von einem Schulhof ein neunjähriges weinendes und sich sträubendes Mädchen zum Bahnhof und stiegen dort in den Zug Halle-Berlin ein.

Der Erlös aus Beitragsmarken für die Invalidenversicherung bei den Versicherungs­anstalten belief sich für den Monat November auf 13,6 Millionen Mark. Da im gleichen Monat des Jahres 1907 der Erlös 13,9 Millionen, also 0,3 Millionen Mark mehr ausmachte, so zeigt sich jetzt auch in diesen Zahlen eine Abnahme des Be- schäftigungsumfanges in Deutschland.

München, 9. Jan. Der Haupttreffer der hiesigen Ausstellungslotterie im Betrag von 50 000^. ist an den sehr vermögenden Kaufmann Adolf Wolf in Schwäbisch-Hall gefallen.

In Nonnenhorn bei Lindau hat sich der 39 Jahre alte Weinhändler Georg Kling, Teilhaber der Firma Gebrüder Kling, aus Schwermut und Verzweiflung über seine Korpulenz erschossen.

Dresden, 2. Jan. Dasersparte Wort". Das Bestreben, in einem Telegramm Worte zu sparen, ist dieser Tage einem Herrn aus Werdau sehr teuer zu stehen gekommen. Sächsische Blätter berichten nämlich: Der Herr wollte am zweiten Weihnachtsfeiertag einen Winterausflug nach dem Fichtelberg unternehmen und hatte sich zu diesem Zwecke beim Bergwirt Hieke telegraphisch einen Schlitten an den Zug bestellt. Er war nicht wenig erstaunt, als elf stattliche Schlitten bei seiner Ankunft am Bahnhof hielten und doch wollte keiner den Fremden aufnehmen. Denn jeder Schlittenführer behauptete, sein Schlitten sei nicht für den Ankömm­ling, sondern für einenMassentransport" bestimmt. Um so größer war daher das Erstaunen, als der Schwarm der Fremden verlaufen war und der Ankömmling den elf Rosselenkern sich allein gegen­übersah. Im feierlichen Zuge wurde er nun von ihnen eingeholt, während der sorgsame Bergwirt, der auf das erhaltene Telegramm mit Mühe die elf Schlitten aufgetrieben hatte, bereits auf ein leckeres Mahl der ihn noch überraschenden zahlreichen Gäste bedacht war. Wie aber war er nur zu solcher Ehrung gekommen? Der Telegraph hatte die auf­gegebene Depesche richtig übermittelt. Sie lautete wörtlich:Bitte heute früh 11 Schlitten am Zug." Hätte der Absender des Telegramms hinter die 11 das Wort Uhr eingefügt, so wäre ein Irrtum aus­geschlossen gewesen. Das eine ersparte Wort hat ihm also viel Unannehmlichkeiten bereitet.

Aus derSchweiz,5. Jan. Züricher Blättern zufolge wird es in absehbarer Zeit möglich sein, in viel kürzerer Zeit als bisher von Zürich nach Venedig zu gelangen, wenn die in Angriff ge­nommene neue Alpenbahn, die Graubünden mit der östlichen Lombardei verbinden soll, fertiggestellt sein wird. Diese Bahn, die in ihrer ganzen Länge elektrisch betrieben werden soll, wird von Graubünden aus über den Paß von Boschiave nach Tirana und von dort bis Edolo führen. Von Edolo aus wird jetzt bereits eine Bahn nach Brescia gebaut, die im nächsten Jahre fertig sein wird. Da an der kurzen Strecke der Berninabahn auf schweizerischem Gebiete gleichfalls die Arbeiten in vollem Gange sind, so

Die Heimat über Alles.

Erzählung von Luise Kämmerer.

1) - (Nachdruck verboten.)

DerHelios" lag zur Abfahrt bereit im Hafen. Die Schiffstaue waren herabgelassen, die Schiffs­brücke angelegt und die Passagiere beeilten sich, ihr Gepäck an Bord zu bringen. Am Hafen, der das Gepräge regsten Verkehres trug, wimmelte es von Menschen aller Nationen. In allen Sprachen wurde gesprochen, geschimpft, geflucht.

Unter den vielen Auswanderen, die der Heimat Adieu gesagt, um im fernen Weltteil einem unge­wissen Schicksal entgegenzugehen, und deren Züge teilweise die widerstreitendsten Gefühle verrieten, be­fand sich auch eine schwäbische Bauernfamilie. Mann, Weib und zwei prächtige Zwillingsknaben im Alter von zwei Jahren passierten, eng aneinander ge­schmiegt, die breite Schiffsgasse, und suchten, ängst­lich das größere Gewühl vermeidend, den Damm zu gewinnen.

Das Gesicht des Mannes, dessen Figur sich in dem weiten Rock fast verlor, zeigte feine, intelligente Züge, zu fein und intelligent für einen in gröbsten Stoff gekleideten Bauern, und die eine Hand, die ein umfangreiches Gepäckstück trug, war weiß und schlank, von tadellos schöner Form und zeigte nicht die mindesten Spuren harter Feldarbeit. Seine Be­wegungen waren hastig, und das ernste, von krank­hafter Blässe überhauchte Antlitz zeigte innere Unruhe.

Auch die Frau hatte für ein Landkind aus dem l

kann damit gerechnet werden, daß in zwei bis drei Jahren die Strecke ZürichGraubündenTirana EdoloBresciaVenedig in ihrem vollen Umfange betriebsfähig sein wird.

Zürich, 8. Jan. In Zürich IV ist eine neue Straße, die Graf Zeppelin bei seiner Schweizerfahrt überflogen hat,Zeppelin-Straße" benannt worden.

Lissabon, 9. Januar. Gestern vormittag und am Abend wurden in Evora leichte Erdstöße wahrgenommen.

Prag, 9. Jan. Während gestern die Gerichts­kommission in dem benachbarten Orte Radeschorotz wegen eines vorgestern dort an einem Taglöhners­kinde verübten Lustmordes eine Lokalbesichtigung vornahm, wurden an einer anderen Stelle des Ortes zwei kleine Kinder auf ähnliche Weise ermordet. Die Panik in der Nähe Prags ist unbeschreiblich.

Teheran, 9. Jan. Ein Mann versuchte heute Nacht den Scheck Fazel Ullah zu ermorden, der zu den einflußreichsten Mitgliedern der reaktionären klerikalen Partei und den hauptsächlichsten Ratgebern des Schah gehörte. Der Täter, der nach seiner Verhaftung einen Selbstmordversuch machte, soll der nationalistischen Partei angehören.

Württemberg.

Stuttgart, 9. Januar. In der Zweiten Kammer machte heule Vizepräsident Dr. v. Kiene Mitteilung von der Einbringung des Hauptfinanz­etats, der am Dienstag den Mitgliedern des Hauses zugehen soll. Die gestern abgebrochene Beratung über Art. 8 der Volksschulnovelle wurde auch heute noch nicht beendigt, jedoch auch auf Art. 9 ausgedehnt, demzufolge gemäß dem Antrag der Kommission dann, wenn an der Volksschule einer Gemeinde zwei Lehrstellen vorhanden sind, in allen Fällen die erste und bei mehr als 130 (Entwurf 150) Schülern auch die zweite Stelle mit einem ständigen Lehrer besetzt werden muß. Die Debatte wurde auch heute wieder von den beiden Bericht­erstattern eingeleitet. Löchner (Vp.) wandte sich gegen die gestrigen Ausführungen des Ministers, bezeichnte die Berechnungen der Regierung als viel zu schematisch und summarisch und betonte, die Volks­bildung sei so wichtig, daß sie auch Geld kosten dürfe. Was bezüglich der Schülerzahl einer Klasse für die höhere Schule recht sei, müsse für die Volks­schule billig sein. Der von ihm in der Kommission gestellte Antrag würde nicht so viel erfordern, als ein Kriegsschiff koste, käme aber 182 000 Schülern zugute. Schrempf (B.K.) trat auch bezüglich des Art. 9 für den Regierungsentwurf ein. Man dürfe die Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse der Gemeinden nicht außer Acht lassen. Trete hierin später eine Besserung ein, so könne das Gesetz ge­ändert werden. Mit der Uebernahme der persön­lichen Schullasten auf den Staat lasse sich zur Zeit noch nicht rechnen. Am Dienstag nachmittag wird die Beratung fortgesetzt werden.

Stuttgart, 9. Jan. Die Regierung hat mit dem Etat für 1909 und 1910 den Landständen zwei Steuergesetzentwürfe vorgelegt, von denen der > eine die Erhöhung der Einkommensteuer um 12°/» !

gesunden Schwaben eine merkwürdig zierliche Figur. Die einfache Riegelhaube deckte einen schlanken, edel gebildeten Kopf und aus dem feinen, bleichen Antlitz blickten ein Paar schöne, aber trübe geweinte Augen gramvoll in das aufregende Treiben um sie her.

Die beiden blondgelockten Knaben an ihrer Seite schauten mit großen, weit geöffneten Augen, aus denen kindliche Neugierde leuchtete, aus das bunt bewegte Bild. Schon einigemal wären sie im Ge­dränge auseinander gerissen worden, wenn nicht das ängstliche Mutterauge sorgend über die Lieblinge gewacht und sie so vor Schaden bewahrt hätte.

Je näher das Paar dem Schiffe kam, desto mehr beschleunigte es seine Schritte, desto unruhe­voller, gespannter wurden die Züge des Mannes, und als am Hafen die Uniformen einiger Konstabler sichtbar wurden, suchte er schleunigst hinter einer größeren Menschenmenge sich zu verbergen. Laut aufschreiend eilte ihm einer der Knaben hinterdrein, während die junge Bäuerin ängstlich bemüht war, den anderen an ihrer Seite festzuhalten. Auf der Landungsbrücke trafen sie wieder zusammen.

Gott sei Dank! Das Land liegt hinter uns!" Der Mann atmete tief auf.Gott mit uns auf dem neuen Lebenswege, Johanna, sei mutig, zage nicht. Er wird uns nicht verlassen!"

Die junge Frau nickte traurig mit dem schönen Haupte.

Wir wollen hoffen", sagte sie resigniert, l Wie traumverloren bickte ihr Auge über das

vorsieht, während der andere die Gültigkeit der jetzt bestehenden Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer vom Jahr 1910 auf 1913 verlängert.

Stuttgart. Das Kultministerium hat in einem Erlaß sämtliche Behörden und Anstalten des Departements auf die Vereinfachung des schrift­lichen Geschäftsverkehrs der Behörden unter­einander und mit dem Publikum hingewiesen, indem es die Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 30. Mai 1902 wiederholt und dazu neue Vollzugs­bestimmungen herausgegeben hat. Diesen ist nach­stehendes zu entnehmen: Den Behörden, Anstalten und Beamten des Departements wird es zur Pflicht gemacht, auf eine möglichst weitgehende Vereinfachung des Geschäftsgangs und insbesondere auf Ver­minderung des Schreibwerks fortgesetzt Bedacht zu nehmen. Neben gründlicher und pünktlicher Behandlung der anfallenden Geschäfte ist für eine rasche Erledigung Sorge zu tragen. Die Fristen zur Erledigung von Aufträgen sind so zu bemessen, daß sie bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang ein­gehalten werden können. Unnötige Mahnerlasse sind zu vermeiden. Unnötige Einträge in den Diarien. der Behörden und ihrer Registraturen sind zu unter­lassen. Aus eine möglichst weitgehende Kürzung und Vereinfachung der Diariumseinträge ist fortgesetzt Bedacht zu nehmen. Wird es notwendig, die Akten einer Behörde zur Ergänzung oder zu weiteren Erhebungen zurückzugeben, so ist darauf zu achten, daß sofort alle Anstände gehoben werden, damit wiederholte Hin- und Hersendung der Akten ver­mieden wird. In allen geeigneten Fällen und namentlich bei dringenden Angelegenheiten ist die Erledigung der Sache durch mündliche Rücksprache oder telephonische Verständigung zu fördern. Die Grundsätze der Vereinfachung sollen auch im Verkehr mit den Reichsbehörden angewendet werden; ebenso finden sie auf den schriftlichen Geschäftsverkehr der Hof- und hofkammerlichen Behörden untereinander und mit den württ. Staats- und Gemeindebehörden, sowie mit auswärtigen Behörden und dem Publikum sinngemäße Anwendung. Als entbehrliche Fremd­wörter sind insbesondere die lateinischen Wörter und Ausdrücke: pro, circa, cito, sub, cx okücio, exclu­sive, inclusive, ct'r. (conler.), etc. zu vermeiden. Die nachstehenden lateinischen Abkürzungen sind durch deutsche zu ersetzen: s. v. r. und s. p. r. durch u. R." (unter Rückerbittung), s. l. r. durchg. R." (gegen Rückgabe), l. c. durcha. a. O." (am an­geführten Ort), et', durchs.",vgl.", br. in. durch k. H." (kurzer Hand). Für die Anführung von Gesetzen werden Abkürzungen empfohlen. Satz­bildungen mitman" (man hat",man will", man erwartet" usw.), sind zu vermeiden. Als über­flüssige Höflichkeitsbezeugungen sind namentlich auch alle Wendungen wiehoher Erlaß",gehorsamster Bericht" u. dergl. anzusehen. Von erprobten mechanischen Hilfsmitteln zur Vereinfachung des Schreibwerks (Schreibmaschinen, Vervielfältigungs­apparaten, Stempeln usw.) ist möglichst ausgiebiger Gebrauch zu machen.

Stuttgart, 9. Jan. Zu den heurigen Kaiser­manövern erfährt derSchw. Merk.", daß beabsichtigt

weite, weite Meer, das ihr eine neue Verheißung, die Brücke zu einer neuen Zukunft werden sollte.

Der Mann legte leise seinen Arm in den ihren.

Sei mutig, Johanna, laß den Abschiedsschmerz hinter dir! Dem Mutigen gehört die Welt."

Wie aus einem schweren Traume erwachend, schaute die Frau auf. Ihr Auge wurde groß, starr, es fiel auf das einzige Kind an ihrer Seite.

Woistdas Kind, wohast du Willi gelassen?" fragte sie angstvoll;du hattest ihn mit dir genommen."

Auch er stand wie eine Bildsäule. In der - Sorge um die eigene Sicherheit hatte er das Kind außer Auge gelassen. Wohin war es gekommen im großen, treibenden Menschenstrome der Weltstadt? Schreckensvoll standen sie sich Aug' in Auge gegenüber.

Ich will zurück zu meinem Kinde, ich muß mein Kind haben", rang es sich in verzweifeltem Tone von den Lippen der schmerzgequälten Frau,mein Gott, nimm mir die Freiheit, nimm mein Leben, nur erhalte das Kind!"

Sie wollte über die Landungsbrücke zurück. Im selben Moment ertönte das erste Zeichen zur Abfahrt.

Es ist zu spät, Johanna", der Mann sagte es dumpf,wenn du mich nicht wieder hinter finsteren Kerkermauern wissen willst, so fasse dich, das Kind wird Gott schützen. Sind wir erst in Amerika, will ich alles zu seiner Auffindung tun."

Die Mahnung wirkte.

Mühsam rang die junge Frau nach Fassung, und als nach kurzer Zeit der Kapitän in Begleitung