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worden. Wie das genannte Blatt weiter berichtet, hat der Chef des Militär-Kabinets Mas Hülsen- Häseler während der Parade einen Schlaganfall er­litten. Einer Metzger Depesche des Lokalanzeigers zufolge ist der heutige Tag programmmäßig ver­laufen. Der Uebung des Königs-Regiments folgte der Vorbeimarsch der gesamten Garnison. Die Kai­serin besuchte die Kranken-Anstalten. Der Besuch beim Grafen Häseler steht noch aus.

Berlin, 16. Mai. Den im August statt- findendcn diesjährigen Flotten-Hauptmanövern wird derKaiser im Gegensatz zu den letzten Jahren nicht beiwohnen.

Berlin, 16. Mai. Nach einer Hamburger Depesche der Vossischen Zeitung ist der Schooner Serina infolge dis Nordoststurines gestrandet und Wrak geworden. Als ein Fischerboot mit 9 Mann dem Schiffe Hilfe bringen wollte, kenterte dasselbe. 7 Mann ertranken. Die Brigg Vega ist mit der ganzen Besatzung untergegangen.

Berlin, 16. Mai. Nach einer Pariser Depesche des Lokalanzeigers wurde bei dm gestrigen Flugversuchen mit dem Lebaudy' schen lenk­baren Luftschiff, das gegen starken Wind anzukämpfen hatte, der Ventilator schadhaft. Gleich­wohl erfolgte eine glatte Landung. Das Resultat war 12 lrw bei Gegenwind in 25 Minuten.

Berlin, 16. Mai. Wie aus Moskau telcgraphirt wird, hat Graf Leo Tolstoi 15000 Rubel zum Besten der Juden in Kischinew ge­spendet. Auch die in Odessa wohnende Schwester des Finanzministers Witte hat einen größeren Be­trag nach Kischinew gesandt.

Wien, 16. Mai. Der hier eingetroffene Verwundete und in einer Klinik Heilung suchende macedonische Bandenführer Pontew erklärte in einem Interview alle Gerüchte, daß der Aufstand in Macedonien im Niedergange begriffen sei, für vollständig unbegründet. Er behauptet, daß die in Saloniki aufgedeckten Minen von bezahlten Türken hergestellt worden seien. Das Attentat in Salo­niki sei eine ernste Mahnung an Europa, den Mace- doniern die so sehnlichst gewünschte Freiheit zu verschaffen. Bleibe die Mahnung ohne Erfolg, so würden weitere Attentate in allen Städten der euro­päischen Türkei erfolgen, da die macedonische Orga­nisation noch auf ein Jahr über Bomben verfüge.

Wien, 16. Mai. Der Hof-und Gerichts­advokat Dr. Z inner ist nach Unterschlagung von Depots in Höhe von 650 000 Kronen und Hinterlassung bedeutender Privatschulden flüchtig geworden.

Mährisch-Ostrau, 16. Mai. Auf dem in­mitten der Stadt gelegenen Karolinen-Schacht ist nachts ein großer Brand ausgebrochen, der erst morgens gegen 3 Uhr lokalisiert werden konnte. Ob Menschenleben dabei zu Schaden gekommen sind, ist noch nicht bekannt.

Paris, 16. Mai. Präsident Loubet hat dem Bürgermeister von Maztzres, wo sich das

jüngst von Loubet gekaufte Schloß befindet, mit­geteilt, daß er nach Ablauf seines Präsidenten- Mandats unter keinen Umständen eine Wiederwahl zum Präsidenten annehmen würde.

London, 16. Mai. Nach Meldungen aus Birmingham wurde Chamberlain daselbst von seinen Wählern anläßlich seiner Rückkehr aus Süd­afrika eine große Ovation bereitet. Unter anderem wurde ihm eine Glückwunschadreffe überreicht. In einer Ansprache erklärte Chamberlain, er verlange nicht, daß die holländische Bevölkerung Transvaals irgend etwas von ihren Traditionen aufgebe.

Permischies.

Eugen Richter über dieSozial- demokratie. Eugen Richter hat am Mittwoch in einer Wählerversammlung zu Berlin eine scharfe Rede gegen die Sozialdemokratie gehalten. Er schilderte, wie die Sozialdemokraten mit zusammen­gerollten Fahnen marschieren und ihre Endziele unter der MaSke einer radikalliberalen Partei ver­decken. Die Sozialdemokratie sei eine Partei, die darauf ausgehe, möglichst viel Unzufriedenheit zu erregen und zu unterhalten, um die Zahl ihrer Anhänger zu vermehren und damit die Macht zu gewinnen für die Verwirklichung ihres Zukunfts­staates und die Aufhebung aller Privatbetriebe. Nicht ihr Zukunftsstaat sei aber zu fürchten, sondern aufs äußerste schädlich wirken die Vorstellungen, die darüber unter der Arbeiterwelt in der Gegen­wart verbreitet werden; man erkläre die Privat­betriebe für unberechtigt, die Arbeitgeber werden als Ausbeuter hingestellt, welche den Arbeitern den vollen Ertrag ihrer Arbeit vorenthalten. So werde das Arbeitsverhältnis vergiftet. Schon verteidige die Sozialdemokratie den Kontraktbruch. Abgeordn. Wurm habe im Reichstag ausgeführt, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern klaffe eine Kluft, die unüberbrückbar sei, zwischen Unternehmertum und Arbeiter gebe es nur Kampf. Sodann nehme die Sozialdemokratie dem einzelnen Arbeiter die wirt­schaftliche und persönliche Freiheit, indem sie die Nichtorganisierten in den Werkstätten und aus den Bauplätzen drangsaliere. Als Arbeitgeber seien die sozialdemokrat. Unternehmungen Lohndrücker, sie verhalten sich brutal, so gegenüber den Aerzten ec. Wachse die Sozialdemokratie noch weiter an, so werde ihre Mißachtung, ihre Unduldsamkeit und Gewalttätigkeit gegen Andersgesinnte immer größer. Der Kampf gegen die Sozialdemokratie fei also zu führen in erster Reihe für die persönliche und wirt­schaftliche Freiheit des Arbeiters, sodann für die Freiheit Aller.

Zu dem Blutbade in Kischinew gehen dem B. T. noch Schilderungen eines Augen­zeugen zu, denen wir folgende Einzelheiten ent­nehmen : Was meine Augen in den Krankenhäusern und in Lokalen, Sälen und Wohltätigkeitsanstalten gesehen haben, welche jetzt mit verwundeten Juden gefüllt sind, ist meine Feder nicht im Stande zu schildern. Gestern starb im hiesigen Krankenhaus

an Beiträgen 9245 einnahm, wovon wieder 6000 wie im Vorjahre, an das Präsidium des deutschen Flottenvereins abgeliefert werden konnten. Seit Ende 1901 sind dem Verband 15 Ortsgruppen neu beigetreten. Für den Herbst sollen Werbe­vorträge veranstaltet werden; gegenwärtig sind an 17 Orten kinematographische Vorführungen im Gang. Am Schluß der Versammlung sprach Oberlandes­gerichtsrat Dr. Rupp dem Fürsten von Urach den Dank aus für die tatkräftige Förderung der Be­strebungen des Verbands.

Ludwigsburg, 15. Mai. Der am 1. April plötzlich in den Ruhestand getretene Ver­walter der Ortsbehörde für die Arbeiterversicherung, städtischer Kommissär Kentner, hat in der Nacht auf 14. Mai einen Selbstmordversuch ge­macht, indem er sich eine Schußwunde in den Unterleib beibrachte. Er liegt schwer verletzt dar­nieder. Als Grund der Tat ist der Umstand an­zunehmen, daß in den von ihm verwalteten Kassen (Dienstbotenkrankenkasse, Invalidenversicherung) ein größerer Fehlbetrag entdeckt wurde. Man spricht von 6 bis 7000 ^., Untersuchung über die Ange­legenheit ist bereits feit einiger Zeit im Gange.

BlauseIden, 14. Mai. Ein Eisenbahn­wärter ist mit etwa 3000 die er sich bei Be­sorgung des Postdienstes aneignete, geflüchtet. Da vermntet wird, daß er über das Meer will, ist die Polizei verschiedener Hafenplätze benachrichtigt wor­den.

Vom Taubergrund, 13. Mai. Stand der Weinberge. Ein Jnspektionsgang durch unsere Weinberge erweckt erstmals seit einer Reihe von Jahren freudige Hoffnungen. Das Holz ist gut ausgereift. Blätter und Triebe sprossen allent­halben, ein Schädling ist nicht zu bemerken.

München, 16. Mai. Die Unterbilanz bei der in Konkurs geratenen Bankfirma Wagner u.

Wörle beläuft sich auf ca. 800 000 Bankier Wagner wurde noch im Laufe des gestrigen TageS verhaftet.

Frankfurt a. M., 16. Mai. Der Haupt­ausschuß für den G es a n gs w e tt str eit teilt mit: Für den Begrüßungsabend wie für das Preis­singen sind die Eintrittskarten vollständig ausver­kauft und auch für die Wettgesänge ist nur noch eine beschränkte Anzahl Karten vorhanden.

Nieder-Jngelheim, 16. Mai. Der In­genieur Albert, welcher bei dem gestrigen Auto­mobil-Unfall einen doppelten Schädelbruch er­litten hat, ist abends 10'/« Uhr seinen Verletzungen erlegen. Der Chauffeur hat, wie sich nunmehr herausstellt, nur leichtere Verletzungen davongetragen und wurde in das Spital nach Mainz überführt.

Ingenieur Albert ist nur 27 Jahre alt geworden.

Berlin, 16. Mai. Wie der Täglichen Rund­schau aus Metz telegraphirt wird, ist dem komman­dierenden General Grafen Häseler der Abschied bewilligt und der Gouverneur von Metz, General­leutnant Stütz er, zu seinem Nachfolger ernannt

Ja, war er denn plötzlich blind geworden, er, dem Keine, Keine würdig erschienen bisher, den der kranke Vater mit zornigem Schelten, die Mutter fast kniefällig, unter Tränen gebeten hatte:Suche Dir endlich eine Gemahlin, denn Du bist der letzte Brunneck?" Freilich, sie, die schlichte, mittellose Holdcrmann, hätte er nicht in sein Stammschloß bringen dürfen als Herrin, sie würden es alle nicht leiden, nie zugeben, nie! Nicht die Eltern und Schwestern und Schwäger! Nicht die Kameraden! Und doch, er konnte sich das kleine, dunkellockige trotzige Mädchen sogar mit einer Krone vorstellen. Sämmtliche Sterne der Residenz, die hochadeligsten Offiziersdamen nicht ausgeschloffen, mußten vor ihr erbleichen! Ja, soweit war es mit ihm schon gekommen in dieser Waldesstille.

Hier freilich war es nichts weniger als still, denn Spitz fuhr wie toll aus der nur angelehnten Haustür, ihn ankläffend und anbellend, Hühner flatterten und gackerten, und neben ihnen heraus kam jetzt eine meckernde Ziege gesetzt, in hastigen, täppischen Sprüngen, den zottigen Kopf wie hilfesuchend emporgestreckt. Dazwi­schen klagte eine Frauenstimme in ängstlichen heiseren Lauten:Kleine, Kleine, Du zwingst cs nicht. Und ich ach Gott mit meinen lahmen Füßen!"

Ach jetzt wie schön! Mit glühenden Wangen, das dunkle Lockenhaar halb aufgelöst, das Kleid über einem schwarzen Sammetrocke zierlich hoch gesteckt, erschien das junge Mädchen auf der Schwelle. In beiden Händen hielt es kleine Bündel Haferstroh und lockte:Hansl! Hansl I" Aber Hansl kam nicht, nur um so schneller ging es in wilden Sätzen über Bach und Beete, der kläffende Spitz immer hintendrein. Im Nu übersah Arnold die Sachlage. Drei Schritte ein Griff und das widerspenstige Tier war in seiner Gewalt; es am Halsband haltend, trat er seiner heimlich Angebetenen entgegen.

Sehen Sie, Fräulein Holdermann, das Geschick ist gnädiger als Sie! Nun müssen Sie wich doch neben sich dulden, denn nur ich kann diesen edlen Flüchtling zur Krippe zurückführen."

Erbleichend und hoheitsvoll trat Lori zurück, dann aber brach sie in ein melodisches Lachen aus:

Nein, Herr von Brunneck, cs sieht einzig aus! Sie, der tapfere Krieger im Kampf mit einer Ziege! Aber herzlichen Dank! Ich habe doch schon manches wilde Pferd gezügelt, und diese eigenwillige Kreatur läßt sich nicht be­zwingen!"

Wieso, Fräulein? Manches wilde Pferd, sagen Sie? Waren Sie im Zirkus?"

Mein Herr I Wie kommen Sie darauf? Kann man nicht auch anderswo in die Lage kommen? Zum Beispiel auf dem Lande?"

Arnold von Brunneck almcte erleichtert auf.Ah so! Verzeihen Sie," entschuldigte er sich.Und nun gestatten Sie mir, die Ausreißerin wieder fest­zubinden. Wo finde ich den Stall?"

Bitte!" lächelte sie und ging voran, durch Hausflur und Hof, nach der offenen Stalltür deutend. Das Stroh hatte sie weggeworfen und Haar und Kleid zierlich geordnet, so gut es in der Eile anging; noch brannte die Nöte der Scham und des Zornes vielleicht auch heimlicher Freude auf ihren Wangen.

Tantchen! Tante Adel! Wir bekommen Besuch!" rief sie aufgeregt in das Wohnzimmer hinein, eine Aufforderung für den mutigen Retter, näher zu treten, der er freiwillig Folge leistete, nicht ohne vorher die Stalltür zugeriegelt zu haben. (Fortsetzung folgt.)