erträglich erkannt. Die Auflösung des Reichs­tages mit ihrem beachtenswerten Vorspiel, dem aktenmäßigen Nachweis ultramontaner Eingriffe in die Reichsverwaltung, und mit ihrem bedauerlichen Anlaß, der kleinlichen Verweigerung notwendiger vaterländischer Schutzmaßnahmen, stellt unser Volk vor eine wichtige und weitreichende Entscheidung. Drei Aufgaben erwachsen uns! Wir müssen aufwecken! Als Bund treiben wir keine Politik. Politik wird nicht auf dem Boden der Konfession, sondern auf dem Boden der Nation gemacht. Aber wir wollen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens gegen den Ultramontanismus auf der Wacht stehen. Deshalb gilt es jetzt, tatkräftig zu handeln. Viel zu viele haben bisher aus Unmut und Klein­mut ihre Stimme nicht in die Wagschale geworfen, jetzt ist es eines jeden unabweisbare Pflicht, sein Wahlrecht auszuüben. Zehn entschlossene Männer können Hunderte zur Pflichterfüllung führen, darum soll niemand von uns am Entscheidungstage fehlen. Das ist das Erste: Wecket die Säumigen auf! Wir müssen einigen! Wir treiben als Bund erst recht keine Parteipolitik Wir haben Mitglieder fast sämtlicher Parteien in unseren Reihen. Umsomehr sind unsere Bundesmitglieder berufen, angesichts des großen Zieles, den unheilvollen Einfluß des Kleri­kalismus zu brechen, in ihren Parteien für die Einigung einzutreten und für die Ueberwindung des zersetzenden Fraktionsegoismus besonnen und kraft­voll einzutreten. Das ist das Zweite: Wir müssen einigen! Wir müssen kämpfen! Es handelt sich im Wahlkampfe nicht um konfessionelle, sondern um nationale Fragen. Wenn wir, ein deutsch­protestantischer Bund, in diesen Tagen dennoch zu entschiedenem Handeln aufrufen, so tun wir es als aufrichtige Freunde wahren konfessionellen Friedens. Das Haupthindernis des echten Friedens zwischen den Konfessionen ist die politische Vorherrschaft des Ultramontanismus, der die Religion zu politischen Zwecken mißbraucht. Ist erst der politische Ultra­montanismus zurückgedrängt, dann können und werden wir mit unseren katholischen Mitbürgern in dem einen großen, deutschen Vaterhause einträchtig bei einander wohnen. Dann gibt es nur noch einen Streit der Konfessionen, den edlen Wettstreit mit den Gaben des Geistes und den Werken der Liebe. Das ist das Dritte: Der Kampf für den wahren Frieden! Auf denn zur Tat: Wider die un­erträgliche Vorherrschaft des Ultramontanis­mus und wider Alles, was sie stärkt und mehrt.

MürllLmberg.

Stuttgart, 4. Jan. Das Ministerium des Innern hat an die Stadtdirektion Stuttgart und an die Oberämter einen Erlaß gerichtet, wonach die Heeresverwaltung veranlassen wird, daß künftig mi- litärischerseits solche Leute, für die ein Eingreifen zur Verhütung von Krankheiten, oder eine Heilbe­handlung in Frage kommt, den genannten Behörden namhaft gemacht werden. Die Mitteilungen sollen sich aus alle Krankheitszustände beziehen, welche nach Ansicht des untersuchenden Sanitätsoffiziers die Ein­leitung eines Heilverfahrens angezeigt erscheinen lassen, zumal solche, deren Bedeutung häufig den Kranken selbst nicht erkennbar ist. Es steht zu hoffen, daß auf diele Weise namentlich eine Anzahl von Leuten mit beginnender Tuberkulose einer Heil­behandlung wird zugeführt werden können. Die Stadtdirektion Stuttgart resp. die Oberämter haben dann zu prüfen, in welcher Weise für den Kranken Fürsorge getroffen werden kann.

Stuttgart, 4. Jan. Im Hinblick auf das wiederholte Vorkommen des Einschmuggelns von Postanweisungen sind die Postanstalten aufgefordert worden, bei der Prüfung und Auszahlung der ein­gehenden Postanweisungen namentlich der postlagern­den und der an unbekannte Personen gerichteten, mit besonderer Sorgfalt zu verfahren.

Die Einnahmen aus dem württ. Post-, Tele­graphen- und Fernsprechbetrieb im November 1906 betrugen im ganzen 1483 533 43

(mehr 72 930 52 <ff). Vom 1. April 1906 bis

letzten November 1906 13 095475 40 (mehr

741200 ^ 55 ^s).

Stuttgart, 8. Jan. Für unsere Veteranen! Zugunsten der Veteranen - SammlungKönig Wil­helm-Trost" hat das Präsidium des Württ. Krieger­bundes, das bis dahin eine so außerordentlich rege Tätigkeit für diesen edlen Zweck entfaltete, gestern abend im Festsaal der Liederhalle eine Aufführung unter Mitwirkung hervorragender Kunstkräfte ver­anstaltet, die einen glänzenden Verlauf nahm und ein ebensolches finanzielles Resultat ergeben hat, denn die weiten Räume des Saales waren fast bis auf den letzten Platz gefüllt.

Stuttgart, 6. Jan. Ausländische Finanz­institute versenden gegenwärtig an kleinere Beamte und viele andere Personen Börsenblätter und Druck­sachen, in denen Differenzgeschüfte in allen möglichen hierzulande unbekannten Werten dringend empfohlen wird. Solchen Lockungen gegenüber ist größte Vor­sicht geboten. Die Zusendungen stammen meist aus Paris, London oder Budapest.

ll.-IO Soldatenbrief-Umschläge. Die württ. Umschläge zu Briefen an Soldaten werden künftig in größerem Format (112:148 mm, statt seither 85:148 mm) hergestellt; die neuen Umschläge werden jedoch erst nach Aufbrauch der alten ver­kauft. Der Verkaufspreis bleibt unverändert. Die Post hofft, daß die neuen, zeitgemäßeren Umschläge vom Publikum noch mehr wie bisher zu Briefen an Soldaten verwendet werden, was insofern nütz­lich ist, als bei Verwendung solcher Umschläge mit Adressenvordruck genauer adressiert wird, wodurch manche Nichtbestellbarkeit vermieden wird.

Stuttgart, 7. Jan. Bon der Deutschen Partei wurde im 1. württ. Reichstagswahlkreis. Stuttgart Stadt und Amt, Hofwerkmeister Haußer als Kandidat für den Reichstag ausgestellt. Nach Abmachungen mit den betreffenden Parteileitungen wird die Volkspartei eine eigene Kandidatur nicht aufstellen, wie auch die Konservativen bekanntlich ihre Unterstützung zugesagt haben. Es hat sich also im 1. wie im 5. und 10. Wahlkreis eine Einigung auf dem Boden der nationalen Aufgaben vollzogen, die durch die Reichstagsauflösung dem deutschen Volke gestellt sind.

Eßlingen, 4. Jan. Zu den auch an dieser Stelle erwähnten Verhandlungen der hürgerlichen Kollegien über den bekannten Brief des Ober­bürgermeisters Dr. Mülberger an Minister von Pischek bemerkt derStaatsanz.":Die Art und Weise, wie der fragliche Brief seinen Weg in dieSchwäb. Tagwacht" gefunden hat, ist hiemit vollständig klargelegt, die einzige offene Frage bleibt bloß die, ob der bei der Mitteilung des Briefs in derSchw. Tagwacht" gegen den Staatsminister v. Pischek hinsichtlich der angeblich durch ihn er­folgten Kundgabe des Briefs erhobene verleumder­ische Besicht von dem Gemeinderat Schlegel, als dem Einsender, oder von der Redaktion der Tag­wacht vertreten werden will."

Im 3. württembergischen Reichstags­wahlkreis (Heilbronn usw.) hat der Ausschuß der Deutschen Partei in Heilbronn, nachdem die Volkspartei die gestellte Bedingung,daß bei einer Stichwahl weder die im Wahlausschuß vertretenen Parteien, noch deren Kandidat die Losung für die Sozialdemokratie ausgeben," nicht angenommen hat, beschlossen, von einem Eintreten der Partei in den Wahlkampf abzusehen und ihren Mitgliedern die Stellungnahme frei zu geben.

Tuttlingen, 5. Jan. Die Kandidatenliste für den 11. württ. Reichstagswahlkreis (Tuttlingen, Spaichingen, Rottweil, Balingen) weist bis jetzt folgende Namen auf: Landtagsabgeordneter Konrad Haußmann (Vp.), Rechtsanwalt Schellhorn- Rottweil (Ztr.) und Arbeitersekretär Mattut at- Stuttgart (Soz.)

Freudenstadt, 7. Jan. Rektor Haug ver­öffentlicht im heutigenGrenzer", daß er am 31. Dezember l. I. an den Vorstand der Volkspartei im Bezirk Freudenstadt, Kaufmann CH. Gaffer in Baiersbronn, die Anfrage gerichtet habe, ob die Volkspartei geneigt wäre, gemeinschaftlich mit der Deutschen Partei einen Kandidaten für den 8. Reichstagswahlkreis aufzustellen, eine Antwort hierauf aber bis jetzt noch nicht erfolgt sei.

Stuttgart, 7. Januar. Infolge der starken Schneefälle, die um die Weihnachtszeit niedergingen, ist das Jahr 1906 weitaus das schneereichste der letzten 15 Jahre. Für Württemberg berechnet sich die Schmelzwasserhöhe auf 95,5 mm, bei einem Ge­samtniederschlag von 742 mm, während sie beispiels­weise 1905 nur 34,7 mm und 1904 sogar nur 23 mm betrug. Auch die Zahl der Tage mit Niederschlägen überhaupt ist mit 179 die höchste seit 15 Jahren. Sommertage waren 36 zu verzeichnen, während der Durchschnitt 45 beträgt. Trotz der großen Feuchtig­keit war das Jahr 1906 im Großen und Ganzen aber kein kaltes, denn die mittlere Jahrestemperatur berechnet sich auf 10,2 Grad C., während sich das 70jährige Mittel nur auf 9,8 Grad stellt.

Stuttgart, 6. Jan. Unter Hinterlassung von ca. 100000 ^ gefälschten Wechseln, die auf bessere Firmen lauteten, hat gestern der Mitinhaber einer hiesigen Engroshandlung das Weite gesucht.

Stuttgart, 8. Januar. Der Kaufmann, der größere Wechselsälschungen beging hat sich dem Ge­richt freiwillig gestellt. Geschädigt sind in der Haupt­sache einige Bankgeschäfte.

Tübingen, 7. Jan. Gegen Schluß des vorigen Jahres hielt der neu berufene Professor Robert Gau pp seine akademische Antrittsrede über Wege und Ziele der psychiatrischen Forschung. Früher legte man den Kranken persönliche Schuld bei, jetzt weiß man. daß Geisteskrankheiten Gehirnkrankheiten sind: oft stehe der Arzt der Not der Kranken fast ratlos gegenüber. Es handle sich für den Lehrer besonders um Forschungen auf dem Gebiet der Vererbung und der Psychologie, ferner müsse der Bedeutung des Pathologischen in der Geschichte und der Biographie gewahrt werden, z. B. Napoleon und Schopenhauer waren geisteskrank, ebenso Nietzsche. Unsere An­schauungen über Verbrechen und Krankheit seien in der Entwicklung und Umgestaltung begriffen. Willensfreiheit glaube jeder, auch der Kranke, zu haben, obwohl er objektiv zweifellos unfrei sei und handle. Mit einem Ausblick auf die praktischen Aufgaben des Seelenarztes am Krankenbett schloß der Professor. (Amn. d. Red. Professor Gaupp ist bekanntlich ein geborener Neuenbürger).

Tübingen, 8. Januar. Der hiesige Militär­verein beschloß einstimmig, ein Denkmal für die Veteranen von 1866 und 1870/71 zu errichten. Die Kosten sollen durch Sammlungen aufgebracht werden.

Böblingen, 5. Januar. Die hiesige Stadt- schultheißenwahl ist bekanntlich angefochten wor­den. Es wurde nun über die Anfechtungsgründe ein Verfahren eingeleitet. Vor 14 Tagen war ein Beamter der Staatsanwaltschaft hier, wobei etwa 30 Personen vernommen wurden. Ueber den Aus­gang der Sache ist man hier sehr gespannt. Störend wirkt es, daß durch diese Angelegenheit die Amts­einsetzung sich nun sehr verzögert.

Aus dem Oberamt Maulbronn, 4. Jan. Die Entscheidung in unserer Bahnfrage ist jetzt gefallen. In einer gestern im Rathause hier statt­gehabten Versammlung der Vertreter der beteiligten Gemeinden unter dem Vorsitz von Oberamtmann Elsenhans und in Gegenwart von Finanzrat Müller und Eisenbahnbauinspektor Lupfer von der Kgl. Generaldirektion in Stuttgart einigte man sich an Stelle des von der Bahnbehörde in Vorschlag ge­brachten Kostenbeitrags von 304 575 Mk. auf eine Gesamtleistung von 235 000 Mk. (entschließ!. Grund­erwerb). Es haben hiervon zu tragen Maulbronn 70000 Mk., Freudenstein 13 000 Mk., Zaisersweiher 46 000 Mk., Diefenbach 56000 Mk. und Sternen- fels 50 0l)0 Mk. Die Stadtgemeinde Maulbronn übernimmt ferner die Fürsorge für das Betriebs­wasser für die nächsten zehn Jahre, während Hof- steinmctzmeister Burrer in Maulbronn, der große Steinbrüche in Freudenstein besitzt, dieser Gemeinde in entgegenkommendster Weise 3000 Mk. Zuschuß zum Kostenbeitrag zusicherte. Damit wäre die für den westlichen Stromberg so wichtige Angelegenheit endlich geregelt.

Leinstetten, 7. Jan. Die Meldung über den Brand der vor kurzem erbauten Sägmühle von Ge­brüder Bronner ist dahin zu berichtigen, daß nicht diese, sondern die Säge der Firma M. Bronner u. Söhne niedergebrannt ist, welche im Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut wurde.

Vom Bodensee, 6. Jan. In Altenheim bei Staad wurde ein zwanzigpfündiger Hecht aus dem See gezogen, der, als man ihn getötet und ausgeweidet hatte, die halbe Hand mit drei Ringen einer männlichen Leiche in seinem Innern barg.

Stuttgart. fLarrdesproduktenbörse.j (Bericht vom 7. January Wesentliche Veränderungen auf dem Ge­biet des Getreidemarkts hat auch die erste Woche des neuen Jahres nicht gebracht. Infolge der milderen Temperatur konnte die Binnenschiffahrt wieder ausgenommen werden. Was die sichtbaren Weltbestände betrifft, so wird eine Zu­nahme der Vorräte gemeldet, wogegen die Jnlandszufuhren, wie immer um diese Zeit, kleiner waren. Greifbare Waren, namentlich Mais und Futtergerste, gesucht. Die Stimmung ist im allgemeinen ruhig, im einzelnen wird auf die nach, stehenden Notierungen verwiesen. Mehlpreise per 100 KZ inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 30 Mk. Pfg. bis 31 Mk. Pfg., Nr. 1: 28 Mk. 50 Pfg. bis 29 Mk. 50 Pfg., Nr. 2: 27 Mk. Pfg. bis 28 Mk. Pfg., Nr. 3: 25 Mk. 50 Pfg. bis 26 Mk. 50 Pfg., Nr. 4: 23 Mk. 50 Pfg. lns 24 Mk. 50 Pfg. Suppengries 30 Mk. Pfg. bis 31 Mk. Pfg. Kleie 9 Mk. 50 Pfg. 10 Mk. Pfg. föhne Sack.)

Kus SlaSt» Bezirk uns Umgebung,

Die Meisterprüfung vor der Prüfungs­kommission der Handwerkskammer Reutlingen hat u. a. erstanden und damit das Recht zur Führung des Meistertitels erworben: Hermann Waidner, Schuhmacher in Herrenalb.