Kriefe an- Jerusalem.
11.
Die Engländer hatten nämlich in gar kurzer Zeit herausgerochen, daß ich trotz meiner schwäbischen Plumpheit ein Spielvirtuose sei. Nun forderten sie mich zum Kampfe. Etwa 15 von ihnen wollten mich matt setzen, aber die länglichen Gesichter wurden noch länglicher zusehends, wie ich alle nach einander abmorxte unter dem Beifall aller allmählich beiströmenden, albionfeindlichen Deutschen. Nachträglich wichen sie immer ängstlich aus, offenbar hatte mein Spiel ihnen Respekt eingeslößt. Standhafter war ein gemütlicher Franzose, der mich auf Damenbrett forderte, aber es ging ihm nicht besser. Dagegen weigerte ich mich, mit den Kollegen der anderen Fakultät, 4 kath.-belgischen Kongomissionaren zu ftchten. Da ging ich lieber zu dem abenteuerlichen „Haydju", einem abenteuerlichen Weltumsegler, weiland Orientfahrer und ließ mir von ihm etwas vormachen, oder noch lieber zu der zweifelhaften Gesellschaft des Zwischendecks, die aus schwarzen Kongonegern, aus bunten Malayen und braunen Beduinen des Libanon bestand, von welch' letzteren ich einiges arabisch aufschnappte, auch eine Anschauung gewann von der Sippschaft, die zu missionieren ich ausgezogen. Mit einigen dieser Kerls habe ich trotz ihres entsetzlichen Drecks und ihrer muhamme- danischen Verachtung der Giaurs eine gewisse Bekanntschaft geschlossen, einer hat sich mir hiefür in Port Said erkenntlich gezeigt. Unrecht wäre es schließlich, wollte ich nicht unter den tausenderlei Erinnerungen an diese meine erste so wohlgelungene Meerfahrt Frln. Eichholz vergessen, die als Missionarin hinauszog nach Tanger, eine Freundin meiner Tante Gebhardt, denn je weniger es eigentlich christlich zuging in dieser bunt gemischten Gesellschaft, um so mehr schloß ich mich gerne an diese an, die schon so tief gegründet in der Liebe zum Herrn und so schlagfertig war in der Verteidigung dieses ihres Meisters. Nur durch ihre Vermittlung gelang es mir, an einem wunderbaren Abend eine Art Andacht zu halten, doppelt ergreifend auf dem Schiff, wo zwischen Leben und Tod nur ein paar Bretter sind. Und nun laß mich Abschied von dir nehmen, du stolzer Kanzler, du hast mich brav getragen. Der Herr der Meere schütze dich aus deinen weiteren Fahrten. Port Said! Du Wächterin vor der sand- durchrauschten Wüste, du stolze meerumrauschte Hafenstadt! Das Meer hat dich geschaffen, das Meer erhält dich! Das Meer wird dich einst stürzen. Großartig sind deine Leuchttürme, feenhaft deine Paläste. Aber Geld! schreit dein unersättlicher Magen, Backschisch ist dein Herrscherszepter. Was war doch der kurze Aufenthalt von 10 Stunden für mich, den neugebackenen Weltumsegler. Schon die Abfütterung der hungrigen Kellner und Bedienten auf dem Kanzler war mir eine Quelle von Verdruß und Aerger. Und als dann vollends das Schiff hielt und die unzähligen Boote sich an dasselbe heranmachten, da lösten sich alle Bande der Ordnung. Wie schwarze Satane kletterten die braunen Araber und die schwarzen Neger herauf, ein ohrzerreißender Lärm füllte die Lust. 10, 20 solcher Kerls stürzten auf mich und bald war ich mitten unter ihrem Haufen wie ein hilflos Kind. Alles kauderwelschte auf mich los und ich verstand doch kein Wort. Schließlich packte ich einen der Kerl und wollte mit ihm akkordieren. Aber ein anderer packte mein Handköfferlein und stürzte mit ihm hinunter auf sein Boot. Ich winkte und schrie, aber er ließ sich nicht halten, ich blickte ihm nach über Bord, da fiel mein schwarzer Böller hinunter in die grünliche Flut. Aber was nun da drunten für ein Tumult losging. Mit Zangen und Stangen gings hinter ihm her, bis ein gewandter Junge ihn endlich erwischte und schweißtriefend den Waffertriefenden heraufbrachte. Ich nahm ihn, gab ihm einige Nickel und eilte dann unbekümmert um sein Rufen: „six kranc8" in das Boot auf der schlüpfrigen Schiffstreppe herunter, in dem mein Köfferle lag. Ich rief dem Bootsührer ein „eins!! em8i l" zu, d. h. „schnell, schnell" und fuhr allein mit ihm und den Ruderern ans feste Land. Ich nahm den Bootsführer mit und erklärte ihm: Jaffa, Jaffa. Er machte nun den Dolmetscher auf den verschiedenen Agenzien. Aber überall war keine Gelegenheit herauszubekommen, direkt nach Jaffa zu kommen. Denn es hieß, ein Pestfall sei in Suez vorgekommen. Darum müßten alle Schiffe in Beirut 2 Tage Quarantäne durchmachen und wer nach Jaffa wolle, müsse zuerst nach Beirut. So fragte ich denn in Gottesnamen nach einem Schiff mit dem Kurs: Beirut. Ich hörte, daß ein Schiff „Assuan" von der egyptischen Gesellschaft
„Ketise" am gleichen Tag noch nach Beirut fahre und so entschloß ich mich denn auf dasselbe hinüberzufahren. Den Agenten der Gesellschaft konnte ich nicht finden. So fuhr ich denn mit meinem Boot ohne Schiffsbillet auf den „Assuan". Nun entließ ich meinen Führer, nachdem ich ihn ordentlich bezahlt. Er verlangte eine Unmenge, aber ich ließ mich nicht einschüchtern und gab ihm 3 Franks, wozu er mörderisch schimpfte, bis ich ihm mit der Polizei drohte. Der „Assuan" war sehr überfüllt und ich hatte Mühe, auf ihm unterzukommen. Endlich fand ich auf ihm eine Gesellschaft deutscher Reisender, denen ich mich nun anschloß. Es waren eine ganze Reihe Kaiserswerter Schwestern, bestimmt nach Beirut, Haifa und eine gar nach Jerusalem, ferner der Arzt unseres Jerusalemer Hospitals mit seiner Familie, Frl. Marx, Metzger Hieber, Oekonom Specht u. a. Wir waren rasch bekannt und trösteten uns in unserem gemeinsamen Mißgeschick, denn fast alle wollten nach Jerusalem und waren sehr ärgerlich, daß wir nun an Jaffa vorbeifahren sollten, um in Beirut 2 Tage in Quarantäne zu liegen. Aber ändern ließ sich eben nichts. Ich hatte nun Muße, Portsaid vom Schiff aus genügend zu betrachten, bis der Agent kam und mir 68 Franks abnahm. Denn ich mußte erster Kajüte fahren mit Verpflegung in zweiter Klasse. Der Agent sprach französisch, so daß ich mit ihm leichter zurechtkam. Während wir verhandelten, kam mein Vetter Christoph, Hoffmann, Neffe des jetzigen Tempelvorstehers, ein Kaufmann, der zur Zeit auf der Palästinabank in Jerusalem angestellt ist. Er hatte eine Erholungsreise nach Egypten gemacht und war auf der Heimreise begriffen. Nun war ich geborgen, denn er versteht arabisch und ist auch sonst lehr gewandt. Ich hatte an ihm einen trefflichen Führer für Portsaid.
VerMischtes.
(Was die englischen Fuchsjagden kosten.) Die englischen Fuchshetzen nähern sich ihrem Ende, noch einige Wochen, und die diesjährige Saison ist zu Ende. Bei dieser Gelegenheit beschäftigt sich ein englisches Blatt mit den Summen, die alljährlich für diesen Sport verausgabt werden. Die Kosten haben sich gegen früher verdoppelt. Während man vor 50 Jahren für eine Jagd etwa 30 000 ^ brauchte, sind jetzt 60 000 erforderlich. In England und Wales werden gegen 170 große Meuten Fuchshunde unterhalten, die zusammen gegen 6000 Koppeln umfassen. Dazu kommen die 26 irischen Meuten mit 1100 Koppeln und die 11 schottischen mit 390 Koppeln. Die Unterhaltung dieser Tiere kostet allein im Jahre über 10 Mill. Mark. Der Wert, den die Jagdpferde darstellen, ist ein ganz enormer. In England und Wales allein werden gegen 200000 Jagdpferde gehalten, und wenn man ihren Durchschnittswert so niedrig mit 1200 r/L pro Kopf annimmt, so ergeben sie ein Kapital von 240 Millionen. Allein ihr Unterhalt kostet nach bescheidener Schätzung der Eigentümer jährlich gegen 160 Mill. Mark. Der Preis eines Jagdpferdes variiert gewöhnlich zwischen 800 und 2400 -/A; für besonders schön gebaute Tiere werden aber nicht selten Preise gezahlt, die hoch in die Tausende gehen. Den Rekord hierin brachte der Wallach Tennis Ball, für den im Jahre 1902 42 000 ^ bezahlt wurden.
(Das Gewicht der Seele.) Die amerikanischen Blätter druckten am 11. d. M. ganz ernstlich das Gutachten von fünf Aerzten in Massachusetts ab, die nach sechsjährigen Versuchen zum Schluffe gelangten, daß die menschliche Seele ungefähr eine Unze wiege (etwa 30 Gramm). Die Aerzte, unter ihnen Dr. Dunkan Mac Dougall aus Boston, leiten das aus dem Gewichtsverluste her, der unmittelbar nach dem Tode am Menschen wahrnehmbar sein soll und für den keine anderweitige Erklärung zu finden war. Die betreffenden Aerzte ließen heimlich während der letzten sechs Jahre Sterbende in den Krankenhäusern ohne deren Wissen in ihren Betten auf eigens hergestellten überaus empfindliche Brückenwagen stellen, die selbst einen Bruchteil eines Gramms angeben. In allen Fällen konnte knapp, nachdem alles Leben aus dem Kranken entflohen war, eine nahezu augenblickliche Gewichtseinbuße wahrgenommen werden, die ungefähr eine Unze betrug. Nur bei einem phlegmatisch angelegten Menschen dauerte es mehr als eine Minute nach dem Tode, ehe der Gewichtsverlust eintrat. — Recht wertvolle Versuche, nur weiß man nicht, ob man sich mehr über die Aerzte oder über die Seele wundern soll.
Redaktion, Druck und Verlag »sn L. Meeh t« Neuenbürg
Frühlingsanfang.
Morgen, am 21. März, abends 7 Uhr, hält der langersehnte Frühling seinen offiziellen, ihm von den Herren Astronomen vorgeschriebenen Einzug bei uns, und Mutter Erde, die monatelang geruht, wird von Fräulein Sonne mit stürmischer Leidenschaft geweckt. Es ist höchste Zeit aufzustehen, da Besuch da ist. Der Frühling klopft an. Mit Sausen und Brausen kommt er angezogen, und dem noch schläfrigen Mütterchen hilft kein Gähnen, Recken und Strecken, kein Verkriechen unter das flockige Federbett — es muß aufstehen. So bring mir das Kleid! ruft Mutter Erde, du weißt schon, das grüne mit den Blumenstickereien I Und sie macht Toilette. Aus dem Haar läßt sie sich vorn Sturm die welken Blätter kämmen und die noch müden Augen vom milden Frühlingsregen munter und vom sanften West blan! machen. Funkelnde Perlen vom Morgentau schmücken bald ihr Haar, um den Hals trägt sie ein Kettchen von Blumenknospen und an dem Gürtel Schneeglöckchen und Blauveilchen. Endlich, nach langen Sorgen und Mühen ist sie bereit, den Gast zu empfangen, und ins schönste Zimmer läßt sie ihn führen, um alle die Frühlingsherrlichkeiten zu schauen. Freilich nicht urplötzlich und kalendermäßig zieht der wirkliche Frühling ein. Mühsam erklettert er eine Stufe nach der andern, wird zuweilen auch wieder zurückgedrängt von nachträglichen Winterschauern und Frösten, bis endlich der Vollfrühling siegt, und junges Blattwerk und duftige Blüten an Baum und Strauch ihn kennzeichnen. Aber schon heute, da uns der Kalender versichert, der Frühling sei gekommen, atmen wir alle erleichtert, und wie lange währt's, bis wir das alte, süße Frühlingslied der Meister Uhland und Schubert vor uns Hinsummen:
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal,
Nun, armes Herz, vergiß der Qual,
Nun muß sich alles, alles wenden!
(Sein Ruf.) „Kennen Sie den Zeugen, der soeben vernommen worden ist?" fragte ein Anwalt einen Zeugen. — „„Jawohl Herr."" — „Welchen Ruf genießt er in bezug auf seine Wahrhaftigkeit?"
— „„Na, erwiderte der Mann vorsichtig, „er ist von Beruf Vorausbestimmer der Witterung am Me- terologischen Institut.""
(Der gute und der schlechte Pferdeknecht.) Ein alter Bauer sagte einmal nach langer Erfahrung: Wenn ein Knecht sagt: „Unserm Herrn seine Pferde", dann taugt er nicht, man gebe ihm sein Lohn und jage ihn fort. Wenn ein Knecht sagt: „Unsere Pferde", so kann man ihn behalten. Wenn aber ein Knecht sagt: „Meine Pferde", dann ist er der beste.
(Gute Empfehlung.) A.: „Sagen Sie, ist diese Gegend gesund? Ich möchte mich hier niederlassen."
— B.: „,,O, gewiß, mein Herr. „Hier bei unS können Sie in kurzer Zeit 100 Jahre alt werden!""
(Ausrede.) .: „Was sehe ich! Die
Herren spielen im Bureau Karten?" —.:
„Ja, wir ... wir spielen nur aus, wer Ihnen zu Ihrem Jubiläum zuerst gratulieren darf!"
(Er weiß Bescheid.) An einein Volksfest tritt ein Einheimischer als schwarzbemalter „Wilder" auf und verzehrt mit scharfen, fletschenden Zähnen rohe Tauben und Fische. Ein Knabe nähert sich dem „Wilden". Da rief der Impresario: „Geh weg, der frißt Dich!" — Antwort des Knaben: „Der frißt mi nit, des isch mei Voater!"
Gleichklang.
Siehst du geschäftig bei den-Linnen Die Waschfrau dort?
Geht nach der Arbeit sie von hinnen.
Eilt sie zum Wort.
Was schreit und ras't der Künstler drinnen?
Geschieht ein Mord?
Er will nur Gold und Ruhm gewinnen Mit seinem Wort!
Warum des Wuchers Tränen rinnen?
Er kam ihm fort.
Was doch erfüllt sein ganzes Sinnen,
Von Gold ein Wort!
Auflösung des Rätsels in Nr. 44.
Armenien.
Auflösung des Silbenrätsels in Nr. 44.
Darwin, Irene, Eisenzeit, Niobe, Ordensstab, Turandot, Leier, Eschenbach.
Die Not lehrt beten.