Gedränge zum heftigen Kampf mit der Polizei, die sich genötigt sah, von ihren Knütteln Gebrauch zu machen. Das Haupttor des Kirchhofs wurde zer­trümmert. Die Kirchhofverwaltung machte den Sohn des gestorbenen Propheten, Dr. Gladstone Dowie, für diese Zerstörung verantwortlich und drohte. ihn am Grab des Vaters zu verhaften, wenn er sich nicht dazu verpflichte, für den Schaden aufzukommen. Der verstorbene Dowie hatte seine eigene Leichen­rede verfaßt, aber die Vorlesung derselben am Grabe wurde nicht geduldet, weil man befürchtete, daß es zu Ruhestörungen kommen werde.

Württemberg.

Dem württembergischen Landtag ist eine Denk­schrift der Regierung über die Erhöhung der Posttarife zugegangen. Darnach ist beabsichtigt, vom 1. April d. Js. an im Orts- und Nachbar­schaftsverkehr (im Oberamtsbezirk und im lO Kilo­meter-Umkreis) das Porto für Briefe und Postkarten auf 5 Pfg., für Drucksachen bis zu 50 Gramm auf 3 Pfg., von 50 100 Gramm auf 5 Pfg., von 100 bis 250 Gramm auf 10 Pfg., für Geschäftspapiere und Warenproben bis zu 250 Gramm gleichfalls auf 10 Pfg. zu erhöhen. Die aus dieser Erhöh­ung zu erwartenden Mehreinnahmen werden auf 613 000 Mk. veranschlagt.

Die Finanz ko mmission der Württemberg. Zweiten Kammer ist fleißig an der Arbeit und hat in der letzten Berichtswoche fast Tag für Tag eine längere Sitzung abgehalten. Wenn diese Kom­missionsarbeiten im gleichen Tempo weitergehen, darf man hoffen, schon vor dem 15. April das Kammerplenum wieder einberufen zu sehen. In Beamtenkreisen herrscht einige Aufregung darüber, daß man immer noch nichts positives erfahren kann, mit welchem Termin die geplanten Aufbesserungen in Kraft treten sollen. Sicher ist nur das eine, daß die Beamten künftig die Anstellungsspvrteln, die ihnen bei jeder Aufbesserung gleich ein Viertel wieder Wegnahmen, nicht mehr zu zahlen brauchen. Die­jenigen Beamten aber, die schon lange im Dienst sind und alle diese Anstellungssporteln immer wieder zahlen mußten, haben doch wohl ein etwas größeres Anrecht auf Pension und Hinterbliebenenfürsorge, als die Neuangestellten Beamten; inwieweit dieses größere Recht ziffernmäßig festgestellt werden soll, ist noch nicht bekannt.

Rottweil, 21. März. Die Zivilkammer des Landgerichts hat die vom Frhrn. Oskar v. Münch auf Hohenmühringen gegen seine Ehefrau erhobene Scheidungsklage abgewiesen. In der Wiederklage der Freifrau v. Münch gegen ihren Ehemann ist erkannt worden: die Ehe wird geschieden, Frhr. v. Münch ist der allein schuldige Teil und hat sämtliche Kosten zu tragen.

Maulbronn. Aus Anlaß des 100. Geburts­tages des früheren Präsidenten der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Geh. Rat Dr. Ferdinand von St einbeis, soll an dessen Geburtstag in Oel- bronn am 5. Mai d. I. eine Erinnerungstafel enthüllt werden. Die Tafel ist aus dem Atelier des Bildhauers Daniel Stöcker hervorgegangen und zeigt das Reliefbildnis Steinbeis's in lebendiger Auffassung.

Freudental, OA. Besigheim, 20. März. Der im besten Mannesalter stehende Bauer Ludwig Riexinger von hier, der sich am 13. Februar d. I. im Stall an einem rostigen Nagel eine unbedeutende Ritzwunde am rechten Zeigefinger zugezogen hatte, ist jetzt an Bluvergiftung gestorben.

Kirchheim, 20. März. Nicht nur bei Er- wasenen, sondern auch bei den Schülern wird gegen­wärtig die Fabel vom unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang kolportiert. Welch üble Folgen daraus entstehen können, beweist der Umstand, daß sich aus diesem Grund zwei 6 jährige Knaben vom Hause entfernten, um ihrer in Albershausen wohnenden Tante noch vor Eintritt des Ereignisses einen Besuch abzustatten. Die Kinder wurden zwischen Uhingen und Albershausen aufgegriffen und in letzterem Ort ihren Verwandten zugeführt.

Kus StaSt. Bezirk unv Amgevung

Neuenbürg. Die heutige Nummer enthält die amtliche Aufforderung zur Anmeldung der Schuld­zinse, Renten und Lasten für die diesjährige Fest­setzung der Einkommensteuer. Die Beachtung dieser Aufforderung ist für die Steuerpflichtigen, welche keine Steuererklärung abgeben, von besonderer Wichtigkeit, da amtliche Erhebungen über nicht an­gemeldete abzugsfähige Beträge zu unterlassen sind

und derjenige Steuerpflichtige, welcher die Anmeld­ung in der Zeit vom 1. bis 8. April unterläßt, des Vorteils, welchen ein Abzug der Schuldzinse für den Steueransatz zur Folge hat, verlustig geht und auf nachträgliche Berücksichtigung unangemeldeter Abzüge keinen Anspruch hat. Kleine Beträge können schon die Einreihung in eine niedere Steuerstufe bewirken. Die vielfach verbreitete Meinung, es werden für die in dem Grundbuch eingetragenen Hypotheken die Schuldzinse von amtswegen ermittelt, ist unrichtig. Irgend welche Nachteile können den Steuerpflichtigen durch die Anmeldung der Schuldzinse nicht entstehen, da alle mit der Einkommensteuer heschäftigten Per­sonen zur strengsten Wahrung des Dienstgeheimnisses verpflichtet sind.

Grüfenhausen, 22. Mürz. Heute nacht 2 Uhr kam es zwischen jungen Leuten, worunter Rekruten, welche gestern bei der Musterung waren, auf der Ortsstraße zu bedauerlichen Händeleien, in deren Folge der 20 Jahre alte Rekrut Albert Roth, Sohn des Bauern Fr. Roth, von dem 23- jührigen Emil Schempf gestochen wurde. Der Stich traf so unglücklich das Herz, daß der Tod des jungen Mannes bald darauf eintrat. Der Täter Schempf wurde heute früh '/s5 Uhr vom Landjägerstationskommandanten aus dem Bett geholt und verhaftet.

Calw, 19. März. Am Sonntag nachmittag fand die 55. Generalversammlung des Vorschuß­vereins bei Ehr. Lutz in der Badgasse statt. Der Vorsitzende, Flaschnermeister K. Feldweg, eröffnete die Versammlung, worauf der Kassier den Rechen­schafts- und Kassenbericht erstattete. Dem Bericht war zu entnehme», daß der Verein im letzten Jahr wieder an Mitgliederzahl zugenommen und sich günstig entwickelt hat.

Pforzheim, 20. März. Seit der Nacht zum Dienstag führen unsere Flüsse (Würm, Enz und Nagold) Hochwasser. Am bedeutendsten stieg während des gestrigen Tages die Enz. Seit gestern nachmittag, namentlich aber im Laufe der letzten Nacht ging das Wasser von Enz und Nagold schon erheblich zurück. Leider hat das Hochwasser hier ein Menschenopfer gefordert. Eine größere Anzahl Knaben und Mädchen suchten sich an dem Hochwasser zu vergnügen. So hielten sich auch nach 4 Uhr eine Anzahl Schüler am rechten Enzufer unterhalb der Auerbrücke auf. Einer der Knaben, der 8 Jahre alte Erwin Keller, Sohn des Fassers Hermann Keller, kletterte auf den am Uferrande liegenden Steinen herum, glitt aus und stürzte in den hoch­gehenden Fluß, der ihn natürlich gleich mit fortriß. Nur kurze Zeit hielt sich der Knabe an der Ober­fläche, dann sank er unter und ertrank. Der Rett­ungsversuch eines mutigen 14jähr. Knaben mißglückte.

Vermischtes.

Hat Paul Gerhardt das LiedJesus meine Zuversicht" gedichtet? Das genannte Kirchenlied gehört zu den vielgesungenen und am meistenge­blasenen"; denn, obwohl es Osterlied, kann man selten ein mit Musik begleitetes Begräbnis sehen, an welchem das Blechorchester neben einem Cho- pinschen oder Beethovenschen Trauermarsch nicht das Lieblingslied der Gemahlin des großen Kurfürsten spielte. So viel scheint nämlich festzuftehen, daß Luise Henriette von Brandenburg, welcher das schöne Lied früher allgemein zugeschrieben wurde, ohwohl sie mehrere geistliche Lieder in holländischer Sprache gedichtet hat, nicht die Verfasserin vonJesus meine Zuversicht" ist. Ihr Oberhofmeister Otto von Schwerin, der selbst einige Kirchenlieder dichtete, soll auch dieses aus dem Holländischen ins Deutsche übersetzt haben. Neuere Geschichtsforscher und Lite­raturhistoriker setzen aber diese beiden Annahmen durchaus in Zweifel und es gibt sogar welche, die es Paul Gerhardt zuschreiben. Es wäre von In­teresse zu erfahren, ob der beste und fruchtbarste Kirchenliederdichter, dessen 300jähriger Geburtstag vor wenigen Tagen gefeiert wurde, auch dieses in Text und Melodie gleich tadellose Osterlied verfaßt hat.

Die Macht des Gewissens. Aus Männe­dorf erhielt, wie wir in denBasler Nachrichten" lesen, eine Basler Firma folgendes Schreiben:Ein­liegend finden Sie in Briefmarken Fr. 7,20. Vor etwa 25 Jahren sollte ich Ihnen Fr. 1,80 abgeben; ich behielt dieselhen aber für mich. Da ich aber nun jetzt ein glückliches Gotteskind bin, ist mir diese Sünde aufgedeckt worden und so sende Ich Ihnen Fr. 7,20 mit der festen Ueberzeugung, Sie werden mir vergeben, da es mir wirklich leid ist, solches getan zu haben."

(Vielseitig.j Junger Ehemann:Meine Frau kann auf schwäbische, bayrische und rheinische Art kochen . . . aber am besten schmeckt es doch, wenn wir im Wirtshaus essen!"

Kriefe aus Jerusalem.

in.

Portsaid ist eine buntfarbige, buntrassige Handelsniederlassung. Die Spaziergänge durch die riesigen Kaufhallen sind sehr instruktiv. Wenn ich das alles genau schildern wollte, kämen Sie in diesem Jahr nimmer nach Jerusalem. Und dahin will ich Sie doch bringen. Am 21. Oktober etwas vor 7 Uhr abends fuhr der Assuan weg. Portsaid ist herrlich beleuchtet und noch lange konnte ich seine Lichter sehen. Die Nacht war wunderbar hell: Viele Sternschnuppen. Die Gesellschaft war sehr anregend, ich wurde schon ganz in Jerusalemer­verhältnisse eingeführt. Etwa 4 Uhr am andern Morgen fuhren wir in ziemlicher Ferne an Jaffa vorbei. Als ich am andern Morgen aufstand, waren wir schon nördlicher. Und gegen 11 Uhr sah ich mit dem Glas den stolz ragenden Karmel. Von 12 Uhr ab fuhren wir näher an der Küste hinauf. Und hald sogar mit dem bloßen Auge sah ich die wunderbar in der Mittagsglut leuchtenden Höhen­züge des Libanon, dessen höchste Spitzen schneebedeckt in die weißen Wolken hineinragten. Verhältnis­mäßig viel Wald scheint dort zu wachsen. An der Küste lagen eine ganze Unmenge Dörfer, Städtchen und die Berge hinauf allerlei Minarets und Klöster. Sicher erkannte ich an Hand des Bädecker die Städte Sur (Tyrus) und Saida (Sidon). Beide liegen sehr hübsch, deutlich sah ich hei der ersteren den alten algerischen Turm aus der Kreuzfahrerzeit. Es ist wunderbar, wie nah bei der klaren Luft und der überwältigenden Lichtfülle im Orient die einzelnen Orte sich präsentieren. Man meint sie mit Händen greifen zu können. Mittags '/-4 Uhr kamen wir in Beirut an. Die Einfahrt war entzückend schön. Rings von Bergen umgeben mit lieblichen Gärtchen verziert unter vielen Olivenbäumen hat diese Stadt eine idyllische Lage daß das christliche Element über das muhammedanische hier überwiegt, sieht man sofort. Das amerikanisch-evangelische Colleges liegt auf dominierendem Platz. Stattlich sieht man Dia­konissenhaus und Schule vor sich. Aber auch viele Klöster, Judenhäuser und Gehetsschulen. Unmittel­bar am Hafen liegt eine anmutige Grotte mit glän­zenden Krystallen. Wir hatten Muße, die Sache gründlich anzusehen, denn wir mußten nun 2 Tage im Hafen liegen der eckligen Quarantäne wegen. Auf den Wunsch der Reisegesellschaft hielt ich jeden Morgen und Abend Andachten. Ich hatte ja Taschenbibel und Jünglingsvereinsliederbuch bei mir. Es hat etwas imponierendes, inmitten einer Schar Türken und Juden däs Evangelium auszulegen, denn neugierig wurden wir von beiden umstellt. Wie tönten doch so feierlich unsere herrlichen Choräle, so still und erhaben unsere Arien in die stille Nacht hinaus. Die Schwestern mit ihren süßen Stimmen, die Männer mit ihrem starken Baß, wie klang es so harmonisch zusammen.Sie reden mit Allah" sagte der Kapitän zu einer nervösen Engländerin, die sich über uns beschwerte. Das Hafenbild ver­änderte sich fortwährend, so daß die 2tägige Ge­fangenschaft ziemlich rasch verging: Erstaunlich viel Güterverkehr, lebhafter Dampfergang, die stummen Quacken, das Bootwettrennen der Jungen, die schneeweißen Segler. Auch hier wurde ich viel zu Spiel und sonstiger Unterhaltung verwendet. Die ärztlichen Quarantäneuntersuchungen bestanden darin, daß man immer wieder zahlen mußte; einen größeren Humbug gibt es auf dieser Erde nicht mehr. Die Kost auf dem Assuan war ziemlich arabisch, eine rechte Vorschule für meinen europäischen Gaumen. Am widerwärtigsten waren und sind mir noch heute die bitteren Oliven, alles andere habe ich hier gleich tüchtig gelernt. Am Mittwoch, 23. Oktober vormit­tags, kam von Konstantinopel her ein russisches SchiffOrinok", das aber schon um 2 Uhr weiter­fahren wollte. Wir schmuggelten deshalb an den Kapitän dieses Schiffes ein Briefchen hinüber mit der Bitte, er solle unsere Quarantäne vollends ab- warten und uns bis Jaffa mitnehmen. Unserer großen Zahl wegen ging er mit Freuden darauf ein. Nach der üblichen Abfütterung der Kellner mit Bak- schisch fuhren wir alle miteinander auf den Russen hinüber. Ich werde nicht so bald wieder mit einer solchen Gesellschaft reisen. Ms die Frauenzimmer alle ihre Köffer und Körbe, Kisten und Taschen, Stühle und Polster von einem Schiff aufs andere brachten, das war eine halbe Auswanderung. Ich wurde durch diese Arbeit denn ich legte wacker