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^ 124. Amts- und Knzeigeßsatt für den Bezirk Halw. 78. Jahrgang.

ErscheinungStage: Dienstag, Donnerstag, EamS- tag, Sonntag. AnsertionSpreiS 10 Pfg. pro Zeile für Stadt vnb vezirkSorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Sonntag, den 9. August 1903.

Äbonnementspr. in d. Stadt pr. Diertelj. Mk. 1.10 incl. Trkgerl. Vierteljahr!. Postbezugspreis ohne Beftellg. f. d. Orts- u. Nachdar- orlsverkehr 1 Mk., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.

Eagesnenigkriten.

X. Liebenzell, 7. Aug. Letzten Sonntag erfreute uns der Stuttgarter Winzer-Verein mit ca. 100 Mitgliedern, von Althengstett zu Fuß kommend, mit seinem Besuch. Die Gesellschaft be­sichtigte mit besonderem Interesse unseren Kurpark und sprachen sich zahlreiche Sachverständige über dessen Anlage und kräftiges Wachstum sehr an­erkennend aus. Die Unterkunft war im „Ochsen" gewählt. — Mit dem letzten Juli abends erstrahlte unser Städtchen zum ersten Male in elektrischer Beleuchtung, was den Straßen und Plätzen einen neuen vorteilhaften Reiz verleiht. Im Ganzen darf die Verteilung der Lampen als eine zweck­mäßige bezeichnet werden und wird dieser neue Fortschritt unserer städt. Verwaltung von Kurgästen und Einheimischen gleich lebhaft begrüßt. Wünschen wir, daß sich demselben noch weitere Schritte an- reihen, welche unser» lieben Badgästen den Auf­enthalt immer angenehmer machen.

(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.) Se. König!. Majestät haben am 4. August d. I. allergnädigst geruht, auf die erledigte Stelle des Rektors und ersten wissenschaftlichen Haupt­lehrers an dem Schullehrerscminar in Eßlingen den Oberschulrat Rektor Dr. Brügel am Schul­lehrerseminar in Nagold seinem Ansuchen gemäß zu versetzen.

Stuttgart, 4. August. (Ferienkammer.) Eines bedeutenden Einbruchsdiebstahls angeklagt war der bisher straflose 19jährige Maurer Karl Huber von Feuerbach, welcher in der Nacht vom 1.—2. vor. Mts. über einen hohen Zaun in das Portierzimmer der Schokoladefabrik von Moser-Roth hier, wo er beschäftigt ward, einstieg, die Tür er­brach und eine dort hängende lederne Geldtasche mit 785 Inhalt stahl, wovon er seiner Geliebten,

der 18jährigen Fabrikarbeiterin Emma Emmendörfer von Zuffenhausen, 12 schenkte und eine Uhr mit Kette anschaffte, sich selbst ebenfalls eine solche, u. a. m. Bei seiner 5 Tage nachher erfolgten Fest­nahme besaß er noch 423 Huber wurde zu der Gefängnisstrafe von 1 Jahr 4 Monaten verurteilt, die wegen Hehlerei Mitangeklagte Emmendörfer mangelnden Schuldbeweises halber freigcsprochen.

Stuttgart, 5. Aug. In der Nacht zum Sonntag ist im Hause des zur Zeit von hier ab­wesenden Rechtsanwalts Dr. R. Schall ein frecher Einbruchsdiebstahl verübt worden. Der Dieb drang morgens zwischen 3 und 4 Uhr in das verschlossene Haus ein und machte sich an daS Ausrauben der Wohnung. Der allein im Hause anwesende Sohn des Besitzers erwachte an dem Geräusch und ent­deckte den Dieb, der sich eben zur Flucht anschickte; er sandte ihm eine Revolverkugel nach, doch wie es scheint, ohne zu treffen. Eine eiserne Kassette und eine Standuhr, die dem Einbrecher zur Beute ge­fallen war, warf er weg und entkam im Dunkel der Nacht. — Auch in die Wohnung des greisen Geh. Rats Dr. Zeller stieg kürzlich bei Nacht ein Dieb ein. Die Zustände in unserer Hauptstadt for­dern allmählich dringend zu sehr energischen Maß­regeln auf!

Neuenbürg. 6. Aug. Auf der Straße gegen Höfen ereignete sich heute Abend ein schwerer Unglücksfall. Ein Bierführer aus Mühlacker, fiel so unglücklich vom Wagen, daß er bald darauf scheinbar an innerer Verblutung starb. Der Bedauernswerte hinterläßt Frau und Kind.

Tübingen, 6. Aug. (Strafkammer.) Wegen gemeinschaftlichen Verbrechens deS schweren im Rückfall verübten Diebstahls wurde heute der Schlosser Max Weiß von Stuttgart zu der Zucht­hausstrafe von zwei Jahren und zum Verlust der

bürgerlichen Ehrenrechte auf 6 Jahre, seine Beglei­terin Josefa Oelkoch, Fabrikarbeiterin von Augsburg, zu einer Gefängnisstrafe von 7 Monaten verurteilt. Weiß hatte die Bekanntschaft der Oelkoch in Augs­burg gemacht. Seit Oktober 1902 zogen beide vagierend in Bayern und Württemberg umher. Im April reisten sie nach Stuttgart; weil die Oelkoch daselbst aber ausgewiesen ist, verschaffte ihr Weiß einen Männeranzug, den sie dann an­legte. Da die Schuhe der Oelkoch auch zerrissen waren, erbrachen beide in der.Nacht des 18. Mai auf dem Cannstatter Wasen die Hütte eines Fuß­ballklubs und stahlen daraus Sportschuhe, Strümpfe und andere Gegenstände. Alsdann begab sich das Pärchen nach Tübingen, dort wurden sie uneins und die Oelkoch entschloß sich, sich von ihrem Begleiter zu trennen und jetzt gebrauchte sie wieder Frauen­kleider, die sie sich dadurch zu verschaffen suchte, daß sie in Tübingen mehrere Gartenhäuschen er­brach. Dabei wurden beide ertappt und festgenom­men. Sie waren geständig.

Augsburg, 4. Aug. Eine gesprengte Ausstellung ist das Neueste aus dem bekannten Kurort Wörishofen. Dort war am letzten Sonntag eine Ausstellung von deutschen Schäferhunden ver­anstaltet, diese jedoch mitten im Ort — auf der Kasinowiese — untergebracht worden. Natürlich trafen die Tiere einen oder zwei Tage zuvor ein und die Bewohner Wörishofens nebst ca. 2200 Kur­gästen mußten das Geheul und Gebell der Hunde anhören. Am dritten Tag kam der Unmut darüber zum offenen Ausbruch. Die Fremden drohten mit sofortiger Abreise ob solcher Rücksichtslosigkeit. Das wirkte. Die Ausstellung wurde sofort wieder ge­schlossen und die Hunde weggeschafft, noch ehe eine Prämierung erfolgt war. Und in Wörishofen ist es wieder ruhig.

Atttkiötlotl» Nachdruck »rrbalen.

Grene.

Original-Roman von Irene v. Hellmuth.

(Fortsetzung.)

„Nichts?" lachte Uttrccht auf. Es tat dem jungen Mädchen beinahe weh.

„Du bist eben ein unschuldiges, kleines Ding," sagte er. „Kurt ist in dich verliebt, darauf verwette ich meinen Kopf. Nun hat er das Nachsehen!"

Jsa schwieg. Sie vergegenwärtigte sich das Bild des Freundes, wie er sie mit traurigem Blick anstarrte, vorhin, als sie davoneilte. Seltsam, sie empfand einen fast körperlichen Schmerz. Es war ihr, als griffe plötzlich eine kalte Hand nach ihr, als zöge ihr jemand eine Binde von den Augen. Sollte es wahr sein, waS Uttrccht eben gesprochen. Sie fühlte, es war nicht gut, daß er cs ihr mit­geteilt, ihre Ruhe war dahin. Etwas wie Angst packte sie, sie machte sich los und wollte davon eilen. Uttrccht hielt sie zurück.

„Du willst schon fort, und bist eben erst gekommen? So ohne weiteres entwischt man mir nicht," lächelte er. „Du hast dich mir ergeben, folglich bin ich dein Herr und Gebieter, und als solcher fordere ich mit gutem Recht, daß ich erst meinen Abschiedskuß bekomme, ehe du gehst!"

Jsa streckte die zierliche Gestalt und scheu streifte ihr Mund den seinigen.

„Kleine Geizige," neckte er lachend, „einen einzigen Kuß zum Abschied für einen ganzen Tag. Warte nur du — du mußt erst noch lernen! aber ich werde dir ein guter Lehrmeister sein, verlaß dich darauf!"

„Das muß ich allerdings erst lernen," lächelte das Mädchen, und Hans o- Uttrccht gestand sich, daß er nie etwas Reizenderes gesehen hatte, als dies reine, unschuldige Kind, das mit den großen Augen so lieblich zu ihm aufblickte.

„Du," — die vertrauliche Anrede kam nur stockend von Jsas Lippen, „ich fürchte, ich bin nicht die Erste, der du von Liebe sprichst, wie?"

„Ja, Jsa," beteuerte er halb schalkhaft, und legte mit drolliger Geberde die Hand aufs Herz. „Glaube mir, so lieb wie dich habe ich noch kein Mädchen gehabt, und werde auch keines mehr so lieb haben. Du sollst von nun an Königin in meinem Herzen sein, von heute ab trittst du die Alleinherrschaft an!"

„Ich möchte mir das auch aukgebeten haben, sonst sind wir geschiedene Leute!"

„Wie gut dir die trotzige Miene steht, du ahnst gar nicht, wie schön du damit aussiehst!"

„In allem Ernst," fiel Jsa ein, und zog die Augenbrauen in die Höhe, „merke dir genau, was ich sagte."

„Schau, schau, ich wette, du bist eifersüchtig," lachte Uttrccht belustigt auf.

Er hatte versucht, sie wieder an sich zu ziehen, doch sie wehrte ihm:

„Ich muß fort, und noch eins, — ich kann doch nicht jeden Tag hierher­kommen. Ach besten ist's, du kommst nach Buchecke, und wir machen dort unsere Verlobung bekannt. Was sollte die Welt denken, wenn sie erführe, daß wir uns hier heimlich treffen, das schickt sich nicht!"

„Ach, und ich hätte gern unser süßes Geheimnis noch ein wenig ganz still für mich behalten," grollte Uttrecht. „In Buchecke können wir uns kaum ohne Zeugen sprechen, wir sind nie allein, und ich hätte dir doch so viel zu sagen."

„Ja, — aber es geht nun einmal niht anders."