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^ 46.

Neuenbürg, Samstag de» 2t. März 1968.

66. Jahrgang.

Der Reichstag steht augenblicklich im Zeichen großer sozialpolitischer Debatten anläßlich der am Dienstag begonnenen Spezialberatung des Kolonialetats. Am genannten Tage entwickelte der Staatssekretär des Kolonialamtes, Dernburg, in längerer Rede nochmals sein koloniales Programm; auch am Mittwoch griff er gleich als erster Redner vom Tage wiederum in die Verhandlungen ein. Er entwickelte hierbei namentlich das ethische Pro­gramm seiner Kolonialverwaltung und verbreitete sich über die Nutzbarmachung der Bodenschätze speziell Deutsch-Ostafrikas, über die Arbeiterfrage und den Zwischenhandel. Auf dem Gebiet der Eingeborenenpolitik hielt er es für schwierig, eine für alle Schutzgebiete zutreffende Formel zu finden. Auch er erklärte sich gegen den Schnapsteufel in den Kolonien und sprach die Bereitwilligkeit der Regier­ung aus, an dessen Bekämpfung mitzuwirken. Da­gegen hinderten internationale Abmachungen an einem direkten Schnapseinfuhrverbot. In einer zweiten Rede versprach Staatssekretär Dernburg, der kauf­männischen Ausbildung der Kolonialbeamten sein Interesse zuzuwenden. Namens der sozialdemo­kratischen Fraktion erklärte Abg. Ledebour, sie stehe nach wie vor der deutschen Kolonialpolitik feindlich gegenüber, im übrigen bekrittelte er die deutsche Verwaltung in den afrikanischen Kolonien nach Kräften. Abg. v. Liebert (Rp.) polemisierte gegen den Vorredner, wobei Hr. v. Liebert seine amtliche Tätigkeit in Deutsch-Ostasrika verteidigte. Der frei­sinnige Abgeordnete Wiemer versicherte, seine Partei­freunde stimmten dem kolonialpolitischen System des Staatssekretärs Dernburg zu und seien bereit zu positiver Mitarbeit an einer zielbewußten Kolonial­politik. Auch die weiteren Redner vom Tage, die Abgeordneten Laitmann (wirtsch. Vgg.), Schräder (frs. Vgg.) und Werner (Reformp.) äußerten sich im kolonialfreundlichen Sinne, dazwischen ließ sich Staatssekretär Dernburg mit einer nochmaligen Rede über die Arbeiterfrage in Ostafrika vernehmen.

In Berliner parlamentarischen Kreisen erregt die Duellforderung, welche der konservative Ab­geordnete Dr. Hahn, Mitglied des preußischen Ab­geordnetenhauses, dem freisinnigen Abgeordneten Goldschmidt hat zugehen lassen, ein gewisses Auf­sehen. Dr. Hahn ließ Hrn. Goldschmidt fordern, weil er sich durch eine Aeußerung des letzteren in einer der jüngsten Sitzungen des Abgeordnetenhauses beleidigt fühlte. Abg. Goldschmidt lehnte indessen als prinzipieller Gegner des Duells die Forderung ab; ob der Zwischenfall hiermit erledigt ist, steht dahin!

Die Abnahme der Eisenbahnlinie Otavi Grootfontein in Deutsch-Südwestafrika und die Eröffnung des Verkehrs ist erfolgt. Die Länge der Bahn beträgt 91,3 Kilometer.

Der Zar hat im Anschlüsse an die Umwandlung des über General Stöffel ausgesprochenen Todes­urteils in 10 jährige Festungshaft einen Erlaß an Heer und Flotte gerichtet, in welchem er die todes­mutige Verteidigung Port Arthurs durch die tapfere Besatzung hervorhebt.

Petersburg, 19. März. Durch die Bestätig­ung des gegen ihn gefällten Urteils verliert General Stössel alle Orden. Er behält nur die Kriegs­medaillen, jedoch keinerlei Kriegsorden. Die tech­nische Kommission des Kriegsministeriums beschloß, für die Neuausrüstung der Infanterie als Muster die amerikanische Jnfanterieausrüstung vor­zuschlagen.

Die Duma hat die russische Marinevorlage abgelehnt und verweigert die zur Flottenerneuerung, insbesondere den Bau von Linienschiffen, erforder­lichen Mittel, bevor nicht das Marineministerium reorganisiert und ein tüchtiger Marinebestand ge­schaffen ist. Im Reichsrat droht der Vorlage das­selbe Schicksal.

Die Abgesandten des marokkanischen Gegen­sultans Mulay Hafid an General d'Amade sind im Hauptquartier des französischen Expeditionschefs zu Settat eingetroffen und von ihm empfangen worden. Sie haben dem General das Verlangen Mulay Hafids überbracht, die Franzosen sollten ihm den Vormarsch auf Rabat gestatten, dafür will er die Beruhigung der Schaujastämme übernehmen. Wenn Frankreich diese Forderung Mulay Hafids bewilligte, so würde es allerdings seine» Schützling, den Sultan Abdul Asis, preisgeben.

Marokkanische Piraten haben das fran­zösische SegelschiffBaleine" bei Kap Juki ge­kapert und seine 19 Mann starke Besatzung ge­fangen genommen. Es wurde ein französisches Kriegsschiff gegen die Piraten entsendet.

Württemberg.

Stuttgart, 18. März. Unter der Ueberschrift: Eine fast unglaubliche Nachricht" teilte gestern der Beobachter" mit, die Rechnungsergebnisse der württ. Eisenbahnverwaltung seien zurzeit so ungünstige, daß der ganze Reservefonds (5 Millionen Mark) der Staatseisenbahnen ausgebracht werden müsse. Diese Nachricht und die daraus vomBeobachter" gezogene Schlußfolgerung, daß sich im Rechnungs­jahr 1907 gegenüber dem Vorjahr mit einem Rein­überschuß von 22,2 Millionen ein Ausfall von über 27 Millionen ergeben werde, bezeichnet nun der Staatsanzeiger" als selbstverständlich unzutreffend. Nach vorläufiger Schätzung werde sich der Rein­ertrag der Staatseisenbahnen im Jahre 1907 auf etwa 16,1 Millionen Mark stellen. Da jedoch im Etat ein Reinertrag von 18 380 000 Mk. berechnet sei, so werde der Reservefonds der gesetzlichen Be­stimmung entsprechend etwa den Betrag von 2 380 000 Mark an die Verwaltung abzugeben haben.Das nicht unerhebliche Mindererträgnis 1907", heißt es dann weiter,hat nicht sowohl seinen Grund in einem Rückgang der Einnahmen, als in der Steiger­ung der Ausgaben. Dis Einnahmen werden voraus­sichtlich sowohl den Etatssatz von 1907 wie das Rechnungsergebnis von 1906 übersteigen. Soweit sich zurzeit übersehen läßt, werden die Einnahmen mehr betragen gegen den Etatssatz etwa 700000 Mark und gegen das Rechnungsergebnis von 1906 etwa 1600000 Mk.; dagegen ist bei den Ausgaben mit einer Steigerung zu rechnen gegen den Etatssatz um etwa 3000 000 Mk. und gegen das Rechnungs­ergebnis von 1906 um etwa 7 700 000 Mk. Der Reinertrag wird deshalb nach dieser Schätzung um etwa 2 300000 Mk. hinter dem Etatssatz und um etwa 6100 000 Mk. hinter dem Rech­nungsergebnis von 1906 zurückbleiben." Die Steigerung der Ausgaben sei auch nicht eine Folge der Komplikation des Verkehrs mit vier verschiedenen Wagenklassen, wie derBeobachter" behauptet hatte, die Zunahme der Ausgaben gegenüber den Etats­sätzen sei vielmehr in der Hauptsache verursacht durch die Zunahme des persönlichen Aufwands, insbesondere für Vermehrung des Personals, Erhöhung der Tag­gelder und Löhne, sowie durch die Steigerung fast aller Materialpreise.

Eine im Reichsgesetzblatt enthaltene Bekannt­machung des Reichskanzlers vom 5. März bestimmt: Der durch das Gesetz vom 18. März 1904 vorge­sehene Schutz von Erfindungen, Mustern und Waren­zeichen tritt ein für die in diesem Jahre in Stutt­gart stattfindende Wanderausstellung der Deut­schen Landwirtschafts-Gesellschaft.

Eduard Zeller, der älteste Philosoph und Theo­loge Württembergs und des Deutschen Reiches, ist im Alter von 94 Jahren nach kurzem Krankenlager gestorben. Geheimrat v. Zeller hat seit seinem Rücktritt von seiner Berliner Lehrtätigkeit in Stutt­gart gelebt, wo er noch in seinem Alter regen An­teil an allen geistigen Bestrebungen nahm.

U l m, 20. März. Bei der heute im Wahlbezirk Ulm-Amt abgehaltenen Landtagsersatzwahl haben erhalten: Landwirtschafts-Inspektor Ströbel-Ulm (Bbd.) 2334, Gemeinderat Joseph Schmid- Rammingen (Ztr.) 489, Postsekretär Münz-Ulm (Vpt.) 342, Gemeinderat Häfele-Ulm (Soz.) 52 Stimmen. Ströbel ist somit als Nachfolger Haugs gewählt.

Heilbronn, 18. März.Eine Untersuchung gegen 7 00 Metzger" schreibt dieNeckarzeitung": Bei den hohen Preisen für Nahrungsmittel sollte man eigentlich mit einer Verschlechterung der Quali­tät der Nahrungsmittel nicht rechnen dürfen. Aber es scheint, daß diese Voraussetzung nicht zutrifft. Wenigstens sind die Behörden in Württemberg einer Praktik zahlreicher Schlächter auf die Spur gekommen. In Heilbronn a. N. betreibt eine Firma einen Handel mit Kartoffelmehl. Dieses Kartoffelmehl beziehen auch Metzger; bei einem Metzger in Baden ist dies festgestellt worden und die Folge war eine Beschlag­nahme der Heilbronner Geschäftsbücher, wobei sich herausstellte, daß die Kunden der Firma hauptsäch­lich Schlächtereien waren, die das Kartoffelmehl bei der Herstellung von Würsten verwendeten. Im. ganzen Lande wurden bei den Schlächtern Wurst­proben entnommen und Untersuchungen angestellt, die wie wir erfahren bis jetzt zur Folge hatten, daß schon 700 Metzger im Verdacht stehen. Kar­toffelmehl zur Wurstherstellung verwendet zu haben. Trotz dieses reichlichen Mehlzusatzes, trotz des billigeren Preises für Rinder und Schweine bleiben die Wurst­preise also die alten, die einem höheren Niveau der Viehpreise entsprechen.

Letzte Nachrichten u. Telegramm

Berlin, 20. März. Die Berichterstattung über die Verhandlungen des Reichstags bleibt eingestellt! Auch dieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" bringt keinen Bericht über die Verhand­lungen. Die von den Tribünenjournalisten gewählte Abordnung wurde heute von dem Präsidenten Grafen Stolberg empfangen. Der Präsident erklärte, daß er den Zwischenfall aufs lebhafteste bedaure und daß er, wenn er die Bemerkung des Abgeord­neten Gröber gehört hätte, sofort in schärfster Weise eingeschritten wäre, daß er aber, als nach zwei Stunden ihm die Sache flüchtig vorgetragen wurde und er nicht genau wußte, um was es sich eigentlich handle, nicht anders hätte ver­fahren können. Höchstens hätte er den Ausdruck des Bedauerns etwas schärfer fassen können, jetzt aber könne er sich nicht korrigieren. Er wolle aber versuchen, entweder Hrn. Gröber zur Zurücknahme des Zwischenrufes zu veranlassen oder von dem Ab­geordneten Spahn oder Frhrn. v. Hertling eine Erklärung im Namen des Zentrums zu erwirken. Die Vertreter der Presse betonten, daß sie An­gehörigkeiten auf der Tribüne selbstverständlich ebenso scharf verurteilen würden, wie der Präsident. So­lange ausreichende Erklärungen nicht abgegeben worden sind, halten die Journalisten an ihrem Fern­bleiben von der Tribüne fest.

Frankfurt a. M., 20. März. Zu der Jour­nalist en-Affäre im Reichstag meldet die Franks. Ztg. aus Berlin: Nach einer Besprechung, welche zwischen dem Abgeordneten Gröber und einer ihm nahestehenden Seite stattgefunden hat, ist festzustellen, daß Gröber der Meinung ist, daß die Journa­listen ihn und seine Partei provoziert und also um Entschuldigung zu bitten hätten und daß er dann geneigt ist, zu erklären, daß er mit seiner Bemerkung von denSaubengels da oben" nicht die Jour­nalisten im allgemeinen, sondern diejenigen ge­meint habe, die sich entsprechend benommen hätten. Unter diesen Umständen ist die Berichterstattung einstweilen nicht wieder ausgenommen worden.

LW- Hiez« zweite- Matt.