Zweites

Blatt.

Der «nztäler

Zweites

Blatt.

83 .

Reuen bürg, Mittwoch den 27. Mai 1908.

sk6. Jahrgang.

Ein unsichtbares Königreich.

Zum Himmelfahrtsfest.

Das Himmelfahrtsfest feiert eine Glaubenstat­sache des Christentums, die vielleicht als der kühnste Glaube bezeichnet werden kann, den die Welt kennt. Der aus der sichtbaren Welt ent­rückte Jesus breitet seine Herrschaft über die Menschen­welt unsichtbar, wie Gottes Wirkungen durch die Welt gehen, aber mit göttlicher Kraft aus und er­füllt sein stolzes Majestätswort:Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden!" Unsicht­bar wie er selbst ist auch das Reich, das er sich errichtet, und doch ein Reich der Macht ein un­sichtbares Königreich.

Das Streben nach politischer Macht, nach Ein­fluß in »der Welt ist es, was alle Völker in der Weltgeschichte beherrscht, ja was eigentlich als die ganze innere und treibende Bewegung der Geschichte betrachtet werden kann. In diesen Kampf der Weltmächte soll sich nach Jesu Wort sein Reich nicht hineinstellen, und dennoch soll es mitten in diesem Kampf sich als die größte herrschende Macht bewähren. Das scheint ein Widerspruch, wie er göttlichen Wahrheiten für Menschenaugen und Menschenverstand immer zuerst anhaftet.

Aber schon hat die Geschichte Jesus recht gegeben, das kann jeder sehen, der es sehen will. Da, wo in einem Volk Jesu Evangelium am hellsten erstrahlte, seine Gedanken wahrhaftig in der Tiefe ergriffen und gelebt wurden, hat solches Volk Kräfte der inneren Erneuerung und inneren Erstark­ung gezeigt, die ihm seinen Platz in der Welt noch ganz anders sicherten als politische Machtmittel. Wie die frische Luft in alle Poren, der Sauerteig in alle Mehlteile, ist das Evangelium eingedrungen in alle Anschauungen und Gebräuche, hat neue Sitten, neue Begriffe und Gewohnheiten geschaffen und einer ganzen Wellperiode seinen Stempel aufgedrückt. Wer das vermag, Menschenherzen umzuwandeln, der hat alle Gewalt im Himmel und auf Erden."

Heutzutage gehen die Königsboten Jesu in der Kraft des Himmelfahrtsglaubens zu immer neuen Völkern. Die Mission erfüllt immer neue Weltteile mit seinem Licht, neue Menschen mit seinem Geist und neue Sprachen mit seinen heiligen Worten. Es wächst sein unsichtbares Königreich bis an der Welt Enden und breitet sich als Obmacht über alle Völkergestaltungen der Erde. In dem Glauben der Christenheit an ihren zum Himmel er­höhten Herrn ruht die Zukunft unserer Erde, von ihm hängt der Menschheit Glück und Frieden ab. Es ist jedes Menschen und jedes Volkes wichtigstes Anliegen, sofern sie ihr wahres Wohl im Auge haben, mitzuhelfen, daß Jesu unsichtbares Königreich bald und weit sich ausdehne und wachse!

Württemberg.

Stuttgart, 24. Mai. Der Württ. Wein­bauverein hielt heute vormittag unter zahlreicher Beteiligung im Stadtgarten seine diesjährige Gene­ralversammlung ab. Der Vorsitzende Stadt­pfleger Warth hieß die Erschienenen herzlich will­kommen und gab der Freude darüber Ausdruck, daß die Weingärtner in diesem Jahre mit frohen Hoff­nungen ihrem Tagewerk obliegen können. Den wichtigsten Punkt der Beratung des Ausschusses bildete im abgelaufenen Jahr der Entwurf des neuen Weingesetzes. Mit dem Entwurf könne man im allgemeinen zufrieden sein. Was der Ausschuß von jeher angestrebt hat, die räumliche und zeitliche Begrenzung der Zuckerung des Weins, ist vorgesehen, ebenso die Bestellung der Weinkontrolleure im Hauptamt. Das Gesetz spricht jedoch nur von Sach­verständigen in den am Weinbau wesentlich be­teiligten Gegenden des Reichs, während wir der Ansicht sind, daß besonders auch in den nicht wein­bautreibenden Gegenden eine Kontrolle höchst not­wendig ist, um den dort ansässigen handeltreibenden Weinschmierern das Handwerk zu legen. Nachdem im Cutwurf die Bestimmung ausgenommen worden ist, daß eine Zuckerung des Weins nur innerhalb

des Weinbaugebiets vorgenommen werden darf, aus dem die Trauben stammen, so sei der Ausschuß nachdrücklich dafür eingetreten, daß Württemberg als ein Weinbaugebiet anerkannt wird. Für Wirte und Weinhändler ist diese Bestimmung von tief ein­schneidender Bedeutung. Die Einführung der Buch­kontrolle entspreche ebenfalls den Wünschen des Vereins, nur müsst dabei auf eine möglichst einfache Gestaltung Bedacht genommen werden. Im Pacht­weinbergEisenhütte" zu Untertürkheim im Meß­gehalt von 54^/s ar erzielte der Verein einen Ertrag von 1220 Liter Weißriesling von sehr guter Qualität. Die Zentralstelle bewilligte dem Verein zu den Kosten der Zeitschrift einen Staatsbeitrag von jähr­lich 1000 Mk. Weinbauinspektor Mährlen-Weins­berg hielt darauf einen Vortrag über:Welche Verbesserungen sind auf dem Gebiet der Weinmost­bereitung bei uns anzustreben?" Redner trat mit aller Entschiedenheit für eine Verbesserung des Kelterwesens ein, empfahl heizbare Gärräume, schil­derte die Vorzüge der hydraulischen Pressen, wünschte eine Ausdehnung des Genossenschaftswesens und ge­dachte zum Schluß der lebhaften Fürsorge der Kgl. Regierung für die weinbautreibende Bevölkerung. Schließlich wurden die Berichte über den Stand der Weinberge entgegengenommen, die fast durchweg sehr erfreulich lauteten.

Neckarsulm, 23. Mai. Wie erinnerlich, hat seiner Zeit die Frau des Schneider Halter von Biberach ihre beiden Kinder unmenschlich mißhandelt und dann das Weite gesucht. Das ältere Kind be­findet sich seit mehreren Wochen, nachdem es wieder vollständig hergestellt ist, bei seinem Vater. Das jüngere aber ist im Krankenhause in Wimpfen seinen Verletzungen erlegen. Es war ein ^ Jahre alter Knabe, dem die unnatürliche Mutter den Schüdel- knochen eingeschlagen hatte. Nachdem das Kind mehrere Wochen lang gelitten, ist es, da alle ärzt­liche Kunst vergebens war, durch den Tod erlöst worden.

Stuttgart. lLarrdeSprod«rtevbörse«1 (Bericht vom 25. Mai.) In der Witterung ist ein empfindlicher Umschlag eingetreten, der aber aus den Stand der Saaten bis jetzt ohne schädlichen Einfluß blieb. Die Stimmung auf den Getreidemärlten war ruhig. Trotzdem die Zufuhren aus Argentinien etwas nachgelassen haben, sind die Preise ziemlich unverändert geblieben, was wohl auf den immer noch schwachen Mehlkonsum zurückzuführen sein dürfte. Die heimischen Schrannen melden schwache Zufuhren bei unver­änderten Preisen. An heutiger gut besuchter Börse war verfügbare. Ware gefragt. Mehlpreise per 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr.O: 33 Mk. 50 Pfg. bis 34 Mk. 50 Psg., Nr. 1: 32 Mk. 50 Pfg. bis 33 Mk. 50 Pfg., Nr. 2: 31 Mk. 50 Pfg. bis 32 Mk. 50 Pfg., Nr. 3: 30 Mk. 50 Pfg. bis 31 Mk. 50 Psg., Nr. 4: 29 Mk. Pfg. bis 30 Mk. Psg. Kleie 10 Mk. 75 Psg. bis II Mk. Pfg. (ohne Sack).

Slus StaSt, Bezirk unS Umgebung.

-fl Neuenbürg, 26. Mai. (Sitzung der bürgerl. Kollegien am 25. Mai.) Den Haupt­gegenstand der Tagesordnung bildete die projektierte Kanalanlage für dieAeußere Wildbaderstraße". Nachdem die staatliche Genehmigung zu deren Her­stellung erteilt ist, waren Bedingungen aufzustellen für diejenigen Häuserbesitzer, welche ihre Abwässer in diesen Kanal abzuleiten haben. Darnach werden dem Wunsche der Häuserbesitzer gemäß sämtliche Zuleitungen von der Stadt auf Kosten der Häuser­besitzer hergestellt und letztere haben überdies an die Stadt als Beitrag zur Deckung der nicht unbedeu­tenden Kosten des Kanals je 25 Mk. zu zahlen. Werden späterhin weitere Gebäude an derAeußeren Wildbaderstraße" erstellt, so sind deren Besitzer eben­falls zur Erfüllung dieser Bedingungen verpflichtet. Mit der Ausführung dieses Projekts, sowie mit der Erbauung der Stadtbahnhof-Gebäulichkeiten wird demnächst begonnen werden. Nach Erledigung weiterer unbedeutenderer Angelegenheiten (Unter­stützungsgesuch, Wirtschaftskonzessionsgesuch, Hunde­steuerangelegenheiten, Bauliniensestsetzung, Markt­sachen usw.) wurde noch vom Gemeinderat das vom Verschönerungsverein aufgestellte Programm für die Forstvereinsversammlung am 22.24. Juni (s. Enz- täler Nr. 81) besprochen und in allen Teilen gut­geheißen.

Neuenbürg, 26. Mai. Die Volkspartei wird ihr diesjähriges Sommerfest hier abhalten.

):( Neuenbürg, 25. Mai. Die Gauturn­fahrt desUnteren Schwarzwaldgaues", welche gestern nach Conweiler stattfand, und womit ein Wetturnen in volkstümlichen Uebungen verbunden war, wurde durch die Ungunst der Wit­terung nicht wenig beeinträchtigt. Aber trotzdem ließen sich die Turner nicht abschrecken und strömten in stattlicher Zahl von allen Richtungen dem Ziele zu, um sich auf dem schön gelegenen Kampfplatz am Waldesrand gegenseitig zu messen und um den schlichten Natur-Eichenkranz wettzueifern. Das Wett­turnen, welches auf 9 Uhr festgesetzt war, konnte infolge des regnerischen Wetters erst nach 10 Uhr seinen Anfang nehmen, an welchem sich 84 Tumer beteiligten, eine Zahl, die bis jetzt im Gau obenan steht. Dasselbe bestand in Weitsprung, Dreischritt­sprung, Stemmen, Steinstoßen und Freiübung (eine Gruppe aus den Freiübungen zum Deutschen Turn­fest in Frankfurt a. M.). Der Wettkampf wickelte sich rasch ab. aber durch die große Teilnehmerzahl zögerte er sich doch hinaus bis ff-2 Uhr, worauf dann der Rückmarsch in den Ort zum Mittagessen in den verschiedenen Gasthäusern erfolgte, welches nach dem heißen Kampf trefflich mundete und zur vollen Zufriedenheit ausfiel. Nach demselben rückten die Vereine um 4 Uhr wiederum auf den Kampf­platz, allwo dann die Gesamtfreiübungen vorgeführt wurden. Nachdem man Hieroben noch einige Zeit verweilte und der Berechnungsausschuß seine mühe­volle Arbeit beendet hatte, konnte der Gauvorstand, Hr. A. Heydt-Calmbach, die Preisverteilung vor­nehmen, die er mit einer kernigen Ansprache ein­leitete und die Anwesenden ernstlich ermahnte, mit beizutragen, die Turnerei mehr und mehr zu fördern, die ja einzig dazu geschaffen sei, den Körper zu kräftigen und zu stählen. Im ganzen wurden den Wettbewerbern 40 Preise zuerkannt, da in Anbetracht der naßkalten Temperatur, die ja auf die Körper­kraft der Wettbewerber einigermaßen einwirkte, das Minus auf 29 Punkte reduziert wurde. Den I. Preis errang mit 45ff, Pkt. Alb. Oelschläger-Birken- feld, den II. Gust. Schaible-Engelsbrand mit 44 Pkt. Auf die Gauvereine verteilten sich die Preise wie folgt: Neuenbürg 7, Arnbach 4, Birken­feld 5, Engelsbrand 4, Feldrennach 1, Gräfenhausen 1, Höfen 4, Schömberg 1, Schwann 5, Unter-Niebels­bach 3, Waldrennach 3, Wildbad 2. Alsdann traten die Vereine den Heimweg an, womit die Gauturn­fahrt einen friedlichen Abschluß nahm. Für die Interessenten der Turner war ja die kühle Witter­ung geradezu nicht einladend, denn sonst hätte sich in dem festlich geschmückten Ausflugsort ohne Zweifel eine größere Besucherzahl eingefunden, was auch im Interesse der Sache zu wünschen gewesen wäre. Von hier errangen sich Preise: W. Finkbeiner 7. (37ff- P.), Ernst Bosch 11. (35 P.), W. Panzer 12. (34ffr P.), Fr. Schickert 13. (34 P.), Gg. Schickert 14. (33'/s P.), Chr. Finkbeiner 18. (31 P.), H. Kienzle 22. (29 P.).

Herrenalb, 25. Mai. Dieser Tage fand die Einweihung des Erholungsheims der Mannheimer Diakoniffenanstalt statt. Eine große Anzahl Mann­heimer Herren und Damen vom Vorstand fanden sich dazu ein, von Herrenalb ebenso eingeladene Gäste. Eine religiöse Feier bildete den Mittelpunkt, geleitet von dem Anstaltsgeistlichen, Pfarrer Kühle­wein, umrahmt von Gesängen der Schwestern. Namens des Kurorts begrüßte Stadtpsarrer Stöckle. Daran schloß sich Besichtigung und geselliges Zu­sammensein. Auf der südwestlichen Anhöhe in be­herrschender Lage und wundervollem Ausblick liegt der große Bau von 3 Stockwerken mit schönen freien Liegehallen. Unmittelbar liegt der Wald und führen bequeme Wege unter die Tannen und hinterwärts in das Albtal. Im Innern ist jede Bequemlichkeit verbunden mit Solidität und Behaglichkeit. Soweit Raum da ist, da in erster Linie die erholungs­bedürftigen Schwestern in Betracht kommen, werden auch pflegebedürftige Kurgäste ausgenommen. (S.M.)