ver misc htes.
Unrecht Gut gedeihet nicht. Großes Aufsehen erregt in dem belgischen Dörfchen Templeuve die Entdeckung eines Silberschatzes. Der Pächter Eugen Braye, ein armer Teufel, der sich schlecht und recht durchs Leben schlägt, fiel auf einmal dadurch auf, daß er recht viel Geld in der Schenke zu lassen pflegte und stets in blanken Fünffrankstücken bezahlte. Die Polizei wurde aufmerksam, Braye wurde ins Verhör genommen, und schließlich gestand er, beim Ackern auf seinem Felde einen Topf mit 1000 Fünffrankstücken aus der Zeit Louis Philippes gefunden zu haben. Der Besitzer des Ackers beantragte nun, sofort seinen Anteil an dem Funde, der nach belgischem Gesetze die Hälfte beträgt, auszuzahlen. Der 78jührige Vater Brayes klärte den rätselhaften Fund auf. Er hatte vor mehr als 60 Jahren einen Einbruch begangen und dabei die 5000 Taler erbeutet. Um sich nicht zu verraten, hatte er das Geld in einem Topfe auf seinem Acker vergraben, konnte jedoch später, als er von seinem Schatze Gebrauch machen wollte, die Stelle nicht mehr finden, an der der Topf vergraben war. Wahrscheinlich ist nun, daß das Geld den Erben des rechtmäßigen Eigentümers, dem der alte Braye seinerzeit die Summe entwandt hat, zugestellt wird. Da das Verbrechen lange verjährt ist, hat der Alte seine Strafverfolgung nicht mehr zu fürchten.
Spaßiges vom Fernsprecher erzählt Eugene Duclay im „Gil Blas": „Wenn es jemals einen unerschöpflichen Plauderstoff gab, so ist es der vom Telephon", schreibt er. „Man hat sich jüngst im Postministerium außerordentlich über jene energische Telephondame amüsiert, die dem ungeduldig am Telephon harrenden Minister Barthou erwiderte: „Ob Sie ein Minister oder ein Hausknecht sind, das ist mir ganz egal. Sie werden verbunden werden, wenn Sie dran sind." Glücklicherweise haben die Telephondamen nicht das Monopol der Unhöflichkeit. Man muß dem Publikum die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß es oft noch weit unhöflicher ist als die Beamtinnen. In dieser Hinsicht ist Frl. Sylviacs Anruf: „Sie im Telephonamt sind allesamt Kuhmädel!" zu gerichtsnotorischer Berühmtheit gelangt. In den Aemtern hat man ein ganzes Menbündel voll Antworten aufgeregter Abonnenten. Das Merkwürdige ist, daß die gesellschaftlich hoch- gestellten Abonnenten die gröbsten sind. Die Herzogin von L. will verbunden sein: „Nicht frei, meine Dame." — „Wissen Sie denn mit wem Sie sprechen, Fräulein?" — „Wie soll ich das wissen?" — „Sie sprechen mit der Herzogin von A., die nicht gewöhnt ist, so lakonische Antworten zu bekommen." Ein anderes Beispiel: Herr von B . . bekommt die übliche Antwort: „Nicht frei." Eine Minute später betäubendes Geläute. „Noch nicht frei, mein Herr, ich werde Sie rufen, sobald die verlangte Nummer frei sein wird." — „Ein Herr von B . . pflegt nicht zu warten." Noch ein anderes Beispiel: „Mein Herr, die Nummer, die Sie wünschen, antwortet nicht." — „Dann läuten Sie aber so lange, bis sie antwortet." Das Fräulein hätte lang läuten können, denn die gewünschte „Nummer" antwortete erst zwei Stunden später. Und nun noch ein letztes Beispiel: Der Abonnent ist vor Zorn ganz wild geworden. Er will, daß man mit ihm nur in der dritten Person spreche. „Ich wünsche, Fräulein, daß Sie mir so antworten: Die Nummer, die der Herr gewünscht hat, ist nicht frei." Worauf das schlagfertige Fräulein die klassische Antwort gibt: „Um welchen Herrn handelt es sich denn. Wir sind doch hier am Telephon nur zwei. Sie und ich?" Haben sie wirklich immer unrecht, die Telephondamen? Wie viele unter ihnen werfen, durch so viele Bissigkeiten und Nadelstiche nervös gemacht, den Hörer hin, um sich erst auszuweinen I Manchö aber lassen alle Stürme mit stoischer Ruhe über sich ergehen und wissen sich sogar zu Erzieherinnen des Publikums aufzuschwingen. Mir sagte einmal eine Telephondame: „Sobald einer meiner Abonnenten zu grob wird, hänge ich den Hörer ab und lasse ihn schimpfen. Cr schimpft dann ins Leere hinein und ist, wenn ich mich dann wieder melde, sanft geworden wie ein Lämmchen. Ich habe sie auf diese Weise alle dressiert, und sie haben mich alle gern.
„Er ist auf den Hund gekommen" diese Redensart, entstammt dem Landwirtschafts- und Forstwirtschastsbetriebe. Jede Gemeinde, ja fast jeder Bauer hatte früher einige Morgen Wald. Zum Fortschaffen des abgetriebenen Langholzes wurden früher und werden auch noch heutigen Tages während des Winters kleine Schlitten benutzt. Diese kleine Schlitten nennt man „Hunde". Lag im
Winter hoher Schnee auf den Aeckern, so daß man mit großen Arbeitsschlitten nichts ausrichten konnte, so bediente man sich zum Dungfahren mit einem Pferde auch der kleineren, leichteren „Hunde"; ja, man fuhr auch mit ihnen geringere Lasten, z. B. einzelne Personen, Milch, Feldfrüchte zur Stadt. Wenn nun einmal ein Großgrundbesitzer, der stets im Kutschschlitten mit Roßschweifen und herrlichen Schellengeläuten zur Stadt fuhr, infolge von Trunk und Spiel so drauf loswirtschaftete, daß ihm Stück für Stück seiner Wirtschaft gepfändet wurde und ihm schließlich nur noch der schlechteste Ackerschlitten oder „Hund" zu seinen Stadtfahrten übrigblieb, so sagte man von ihm: „Er ist auf den Hund gekommen!"
sHöflich.j Richter: „Ihre Unschuld hat sich herausgestellt — Sie sind freigesprochen!" — Angeklagter: „Es tut mir herzlich leid, meine Herren, daß ich Sie umsonst bemüht habe!"
Rätselfrage.
Wie kann man aus den Wörtern „Lästig", „Witz", „Nest", „Schall", „Gondel", „As" ein bekanntes Sprichwort erhalten?
Die Deichschau.
6) ' - (Nachdruck verboten).
Der Student achtete nicht darauf. Er schritt rüstig weiter, unbekümmert darum, daß mehrere Knaben ihm von ferne folgten. Rechts und links schauend, verschlang er das seltene Doppelschauspiel, das sich jedem darbietet, der auf dem Kamme der breiten Elbdeiche einherschreitet. Dort der Strom. Eine weite, seeähnliche Wasserfläche, bedeckt mit großen und kleinen Schiffen, die ihre Bahnen ziehen. Darüber weg der blaue Himmel und zwischen beiden die flatternden Möven oder ein verstürmter Adler, der auf seinen Schwingen majestätisch dahingleitet. Hier eine reiche, mit allem Gottessegen geschmückte Landschaft, voll blühender Dörfer und stattlicher Gehöfte, in denen ein kräftiger, derber Menschenschlag hauset, der das Leben zu genießen versteht und es mit schwerer Arbeit und heiterer Lust erfüllt.
Plötzlich stand der Student still. Zwischen dem Deich und dem nächsten Acker befand sich eine weite Wasserfläche, die im Sonnenlichte leuchtete, das glitzernd darüber hinflog.
„Das ist eine Brake!" rief er aus. „Das heitere Nachspiel einer schauerlichen Tragödie! Die erste in meinem Leben, die ich sehe! Die muß ich ganz in der Nähe beschauen!"
Er betrat einen Fußpfad, der schräg abwärts führte, und stand bald darauf am Rand eines Beckens, das mit klarem Wasser gefüllt war. Die „Augen der Marsch" nennt ein Dichter diese Braken, die nichts sind, als die Ueberreste eines Deichbruchs. Die Zeit hat sie zu kleinen Binnenseen umgeformt. An den Ufern wächst dichtes Rohr; rote und weiße Wasserblumen tauchten aus der Tiefe und wiegen sich auf der klaren Welle. In dem Schilfe nistet das Wasserhuhn, und muntere Fischlein tauchen auf und unter. Bunte Schmetterlinge schwirren mit den Käfern um die Wette und ruhen auf den Zweigen der Weide, die sich melancholisch dem Spiegel des Sees zuneigt.
„Wie herrlich das ist!" rief der junge Mann unwillkürlich aus. „Das ist ein Anblick, den ich so bald nicht vergessen werde! Wie freue ich mich, daß ich meinen Entschluß ausführte und hierher kam, bevor ich nach Göttingen ging! Nun habe ich noch einmal das Meer gesehen und die prächtige Elbe und dieses Stillleben, inmitten der reichsten, üppigsten Fülle! Ich werde es nicht vergessen, aber ich will nicht von dieser Stätte scheiden, ohne ein sichtbares Andenken mitzunehmen I"
Er trat an die nächste Weide, brach einen Zweig ab, indem er mit feierlicher Stimme sagte: „Diese wenigen Blätter wirst Du mir gönnen, mich damit zu schmücken. Ich will sie treu bewahren und Deiner dabei gedenken, wenn ich weit von hier im Binnenlande weile!"
Kaum aber hielt er den Zweig in der Hand und steckte ihn an die Mütze, als die Knaben, die ihm nachschlichen, ein gellendes Geschrei erhoben und ihn von allen Seiten einschlossen. Ueberrascht schaute er sie an und rief unwillig: „Seid ihr von Sinnen? Was tobt und lärmt ihr? — Geht mir aus dem Wege!"
„Er hat den Baum beschädigt! Er hat den Baum beschädigt!" rief einer.
„Er muß zum Deichgrafen!" rief ein anderer. „Der Deichgraf wird über ihn sprechen!"
„In das Dorf hinein! In das Dorf!" schrieen
Redaktton. Druck und Verla- ss« L. Meeh tn NesendLr-
die übrigen. „Hängt euch an ihn, daß er nicht wegläuft! Er soll es büßen, daß er die Bäume plündert, die den Deich beschirmen sollen!"
Die Knaben hatten ihn so dicht eingeschlossen, daß er nicht imstande war, sich ihrer zu erwehren. Halb unwillig, halb lachend gab er dem Drängen nach und wandte sich dem Dorfe zu, woselbst er ohnehin eine kurze Rast halten wollte.
„Ich will voraufgehen!" sagte einer der Knaben. „Allen Leuten will ich es sagen, die mir entgegen- kommen, und vor allem dem Kirchspielsboten mit dem großen Stock und der Fangschnur um den Leib. Der soll den Kerl wohl halten, der uns armen Jungen keinen Pfennig gönnt und obenein die Bäume am Wege beschädigt!"
„Ja! Ja!" schrieen die andern dem Forteilenden nach. „Hole den Kirchspielsboten. Bis dieser kommt halten wir ihn fest, und er soll uns nicht entkommen!"
Der Student hatte noch einen vergeblichen Versuch gemacht, sich der Gewalt der Knaben zu entziehen, und schritt nun langsam weiter dem Dorfe zu. Es kam eine plötzliche Angst über ihn, er wußte nicht woher. Eine schwere Last bedrückte seine Brust, und sein Herz begann bang zu schlagen.
Einer der Knaben war merklich hinter den andern zurückgeblieben. Es war jener, der dem jungen Wanderer die Hand hinhielt und statt eines Pfennigs einen leichten Schlag auf diese bekam. Ein rachsüchtiger Sinn wohnte in diesem Knaben und, höhnisch dem Fortschreitenden nachschauend, sagte er: „Er wollte die Hand nicht austun; nun soll er sie ganz und gar hergeben. Aber für die paar Blätter, die er mitgenommen hat, tun sie ihm nichts. Es muß ein anderes Ansehen haben mit dem Baume^ sonst hat es keinen Schick!"
Mit diesen Worten eilte der Knabe zurück nach der Stelle, wo an der stillen Brake die Weide stand. Er riß von ihr alle Zweige ab, die er irgend erreichen konnte, und streute sie auf den Boden. Einen Teil der Borke, die sich von dem Stamme zu trennen begann, löste er vollends ab und riß ein gesundes Stück mit fort; dann eilte er dem regellosen Haufen nach, den er wieder erreichte, bevor dieser die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte.
Unterdessen hatte der dem Zuge voraneilende Knabe den Kirchspielsboten, in dessen Händen die Polizeigewalt ruhte, aufgefunden, und keuchend kam dieser herbei.
„Ist Er der Taugenichts, der Deiche und Dämme ruiniert?" herrschte er den jungen Mann an, der ihm mit erzwungener Ruhe antwortete: „Ich habe weder Deiche noch Dämme ruiniert und werde mich zu verantworten wissen vor dem, dem es zukommt, ein Verhör mit mir anzustellen!"
„Das tut der Deichgraf I" war die Antwort. „Er will nicht Deiche und Dämme ruiniert und nicht die Hand an die Bäume gelegt haben. Er trägt ja noch einen Zweig auf dem Hute! Heda, Jungens! Ist es wahr, daß dieser Kerl mutwillig die Bäume beschädigt hat?"
„Ja! ja!" brüllten diese. „Wir haben es selbst gesehen!" -
„So komme er mit auf den Schauplatz seiner Untaten, damit ich sehe, wie groß das Unglück ist, das Er anrichtete! Widerspreche er der Obrigkeit nicht, und denke Er nicht, wir zu entkommen!"
Die Knaben waren von dem Gefangenen zurückgetreten, dem der Kirchspielsbote hart zur Seite ging. Als sie den Platz an der Weide erreichten, deren Zweige weit umher zerstreut lagen, rief der Kirchspielsbote, indem er seinen Gefangenen fest bei der Schulter faßte: „Er ist dem Deichgesetz verfallen! Weiß er, wie es lautet? Die Hand, die den Baum beschädigt, der den Deich schützt, wird von dem Büttel abgehauen."
Der junge Mann stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Der Kirchspielsbote sah ihn an und sagte: „Glaube wohl, daß es Ihm an Herz und Nieren greift. Warum hat Er es nicht vorher bedacht? Nun ist es zu spät. Heute abend weiß Er, woran Er ist. Und nun marsch ins Loch, wo ich Ihn zuerst unterbringen will."
Als dies geschehen, eilte der Kirchspielsbote zu dem Deichgrafen, allein dieser war nicht zu sprechen. Er hielt eine Beratung mit den Deichgeschworenen, die ihm von der Gemeinde beigegeben worden waren, und ordnete die Deichschau für den nächsten Tag an. Zu einer solchen Zeit aber durfte man dem strengen Herrn, der zugleich einer der angesehensten Hofbesitzer war, nicht den Weg vertreten, sondern mußte geduldig warten, bis dieser selbst kundgab, daß er bereit sei, zu hören, zu richten und zu schlichten.
— (Fortsetzung folgt.) —