Württemberg.

Landesversammlung der Rationalliberalen Deutsche« Partei.

Stuttgart, 11. Januar.

Unter sehr großer Beteiligung aus Stadt und Land fand hier gestern in den Sälen des Stadt­gartens die Landesversammlung der Deutschen Partei statt. Der Parteivorstand, Abg. Kübel, hob in seiner Begrüßungsansprache hervor, daß der am Samstag vorausgegangene Vertretertag beschlossen habe, außer den Abgeordneten für Reichstag und Landtag die der Partei angehörigen Mitglieder der Ersten Kammer in den Landesausschuß hereinzu­nehmen. Ferner gehören dem Ausschuß auch Ver­treter der Jungliberalen an.

In längeren Ausführungen verbreitete sich sodann der Reichslagsabgeordnete Dr. Junck-Leipzig über die politische Lage im Reich. Er beschäftigte sich dabei zunächst mit der Sozialdemokratie, indem er ausführte, daß diese wesentlich an Bedeutung verloren habe und ging dann über zum Mittelstand, den er als Rückgrat des Staates bezeichnete. Die Deutsche Partei werde ihn schützen durch Bekämpf­ung des unlauteren Wettbewerbs und auch nicht davor zurückschrecken, d-n Innungen zur Abwehr desselben die nötigen Mittel in die Hand zu geben. Die Reichsfinanzreform bezeichnete der Redner als eine nationale Frage. Deshalb wollen wir auch jede Verbindung zwischen ihr und der Verfassungs­frage ablehnen, d. h. wir wollen nicht die Geldbe­willigung knüpfen an die Bedingung, daß wir auf der andern Seite etwas herausschlagen können. Die Steuer, die die Regierung fordert, fordere sie für das Volk. Bei seinen Bemühungen, das Reich selbst­ständig zu machen, sei Bismarck leider vom Libe­ralismus seinerzeit im Stich gelassen und in die Arme des Zentrums getrieben worden, was die Frankensteinsche Klausel im Gefolge gehabt habe, die mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden müsse. Der Redner führt sodann des längeren aus, daß die Belastung in Deutschland mit unproduktiven Aus­gaben, also für Armee, Marine und Schuldendienst, nicht größer sei, als in anderen Ländern und daß wir in Beziehung auf Verbrauchs- und Verkehrs­steuern noch wesentlich besser gestellt seien, als manche unter ihnen. Fürst Bülow habe nicht un­recht gehabt, wenn er gesagt, es liege bei uns kein Mangel an Steuerfähigkeit, sondern an Steuerwillig­keit vor. Der gemachte Vorschlag, die neuen Steuern en dloe anzunehmen, sei natürlich abzulehnen. Sich über das Verhältnis der indirekten zu den direkten Steuern verbreitend, weist Redner nach, daß dieses Verhältnis bei uns ganz gewiß nicht schlechter sei als in anderen Ländern. Man rede immer von der Aussaugung des Volkes durch die Zölle auf Nahr­ungsmittel. Wir haben aber wahrlich nicht im ein­seitigen Interesse der Landwirtschaft die Getreide­zölle erhöht, sondern hierbei war in hervorragendem Maße auch das Interesse der Industrie beteiligt. Absolut ausgeschlossen sei, zu einer Reichseinkommen­steuer zu gelangen. Bei der Reichserbschaftssteuer würden wir ein neues Gebiet gewiß nicht betreten und bei der Abneigung gegen dieselbe in Nord­deutschland spiele auch besonders die Abneigung gegen den Exekutor mit, der in Preußen besonders einen Mangel an Anmut zur Schau trägt (Heiter­keit). Wir sind der Meinung, daß die Vermögens­steuer die Steuer der Zukunft sein wird und geben die Hoffnung noch nicht auf, daß es darüber zu einer Verständigung kommen werde. Sozialpolitische Rücksichten haben wir auch zu nehmen bei der Ver­fassungsfrage. Die letzten Vorkommnisse, die Veröffentlichung imDaily Telegraph" usw., waren so außerordentlich ernst und haben zu einer Aender- ung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Volk ge­führt, die tief eingegriffen hat in unser ganzes Volk­leben. Es ist dem Volk zum Bewußtsein gekommen, daß es so nicht weiter gehen kann. Die Unruhe, das Hineintragen persönlicher Empfindungen in unsere Politik hat uns im Auslande schon bedeutenden Schaden gebracht. Auf der andern Seite wollen wir natürlich keinen Schattenkaiser, aber das deutsche Volk wolle konstitutionell regiert sein. Hierüber zeigten die Verhandlungen im Reichstag eine große Einmütigkeit, die ihren Eindruck nicht verfehlt hat. Wir haben die Antwort erhalten, daß es nunmehr anders werden soll. Neuerdings habe sich weiter Kreise bei uns aber schon wieder eine gewisse Ner­vosität bemächtigt über die Rede, die der Kaiser zu Neujahr vor seinen Generälen gehalten hat. Wir meinen aber, das war unbegründet, denn wir halten es für Lakaienart, die Ohren zu spitzen, wenn Männer miteinander reden. (Zustimmung.) Wir

dürfen nicht dulden, daß das deutsche Kaisertum durch Ereignisse des Augenblicks in den Staub ge­zogen wird. (Beifall.) Wir müssen unsere deutsche Kaiserkrone schützen gegen schädigende Einflüsse von oben und von unten. Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir auch die Kanzlerverantwortlichkeit be­trachten. Die Forderung dieser Verantwortlichkeit verstoße keineswegs gegen das monarchische Prinzip. Vielleicht habe Naumann Recht gehabt, als er sagte, das Ministerverantworlichkeitsgesetz sei eine Waffe, die man an die Wand hängt. Wir sind der An­sicht, daß die Regierungstätigkeit des Kaisers gedeckt werden müsse durch den Kanzler. Wenn wir weiter die Befreiung des Reichstages von den Fesseln, die ihm seine Geschäftsordnung auferlegt, anstreben, so brauchen wir damit noch nicht das Gespenst des parlamentarischen Regimes an die Wand zu malen. Aber dem Reichstage muß Gelegenheit gegeben werden, seine Stimme zu erheben in billigendem und mißbilligendem Sinne. Unter dem Block müsse man sich nicht etwas vorstellen, was zu zertrümmern allzu schwer wäre, aber es wäre unrecht, zu ver­kennen, daß er bis jetzt gute Arbeit geleistet. Am Schluß sprach der Redner noch einige Worte über die Zukunft der nationalliberalen Partei, deren Aufgaben die einer Mittelpartei seien. Die Zeit sei diesen Aufgaben nicht eben günstig, denn auf beiden Seiten drängen auf uns die großen wirtschaftlichen Koali­tionen ein. Wir wollen unseren Idealen immer treu bleiben, den liberalen Charakter unserer Partei immer hoch halten und auch die nationalen Punkte in unserem Programm nicht vergessen. Es gibt noch manche Punkte in unserem nationalen Programm, die noch offen stehen, wie die Einheit des Verkehrs u. a. In diesen Fragen werde die nationalliberale Partei immer unitarisch denken, ohne daß sie dabei die Rücksicht gegen die Einzelstaaten aus dem Auge läßt, denn gerade durch diese Doppelstellung zu Reich und Einzelstaat erfahre unser Volksleben eine große Bereicherung. Das Reich muß uns doch bleiben! (Langanhaltender, mehrfach wiederholter stürmischer Beifall).

Nachdem der Vorsitzende dem Redner den Dank der Versammlung ausgesprochen, verbreitete sich in einer etwa anderthalbftündigen Rede der Abg. Dr. Hieb er über verschiedene Fragen der Land es­st olitik. Ueber den Blockgedanken, über den der Vorredner gesprochen, könne er hinweggehen, weil es in Württemberg einen Block nicht gebe. Auf absehbare Zeiten hinaus seien auch die bestehenden Parteihindernisse und sonstige Schwierigkeiten zu stark, als daß man in Württemberg an die Bildung einen ständigen, festen Mehrheit denken dürfte. Wenn die deutsche Partei in den beiden letzten Jahren vielfach als das Zünglein an der parlamen­tarischen Wage bezeichnet worden sei, so sei dieser Ausdruck insofern richtig, als weder die Parteien der Linken, noch die der Rechten für sich allein imstande seien eine Mehrheit zu bilden, wenn sich nicht die Deutsche Partei zu der einen oder anderen Grup­pierung gesellt. Das erhöhe das Gewicht der Frak­tion über ihren zahlenmäßigen Stand hinaus; es erhöhe aber auch und das könne nicht oft genug, namentlich den Parteigenossen im Lande draußen, gesagt werden die Verantwortlichkeit der Partei, wie auch die Schwierigkeit ihrer Stellungnahme da­durch oft außerordentlich gesteigert werde. Selbst­verständlich sei es ja, daß diese Stellung auch dazu führe, daß die Partei bald von rechts, bald von links Vorwürfe, um nicht zu sagen Schläge bekomme. Auf diese bleiben wir natürlich die Antwort nicht schuldig, und im übrigen halten wir es mit dem wackeren Schwaben, der sich nicht forcht und seines Weges Schritt für Schritt ging. Wir gehen im Landtag unseren Weg und lassen uns denselben von keiner Partei, möge sie heißen, wie sie wolle, vor­schreiben; wir gehen mit anderen Parteien zusammen, mögen sie heißen, wie sie wollen, wenn und soweit wir dies mit unseren politischen Grundsätzen und Ueberzeugungen vereinbaren können. Was die Ver­handlungen des neuen Landtags anbelangt, so wird man sagen müssen, daß sich manchmal gegen früher lebhaftere Töne und schärfere, leidenschaftlichere Akzente geltend machten; man wird aber der reinen Volksvertretung das Zeugnis nicht verweigern dürfen, daß sie sachliche, positive Arbeit leistete. Es möge nur darauf hingewiesen sein, daß der.letzte Etat einstimmig, also auch von den Sozialdemokraten, genehmigt, daß große Summen für den Bahnhof­umbau in Stuttgart und das neue Hoftheater be­willigt wurden; und wenn diese Bewilligungen ein­stimmig erfolgt sind, so wird man daran vielleicht die Hoffnung knüpfen dürfen, daß eine gewisse Agi­tation im Lande draußen, die ebenso billig als un­loyal war, endgültig abgetan ist. Angesichts der im

neuen Etat in Aussicht gestellten St euer er Höhung werde aufs eingehendste geprüft werden müssen, ob eine Erhöhung in dem vorgeschlagenen Umfang durch das Staatsinteresse geboten sei. Was die Schul­novelle anbelangt, so habe die Deutsche Partei an der Konfessionsschule festgehalten; im Hinblick aus die in größeren Städten sich geltend machenden Be­dürfnissen habe sie aber aus Gründen der Gewissens­freiheit und Toleranz der fakultativen Errichtung von simultanen Schulen sich nicht entgegenstellen zu sollen geglaubt unter der Voraussetzung, daß aus­gebaute Schulen ermöglicht werden. Eine glatte und klare Scheidung zwischen Kirche und Schule werde niemals gelingen; hier werden immer Kompromisse nötig sein, wie bei der vorliegenden Novelle auch. Am Schluß seiner mit lautem Beifall aufgenommenen Ausführungen konstatierte der Redner, daß die Partei in allen Hauptpunkten geschlossen sei und daß sie es in Bezug auf Einheitlichkeit mit jeder anderen Partei aufnehmen könne.

Kaufmann Stü bl er-Stuttgart konstatierte noch die Uebereinstimmung der Jungliberalen mit der Haltung der Fraktionen im Reichstag und Landtag. Die Jungliberalen seien sich der schwierigen Stell­ung der Partei im Landtag wie im Reichstag wohl bewußt, sie seien aber überzeugt, daß die Sache der Partei in den besten Händen sei. Nach wie vor sehen sie in dem Block die Grundlage zu der Mög­lichkeit einer liberalen und nationalen Politik, und sie freuen sich auch, daß die Landtagsfraktion, un­behelligt um gehässige und unreife Angriffe, an einem Schulgesetz erfolgreich Mitarbeiten könne, das als ein liberaler Fortschritt bezeichnet werden müsse. Wie in den letzten 10 Jahren werden die Jung­liberalen auch in Zukunft an der Seite der Partei stehen, mit ihr kämpfen und zugleich bemüht sein, der Partei einen tüchtigen Nachwuchs zu liefern.

An die Verhandlungen schloß sich ein gemein­sames Mittagessen im Stadtgarten an; später war gesellige Unterhaltung im Königin Olgabau.

Stuttgart, 12. Jan. (Zweite Kammer.) Die Debatte über die Höchstschülerzahl in der Volksschule, die das Haus bereits in zwei vollen Sitzungen beschäftigt hat, ist heute nachmittag fort­gesetzt worden. Heymann (Soz.) machte längere, meist nur rein polemische Ausführungen, die, als sie sich auf die Berichterstattung des Deutschen Volks­blatts erstreckten, ihm einen Mahnruf des Präsidenten zur Sache eintrugen. Einen Ordnungsruf zog er sich zu, als er dem Abg. Weber die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung absprach. Nach langer Debatte wurde schließlich der sozialdem. Antrag, die Höchstschülerzahl auf 40 festzusetzen, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten ab gelehnt. Die Anträge des Zentrums auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage zu den Art. 8 und 9 (Höchft- schülerzahl 70 ) wurden mit 41 gegen 40 Stimmen des Zentrums und des Bauernbunds ab gelehnt und der Kommissionsantrag zu Art. 8 (Höchst­schülerzahl 60 ) mit 41 gegen 40 , der zu Art. 9 mit 42 gegen 38 Stimmen angenommen. Der Antrag Schick wurde nebst den zu ihm gestellten Abänder­ungsanträgen abgelehnt. Die Resolutionen wurden mit Ausnahme derjenigen betr. die Beamtenauf­besserung, angenommen, ebenso der Antrag Hieber. Mittwoch Fortsetzung.

Friedrichshafen, 12. Jan. Heute sind vom deutschen Kaiser hier verschiedene Dekorationen für das Personal des Grafen Zeppelin eingelaufen. Mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse wurden ausgezeichnet: Der Generalbevollmächtigte des Grafen Zeppelin. Kaufmann Uhland und die Oberingenieure Dürr und Kober. Die Medaille des Roten Adler­ordens erhielten die Monteure Laburda, Schwarz, Käst und Buchhalter Lang. Die Medaille des Kronordens Bootsführer Marx, Portier Kopp, Zimmermann Lorenz und Kutscher Pfeiffer. Die Ingenieure Stahl und Losch und die Luftschiff­kapitäne Hacker und Lau wurden mit wertvollen Busennadeln bedacht.

Stuttgart, 11. Januar. Sigrid Arnoldson wurde gestern abend nach der Aufführung der Regimentstochter" in die Hofloge befohlen, wo ihr der König persönlich die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft am Bande des Friedrichsordens überreichte.

Stuttgart, 11. Jan. Das Ministerium des Innern hat den Beitrag zum Gebäudebrand­schaden für das Jahr 1909 im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der Brandversicherungshaupt­kasse und die durchschnittliche Höhe der in den letzten Jahren angefallenen Brandschäden bei den Gebäuden dritter Klaffe, die die Regel und die Grundlage für die Berechnung des Beitrages in den übrigen Klassen

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