jetzigen Zeit ebensowenig einen Aufschub verträgt, wie die laufenden Arbeiten eines Privatbetriebs. Es ist darum zu begrüßen, daß unsere Zweite Kammer im Gegensatz zum Reichstag, der sich eine Woche Ferien gönnt, ihre Beratungen beim Etat fortgesetzt hat. Es besteht ohnehin die Gefahr, daß sie, dis in den Spätsommer, von ihrem Pensum festgehalten wird. — Der „Staatsanzeiger" war schneller auf dem Plan, als neulich Klagen über einen Mangel an Güterwagen laut wurden, der sich im Anschluß an die Durchführung der Güterwagengemeinschaft gezeigt hatte, und zwar nicht nur bei uns, sondern auch in Baden, während in Preußen und Bayern merkwürdigerweise keine Beschwerden bekannt wurden. Es war allerdings auch wieder viel Falsches mit untergelaufen, was bei der Quelle, aus der das Lamento hier zu Lande floß, gar nicht zu verwundern ist. Die Mißstände, die aber tatsächlich einige Tage Vorgelegen haben und nicht bloß aus dem unerwartet früh mit dem warmen Wetter aufgetretenen Mehrbedarf zu erklären sind, sind jetzt überwunden und an ihrer Stelle zeigt sich die so lange vergeblich erstrebte Verminderung der Leerläufe.
Stuttgart, 14. April. Die Zweite Kammer nahm heute nachmittag ihre Tätigkeit wieder auf, erklärte zunächst den Abg. Wieland-Ulm für legitimiert, worauf er eingeführt und vereidigt wurde und begqnn dann die Beratung des Etats des Innern. Der Berichterstatter Frhr. Pergler v. Perglas wies in seinen einleitenden Bemerkungen darauf hin, daß in der Aufstellung des Etats das Streben nach Sparsamkeit zum Ausdruck komme. Allgemeine Ueberraschung und besondere Heiterkeit am Regierungstisch rief es hervor, daß zu Tit. 1 (Gehalt des Ministers), an den sich sonst längere Erörterungen zu knüpfen pflegen, das Wort nicht weiter genommen wurde. So rasch ist dem Minister des Innern das Gehalt noch nie bewilligt worden. Hierauf wurde eine von der Finanzkommission beantragte Resolution besprochen betr. Aenderung des Jagdgesetzes in dem Sinne, daß die Ausübung der Eigenjagd nicht mehr von einem Grundbesitz von 50 Morgen, sondern von 50 Im (I58ff- Morgen) und zwar unter Festsetzung einer Mindestbreite für die den Zusammenhang zwischen den einzelnen Grundbesitzteilen vermittelnden Streifen abhängen soll. Auch sollen Gemeinden mit eigener Verwaltung und einer genügend großen Gesamtfläche ihr Jagdrecht selbst verpachten dürfen. Schlichte (Z.) sprach sich gegen eine solche Schmälerung des Jagdrechtes aus, die zugleich eine Beschränkung des freien Eigentumsrechtes sei. Häffner (D.P.) beantragte, daß den seither zur Jagdausübung berechtigten Grundbesitzern der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung durch Anteilnahme am Pachtgeld Vorbehalten wird. Braunger(Z.) erklärte sich gleichfalls gegen die Resolution und teilte mit, daß in seinem Bezirk (Leutkirch) der Antrag der Kommission große Aufregung hervorgerufen habe. Nicht weniger als 365 Grundbesitzer würden dort ihres Jagdrechtes verlustig gehen und nur etwa 10 es behalten. Körner (B.K.) vermißte die nötigen Unterlagen für
Ein fatales Mißverständnis.
Humoreske von K. D.
3) —-—- (Nachdruck verboten.)
Das war mir nicht ganz angenehm zu hören, denn ich war wirklich vor einigen Wochen in Cuxhaven gewesen, als Eleonore mit ihren Eltern von Helgoland zurückkam.
„Doch wozu das Reden! Weißt Du, ich könnte Dich an Jokohama erinnern. Was sagst Du dazu? Eh?"
„Dazu habe ich nichts zu sagen."
„Gott! was gibt es für verstockte Menschen I Und was sagst Du zu der Geschichte in Hongkong? Wer versprach da etwas, wenn der Schiffsboden angebohrt würde und etwas geschähe — eh?"
Das war sehr ernst, aber ich schüttelte den Kopf.
„Und denkst Du, Du Schuft, an die Kulis, die auf Deinen Befehl in die andere Welt befördert wurden? Und dann hinter meinem Rücken gegen mich Pläne zu schmieden! Warum fing ich an zu trinken? Warum war ich mit sechsunddreißig Jahren dahin, mit Rum — Rum genug, um König Salomos Flotte zu tragen? Warum? Warum? Warum?"
„Ich weiß es wahrhaftig nicht. Wollen wir uns jetzt gute Nacht sagen?"
„Wenn Du zu Bette gehst, werde ich mitgehen. Mensch! glaubst Du. daß ich Dich jetzt, nachdem ich Dich gefangen habe, endlich wieder laufen lassen werde?"
Das war angenehm. Ich schloß die Fenster und
die Wirkung des Antrags, der nur das Verlangen größerer Jagdgesellschaften entspreche. Die ländliche Bevölkerung wolle eine Vergrößerung der Jagdbezirke nicht, weil sie davon eine erhebliche Zunahme des Wildschadens befürchte. Ein Landwirt im Oberamt Backnang habe ihm geschrieben, daß die Jagdgesellschaften das Wild förmlich auf Kosten des Landwirts züchten. Speth (Z.) betonte, daß im Oberamt Wangen von 429 Eigenjagdberechtigten nur ein einziger das Jagdrecht behalten würde. Der Antrag der Kommission sei ein Attentat auf Recht und Gerechtigkeit. Was für ein Lamento würde sich erheben, wenn man die Abschaffung des Patronats- rechts fördern würde. Minister v. Pischek betonte, daß eine Aenderung des Jagdgesetzes an der Zeit sei, denn die neuere Bildung der Jagdbezirke durch den Ankauf schmaler Streifen, um den Zusammenhang des Grundbesitzes herzustellen, sei ein Unding. Eine mäßige Vergrößerung der Eigenjagdbezirke würde er für begründet halten. Der Antrag Häffner würde nur das bisherige Recht bestätigen. Frhr. Pergler v. Perglas begründete den Kommissionsantrag, der unzweifelhaften Mißständen ein Ende machen wolle. Die Abstimmung ergab schließlich die Ablehnung sämtlicher Anträge, darunter die des Kommissionsantrags betr. Vergrößerung der Eigenjagdbezirke mit 63 gegen 14 Stimmen; dagegen wurde der Kommissionsantrag, soweit er die Festsetzung einer Mindestbreite für die Verbindungsstreifen und das Verpachtungsrecht der Teilgemeinden betrifft, angenommen.
Stuttgart, 15. April. Zweite Kammer. In der fortgesetzten Beratung des Etats des Innern wurde eine Reihe von Wünschen und Beschwerden vorgebracht. So verlangte u. a. der Abg. Körner (B.K.) die Wiedereinführung von Gesundheitszeugnissen für Handelsvieh. Minister v. Pischek erwiderte, die neue Bekämpfungsart der Maul- und Klauenseuche habe sich vorzüglich bewährt. Die Notwendigkeit der Wiedereinführung solcher Zeugnisse habe sich nicht ergeben. Dr. Lindemann (Soz.) beanstandete den Geheimerlaß eines Oberamtmanns an die Gemeindevorstände seines Bezirks betr. Auskunft über die Tätigkeit der Sozialdemokratie. Die Schultheißenämter seien nicht dazu da, die Neugierde eines solchen Oberamtmanns, der offenbar übrige Zeit habe, zu befriedigen. Körner (B.K.) fragte, ob bei der Veranstaltung einer politischen Versammlung in der öffentlichen Anzeige als Name des Veranstalters auch eine Partei genannt werden darf. Kenngott (Soz.) beklagte sich über die Bestrafung der Mitglieder eines Gemeinderats im Oberamt Kirchheim durch den Oberamtmann, erzielte jedoch große Heiterkeit, als er selbst sagte, die Bestraften hätten sich nicht ganz qualifizierter Ausdrücke gegen den Oberamtmann bedient. Feiger (Vp.) beschwerte sich über eine rigorose Handhabung des Erlasses betreffend Beschränkung der Wirtschaftskonzessionen. Keßler (Ztr.) wandte sich gegen eine zu starke Bevormundung der Gemeindeverwaltungen durch die Oberämter. Schlegel (Soz.) wünschte größere Gleichheit in der Festsetzung von Tanzsporteln. Minister v. Pischek erwiderte, der von Dr. Lindemann
ging nach oben. Er folgte mir. Ich entkleidete mich, legte mich zu Bett, schloß energisch die Augen und versuchte zu schlafen. Das war aber unmöglich, denn ich mußte sie alle zehn Minuten wieder öffnen, um ihn immer ernst und finster neben dem Bette stehen zu sehen, entschlossen, mir, wenn er konnte — das heißt, wenn ich anfing, mich zu fürchten — den Hals umzudrehen.
„Bist Du noch hier?" fragte ich, als die Uhr zwei schlug.
„Noch hier? — ich werde immer hier sein!"
Dann dachte ich an meine bevorstehende Heirat. Ich sollte immer einen Geist, noch dazu einen wahnsinnigen, nach Rache dürstenden Geist, der über ein eingebildetes Unrecht wütend war, neben meinem Bette haben! Ob sich nicht vielleicht in Güte etwas mit ihm anfangen ließ?
Ich richtete mich auf, um es zu versuchen.
„Höre, guter Freund", sagte ich, „laß uns einen Vertrag machen."
„Nichts von Vertrag!"
„Du sollst jederzeit und nach Belieben in mein Rauchzimmer kommen, so oft und wann Du willst, aber nicht hieher. Mensch! So sei doch vernünftig!"
„Mensch! — Ich bin kein Mensch", erwiderte er. „Ich wollte, ich wäre einer. Und wessen Schuld ist es?"
„Höre guter Freund, überlege Dir, ob es billig ist, in mein Schlafzimmer einzudringen und mir den Schlaf zu rauben. Glaubst Du, daß es gute Lebensart verrät, wenn Du Deine — wenn Du meine
erwähnte Erlaß möge im Detail zu weit gehen, sei aber gerechtfertigt, denn der Oberamtmann sei verpflichtet, sich einen Ueberblick über die politischen Verhältnisse seines Bezirks zu verschaffen. In den Anzeigen von Versammlungen müsse der Name des Veranstalters genannt werden. Veranstalter sei der Leiter der Versammlung. Der Erlaß betr. die Wirtschaftskonzessionen rechtfertige sich durch die übermäßig große Zahl von Wirtschaften (1 auf 123 Einwohner.) Einem Uebermaß von Lustbarkeiten müsse durch Sporteln entgegengetreten werden. Rembold-Gmünd (Ztr.) bedauerte, daß in den Anzeigen von Versammlungen eine bestimmte Person als Veranstalter genannt werden müsse. Es liege darin eine Abweichung von der bisherigen Praxis. Minister v. Pischek betonte, die württ. Regierung dürfe sich keiner illoyalen Auslegung des Reichsvereinsgesetzes schuldig machen. Eine Belästigung liege in der Nennung von Namen nicht. Verstoße gegen diese Bestimmung ein der Polizeibehörde bekannter Ortsverein, so müsse dieser formelle Mangel zu einer Beanstandung nicht führen. Weiterhin wurden statt 10 neuer Oberamtskanzlistenstellen nur 7 genehmigt. Schmid-Neresheim (Z.) bemängelte die Konkurrenz der Staatstechniker bei Wasserversorgungsanlagen gegenüber den Privattechnikern. Minister v. Pischek erwiderte, es liege im Interesse der Gemeinden, wenn sie sich vom Staatstechniker beraten lassen. Kübel (D.P.) teilte mit, daß die Wasseralfinger Wasserleitungsröhren teurer seien als die französischen. Man sollte beim Bezug der Röhren die freie Konkurrenz walten lassen. Rembold-Aalen (Z.) erwiderte, die französischen Röhren seien nicht billiger. Man müsse dafür sorgen, daß das Wasseralfinger Staatswerk gedeihe. Zum Schluß wurde noch die Frage der Schaffung einer Landeswohnungs-Jnspektorstelle angeschnitten und unter Hinweis auf die vielfach noch vorhandenen trostlosen Wohnungsverhältnisse von dem Abg. Dr. Mülberger (D.P.) und Heymann (Soz.) in zustimmendem Sinne besprochen, während Ströbel (B.K.) meinte, die Geschäfte dieses Inspektors würden besser in den Händen der Feuerschau bleiben.
Stuttgart, 16. April. Eine Kundgebung für die Reichsfinanzreform fand gestern abend im großen Festsaal der Liederhalle statt. Die Versammlung war von etwa 2000 Personen besucht. Graf Linden führte den Vorsitz, das Hauptreferat hatte Professor Kindermann-Hohenheim übernommen. Außerdem sprachen noch die Reichstagsabgeordneten Professor Dr. Hieb er und Storz. Es gelangte eine Resolution zur Annahme, in der die Hoffnung ausgesprochen wird, daß die Finanzreform bald zum Abschluß gelangen möge, und zwar unter Heranziehung der größeren Nachlässe oder Erbanfälle, neben der vorgesehenen weiteren Besteuerung von Tabak, Bier und Branntwein. Graf Zeppelin, der in der Versammlung mit stürmischem Beifall begrüßt wurde, stellte den Antrag, diese Resolution der Reichsregierung durch eine Deputation überreichen zu lassen. Der Antrag wurde angenommen. — In den nächsten Tagen werden im
Unfähigkeit, einen Geist aus der Tür zu werfen, so zu Deinem Vorteile benutzest?"
„Glaubst Du etwa", erwiderte er zornig, „daß die Weise, wie Du mich behandeltest, gute Lebensart verriet? War es billig, mich zwanzig Jahre vor der Zeit auf den Kirchhof zu schicken? Ich werde so lange hier bleiben, als Du hier bleibst, und werde Tag und Nacht bei Dir sein. Du sollst stets meine Gegenwart merken und weder schlafen noch ruhig arbeiten können"
„Dann", unterbrach ich ihn, „dann bist Du der boshafteste Geist, der je umging. Ich trotze Dir; geh' meinetwegen zum Teufel!"
Er schüttelte traurig den Kopf und setzte standhaft seine Wacht fort.
Während ich mich unruhig im Bett hin und her warf, und wie ich dann, als ich gelegentlich die Augen öffnete, immer noch die gespenstige Gestalt in dem weißen Leinentuche, das Kinn in die Hand gestützt, vor mir stehen sah, überkam mich ein seltsames Gefühl. Es war keine Furcht, aber das Bewußtsein, beständig von diesem vorwurfsvollen Gespenst bewacht, verfolgt und geplagt zu werden, drückte mich. Er mußte dies durch eine geheimnisvolle Macht merken, denn er sagte mit einem nichts weniger als fröhlichen Lachen:
„Ha! ha! Fühlst Du jetzt, was die Sache für Dich bedeuten will?"
Ich fand während der Nacht wenig Schlaf und erst, als der Tag anbrach, versank ich auf eine halbe Stunde in schwere Bewußtlosigkeit, aus der ich plötz-