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Fernsprecher Nr. 4.
63 .
Neuenbürg, Montag den 33. April 1906.
64. Jahrgang.
Uu nSsch au.
Berlin, 21. April. In der gestrigen Sitzung hat der Bundesrat dem Gesetzentwurf über die Gewährung von Tagegeldern an die Mitglieder des Reichstages seine Zustimmung erteilt. — Die dem Reichstage zugegangene Diätenvorlage bestimmt u. a., daß die Mitglieder des Reichstages außer freier Fahrt auf den Eisenbahnen zwischen ihrem Wohnsitz und dem Sitz des Reichstages wäh- rend des Kalenderjahres eine Aufwandsentschädigung von 3000 ^ erhalten. Für jeden Tag der Abwesenheit von einer Sitzung werden 30 ^ abgezogen. Gleichzeitig wird bestimmt, daß die Beschlußfassungen des Reichstages über den Geschäftsgang künftig von der Anwesenheit einer bestimmten Anzahl Mitglieder nicht abhängig sind.
Berlin, 21. April. Der „Reichsanz.* veröffcnt- licht eine genaue Beschreibung der neuen Re ich 8- bankuoten zu 50 und zu 20 die in nächster Zeit ausgegeben werden.
Berlin, 21. April. Nach einer hiesigen Korrespondenz glaubt man in Berliner militärischen Kreisen annehmen zu können, daß der kommandierende General des 11. Armeekorps in Kassel, Exzellenz v. Linde, als Nachfolger des verstorbenen Generals der Infanterie, Stötzer, nach Metz gehen wird. Nach Kassel soll dafür der Kommandeur der 26. (2. K. württ.) Division, General Herzog Albrecht von Württemberg, bestimmt sein.
Der Aufschwung des Deutschtums in Vorderasien. Wenn irgendwo in der Welt, so war gewiß in Vorderafien das Deutschtum fortdauernd bis zur Zeit unseres großen nationalen Aufschwunges gänzlich in den Hintergrund getreten, ja es herrschte überhaupt bei de» Arabern dieser Gebiete nur eine ganz dunkle Vorstellung von dem Wesen und der Bedeutung unserer Nation. In diesen Dingen hat sich seitdem eine durchgreifende und bemerkenswerte Aenderung vollzogen. Die im Jahre 1894 erfolgte Gründung eines Kaiserlich deutschen Konsulats in Bagdad, die kurze Zeit darauf erfolgte Etablierung eines großen deutschen Import- und Exporthauses (Berk, Büttmann usw.) ebendaselbst, die Inangriffnahme unserer großartigen deutschen Ausgrabungen in Babylon im Frühling 1899, in Assur (Kalut Schirgat) im Sommer 1903 — dann aber alles, was mit dem für diese Länder so wichtigen Unternehmen der Bagdadbahn zusammen- hängt, speziell die Entsendung der Studienkommisston, der Herren Generalkonsul Stemmrich und Ingenieur Geh. Baurat Otto Kapp v. Gültstein, Geh. Baurat Mackensen, die Studienreise der Herren Kommerziell, rat Bosch und Dr. Wiedemann, schließlich die im Aufträge des Ministeriums der Zivilliste des Sultans von der deutschen Bank entsandte Expedition zur Erforschung der Erdöllager Mesopotamiens unter den Herren Dr. Qnandt und Cesare Porro —, dies find die hauptsächlichsten Etappen in der Entwickelung deutscher Arbeit, deutscher Regsamkeit und deutschen Prestiges in dem ältesten Kulturgebiete des Erdballes, dem Zweiströmelande Mesopotamien. Ganz besonders aber hat der seit Jahren in Bagdad tätige deutsche Konsul Richarz sich durch konsequente Ausnutzung aller der Entwickelung des Deutschtums förderlichen Momente verdient gemacht.
Lens, 21. April. Die Ausschreitungen haben wieder begonnen. In Lievin hoben die Ausständigen die Schiene» der Grubenbahn aus und errichteten Barrikaden. 3 Offiziere wurden verwundet; ein Kürassieroffizier wurde aus dem Sattel geworfen und erlitt dadurch einen Beinbruch. Aus Avion wird eine lebhafte Erregung gemeldet.
Hamburg, 21. April. Präsident Roosevelt hat an den Generaldirektor derHamburg-Amerika- Linie, Ballin, ein Telegramm gerichtet, in dem er für die zu dem Unglück von San Franzisko ausgesprochene Teilnahme seine» Dauk ausspricht, aber
I die angebotene Unterstützung (die Hamburg-Amerika- Linie hatte bekanntlich 100000 gespendet) dankend ablehnt. Das Telegramm hat in der Übersetzung folgenden Wortlaut: „Der Herr Präsident, der sich von Ihrer Mitteilung tief ergriffen fühlt und Ihnen für das gütige Anerbieten materiellen Beistandes herzlich dankt, hat mich beauftragt, Ihnen mitzn- teilen, daß die Hilfe des Auslandes nicht in Anspruch genommen zu werden braucht. Wenngleich der Herr Präsident somit auf den angebotenen Beistand verzichten darf, wünscht er doch besonders hervor- znheben, wie hoch er Ihre warme, hochherzige Teilnahme Ihnen anrechnet. — Robert Bacon, Unter- staatssekretär.* — Ein Telegramm gleichen Inhalts ging auch dem „Norddeutschen Lloyd* zu. — — Stolz wie ein Spanier!
In San Franzisko ist es nunmehr gelungen, das Umsichgreifen der Feuersbrunst einigermaßen einzudämmen. Nach Angabe der Stadtverwaltung beträgt die Zahl der Obdachlosen im Parke annähernd 200000 Personen. Unter den Trümmern der eingeftürzten Bankgebäude liegen Millionen Dollars in barem Gelde. Die dort aufgestellten Wachen schießen sofort jede sich nähernde unbekannte Person nieder. — Mit ihrer gewohnten Energie schreiten die Amerikaner ohne Zandern an den Wiederaufbau des Zerstörten. ' Die „Magdeb. Z* meldet aus Washington: Eine Konferenz im Weißen Haus unter dem Vorsitz Roosevelts beschloß die sofortige Einleitung einer Staatsaktion zum Wiederaufbau von San Franzisko. Des weiteren besagt eine in Washington veröffentlichte offiziöse Mitteilung, daß Hilfe vom Ausland nicht nötig sei, da die Vereinigten Staaten vollauf im stände seien, die erforderliche Hilfe zu leisten.
Washington, 21. April. Präsident Roosevelt sandte an den Kongreß eine Botschaft, in der er die Bewilligung von noch l^s Millionen Dollars zur Unterstützung der von der Katastrophe in Sau Franzisko betroffenen Bevölkerung empfiehlt. Die Botschaft ist begleitet von einer Mitteilung des Se- kretärs für Handel und Industrie, aus der hervor- geht, daß die Katastrophe schrecklicher ist, als irgend eine in der Geschichte der Union.
New-Aork, 21. April. Den letzten Nachrichten ans San Franzisko zufolge ist das Gebäude des Fährbetriebes über die Bucht vor den Flammen, die sich längs der Hafenmauer ausbreiten, jetzt gesichert, und man hofft, daß es den Bemühungen der Feuerlöschschiffe gelingen wird, das Feuer an den Piers bei der Lombard-Street zu löschen. Sonst ist man des Feuers überall völlig Herr geworden. Das Fort Macon ist infolge der außerordentlichen Anstrengungen des Militärs, das von Matrosen des Kriegsschiffes „Chicago" unterstützt wurde, gerettet.
New-Jork, 20. April. Die Flüchtlinge aus San Franzisko geben erschütternde Beschreibungen von den Leiden der Bewohner und den Verwüstungen der Stadt. Die niedergerissenen Drähte der elektrischen Leitungen gefährden das Leben der Be- wohner. Hunderte von Leichen liegen noch immer auf den Straßen. Es entwickelt sich Seuchengefahr, die sich zur Wasser- und Hungersnot gesellt. Der Wassermangel sei so groß, daß die Menge vom Durst gepeinigt, schmutzige Wasserlachen ausgetrunken habe. Die unbeschreibliche Hitze verschärfe die Leiden der in der Stadt Zurückgebliebenen. Zahlreiche Verwundete kamen in den Straßen um und wurden zu Tode geröstet. Diejenigen, die sich retten konnten, haben unbeschreiblich körperliche und seelische Schmer- zen erduldet.
San Franzisko, 21. April. Eine Baude von Dieben versuchte die Soldaten, welche die unter den Trümmern des Unterschatzamts begrabenen 30 Mill. Dollars bewachen, zu überwältigen. 35 Diebe wurde» hiebei von den Soldaten erschossen.
Berlin, 21. April. Nach einer New-Aorker ^ Depesche des „Verl. Tagebl.' sind die Feldlager
in San Franzisko Wohl organisiert. Es gibt keine gesellschaftlichen Unterschiede, Brot und Eier kosten je einen Dollar. Ein Mann wurde erschossen, weil er seine Hände im Brunnen wusch. Die City« behörde beschlagnahmte die Ladungen der Schiffe im Hafen zur Ergänzung der Vorräte. Die Gcldsamm- lüng hat bis jetzt 6 Millionen Dollars ergeben.
Berlin, 21. April. Aus New-Dork meldet das „Berl. Tagebl.*: Der Kapitalist Crocker von San Franzisko, der gegenwärtig hier weilt, erklärte, Sau Franzisko werde binnen fünf Jahren größer und schöner sein als je. Die hervorragendsten Bürger der Stadt hätten schon erklärt, sofort wieder bauen zu wollen.
Florenz, 21. April. Heute vormittag zwischen 7 und 11 Uhr wurden in der ganzen Provinz Sitzna Erdstöße verspürt, besonders in Poggibonai, Castel Florentino und Solle di Val d Elsa, wodurch mehrere Häuser Risse erhielten. Menschen wurden nicht getötet.
Cleveland (Ohio), 21. April. Gestern nachmittag wurde in vielen Teilen der Stadt ein leichtes Erdbeben verspürt.
Wie der „Herald" mitteilt, zählt das „Größte New-Jork", nämlich das Areal im Umkreise von 19 englischen Meilen (— ca. 20 Kilometer) vom Rathause, jetzt 8200000 Einwohner. In dieser Region vermehrt sich die Bevölkerung um 18 Personen stündlich. ES zeigt sich auch in New-Dork eine starke Tendenz zur Ansiedelung in außerhalb liegenden Orten; namentlich werden die Vororte von New-Jerscy und Long Island immer mehr bevölkert.
Wegen Beleidigung des Schöffengerichts und deS Oberamtsrichters Schmitt in Weinheim wurde der Redakteur Mair von der Weinheimer sozialdemokratischen „Volksstimme* zu 400 ^ Geldstrafe verurteilt. Die „Volksftimme* hatte dem Ge- richt und dem Oberamtsrichter den Vorwurf der Klassenjustiz gemacht.
Mainz, 19. April. Von den 30000 kriegs- gefangenen französischen Soldaten, die während des Feldzuges 1870/71 in Mainz interniekt waren, find 989 gestorben und auf dem hiesigen Friedhof be- erdigt worden. Nach einem Uebereinkommen mit der französischen Regierung werden nunmehr, wie die „Franks. Ztg * schreibt, sämtliche Gebeine dieser Sol- baten ausgegraben, gesammelt und in zwei Massen- gräbern beigesetzt werden.
Mainz. Bankdirektor Gutmann aus Nürnberg war zu Ostern mit seiner 32 Jahre alten Frau und seinen beiden 7 und 8 Jahre alten Töchtercheu bei seiner Schwägerin, der Weinhändlerswitwe Stöcker, in Mainz zu Besuch eingetroffen. Am Dienstag abend aß man Fischkonserven, nach deren Genuß die gesamte Familie ebenso Fran Stöcker und deren 12 jährige Tochter an Vergiftungserscheinungen er- krankten. Sofort erschienen 5 Aerzte, darunter ein Schwager der Frau Stöcker. Zuerst starb die sieben- jährige Tochter Gutmanus, dann nachts die Frau und morgens der Direktor, alle drei, ohne vorher wieder zum Bewußtsein gekommen zu sein. Auch Frau Stöcker und die Tochter schweben in Lebens- gefahr, seit Mittag auch die überlebende kleine Gut- mann. Außerdem ist das Dienstmädchen schwer er- krankt, keine der Erkrankten dürfte leider mit dem Leben davon kommen. Es ist jetzt festgestellt, daß die Konserven einige Tage offen gestanden haben.
Aus Rheinhessen, 18. April. Von einer ähnlichen Krankheit wie die Hasen find jetzt auch die Rehe befallen. Von allen Seiten kommen Klagen über die zahlreichen Opfer, die die tödliche Krankheit, über deren Ursache und Wesen mau noch völlig im unklaren ist, fordert.
Die Flotte des Norddeutschen Lloyd hat sich im Laufe des vergangenen Jahres wieder bedeutend vergrößert. Während sie am 1. Januar 1905 585182 brutto Register-Tons und 424 335 Pferdekräfte besaß, besitzt sie jetzt 678557 brutto Register-Tons und 518435 Pferdekräfte.