ein junges Mädchen hat sich schon immer einen Flügel gewünscht: ein Sportfreund einen Lederball, ein anderer Schlittschuhe; eine Dame hat ihre falschen Zähne verloren und möchte neue haben, ein Veteran aus Livorno kann kein Geld ausfindig machen für sein Tabakbedürfuis, ein Junge braucht das Schulgeld für eine höhere Schule — sie alle, alle wenden sich an den guten Herrn Leemann, der allein ihrer Not ein Ende machen kann. Denn dieser Herr Leemann ist ein herzensguter, ein bewunderungswürdiger Mensch, das versichern sie ihm alle. „Ich bin Ihr Bewunderer", diese Phrase befindet sich fast in jedem Brief. Von diesem wunderbaren Menschen will auch ein Maler in Neapel ein Miniaturbild malen — für Geld natürlich, um nicht einen Mann zu beleidigen, der fortan in Napoleons schwimmen wird —; ein Komponist hat einen Marsch für ihn geschrieben mit dem Titel „Der Millionär", für 15 Instrumente; und ein Dichter hat eine wahrhaft pindarische Ode auf den Sieger im modernen Millionenkampf gedichtet. Nich alle denken an ihr eignes, liebes Ich, viele haben auch weiter ausgreifende Pläne, die der Herr Leemann verwirklichen soll. Eine Schweizer Gemeinde braucht, wie ein Bürger dem Millionär mitteilt, ein neues Wasserwerk und benötigt dazu 50000 Franken. — „Ich würde von der nenen Anlage einen kleinen Vorteil haben", fügt der Biedere allerdings hinzu. Die Bürger von Mezieres haben ein Theater und einen richtigen Dichter am Ort, der eine Komödie „Henriette" geschrieben hat; diese hat einigen Herren bei der Vorlesung großen Eindruck gemacht, aber sie können sie aus Mangel an Geldmitteln nicht aufführen: Herr Leemann soll also einspringen'. Ein Herr hat ein neues Verfahren, Flaschen zu schließen, erfunden, ein anderer ein einfaches System, das Sinken des Schiffes unmöglich zu machen; ein dritter will eine Sprachschule in Rom begründen: immer kann nur Herr Leemann helfen. Ein Briefschreiber möchte wenigstens die 20 Lire wieder haben, die er vergeblich in Mailländer Losen angelegt hat. Eine Eisenbahngesellschaft braucht 200000 Franken und bietet ihm dafür einen Direktorposten an. Daß ein ganzes Heer von Lieferanten über den armen Mann herfällt, versteht sich von selbst. Alle wollen ihm, da er bisher ja nicht an die Millionen gewöhnt wäre, raten: er soll sein Geld in einem Hotel, in Landbesitz, in einem Küsegeschäft anlegen, selbstverständlich immer mit dem Briefschreiber als Kompagnon. Und schließlich kommt eine stattliche Anzahl von Briesschreiberinnen, die sich selber als — Gattin anbieten. Die eine will auch Köchin bei ihm werden, wenn er sie als Gattin nicht haben will. Manche begnügen sich mit schüchternen Andeutungen. „Ich habe vergeblich von der Million geträumt und würde nun zufrieden sein Ihre Bekanntschaft zu machen", schreibt ein Dämchen aus Lugano. Andere werden
„In ihm ruht aller Freuden Fülle," singt er von Gott in einem seiner besten Lieder, welches schließt:
Es ist ein Ruhetag vorhanden.
Da uns unser Gott wird lösen;
Er wird uns reißen aus den Banden Dieses Leid's und allem Bösen.
ES wird einmal der Tod herspringen Und aus der Qual uns sämtlich bringen.
Gib dich zufrieden!
Die Ueberzeugung Gerhardts, in Gott den Quell alles Trostes sehen zu können, treibt ihn zu den leidenschaftlichen Ausbrüchen seiner übersinnlichen Liebe zum Herrn:
O daß mein Sinn ein Abgrund wär'
Und meine Seel ein weites Meer,
Daß ich dich könnt' umfassen! heißt es in einem Weihnachtsliede.
Bei solchen Anschauungen muß dem Dichter das Opfer des eigenen Willens dem Gottes gegenüber als selbstverständlich, ja notwendig erscheinen. Das beweisen seine Worte:
Stürmt gleich der Wind
Und braust, daß alles krachr und bricht,
So sei getrost, denn dir geschieht,
Was Gott gefällt!
Auch das bekannteste und wohl auch vollkommenste Lied Gerhardts, das irrigerweise mit seiner sagenhaften Flucht aus Berlin in Verbindung gebracht wurde, zeigt die Tiefe seines felsenfesten
Gottvertrauens:
Befiehl du deine Wege,
Und was dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege Des, der den Himmel lenkt!
Der Wolken, Luft und Winden Gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kann.
Es würde zu weit führen, noch mehr Proben Gerhardt'scher Poesie zu bringen. Unter den 131
deutlicher: „Ich habe gehört, daß die Ehe vom Himmel bestimmt ist; ich möchte die Frau sein, die Ihnen bestimmt ist. Ich bin nicht reich, aber ich habe schon hübsche Möbel", schreibt eine Dame mit schöner grüner Tinte. Eine andere preist die Freude des häuslichen Herdes mit einer treuen, graziösen und intelligenten Frau und fügt bescheiden hinzu: „ich könnte diese sein." Ein Vater bietet seine Tochter an, ein anderer stellt Herrn Leemann zur Auswahl gleich drei zur Verfügung. Kurz, bei so vielen guten Freunden, die ihm raten und helfen wollen, kann es Herrn Leemann gewiß nicht fehlen . . .
Von den fabelhaften Honoraren, die amerikanische Aerzte manchmal erhalten, weiß das „Britisy Medical Journal" zu erzählen. Ganz besonders sind es die Chirurgen, die, wie es scheint, von reichen Patienten, jeden Preis verlangen können, den sie sich wünschen. So soll Professor Lorenz für die Behandlung Miß Lolito Armours, als diese Dame sich eine Hüfte ausgerenkt hatte, nicht weniger als 100000 Mk. und die Reisespesen bekommen haben. Als Prinz Ludwig von Battenberg mit seinem Kreuzergeschwader vor einiger Zeit die Vereinigten Staaten besuchte, mußte er die Dienste eines Zahnarztes in Anspruch nehmen, der ihm nachher eine Rechnung von über 4000 Mk. schickte. Das würde man in unserem altväterlichen Europa wahrscheinlich schon als ein hohes Honorar bezeichnen, ist aber nichts gegen das, was, wie gesagt, die amerikanischen Aerzte sonst verlangen. Von Dr. Browning in Philadelphia erzählt man sich, daß er den Testamentsvollstreckern des Senators Magee, den er in seiner letzten Krankheit behandelte, eine Rechnung über nahe 800 000 Mk. überreichte. Diese Herren baten den Doktor, seine Rechnung doch etwas mehr zu spezifizieren und er erklärte darauf, die Inanspruchnahme seiner Dienste koste in seinem eigenen Bureau achtzig Mk. die Stunde, außerhalb desselben aber das Doppelte. Senator Magee sei aber mit seiner Behandlung so sehr zufrieden gewesen, daß er freiwillig angeboten habe, das Doppelte dieses Doppelten zu zahlen. Und mit Hilfe aller dieser Multiplikanten komme man schließlich auf die geforderte Summe. Professor Howard Kelly von dem Johns Hoptin-Hospital in Baltimore bekam viertausend Mark per Tag für die Behandlung der Frau eines reichen Minenbesitzers, und diese Behandlung nahm 21 Tage in Anspruch. Professor A. M'Lane Tiffany aus derselben Stadt erhielt 40000 Mark für eine einzige Operation, die er an einem Patienten in einem Hospital in New-Aork ausführte, und Professor Chambers endlich verlangte und bekam 20 000 Mk. für eine Operation an einem Gefängniswärter, der von einem Gefangenen ein Messerstich erhalten hatte. Auch Dr. Parks aus Chicago verlangt, wenn er es bekommen kann, 40 000 Mk. für eine einzige Operation. In der Stadt New-Aork
Liedern, die der fromme Mann geschrieben hat und die 1667 zuerst zu einer Sammlung vereinigt wurden, sind viele Perlen, wie das Abendlied „Nun ruhen alle Wälder", dann die Nachbildung eines Passionsgesanges von Bernhard von Clairvaux „O Haupt voll Blut und Wunden" oder das an Reiz so reiche Sommerlied: „Geh' aus, mein Herz und suche Freud' in dieser lieben Sommerszeit an deines Gottes Gaben!"
Viele gehen auch den Segensspuren seiner Lieder nach, und es ist nicht schwer, sie überall auf den Blättern der Geschichte unserer Kirche zu entdecken. Als Johann Jakob Moser 1759 zum Herzog von Württemberg aus Anlaß des Konfliktes zwischen der Landschaft und dem Fürsten beschieden war, da sprach er im Vorzimmer zu einem der Hofbeamten: „Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen" — jenes Wort, in dem, „wie in Erz gegossen das Bild des christlichen Streiters vor uns steht." Die Mutter Schillers hat ihrem Sohne frühe Gerhardts Gesänge, besonders das Abendlied „Nun ruhen alle Wälder" lieb und wert gemacht. Als am Abend des 8. März 1888 die Kräfte des 91jährigen Kaisers Wilhelm zusehends schwanden, sprach ihm sein Hof- prediger seinen Lieblingsvers vor: „Wann ich einmal loll scheiden, so scheide nicht von mir." Im Palast und in der Hütte, im Leben und im Sterben haben die Gerhardt'fchen Lieder ihre wunderbare Macht bewiesen. Es ist der Wohllaut seiner Reime, die Fülle seiner Bilder, die Weichheit der Empfindung, die echte Poesie, die aus jedem Worte spricht, die Schlichtheit und Wahrhaftigkeit der Sprache, die nichts weiß von Künstelei und Ueber- schwang. Aber noch mehr. Er führt uns in seinen Liedern in die ganze Tiefe eines männlich starken Christentums. Er ist der Sänger der Glaubens- I
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gibt es nach der Berechnung des Verfassers dieses Artikels mindestens vier oder fünf Aerzte, die ausschließlich unter den allerreichsten Leuten praktizieren und die im Jahre mindestens 400 000 Mark an Honoraren bekommmen. Fünf oder sechs andere verdienen ungefähr 200 000 bis 250 000 Mk. jährlich und ungefähr 200 Aerzte dürften 40000 bis 160000 Mark im Jahr an Honoraren einnehmen. Man sieht, im Lande der Dollars ist kein Ding unmöglich.
Elsässische Poesie. Das nachstehende hübsche Vorfrühlingsgedicht im elsässischen Dialekt (von Emma Müller) veröffentlicht die „Straßb. Bürgerzeitung" :
Sturm teilt d'Wolke, Sturm bricht Bahn Mit em Sturm fangt s'Früejjohr an! Mächtig toent sin Anzugs-Marsch;
S'Leitmotiv isch ziemlich barsch:
Fenschter, Thüere, Läde schmettert's In de düerre Baimäscht wettert's Uewer d'Brucke, d'Städte süüst's In de hoche Tüerm do brüüst's In de alte Balke krächtz's In de Wetterfahne ächttz's An de Gasse-Ecke wäjt's Durchenander schneijt's und räjt's
Müejsam d'Mensche vorwärts schritte.
Unter Kämpfe, unter Stritte Geje d'wilde Elemente Krampfhaft in de beide Hände Hewe sie de Barebli.
S'isch e reine Ironie!
Denn d'r Sturmgoit blickt mit Lächle Uf die düenne Räjedächle Dräjt sie lätz un rechts erum Brecht sie, knickt sie, beejt sie krumm Baumwoll, Syd un Fischbein, Stahl,
S'isch ihm alles ganz egal.
Was nit feschtgenaauelt isch Fliejt in d'Lüefte frej und frisch Awer herrlich isch's und schoen So im Sturmwind zuezesehn.
Wie er Haauel, Schnee und Räje Peitscht un vor sich her duet wäje Wie er mit Gewalt und Macht Fäjt un rümmt und Ordnung macht Sturm teilt d'Wolke, Sturm bricht Bahn Mit em Sturm fangt s'Früejjohr an!
j Kindermund.) In einem Konzerte, dem ein fünfjähriger Knabe mit feinem Vater anwohnte, wurde ein Sänger herausgerufen. „Papa", fragte der Knabe, als der Sänger fein Lied wiederholte, „hat der Mann so schlecht gesungen, daß er noch mal singen muß."
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gewißheit, die sich in jeder Lebenslage bewährt. Ernst war die Zeit, in der Gerhardt aufwuchs. Manchmal werden wir in seinen Liedern an die Schrecken des 30jährigen Krieges erinnert. Ernste Proben brachte auch sein späteres Leben. Um seiner Gewissensüberzeugung willen hat er aus Amt und Brot verzichtet. Und doch ist der Grundzug seines Dichtens die Freude. „Seine Kraft der Freude ist ganz unerschöflich, ein großes Kind mit Augen voll ewigen Sonnenglanz." Natur, Ehe und Familienleben stimmen sein Herz immer wieder zur Freude und auch Kreuz und Leiden vermögen nicht ihn traurig zu machen. Alles hat er persönlich durchlebt, was er dichtet, wie denn 16 seiner Lieder mit „Ich" anheben. Er hat auch unserer Zeit viel zu sagen, er, der Mann der Entschiedenheit, der kindlichen Fröhlichkeit und des Glaubensmutes.
In der Wahl der Stoffe verrät Gerhardt eine sehr glückliche Hand; was er bietet, muß weitere Kreise fesseln. Bald schildert er religiöse Begebenheiten, bald bearbeitet er Vorwürfe aus dem täglichen Leben, bald erteilt er Rat und Belehrung, bald bietet er Trost und geistliche Stärkung. Aus einem warmfühlendcn Herzen kommend dringen seine Lieder unfehlbar zum Herzen. Seine Lieder leben im Herzen unseres Volkes fort. So oft wir unsere hohen Feste im Lauf des Kirchenjahrs feiern, ist er der Dolmetscher unserer innigsten Gefühle; und wenn Christen in der Kreuzesschule ringen müssen, so greifen sie nach seinen Glaubensliedern; und es wird stille im Herzen, der Sturm legt sich. So hilft er noch heute die Kirche Christi bauen und erhebt durch die gewaltigen Zeugnisse seiner christlichen Erfahrung, durch die wunderbar süßen und tröstlichen Klänge seiner Leier unsere Herzen zur Andacht.