein: Die heutige Versammlung bedauert, daß dieTagwacht" in Sachen des Ausflugs nach Friedrichshafen keine klare, bestimmte Haltung ein­genommen hat. Die Versammlung ist der Meinung, daß das Zentralorgan die Pflicht hat, in solchen Fragen in sachlicher, aber bestimmter Weise Stellung zu nehmen und Halbheiten ein- für allemal zu unterlassen." Dann wurde mit 179 gegen 121 Stimmen ein Schlußantrag angenommen. Reichs­und Landtagsabg. Hildenbrand verteidigte sich: Die in Frage kommenden Parteigenossen seien der Meinung, daß sie die Grundsätze der Partei durch diese Beteiligung nach keiner Richtung verletzt hätten. Er halte jede weitere Verteidigung, aber auch jede Beschlußfassung für absolut überflüssig. Er könne allerdings heute mit feurigen Zungen reden und werde die Genossen doch nicht von der Beschlußfassung abbringen. Wie recht Hildenbrand mit dieser Bemerkung hatte, zeigte die Abstimmung. Die Resolution gegen dieHofgänger" wurde mit 195 gegen 74 Stimmen angenommen, ebenso die andere gegen dieSchwäbische Tagwacht".

Vom Lande, 14. Aug.Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird." An der zu er­wartenden Bierpreissteigerung wird sich das Sprichwort bewahrheiten. Die Großbrauereien glaubten zwei Fliegen auf einen Schlag zu fangen. Das Maß sollte kleiner gemacht werden und dazu der Preis erhöht. Das wäre alles schön und gut, wenn das Bier trinkende Publikum mittun würde. Bei uns in Süddeutschland wird dies keineswegs der Fall sein. Die Biertrinker lassen sich eines ge­fallen: Entweder kleineres Maß, aber kein Auf­schlag, oder altes Maß und mäßigen Aufschlag, aber keineswegs beides zusammen. Die Konkurrenz wird übrigens auch sorgen, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Es gibt auf dem Lande draußen manchen Kleinbrauer, der trotz Malzsteuer- Erhöhung altes Maß und die alten Preise beibe­halten wird. Die anderen Wirte, die Achskunden der größeren Brauerein werden dann schon auch ein Wörtchen mitsprechen. Einen Teil der Steuer könnten wohl die Brauer schon auch selbst tragen und nicht alles auf die Konsumenten abwälzen wollen. An dem Braugeschäft muß trotz alledem noch etwas herauskommen. Welche Summe läßt sich nicht der eine oder andere Brauer kosten, um einen neuen Achskunden zu gewinnen! Wenn die Erhöhung des Preises mit Maß und Ziel geschieht, werden sich die Konsumenten darein schicken, eine Ueberspannung des Bogens wird schwächen.

Tübingen, 14. Aug. An die Fertigstellung der TübingenHerrsnberger Bahn bis zum Westbahnhof im Oktober ist nicht zu denken. Bei den Feierlichkeiten in Pfäffingen konnte man auch aus berufenem Munde der Sachverständigen hören, daß vielleicht im Dezember ds. Js. sie dem Betrieb übergeben werden könnte.

Der Rechtsanwalt zuckte die Achseln.

Solche Beweise wiegen allerdings schwer, wenn die Schuld gewissermaßen erwiesen ist," fuhr er fort, aber so lange sie allein stehen, gelten sie nur sehr wenig. Ich bin kürzlich auf die Vermutung ge­kommen, daß die Akten des Untersuchungsrichters aus jenen Jahren uns einen Anhaltspunkt geben könnten. In den betreffenden Akten fand ich denn nach langem, mühsamem Suchen einen sehr wich­tigen Kriminalprozeß. Kurz vor der Ermordung des Buchhalters war ein hiesiger Mechaniker mittelst Einbruch bestohlen worden. Die Diebe hatten außer verschiedenen Kleidungsstücken und barem Gelds auch einen großen Teil der Werkzeuge mitgenommen. Einige Monate später wurden zwei Mitglieder dieser Bande auf frischer Tat ertappt, verhaftet und der Prozeß wider sie eingeleitet. Die beiden Verbrecher wurden zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und befinden sich jetzt seit zwei Jahren wieder auf freiem Fuße. Bei Durchsicht dieses sehr interessanten Pro­zesses konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß diese Verbrecher auch die Mörder des Buch­halters seien, und es ist sehr zu bedauern, daß das Gericht damals die Verletzungen an dem Schreib­tisch nicht bald durch Sachverständige beurteilen ließ."

Der Bankier hatte schweigend zugehört.

!Das ist allerdings eine sehr wichtige Entdeck- ung," sagte er,aber was haben wir durch sie ge­wonnen? Werden wir die beiden Verbrecher finden?

! Wissen Sie, wo sie sich aufhalten?"

Freudenstadt, 14. Aug. Die Zahl der Kur­gäste war am 12. August wiederum um 336 höher als am gleichen Tag des vorigen Jahres. Am 5. August wurden 4311 Luftkurgäste gezählt. Freuden­stadt hat unter sämtlichen Schwarzwaldluftkurorten damit die höchste Besuchsziffer. Auch die Kurorte des württembergischen Hochtales weisen eine recht befriedigende Besucherzahl auf. Nur die Passanten­zahl läßt im Tale zu wünschen übrig, weil der Passantenverkehr durch den zunehmenden Automobil­verkehr erschwert, wenn nicht ganz vernichtet wird. Die Passanten trauen sich nicht mehr durch die in Staubwolken gehüllte, unsicher gewordene Staats­straße. wie ja auch der neue Schwarzwaldführer von Julius Wais wegen des lebhaften Automobil­verkehrs nicht mehr empfiehlt. Es gibt darum Leute genug, die sich nach der alten, lange so sehr ver­schrienen Zeit der Schlagbäume zurücksehnen.

Illingen, 14. August. Zu dem Unglück des pensionierten Bahnbediensteten Karl Wehr ist noch zu berichten, daß ihm der Schnellzug den Kopf ober­halb der Augen durchschnitt. Die Hirnschale war vollständig vom Kopf getrennt, das Hirn wurde einige Meter weit fortgeschleudert, ebenso die Mütze. Nach einer Behauptung der Frau des Getöteten hätte sie ihren Mann, der durch den Fall auf die Schienen bewußtlos geworden sein mußte, noch vor dem Ueberfahren reiten können, wenn ihr Schmölzle geholfen hätte. Schmölzle wurde heute früh verhaftet.

Wurmlingen, 14. Aug. Gestern wurde hier ein schweres Sittlichkeitsverbrechen verübt. Ein durchreisender vagabundierender Handwerks­bursche vergewaltigte eine öjähriges Mädchen eines hiesigen Bürgers auf dem Abort des eigenes Hauses und verging sich derart an ihm, daß es schwer krank darnieder liegt. Der Landjägermannschaft ist es gelungen, ihn zu verhaften.

Kus ^taSt. Brzirk uns Umgebung-

Neuenbürg, 14. Aug. Daß es heutzutage schwer hält, eine Wirtschaflskonzession zu bekommen, ist bekannt. Wie sehr aber auch von den Behörden darauf gesehen wird, daß konzessionierte Wirte sich gegen die Bestimmungen des § 33 der Reichs­gewerbeordnung nicht verfehlen, geht aus einer in Nr. 16 der württ. Gemeindezeitung abgedruckten Entscheidung des K. Verwaltungsgerichtshofs hervor, wonach einem Wirte die Erlaubnis zum Betrieb seiner dinglichen Gastwirtschaftsberechtigung aus eigene Rechnung entzogen wurde, weil er ver- schiedenemal wegen Uebertretungen der Polizeistunde bestraft wurde und öfters in betrunkenem Zustande seine Wirtschaft selbst führte.

Neuenbürg. Neue Bestimmungen treten über das Ausverkaufswesen mit dem 1. Oktober in Kraft. Wird in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Per­sonen bestimmt sind, deren Verkauf von Waren angekündigt, die aus einer Konkursmasse stammen, aber nicht mehr zum Bestand der Konkursmasse gehören, so ist nach diesen neuen Bestimmungen dabei jede Bezugnahme auf die Herkunft der Waren

Das wäre leicht zu ermitteln, denn sie stehen unter Polizeiaufsicht. Sie heißen Karl Schneider und Matthias Rapp und wohnen hier in der An­tonsgasse."

Ein recht sauberes Quartier," bemerkte der Bankier.Wer will sich in die berüchtigte Gasse wagen?"

Lieber Freund, das überlassen Sie mir. Vor­erst handelt es sich darum, zu erforschen, ob die beiden Verbrecher mit Schulz in Verbindung ge­standen haben oder noch stehen, und ich denke, das können Sie durch den Zauber, den das Gold auf solche Menschen übt, am sichersten erfahren."

Sie haben recht," sagte der Bankier nach kurzem Nachdenken.Ich halte nun für das beste, wenn Sie heute abend oder morgen früh nach London reisen, um die Briefe und Quittungen des Agenten, sowie, wenn dies in der Möglichkeit liegt, die Wert­papiere, die vielleicht noch in Händen eines eng­lischen Kapitalisten sind, zu holen. Die nötige Voll­macht werde ich Ihnen heute abend übergeben. Während Ihrer Abwesenheit suche ich die beiden Subjekte zu gewinnen, und so hoffe ich, sind wir bei Ihrer Rückkehr mit den üötigen Beweismitteln versehen."

Ich bin bereit, die Reise heute abend anzu­treten, bitte Sie aber, den beiden Vagabunden gegenüber sehr vorsichtig zu Werke zu gehen." (Fortsetzung folgt.)