Württemberg.
Stuttgart, 2. Ott. In der gestrigen Sitzung der Justizgesetzgebungskommission der Abgeordnetenkammer erklärte der Ministerpräsident v. Breitling, die Regierung lege großen Wert darauf, daß der neu zu wählende Landtag, da er den Etat für die nächsten zwei Jahre zu verabschieden habe, womöglich frühzeitig einberufen werden könne. Infolgedessen werde der jetzige Landtag, dessen Mandat anfangs Dezember abläuft, schon in den ersten Tagen des November ohne Rücksicht aus den Stand der gesetzgeberischen Arbeiten aufgelöst und die Neuwahlen für anfangs Dezember ausgeschrieben werden. Der jetzige Landtag, dessen Wiedereinberufung Mitte Oktober erfolgt, werde also nur noch zwei Wochen versammelt bleiben.
Stuttgart. Nachdem das Ministerium des Innern vor einigen Monaten die innerhalb geschlossener Ortschaften und auf belebten Straßen zulässige Höchstgeschwindigkeit der Kraftfahrzeuge von 12 auf 15 Kilometer pro Stunde erhöht hatte, hat der Gemeinderat nun einem Antrag der Polizeiabteilung gemäß die Erlassung einer ortspolizeilichen Vorschrift beschlossen, durch die die Höchstgeschwindigkeit innerhalb des ganzen Stuttgarter Gemeindebezirks, also auch auf den Straßen nach Cannstatt, Untertürkheim, Wangen usw., auf 12 Kilometer pro Stunde oder 200 Meter in der Minute festgesetzt wird. Außerdem ist einer in der Polizeiabteilung von verschiedenen Seiten gegebenen Anregung entsprechend das Stadtpolizeiamt mit Erhebungen über die eventuelle Sperrung bestimmter, von Fußgängern viel benützter Wege für den Automobilverkehr betraut worden. Von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung wird der nachdrücklichere Schutz des Publikums gegenüber den Auswüchsen des Automobilfahrens mit Freuden begrüßt werden.
7. Evangelische Landessynode. Da die Wahlen für die 7. Evangelische Landessynode im Lauf dieses Monats stattfinden, wird damit gerechnet, daß die Synode im Januar 1907, jedenfalls noch vor dem Zusammentritt des neuen Landtags sich in Stuttgart versammeln wird. Außer der Erstattung des Rechenschaftsberichtes des Synodalausschusses, der voraussichtlich Anlaß geben wird zu einer eingehenden Besprechung der wichtigeren kirchlichen und kirchlich-politischen Fragen, die seit der letzten, im Jahr 1900 abgehaltenen Synode die Oeffentlichkeit beschäftigen, wird die Gesangbuchfrage, zu der bekanntlich der Württembergische Kirchengesangverein in den letzten Jahren wiederholt Stellung genommen hat, einen der wichtigsten Beratungsgegenstände bilden. Dazu kommt dann noch die Schulaufsichtsfrage, die den nächsten Landtag zweifellos wieder beschäftigen wird, und die Neuordnung des Religionsunterrichts im Sinne einer Vereinfachung und Konzentrierung. Auch mit der Frage der besseren Dotierung der kirchlichen Hilfsfonds, vor allem der geistlichen Witwen und Waisenkasse, sowie mit der Verbesserung der ökonomischen Lage de^ Geistlichen wird sich die Synode zu befassen haben, des weiteren mit der Frage der Ausscheidung des Kirchenbunds und der Deckung der den Kirchen- pslegen durch die Abschaffung der Stolgebühren entstandenen oder noch entstehenden Ausfälle, außerdem voraussichtlich auch noch mit der Verlegung des sonntäglichen Fortbildungsschulunterrichts auf den Werktag und dem Mitbringen der Vereinsfahnen in die Kirchen. Auf rein kirchlichem Gebiet wird dann noch die Frage der lithurgischen Ausgestaltung der Gottesdienste, der Neuordnung der Wochen- und Feiertagsgottesdienste, sowie die Frage des Einzelkelchs im Abendmahl Gegenstand der Erörterung jein.
Der Haushalt der Stadt Stuttgart schließt nach den soeben veröffentlichten städtischen Drucksachen bei einer Gesamteinnahme von 16 935 950 Mark gegenüber dem Voranschlag mit einem Ueber- schuß von 1512 415 M-, ab; die tatsächlichen Ausgaben belaufen sich auf 16 367 600 Der Gesamtvoranschlag für 1906 schließt ab mit 23425 900 Mark in Einnahmen und Ausgaben; der Voranschlag für 1905 betrug 21,7 Millionen. Wie aus diesen Zahlen ersichtlich, ist das städtische Budget in den letzten Jahren mit Riesenschritten angewachsen, was allerdings zum großen Teil aus die Eingemeindungen zurückzuführen ist.
Das landwirtschaftliche Hauptfest auf dem Cannftatter Wasen, im Volksmund kurzweg Volksfest genannt, war während der 4 Tage von Donnerstag bis Sonntag einschließlich vom Wetter außerordentlich begünstigt. Die Viehausstellung und Prnmiirung, für unsere Landwirte die Hauptsache
bei diesem Fest, zeigte prachtvolle Tiere und lieferte den Beweis über die fortgesetzte Hebung unseres Viehständs, namentlich des Rindviehstands. Vielfach wurde aus landwirtschaftlichen Kreisen der Wunsch ausgesprochen, es möchten die prämiirten Tiere nicht gleich verkauft, sondern aus einige Jahre in Württemberg selbst zur Zucht verwandt werden.
Tübingen, 3. Okt. Zu dem Strafverfahren wegen des Einsturzes der Hirschwirtschaft in Nagold am 5. April wird bekannt, daß der angeklagte Unternehmer Rückgauer zu der am 15. Oktober beginnenden Verhandlung eine ganze Reihe von weiteren Sachverständigen und Zeugen hat vorladen lassen, welche alle seine Unschuld an dem eingetretenen Unglück dartun sollen. Die Verhandlung soll wegen des großen Umfanges der Sache in dem neuen Schwurgerichtssaal vorgenommen werden.
Oberndorf, 2. Okt. Nachdem die Waffenfabrik Mauser in den letzten Tagen durch Vermittlung des städtischen Arbeitsamts in Stuttgart einige hundert Arbeiter eingestellt hat, beschäftigt dieselbe nun gegenwärtig rund 2700 Arbeiter. Damit ist der Vollbetrieb durchgeführt.
Besigheim, 4. Okt. Die Gemeinden Freudental, Erligheim, Gemmrigheim, Hessigheim, Hofen, Hohenstein, Löchgau und Wahlheim stehen im Begriff, sich zu einer Wasserversorgungsgruppe zusammenzuschließen. Nach einem vorläufigen Projekt würden sich die Kosten zu einer Wasserleitung für die genannten acht Gemeinden auf etwa 478000 Mark belaufen, wozu der Staat einen Beitrag von 15 Prozent oder 71670 Mk. leisten würde; auch würde der Staat die Kosten der Bauleitung mit etwa 28 000 Mk. übernehmen.
Ulm, 4. Okt. Ein 6 jähriges Mädchen in Hüuser- hof bei Neu-Ulm machte ein „Feuerte", durch das 60 Zentner Haber und 350 Zentner Oehmd vernichtet wurden. Dem Eigentümer, Bauern Kremmeier, erwächst ein Schaden von 2300 Mk.
Slus StaSt. Bezirk uns Umgebung
In Calmbach ist nunmehr eine Fernsprech- anstalt errichtet worden. Diese Anstalt wird am 10. Oktober ds. Js. in Betrieb genommen werden. Sie dient nur dem Sprechverkehr. Die Vermittelung des Telegrammverkehrs von Calmbach erfolgt wie bisher durch das auf der Bahnstation befindliche Telegraphenamt.
Mit Gültigkeit vom 1. Oktober ds. Js. treten im württ.-bayer. Gütertarif folgende Aender- ungen ein: 1) Im Ausnahmetarif 1 (Holztarif) werden unter Ziffer 4 (Holzwaren) die Worte „Rundholz gelocht (Haspelholz)" ersetzt durch „rohe Holzstäbe aller Art, rund oder halbrund gehobelt, auch gelocht, als Besenstiele, Blumenstübe, Rouleaur- stangen, Haspelrollen u. s. w.". 2) Im Ausnahme- taris 2 (Rohstofftarif) wird als neue Position nachgetragen: 12. Heu und Stroh (Weizen-^u. Roggenstroh), auch gepreßt. - ,, ^
/ Die Gemeinde Calmbach erläßt im „Staatsanzeiger" folgenden Bewerber-Aufruf. Die Stelle des hiesigen Ortsvorstehers, Ratschreibers und Verwaltungsaktuars ist infolge Pensionierung des bisherigen Beamten in Erledigung gekommen. Der Gehalt einschließlich Nebenverdienst und 790 .AL fürs Verwaltungsattuariat betrügt garantierte 3300 Mark, woneben die Gemeinde einen geprüften Gehilfen selbst salariert. Schöne Wohnung im Rathaus gegen 300 -AL Mietzins. Tüchtige Fachleute wollen ihre Bewerbungen spätestens bis 6. Oktober ds. Js. einreichen. Schultheiß Häberlen. — Die Wahl findet am 19. ds. Mts. statt.
Neuenbürg, 1. Okt Der hiesige Gewerbb- verein hielt am heutigen Montag abend wieder eine Monatsversammlung ab; er hatte sich als Hauptpunkt mit der alle 3 Jahre vorgeschriebenen Wahl zur Handwerkskammer Reutlingen zu befassen. Nachdem Vorstand Gollmer die einschlägigen Bestimmungen dazu bekannt gegeben hatte, wurde er auch als Wahlleiter bestimmt. Als Wahlberechtigte sind nur Handwerker zugelassen, deren die aufgestellte Liste 53 der hiesigen gewerblichen Korporation enthielt. Bedauerlicherweise waren jedoch nur wenige von ihnen anwesend, welche sich zweckmäßigkeitshalber auf den Wahlvorschlag einigten, welchen die 3 den Handwerkskammerbezirk Rsutlingen bildenden Gauverbünde gemacht haben. Es sind dies der Achalm- gau, der Obere Schwarzwaldgau und der Untere Schwarzwaldgau, zu welch letzterem die Gewerbevereine Altenfteig, Calw, Freudensladt, Herrenberg, Haiterbach, Nagold, Neuenbürg, Wildbad gehören. Der Oberamtsbezirk Neuenbürg ist in dem Wahlvorschlag nicht vertreten, da ja der hiesige Vereinsvorstand Gollmer noch 3 Jahre der Handwerks
kammer als Mitglied angehört. Wie es schon in dem über die Gauversammlung am 9. September ds. Js. gegebenen Bericht im Enztäler geschehen ist, wurde vollends im Hinblick auf die so geringe Beteiligung an der heutigen Wahl nochmals dem Bedauern kräftig Ausdruck gegeben, daß diese Versammlung der Gewerbevereine des Nördl. Schwarzwaldgaues so spärlich von hiesigen Mitgliedern besucht war, so daß dies den wenigen Mitgliedern von hier mit Rücksicht auf die zahlreichen auswärtigen Gäste mehr als peinlich gewesen sei. Während alle anderen Vereinsveranstaltungen geselliger Natur sich stets einer überaus regen Beteiligung zu erfreuen haben, fehle es, namentlich bei den jüngeren Elementen, an dem nötigen Jnteresfe für ernstere Fragen, wie sie naturgemäß in den Gewerbevereinen Vorkommen. Sportliches Interesse, gesellige Unterhaltungen, Kartenspielen rc. und sonstige Vereins- hubereien seien bei ihnen mehr an der Tagesordnung; dies sei ja auch viel bequemer und angenehmer. — Im weiteren gab Vereinsvorstand Gollmer Bericht über die Verhandlungen des 48. Verbandstags der Württ. Gewerbevereine in Rottenburg a. N. Wie aus dem eingehenden Bericht im Enztäler v. 29. Aug. ds. Js. noch bekannt sein dürfte, wurde auf dem Verbandstag zuerst eine Resolution angenommen, in der ein Gesetz betr. Sicherung der Forderungen der Bauhandwerker als wirksamstes Mittel angesehen wird, um dem Bauschwindel entgegenzutreten und Treu und Glauben im Baugewerbe zu stärken. Weiter gelangte auf das Referat des Uhrmachers Stroh-Backnang eine Resolution zur Annahme, in der gefordert wird, mit allen gesetzlichen Mitteln auf eine Beseitigung der die seßhaften Betriebe schädigenden Mißstände im Wandergewerbe und Detailreisen hinzuarbeiten, besonders soll eine verschärfte Kontrolle durch eine höhere gleichmäßigere steuerliche Heranziehung der Wandergewerbebetriebe und strengere Bestrafung bei Uebertretungen der Gewerbeordnung eintreten. Wie von dem Mitreferenten Eberle-Urach auf dem Verbandstag diese Resolution bekämpft wurde, so geschah dies auch in der heutigen Versammlung von seiten eines ansäßigen Geschäftsmannes, indem derselbe betonte, daß gewisse Handelsgeschäfte, wie z. B. die Manufakturwarenbranche, geradezu auf das Detailreisen angewiesen seien, so lange auch, wie dies besonders hier der Fall ist, von allen Seiten, namentlich von dem benachbarten Baden und der Pfalz, der Bezirk bereist wird. Ungerecht sei es auch, daß die Detailreisenden aus dieselbe Stufe mit den gewöhnlichen Hausierern gesetzt werden, während doch das Detailreisen auch bedeutend höher zur Steuer herangezogen sei als das Hausiergewerbe. Vom Verbandstage angenommen wurde noch ein Antrag auf Vereinfachung der Meisterprüfungen und ein Antrag auf Verlängerung der 3jührigen Lehrzeit um M Jahr mit Inkrafttreten der obligatorischen Fortbildungsschule. Im Anschluß an das Referat schilderte Hr. Gollmer noch kurz die von Gewerbetreibenden der Stadt Rottenburg veranstaltete Ausstellung. Namentlich seien es nach dem Urteil unparteiischer Fachmänner die Möbelschreiner und die Kunstschlosser, ebenso die Kunstmaler und Bildhauer, welche hervorragendes geleistet haben.
Gewerbe-Verein Wildbad. Am Freitag den 5. Oktober ds. Js., abends 6 Uhr, findet im Rathaussaal hier die Wahl zur Handwerkskammer statt. Um zahlreiches Erscheinen der Mitglieder wird gebeten. Der Vorstand.
Dem Südd. Corr.-Bur. wird von Neuenbürg, -3. Okt. geschrieben: Die Grenzbehörden fahnden eifrig nach dem jungen Menschen, der bei Ding- lingen einem 7 jährigen Mädchen den Hals durchschnitten und den Bauch aufgeschlitzt hat.
Calw, 2. Okt. Letzten Sonntag versammelten sich etwa 60 Vertrauensmänner der konservativen Partei und des Bundes der Landwirte im Saal des Gasthofs zum „Rößle". Der Vorsitzende, Gutspächter Fahrion, besprach die bevorstehende Landtagswahl, insbesondere die Kandidatenfrage, und erteilte sodann dem Redakteur Schrempf aus Stuttgart das Wort zu einem Vortrag über die politische Lage im Land und im Bezirk. Die Ausführungen des Redners wurden mit Beifall ausgenommen. Im Blick auf die Wahl beschloß die Versammlung einstimmig, den Abgeordneten des Bezirks, Rechtsanwalt Kraut, unter Anerkennung seiner erfolgreichen Tätigkeit im Landtag um abermalige Annahme der Kandidatur zu ersuchen. — Gleichzeitig waren, wie schon berichtet, die Mitglieder der Deutschen Partei im Gasthof zum „Waldhorn" versammelt, die nach einleitendem Vortrag des Parteisekretärs Keinath aus Stuttgart