Das Svjährige Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Neuenbürg
Neuenbürg, 10. August 1909.
II.
Der herrliche Sonntagmorgen rief bald alles aus die Beine, was nicht schon durch die Tagwache und den dröhnenden Salut an den Anbruch dieses zweiten Festtages erinnert worden war und frühe schon belebten sich die Straßen, noch ehe die lieben Festgäste von auswärts einzogen. Gar viele machten sich daran, die an manchen Häusern angebrachten gereimten und ungereimten Sinnsprüche zu deuten und den prächtigen Festschmuck zu bewundern, den sich unsere friedliche Stadt heute angelegt hatte. Die lebhafteste Aufmerksamkeit fand dabei ein die Ehrenpforte beim Schulhaus zierendes, die Insignien der Feuerwehr darstellendes Ensemble, das in der Werkstätte des Schlossermeisters Finkbeiner hergestellt, als vollendetes Kunstwerk dem Verfertiger Kamerad Stahlke alle Ehre macht.
Allmählich nun begann der Einmarsch der lieben Kameraden. Von allen Seiten kamen sie herbeigeströmt, um den Ehrentag der Feuerwehr zu verschönern und zugleich Zeuge davon zu sein, ob die Jubilarin auch auf der Höhe ihrer Aufgabe stehe.
Programmmäßig rückte das Ehrenkorps um 11 Uhr zur Festübung an, wofür das Gebäude der Apotheke am Marktplatz als Brandobjekt ausersehen war, während das Meeh'sche Haus zur Rettung der bedrängten Bewohner der brennenden Apotheke diente. Es war eine Freude zu sehen, mit welcher Exaktheit die Feuerwehr versuchte, die ihr gestellte Aufgabe zu lösen. Und in der Tat darf die Lösung als eine glänzende bezeichnet werden. Schon nach 1^2 Minuten ergossen sich die kräftigen Wasserstrahlen über das „brennende" Haus und die gefährdeten Nachbargebäude. Bald war auch der Großvater mit der Zipfelmütze durch einen Sprung aus dem I. Stock gerettet, während einige weitere Hausbewohner vermittelst des Rettungsschlauchs aus ihrer gefahrvollen Lage befreit wurden. Auch die Sanitäter kamen auf ihre Rechnung, denn es gab Verwundete und Ohnmächtige, die der ersten Hilfe bedurften.
Nach der rasch verlaufenen Uebung begaben sich die Feuerwehren in ihre Quartiere, während im Gasthof zur Sonne das Festessen begann. Während desselben gedachte Kommandant Vogt in markigen Worten der Verdienste der „Alten", die schließlich in ein Hoch auf die beiden anwesenden 1869er (E. Lustnauer z. Sonne hier und W. Weik-Calw) ausklangen, wofür Mitbegründer Weik in schlichten Worten dankte. Für den schon am Samstag abend von Kommandant Vogt auf die Inhaber des Feuerwehrdienstehrenzeichens ausgebrachten Toast dankte Jubilar Essig, während Hr. Oberamtmann Hornung Veranlassung nahm, den zu Festesbeginn in ein Hoch auf die Feuerwehr gekleideten Glückwünschen noch einige anerkennende Worte hinzuzufügen. Oberamtrsparkassier Holzapfel verlas hierauf eine Anzahl schriftlicher und telegraphischer Beglückwünsch-
Kriminrl-Novelle von Ernst Bezold.
3) - (Nachdruck verboten.!
(Fortsetzung.)
An Ihre Person knüpfen sich für uns zu viele traurige Erinnerungen, als daß wir Ihnen gestatten dürfen, uns durch eine Wohltat zu Dank zu verpflichten. Ich bitte Sie nochmals, verlassen Sie dieses Haus, ehe mein Sohn heimkehrt."
„Gnädige Frau, es gibt ein besseres Mittel, die Schuld zu sühnen, wenn hier von einer Schuld die Rede sein darf," unterbrach Schulz sie und det stechende Blick seiner Augen ruhte lauernd auf den hübschen Zügen der Witwe. „Ich habe Ihnen den Gatten und Ihrem Sohne den Vater genommen, wohlan ich will beides zurückerstatten und Sie sollen keine Ursache finden, mit dem Tausch unzufrieden zu sein. Mein Vermögen, mein ganzes Ich lege ich Ihnen zu Füßen. Franziska, denken Sie, der Augenblick der Sühne für manche alte Schuld. Sie wissen, wie tief mich damals Ihr Vater beleidigte, wie sehr Ihr Spott mich gekränkt hat. Sie wissen auch, weshalb ich seit jenem Tage mich nie wieder einem Weibe genähert habe, weshalb ich meine Tage einsam und freudlos verbrachte. In Ihrer Macht liegt es jetzt, jede Beleidigung und Kränkung zu tilgen, mich zu entschädigen für —"
„Nicht weiter, mein Herr!" rief Frau Lambert entrüstet. „Jedes Wort ist eine Beleidigung. Was berechtigt Sie, die Wunden wieder aufzureißen, die —"
! ungen, die aus Anlaß der Uebersendung der Fest- ^ schuft von auswärts eingetroffen waren.
Nun rüstete man sich zum Festzug. An demselben nahmen 34 Feuerwehren mit gegen 1800 Kameraden, denen sich die hiesigen Vereine mit ihren „Trümmern" angeschlossen hatten, teil. Der Festzug wurde von einem schmucken Herold (K. Scholl) eskortiert und schließlich glücklich auf den Maienplatz als Festplatz geleitet.
Hier entbot zunächst Hr. Stadtschultheiß Stirn den Willkommgruß der Stadt. Aus der nun folgenden Festrede des Kameraden Oberamtspfleger Kübler tat sich denjenigen, die das Glück halten, in nächster Nähe zu sein, ein interessantes Bild auf von der Geschichte der Jubilarin, das sich zum Teil in der ausgegebenen Denkschrift wiederspiegelt. Wir behalten uns vor, die Festrede, die in einem Toast auf die Einigkeit und den Korpsgeist der Feuerwehr endigte, in einem besonderen Abschnitt in nächster Nummer zu würdigen. Wie selten zuvor, zeigte der idyllische Maienplatz ein buntes Durcheinander, waren doch neben den schmucken Uniformen namentlich der Badener Kameraden auch die bequemen Drillichröcke zur Geltung gekommen und stellte die liebe Jugend in ihren festlichen Gewändern ein starkes Kontingent im malerischen Reigen.
Das auf den Abend angesetzte Bankett war äußerst zahlreich besucht. Der zum Besten gegebene lustige Schwank aus dem Leben der Feuerwehr, dargestellt von Fcl. Jörger, Heiner und Titelius und den Kameraden Kritschel, Gotischalk und Girrbach, fand ungeteilten Beifall. Nicht minder ergötzten die komischen Vorträge des Kameraden Kritschel, namentlich aber löste die Fahrt im niedlichen Auto große Heiterkeit aus. Die „Damenfeuerwehr" (Frl. Vogt, Haist, Höhn und Knöller) gab unter dem Kommando von Kamerad Kain er bei ihrer Produzierung den Kameraden von der andern Fakultät (Heß, Schickert und Großmann) in Strammheit und kühner Entschlossenheit nichts nach. Die darauf folgenden lebenden Bilder erinnerten die Festteilnehmer so recht an das Leben und Treiben einer Feuerwehr und verpflichteten für die Darsteller und insbesondere den Veranstalter, Hrn. Oberlehrer Vollmer, zu lebhaftem Danke. Frl. Titelius hatte die nicht leichte Aufgabe übernommen, den Prolog zu sprechen. In wechselnder Folge trug eine Abteilung des Turnergesangvereins unter dem bewährten Dirigenten des letzteren, Hrn. Vollmer, eine Reihe ansprechender Lieder vor, wie sie dies in anerkennenswerter Weise schon beim Festbankett am Samstag abend getan hatte. Bei all diesem Gebotenen wurde die Geduld derjenigen, die in dem programmäßigen „Tanz" ihre höhere Befriedigung suchten, auf eine harte Probe gestellt. Doch soll noch weidlich getanzt worden sein.
Der für den Montag vormittag vorgesehene Spaziergang durchs Schloßwäldle sollte für den anschließenden Frühschoppengenuß in der „Eintracht" Anreiz geben. Ein am Morgen niedergegangener Gewitterregen hatte unsere liebe Jugend bereits be- l
! „Was will dieser Mensch hier, Mutter?" sagte
I in diesem Augenblick eine tiefe männliche Stimme.
> Der Agent fuhr unwillkürlich zusammen, das Lächeln verschwand, als er in die flammenden Augen des jungen Mannes blickte.
„Nichts Hermann, beruhige dich," erwiderte Frau Lambert, deren Entrüstung einer gerechten Besorgnis wich. „Er wollte uns beweisen, daß er nicht der Feind deines Vaters war — dort die Empfehlungsbriefe —"
Hermann eilte hinzu; seine Arme umfingen seine Mutter, die ohnmächtig niedersank.
„Das ist Ihr Werk," sagte er mit bebender Stimme. Die Stunde wird kommen, in der ich Rechenschaft fordere von Ihnen für das Unheil, welches Sie über uns gebracht haben. Hinaus Elender, ich will die Vorsehung bitten, daß sie nicht eher Ihren Lebensfaden abschneidet, bis es mir vergönnt war, meinen Vater zu rächen!"
Er hatte, während er dies sagte, die Mutter in einen Sessel getragen und bemühte sich jetzt, ihre Lebensgeister zurückzurufen.
Der Agent zuckte mit kaltem Hohn die Achseln.
„Armseliger Knabe, wie bald wird dein harter Schädel zerschellen!" erwiderte er. „Du bist noch zu jung, um über gewisse Dinge urteilen zu können. Schlag nur die Laufbahn ein, die du gewählt zu haben scheinst und dein Ziel wird dasselbe sein, bei welchem dein Vater endete."
Hätte nicht die Ohnmacht der Mutter die Aufmerksamkeit Hermanns in Anspruch genommen, und wäre der Agent nicht so vorsichtig gewesen, nach I den letzten Worten eiligst das Haus zu verlassen, I
fürchten lassen, ob das für diesen Nachmittag projektierte Kinderfest auch abgehalten werden könne. Doch hatte der Himmel Einsehen und bescherte auch ihr die längst gehegte Festesfreude. Nach der üblichen Bescherung ergingen sich die Größeren unter Leitung ihrer Lehrer in munteren Spielen und aus den frohen Gesichtern der Kinder sah man allenthalben. welch heißen Dank sich die Feuerwehr durch ihre Veranstaltung erworben hatte. In festlichem Zuge gings am Abend nach der Stadt zurück, nicht ohne daß sich die Feuerwehrkapelle, die sich über die ganze Festlichkeit durch flottes Spiel auszsichnete, eine Karussellfahrt gönnte. Ein gemeinsamer Gesang auf dem Marktplatz beschloß die im ganzen würdig verlaufene Jubiläumsfeier, bei der nicht allein Karussell und Kinematograph, sondern vor allem auch die Bedürfnisgewerbe auf ihre Kosten gekommen sein dürften.
Noch sei dankbar erwähnt, daß der Jubilarin zu ihren Festkosten einige namhafte Beiträge zu- geflosfen sind, wenn auch die Spenden zum „26- jährigen" nicht erreicht wurden.
Zum Schluffe wünschen wir unserer Feuerwehr, daß sie sich auch künftig mit gleichem Eifer und Pflichtbewußtsein ihrer edlen, wenn auch harten Aufgabe unterziehen möge, und die Bewohner Neuenbürgs werden dann Leben und Eigentum wie bisher getrost ihrem Schutze anvertrauen können. U.
i?us ^taSt» SLZit-k uns Umgebung,
H Die am Sonntag den 8. August in der Turnhalle in Wildbad eröffnete Wanderausstellung des Schwäbischen Gauverbandes gegen den Alkoholismus gibt anschaulicher, als es jeder Vortrag und jedes Buch vermag, ein übersichtliches Bild der kolossalen Schäden, welche die geistigen Getränke jahraus jahrein im Volks- und Einzelleben anrichten. Sie weist hin auf die enormen Summen, die unser deutsches Volk jährlich für diese an sich unnötigen Getränke ausgibt, auf die Schädigungen, welchen die Organe des menschlichen, besonders des kindlichen Körpers durch das fortgesetzte mäßige wie durch das unmäßige Trinken unterliegen, auf die zahllosen Unfälle und die Geldverluste, die infolge des Sonntagstrinkens und des sogenannten „Blaumachens" entstehen, letztere besonders auch den Arbeitgebern fühlbar, auf die traurigen Zustände, die in den Familien von Trinkern für die armen Frauen und Kinder durch Armut, Verwahrlosung und Wohnungselend, schließlich durch frühen Tod des Ernährers vielfach herrschen, auf die unermeßlichen Millionenbeträge, die infolge der herrschenden Wirtshausunsitten alljährlich von den Steuerzahlern für gerichtliche Zwecke für Gefängnisse und Zuchthäuser, für Armen- und Krankenhäuser, für Irrenanstalten und andere ähnliche durchaus unrentable Einrichtungen bezahlt werden müssen (leider soll man auch in Württemberg wieder eine neue, Millionen kostende Irrenanstalt bauen), endlich auf die überaus unheilvolle körperliche Entartung und sittliche Verwilderung, der viele Volkskreise
so würde schon jetzt die' Katastrophe eingetreten sein, welche Frau Lambert so oft im Geiste voraussah.
Der junge Mann hatte sich hoch aufgerichtet, krampfhaft umklammerte seine Hand die Lehne des Sessels.
„Ah — es ist besser so," murmelte er mit gepreßter Stimme. „Die Strafe wäre zu leicht gewesen. Zollweise will ich ihn sterben sehen, wie mein armer Vater gestorben ist."
Nach diesem kurzen Selbstgespräch wandte Hermann seine Aufmerksamkeit wieder der Mutter zu, die bald zum Bewußtsein zurückkehrte.
Ihre erste Frage war, ob Schulz das Haus verlassen habe und erst, als Hermann wiederholt erklärt hatte, daß es bei einem kurzen Wortwechsel zwischen ihm und jenem geblieben sei, atmete sie erleichtert auf,
„Hermann, das einzige, was mich beunruhigt, das ist die Befürchtung, du könntest dich von deinem Haß gegen diesen Mann zu einem Verbrechen Hinreißen lassen," sagte sie, während sie dem Sohn liebevoll ins Auge blickte. „Versprich mir, deiner Rache zu entsagen, damit ich, wenn dies der letzte Tag sein sollte, den an deiner Seite zu verleben mir vergönnt ist, ich beruhigt die Augen schließen kann."
„Mutter, sprich nicht so," bat der Jüngling, während er sich sanft der Umarmüng entwand, „du wirst leben, leben für mich und für die Hoffnung, einst die Unschuld des Vaters anerkannt zu sehen." ^ Frau Lambert schüttelte den Kopf.
(Fortsetzung folgt.)