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Der Lnztälsr.
Anzeiger für das Lnztal und Umgebung.
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50.
Neuenbürg, Samstag den 28. März 1908.
66. Jahrgang.
ZrunSschau»
Unter dem Zeichen herzlichen Einvernehmens hat sich die Begegnung zwischen dem deutschen Kaiserpaar und König Viktor Emanuel von Italien in der alten Dogenstadl Venedig vollzogen. Allenthalben sind bei dieser Veranstaltung freundschaftliche Empfindungen für Deutschland zum Ausdrucke gekommen, die wir Deutschen mit besonderer Genugtuung zur Kenntnis nehmen und mit herzlicher Genugtuung erwidern. Das deutsche Volk weiß sich einig mit dem italienischen in der Freude über jede weitere Bürgschaft für das freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und Italien sowie für den Fortbestand des rnitteleuropäischen Friedensbundes, und als eine solche Bürgschaft darf die Monarchenbegegnung in Venedig zweifelsohne angesehen werden.
Berlin, 27. März. Das „N. Wiener Tagbl." meldet, der feit längerem angekündigte Besuch des deutschen Reichskanzlers beim österreichischen Minister des Auswärtigen, Baron Aehrental, erfolgt bereits in den allernächsten Tagen. Fürst Bülow trifft am Sonntag zu zweitägigem Aufenthalt in Wien ein. Hier ist von einer so nahe bevorstehenden Reise des Reichskanzlers dorthin noch nichts bekannt.
Wie in der Presse mehrfach behauptet wird, soll die Reichskanzlerrede auf die Beilegung des Journalistenstreiks eingewirkt haben, indem nämlich Fürst Bülow seine allseitig mit größter Spannung erwarteten Ausführungen so lange hinausgeschoben hätte, bis den beleidigten Journalisten eine ausreichende Genugtuung zuteil geworden sei. Unter dem Drucke dieser Tatsache habe sich dann der Abgeordnete Gröber zu seiner Entschuldigung bequemt. Wie dem auch sein mag, soviel steht jedenfalls fest, daß der genannte Herr bei dieser Affäre keine beneidenswerte Rolle gespielt hat. Gerade das. Recht der parlamentarischen Immunität, das dem Beleidiger Straffreiheit zusichert, stellt an den Takt der Volksvertreter hohe Anforderungen, wenn anders dieses Recht nicht herabgewürdigt und mit einem schweren Odium belastet werden soll. Es ist dringend zu wünschen, daß solche Vorkommnisse wie der Fall Gröber im parlamentarischen Leben Deutschlands keine Wiederholung finden mögen.
Berlin, 27. März. Der Seniorenkonvent des Reichstags hat sich gestern noch einmal mit dem Streit zwischen Reichstag und Presse beschäftigt und ist zu dem Entschluß gekommen, die Sache nunmehr als erledigt anzusehen.
Die anormalen Zustände, welche im Reichstage durch den Streik der berichterstattenden Journalisten hervorgerufen wurden, sind seit Dienstag wieder beseitigt, die Journalisten haben nach erhaltener Genugtuung vom Abgeordneten Gröber ihre Tätigkeit im Reichstage wieder ausgenommen. Eine Wiederholung dieses peinlichen Vorfalles steht wohl nicht zu befürchten, da sich ja genügend gezeigt hat, daß die Reden im Reichstage „für die Katz" gesprochen sind, wenn sie nicht von der Presse der Oeffentlichkeit mitgeteilt werden. Immerhin haben sich die Nachwirkungen des Journalistenstreiks noch gegenüber den Reden geltend gemacht, welche in der Dienstagssitzung des Reichstages vom Reichskanzler Fürsten Bülow und vom Staatssekretär des Auswärtigen v. Schön über die allgemeine politische Lage gehalten worden sind, denn sie sind in der Oeffentlichkeit erst nachträglich bekannt geworden. Allerdings wiesen beide Reden nichts absolut neues auf. Der Kanzler verbreitete sich in seiner verbindlichen Form über die marokkanische Frage, über das mazedonische Problem und über das deutsch-englische Verhältnis, wobei er auch den Kaiserbrief an Lord Tweedmouth berührte. Staatssekretär v. Schön gab dann noch nähere Erläuterungen speziell bezüglich der marokkanischen Angelegenheiten und ließ sich
ferner betreffs des englisch-russischen Abkommens über Persien, über das deutsche Bagdadbahnprojekt, sowie hinsichtlich der Ostsee- und Nordsee-Abkommen vernehmen. Am Mittwoch pausierte übrigens der Reichstag wegen des Feiertags (Mariä Verk.), die regelmäßige Berichterstattung über seine Verhandlungen konnte daher erst am Donnerstag wieder einsetzen.
Die Pariser Blätter widmen den im deutschen Reichstage gehaltenen Reden des Fürsten Bülow und des Staatssekretärs v. Schön lebhafte Beachtung. Der offiziöse „Temps" findet die in diesen Reden abgegebenen Erklärungen in ihrer Gesamtheit befriedigend. Es stehe nunmehr fest, daß man in Berlin dem Geiste der Gewissenhaftigkeit und Redlichkeit, mit welchem Frankreich in Marokko vorgegangen sei, Gerechtigkeit widerfahren lasse. Man beurteile die marokkanischen Angelegenheiten in Berlin sichtlich mit Kaltblütigkeit, doch müsse beachtet werden, daß Minister Pichon alles getan habe, um diese Gefühle hervorzurufen, indem er weder seine Absichten, noch seine Handlungen verbarg. Wenn diese Methode immer befolgt worden wäre, hätte sich Frankreich vielleicht manche Schwierigkeiten erspart.
Präsident Roosevelt hat eine Sonderbotschaft an den amerikanischen Kongreß gerichtet, welche abermals eine Reihe sozialpolitischer, zoll- und finanzpolitischer Forderungen des Präsidenten zum Ausdruck bringt.
Der Großherzog von Luxemburg hat seine Gemahlin Marie Anna zu seiner Statthalterin ernannt. Der Großherzog, der erst 56 Jahre alt ist, ist schon seit längerer Zeit schwer leidend.
In P aris steht die Schwindelaffäre Rochette noch immer im Vordergründe des Tagesinteresses. In der Deputiertenkammer ist vom Radikalen Ceccoddi eine Interpellation hierüber eingebracht worden. Die Aktiven der von Rochette gegründeten Unternehmungen werden von den Blättern auf 14 Millionen, die Passiven dagegen auf mindestens 100 Millionen Francs geschätzt.
Der Streit zwischen Japan und China wegen der Beschlagnahme des japanischen Dampfers Tatsu-Maru bei Macao ist, wie vorauszusehen war, friedlich beigelegt worden. Im Gefühl ihrer Schwäche hat die chinesische Regierung auf ein japanisches Ultimatum hin sich ohne weiteres gefügt und sämtliche Forderungen der japanischen Regierung angenommen. Die japanische Politik hat somit einen neuen Erfolg zu verzeichnen. Japan fühlt sich so sehr Herr der Lage in Ostasien, daß es jetzt sogar die amerikanische Flotte zu einem Besuche eingeladen hat, und die Einladung ist seitens der Vereinigten Staaten auch angenommen worden.
Württemberg»
Stuttgart, 26. März. (Dreipfennigpostkarten.) Die ersten deutschen Reichspostkarten zu drei Pfennig hat, wie die „Nat.-Ztg." berichtet, die Reichsdruckerei jetzt hergestellt. Sie kommen am 1. April zur Ausgabe, aber nur bei den württem- bergischen Postanstalten. Der Wertstempel entspricht der gewöhnlichen Dreipfennigmarke mit dem Kopf der Germania und der Inschrift „Deutsches Reich."
Stuttgart, 25. März. Soeben ist das neue Verzeichnis der Teilnehmer an den Fernsprechanstalten in Württemberg für 1908 herausgegeben worden. Die Neuauflage stimmt im drucktechnischen Arrangement mit ihrer Vorgängerin vom Jahre 1907 ungefähr überein, zeigt aber auf den ersten Blick eine erhebliche Zunahme der Fernsprechteilnehmer. Um die Zahl der Mehrabonnenten im Ueberschlag festzustellen, mag man im Durchschnitt für jede der 68 neuen Druckseiten 40 weitere Teilnehmer annehmen, so kommt man auf rund 2700 Telephonbesitzer, die sich im Laufe eines Jahres für ein billiges den ungehinderten Zugang für diese
moderne Einrichtung gesichert haben. Ob die schwebende Neuerung im Telephongebührentarif nach norddeutschem Muster diese jährliche Steigerung weiterhin verbürgt, mag mit Recht bezweifelt werden.
Baiersbronn, 25. März. Am letzten Sonntag fand hier im Saal des Gasthofs zum „Ochsen" ein Wohltätigkeitskonzert statt, veranstaltet von Pfarrer Sauter hier. Sämtliche Nummern des reichhaltigen Programms wurden von einheimischen Musikfreunden zum Vortrag gebracht. Der geräumige Saal war bis auf den letzten Platz besetzt und den Zuhörern wurde ein hoher musikalischer Genuß geboten. Als Solistinnen waren die Fräulein Maria und Mathilde Sauter gewonnen worden. Frln. Maria Sauter brachte die beiden Lieder: „An der Weser" von Presse! und „Sonntagslied" von Mendelssohn mit weicher volltönender Stimme in gefühlvoller, ungekünstelter Weise zum Vortrag. Frln. Mathilde Sauter sang: „Frühlingslied" von Schubert und „Vöglein wohin so schnell" von Franz mit äußerst sympathischem Orgap, das über verschiedene Register verfügt. Besonderen Beifall fanden auch die beiden Duette der genannten Sängerinnen: „O säh' ich auf der Heide dort" von Mendelssohn und „Wanderers Nachtlied" von Rubinstein. Die Klavierbegleitung zu diesen Liedern hatte Pfarrer Sauter (bekanntlich vorher Pfarrer in Gräfenhausen) übernommen, der sich zum erstenmal hier in der Oeffentlichkeit als gewandter Klavierspieler zeigte.
Ulm, 26. März. In Neu-Ulm fiel ein 5ffr Jahre altes Mädchen in den Abortschlauch, in dem es stecken blieb. Glücklicherweise war noch ein zweites Kind anwesend, das sofort Hilfe herbeirief. Das Mädchen konnte aber von oben nicht erreicht werden, man stieß es aus diesem Grunde in die Grube, wo es aufgefangen und bewußtlos ans Tageslicht gebracht wurde. Erst nach langen Bemühungen des Arztes kehrte das Bewußtsein wieder.
Aus ^taSt» Bezirk uns Umgebung»
Seine Majestät der König hat eine Oberbahnsekretärstelle bei der Bahnstation Ulm dem Bahnhofverwalter Rapp in Neuenbürg übertragen.
G Neuenbürg. Bezirksratssitzung am 27. März. Genehmigt wurden die Wirtschafts- konzessionsgesuche von Hotelsekretär Heinzerling zum gold. Roß in Wildbad und Bernhard Ackermann zur Sonne in Dobel. Julius Funk, Kaufmann und Konditor in Wildbad, erhielt die persönliche Erlaubnis zum Betrieb einer Gartenwirtschaft beim Kurtheater in Wildbad, desgl. Privatier Treiber daselbst zum Betrieb der Gartenwirtschaft z. Rosenau in den K. Anlagen. Das Gesuch des Konditors Rometsch in Wildbad um die Erlaubnis zum Weinausschank in seinem Neubau Geb. Nr. L 77 der König Karl-Straße wurde mit Beschränkung auf die Zeit vom 1. Mai bis 30. Sept. alljährlich genehmigt. Der Voranschlag sür den Haushalt der Amtskörperschaft für das Rechnungsjahr 1908 wurde geprüft und die Unzulänglichkeit auf 82 000 Alk. festgestellt, welche im Wege einer Amtskörperschaftsumlage gedeckt werden soll. Die von der W. Kohlhammer- schen Buchhandlung als Sonderabdruck aus dem Landjägerverordnungsblatt „herausgegebenen Mitteilungen für würlt. Polizeiorgane" sollen für sämtliche Gemeinden des Bezirks auf Rechnung der Amtspflege beschafft werden.
* Neuenbürg, 27. März. In den nächsten Tagen werden auf hiesigem Bahnhof 2 weitere Bahnsteigsperren eingerichtet, welche einesteils zur Bewältigung des starken Arbeiterverkehrs dienen sollen, andererseits den Unannehmlichkeiten des seitherigen Andrangs in den Bahnhofräumlichkeiten über die Zeit des Verkehrs der Arbeiterzüge namentlich auch beim Zu- und Abgang vom Fahrkartenschalter abhelsen werden, und wodurch überdies den Arbeitern von Gräfenhausen und Obernhausen ein kürzerer