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An die Ortsvorsteher,

betr. Ltaatsbetträge für Virhverficherungs- vereine.

Diejenigen Viehversicherungsvereine, welche für das Jahr 1902 um einen Staatsbeitrag nach­suchen wollen, haben ihre Gesuche bis spätestens SV. März ds. Js. beim Oberamt einzureichen. Den Gesuchen sind Uebersichten über die Geschäfts­ergebnisse des Vereins im Jahr 1902, sowie die zur Prüfung der Richtigkeit der Angaben in den Ueber­sichten erforderlichen Belege anzuschließen. For­mulare für solche Uebersichten können vom Oberamt bezogen werden.

Die Ortsvorsteher werden beauftragt, die Vieh­versicherungsvereine auf Vorstehendes aufmerksam zu machen.

Calw, 12. März 1903.

K. Oberamt.

Amtm. Ripp mann, A.-V.

Bekanntmachung.

Nach Mitteilung des K. Oberamts Leonberg ist der Oberamtsbezirk Leonberg wieder frei von Maul- und Klauenseuche.

Calw, 12. März 1903.

K. Oberamt.

Amtm. Rippmann, A.-V.

Tagesneuigkeiten.

-r. Calw. Vergangenen Sonntag hielt der hiesige M i l i t ä r v e r e i n bei seinem Vorstand Herrn K. Essig seine 20. Generalversammlung ab, an welcher sich zur großen Freude der anwesenden Mitglieder auch der Bezirksobmann, Herr Professor Haug, beteiligte. Aus dem kurzen geschichtlichen Rückblick, den der Vorstand der Versammlung gab, entnehmen wir folgendes: Der Verein wurde im Jahre 1882 mit 46 Mitgliedern gegründet und zählt zur Zeit 139 aktive und 4 Ehrenmitglieder. Das Vereinsvermögen beläuft sich auf 1575 49 A

Für Unterstützungen wurden seit Bestehen des Ver­eins 1323 ausbezahlt und ist dadurch schon manche Not gelindert worden. Nach Erledigung des Rechenschaftsberichts und Entlastung des Aus­schusses, sowie des Kassiers, wurden die statuten­gemäßen Neuwahlen vorgenommen. Der seitherige Vorstand, welcher seit der Gründung den Verein mir seltener Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue 21 Jahre geleitet hat, erklärte, daß er aus Gesundheits­rücksichten eine Wiederwahl ablehnen müsse und die Vorstandschaft gerne einer jüngeren Kraft übertragen sehen möchte, aber nur auf dringenden Wunsch der anwesenden Mitglieder und besonders auf das warme Eintreten des Herrn Bezirksobmanns hin konnte derselbe zur Aenderung feines Entschlusses bewogen werden und wurde sodann wieder einstimmig zum Vorstand gewählt. Möge es dem Militärverein Calw vergönnt sein, bei seinem in einigen Jahren stattfindenden Jubiläumsfest seinen bewährten Vor­stand in voller Rüstigkeit und Gesundheit an der Spitze marschieren zu sehen.

* Calw, 12. März. Zur Erledigung ver­schiedener wichtiger Fragen in Bezug auf Ein­richtungen für den Fremdenverkehr traten gestern abend die Ausschüsse des Vereins für Hebung des Fremdenverkehrs-, des Schwaizwald- und Ver­schönerungsvereins zusammen. Das Arbeitsgebiet der einzelnen Vereine wurde räumlich begrenzt und jedem Verein seine besonderen Aufgaben zugewiesen, soweit verschiedene Arbeiten nicht gemeinsam aus­geführt werden. Von den Beschlüssen sollen hier die wichtigsten mitgeteilt werden. Der Verschöner- ungsvercin wird die nächste Umgebung in Pflege nehmen, weiter hinaus wird der Fremdenverkehrs­verein seine Tätigkeit entfalten und die entferntesten Plätze sollen vom Schwarzwaldverein bebaut werden; dabei ist eine gegenseitige Unterstützung natürlich nicht ausgeschlossen sondern immer in Aussicht ge­nommen. Der Verschönerungsverein wird in diesem Jahr die bestehenden Anlagen und Wege in einen besonders guten Stand setzen und für gute und und saubere Wege Sorge tragen; er wird im Stadt­garten und am Eselspfad 15 verstellbare eiserne Bänke aufstellen und ebenso im neuen und grünen Weg weitere Holzbänke errichten. Vom Schafweg wird mitten durch den Stadtgarten hindurch unter­halb der Kaiserlinde bis zum Horlacher Denkstein ein neuer bequemer Weg schon in den nächsten Tagen in Angriff genommen werden. Die Auf­wendungen des Verschönerungsvereins werden in diesem Jahr über 1000 betragen. Der Verein für Fremdenverkehr wird im unteren Felsenweg, am Schaffotweg und an der Straße nach Zavel- stein eine größere Zahl von Ruhebänken aufstellen und einen neuen Weg dem Röthelbach entlang mit Benützung des bisherigen Weges vom Kentheimer Staigle bis zum Zavelsteiner Brückte durchführen und somit einen prächtigen Verbindungsweg nach Zavelstein schaffen. Ein weiterer Weg wird von der Georgenhöhe am Schaffst vorbei in den Schaffot­weg geführt werden. Dieser Weg findet sodann seine Fortsetzung bis zum Ruhebank oberhalb des Zavelsteiner Bröckle. Die Bezeichnung sämtlicher Wege und das Anbringen von Wegzeigern über­nimmt der Schwarzwaldverein. Der vom Haupt­verein an der Ostgrenze des'Schwarzwaldes aus­geführte HöhenwegPforzheim-Tuttlingen" (Ostweg) wird über Calw führen. Am Welsberg oberhalb Hirsau soll eine Schutzhütte erbaut und der Weg durch das Schweinbachtal erbreitert werden. ES sind somit viele und große Aufgaben, die sich die Vereine gestellt haben und zur baldigen Ausführung bringen werden. Auf die übrigen Arbeiten des Vereins für Fremdenverkehr werden wir später zurückkommen.

* Calw, 13. März. In den letzten Tagen wurde der bekannte Fischschaden in der Nagold durch eine Kommission, bestehend aus Oberförster Hofmann-Klosterreichenbach, Sekretär Armbruster- Tübingen und Oekonom Böcking-Schernbach abge­schätzt. Die beschädigte Strecke von hier bis Nnter-

reichenbach ist 16 km lang; an dem Schaden sind 21 Interessenten beteiligt. Als Entschädigung pro km und Jahr wurden durchschnittlich 100 ange­nommen. Der Schaden auf der ganzen Strecke beläuft sich nach der Schätzung pro Jahr auf 1840 hievon soll, da eine Schädigung auf 3 Jahre an­genommen wird, der 3fache Betrag mit 5520 als Barentschädigung bezahlt werden. Die eine Hälfte der Entschädigung soll sofort, die andere am 1. Juli 1905 beglichen werden. Neben der Bar­entschädigung soll ein Einsatz von Edelfischen in die Nagold stattfinden. (Bisher war die Nagold nur von minderwertigen, den gewöhnlichsten Weißfischen mit wenigen Ausnahmen belebt). Der Ein­satz soll zweimal voll und einmal halb geschehen und zwar werden gefordert im ganzen 37 500 Forellen und Saiblinge und 25 000 Aale. Der Wert des Fischeinsatzes stellt sich auf etwa 7000 Nach der Berechnung der Kommission würde sich der ganze Schaden auf 13 245 belaufen. Die Schonzeit der Fische in der Nagold soll bis 1. Juli 1905 dauern; im Falle der Nichteinhaltung haben die Fischwasserpächter eine größere Konventionalstrafe zu bezahlen. Die Beschädigten haben bis auf 2 ihre Zustimmung zu dieser Schätzung gegeben; die Auf­stellung unterliegt nun der Zustimmung oder Ab­lehnung durch die bürgerlichen Kollegien von Calw.

Stuttgart, 12. März. (Strafkammer.) Ein gefährlicher Einbrecher, der 43 Jahre alte Flaschner Ehr. Kcppler von Renningen, wurde heute der Strafkammer aus der Untersuchungshaft vor­geführt. Keppler ist schon öfters wegen Diebstahls, darunter mit 14 Jahren Zuchthaus vorbestraft. In der Nacht auf 13. Oktober v. I. verübte der An- gekl. auf dem Jhinger Hof bei Renningen einen Einbruchdiebstahl. Nachdem er einen Gartcnzaun überstiegen hatte, kletterte er an dem Gutshaus empor, drückte eine Scheibe ein, öffnete das Fenster und stieg in das Schreibzimmer ein. Hier erbrach er mit einem Stemmeisen einen Schreibpult und entwendete daraus 227 Vom Schreibzimmer wollte er in ein anderes Zimmer gehen, geriet aber in das Schlafzimmer der Besitzerin. Diese erwachte an dem Geräusch und fragte den Angekl. erschreckt, was er hier wolle. Er antwortete, ich brauche Geld! Die Besitzerin klingelte dann dem Dienstpersonal, doch bis dieses erschien, war Keppler verschwunden. Von dem Tatort aus begab sich der Angekl. noch in der gleichen Nacht zu Fuß nach Pforzheim und fuhr von dort aus nach Hamburg und dann nach Genua. Als er von dort zurückkehrte, wurde er verhaftet. Wegen eines Verbrechens des Angekl. i. R. erkannte die Strafkammer auf 6 Jahre Zucht­haus, 10 Jahre Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht.

Ludwigsburg, 11. März. Ein Trom­petersergeant vom hiesigen Feldart.-Reg. 65, gebürtig von Hall, hat sich gestern in seinem Bett in der Kaserne erschossen. Derselbe war in letzter Zeit ohne Urlaub abwesend und hat die Tat sofort

Nachdruck »rrbot-n.

Wer wccr es?

Militärischer Original-Kriminalroman von Egbert v. Elster.

(Fortsetzung.)

Ja, das muß man sagen," warf der hsgere Sergeant ein,es ist merk­würdig, den Feldwebel bittet man umsonst, aber das Schätzchen braucht dem Hrn. Hauptmann nur ein Wort zu sagen, und man hat, was man will.

Hören Sie auf, hören Sie auf!" rief Lagorge,Sie wissen doch, daß er mich nicht leiden kann, Meinkc."

Eben deshalb ist es um so erstaunlicher," fuhr der Andere unerbittlich fort,aber das ist nun 'mal wahr, es ist eine Dummheit, sich schon beim Kom­mis zu verheiraten."

Nanu," warf Geyer ein,was wollen Sie denn jetzt klagen? Seien Sie doch froh, daß Sie jetzt Ihre Frau ein paar Wochen los sind und lassen Sie sie möglichst lange bei Muttern."

Ach was," sagte der Hagere, wenn auch etwas angeärgert,gegen meine Frau nicht, da- wissen Sie, und das meine ich ja auch nicht. Ich meine nur, man kann viel mehr erreichen, wenn man noch Junggeselle ist und das Bräutchen an einflußreicher Stelle hat."

Dabei schielte er zu dem Gelben hinüber und lachte giftig. Alle übrigen am Tische sahen ebenfalls, wenn auch verstohlen, zu Lagorge hinüber und freuten sich. Denn derFranzosenkopf" war bei ihnen keineswegs beliebt; sie betrachteten ihn als Eindringling, aber wegen seiner großen militärischen Tüchtigkeit konnten sie ihm nichts anhaben, obschon ihm auch der Hauptmann keineswegsgrün" war.

Ja, wir Verheirateten," spann der Hagere den angefangenen Faden mit Behagen weiter,Schumann, davon kann Ihr Vater auch ein Liedchen singen."

Weiß Gott," sagte Schumann, eifrig in das Fleisch auf dem Teller hinein­schneidend,man soll eigentlich nicht darüber reden, aber wir find ja hier unter uns. Das war doch eine Schande, daß mein Vater, der 20 Jahre lang Mutter der vierten Kompagnie gewesen war und fünf Haupleute überdauert hatte, vom sechsten schon nach einem Vierteljahr weggebissen wurde, und sich zur fünften ver» setzen lasten mußte."

Lagorge, der schon lange seinen Teller bei Seite geschoben, beide Ellbogen auf den Tisch gestützt und wütend an den Nägeln kauend, vor sich hingebrütet hatte, hob jetzt den Kopf und wandte das finstere Gesicht dem Sprecher zu.

Na, wissen Sie," sagte er nun auch seinerseits bissig,ganz so lag die Sache nun dach nicht, und ohne alle Schuld war Ihr Vater auch nicht."

Was?" fuhr der Jüngere auf,jetzt soll wohl mein Vater noch gar schuld gewesen sein. Zwei von seinen früheren Hauptleuten hatten gerade den zweiten Stern gekriegt, als sie die Kompagnie übernahmen und als sie sie abgaben, kamen sie zum Gcneralstab. Zwei andere aber waren alte Herren rnd wurden bald Majors, als sie die Kompagnie erhalten hatten. Na und der fünfte nun gar, unser alter Grabow, mit dem hat er es zwölf Jahre aus- gehalten."

Bis der alte Herr den wohlverdienten Posten als Bezirksoffizier erhielt !" schaltete Lagorge giftig ein.

Das ist ganz egal," rief Schumann hitzig,freilich, daß Sie das sagen, wundert mich nicht, Herr Sergeant, denn Sie konnten meinen Vater niemals leiden."

V.

Stehe ich denn vielleicht mit dem Haup tmann aus Tu und Du?" fragt