RunSschau.
Lindau, 18. März. Graf Zeppelin hat bekanntlich auch ein Motorboot für das Wasser bauen lassen, das durch eine in ansehnlicher Dimension auf dem Hinteren Teil des Bootes angebrachte Luftschraube bewegt wird. Anläßlich der Flugversuche des ersten Luftschiffes hat das Luftschraubenmotor, boot damals Proben von der Wirkung der Luft» schraube vorgeführt, als es während der stundenlangen Vorbereitungen für den Aufstieg den Verkehr zwischen dem schwimmenden Ballonhause und dem Festlande vermittelte. Gestern nachmittag verkehrte das eigenartige Fahrzeug auf dem Obersee und legte auch in Lindau und Bregenz an. Die Schrauben- flügelbewegnng verursachte so großes Getöse, daß mau dasselbe ziemlich weit landeinwärts vernehmen konnte und überall begreifliche Neugier über die Ursache des auffallenden Tones rege wurde.
Berlin, 19. März. Von verschiedenen Forschern wird gegenwärtig die Möglichkeit, den Südpol mit Hilfe von Automobilen zu erreichen, ernsthaft erwogen. Demgegenüber ist die Ansicht Professor Erich von Drygalskis, des Leiters der deutschen Südpolar-Expedition ans der .Gauß", die er einem Korrespondenten des Pariser „Herold" milteilte, von besonderem Interesse. Er erklärte, im besonderen den Plan von Dr. Frederick Cook, Automobile auf Rädern und Schlittenkufen zur Erreichung des Süd- Pols zu verwenden, nicht günstig beurteilen zu können, wenn er auch durchaus die Begeisterung der Forscher für ihre Idee und ihre Unternehmungslust nicht dämpfen wolle. Die Eisverhältnisse in der arktischen und antarktischen Zone schließen indessen seiner lieber- zeugung nach die erfolgreiche Verwendung von Auto- mobilen ans. „In jedem Falle", sagte Drygalski, „werde ich ein gutes starkes Schiff und Schlitten benutzen, und wenn die deutsche Regierung mir die Mittel zur Verfügung stellt, würde ich in einem Jahre eine neue Entdeckungsreise unternehmen.
Berlin, 23. März. Die Berliner Morgevpost meldet auS Stettin über einen aufregenden Kampf zwischen einem Verbrecher und Kriminalschutzleuten: Bei einem Arbeiter namens Walter, der eines schweren Einbruchs verdächtig ist, sollte eine Haussuchung vorgenommen werden. Als die Kriminalbeamten bei Walter die Haussuchung vornehmen wollten, hieben dieser und seine Ehefrau mit einem Beil auf die Kriminalbeamten ein. Nach längerem Kampfe wurden sie entwaffnet. Walter ergriff jetzt einen Genickfänger und verletzte den Kriminalschutzmann Hotze schwer. Ein anderer Kriminalschutzmann wurde durch Messerstiche in den Kopf und die Brust verletzt. Die Beamten konnten von ihren Revolvern keinen Gebrauch machen, weil die Kinder Walters sich zwischen die Beamten und den Angreifer drängten. Walter gelang es zu entfliehen. Er wurde aber nach wilder Jagd in einem Hausflur in der Rosen- straße festgeuommen.
In Essen überfiel ein Italiener die 14jährige Tochter eines Schlächtermeisters und versuchte, ihr einen Korb mit Wurstwaren zu entreißen. Auf das Hilfegeschrei deS Mädchens kamen Passanten herbei. Der Italiener zog einen Revolver und feuerte mehrere Schüsse ab, wodurch das Mädchen schwer verletzt wurde. Der Täter entkam.
Vom Schwarzwald, 21. Mürz. Der 19. und 20. März brachte uns etwa 40 cm Neuschnee, so daß über alle Höhenpässe wieder der Bahnschlitten gefahren werden mußte. Der starke Sturm trieb den Schnee in sogen. Schneewehen 3 bis 4 Meter hoch zusammen. Durchweg liegt der Schnee an windfreien Stellen 1,80—2 Meter hoch.
Entlarvt.
Kriminal.Erzählung von Gust. Lössel.
7) - (Nachdruck verboten.!
— Schluß. —
Olga schwieg, und aller Augen wandelten er- wartnngsvoll von ihr zu dem Präsidenten. Dieser saß da mit gerunzelter Stirn und blickte starr auf das Aktenstück vor ihm.
„Hm," machte er nach einer Weile gedankenvoll. „Und weiter haben Sie nichts zu bekennen?"
„Nein, so wahr mir Gott helfe!"
„Die Briefe, die Sie von Ihrem Bräutigam unter Deckadresse erhielten, find bei der vorgenommenen Haussuchung nicht gefunden worden," bemerkte der Präsident, „sie könnten zur Beglaubigung Ihrer jetzigen Aussage viel beitragen. Wollen Sie sie dem Gericht nicht ausliefern?"
„Das kann ich leider nicht. Ich habe sie gleich, nachdem ich sie gelesen, ich Hause meiner Freundin verbrannt."
„Und diese Freundin hatte Kenntnis von dem Inhalt?"
„Ja, wie von Anfang an von unserem ganzen Liebesverhältnis."
„Wer ist sie?"
„Das werde ich niemals verraten."
„Ich meine, eine so wichtige Entlastungszeugin —"
„Nein, Herr Präsident, die neune ich unter keinen Umständen."
„Vielleicht nennt sie sich später noch selbst," sagte der Präsident mit einem Blick ins Publikum, „wenn sie erfährt, welche Bedeutung ihre Aussage unter Umständen für Sie noch gewinnen könnte."
Ein totes Schweigen folgte. Keine Bewegung verriet, ob die Unbekannte auf der Tribüne anwesend war.
Eine allgemeine Abspannung griff Platz.
Nach all diesen aufregenden Vorgängen nicht einen einzigen Schritt vorwärts gekommen — das war ärgerlich! Der Prozeß stand wieder genau da. wie er begonnen hatte. Widersprüche, Unklarheiten überall. Einen Moment lang richtete der Präsident seine Augen auf den Zeugen Rüdiger, als wenn er den zunächst zu vernehmen gedenke, dann sagte er: „Ich werde jetzt eine einstündige Pause eintreten lassen und dann mit der Vernehmung der Zeugen Polizeisekretär Fischer und Erstgesellen Hermann Rüdiger beginnen, beide Zeugen wollen pünktlich zur Stelle sein.
Alle drängten nach den Saaltüren, um sich eine kurze Erholung zu gönnen und eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Auch die Angeklagte wurde hinaus- geführt. Im Zuschauerraum, wo die meisten sitzen blieben, um ihren Platz zu behaupte», begann ein lebhaftes Schwatzen. Die bittersten Bemerkungen galten dem Erstgesellen, welcher einer der letzten war und nur langsam vorwärts kam.
„Na, dem wird's ja heute noch gut ergehen," meinte einer halblaut; „möchte nicht in seiner Haut stecken," ein anderer. „Und er hat's doch getan!" rief entrüstet ei» dritter. „Wird Wohl vom Platz weg verhaftet werden," flüsterte eine Simme so dicht an Rüdigers Ohr, daß er zusammenschauerte. Der das sagte, war ihm gänzlich fremd, aber sein Auge ruhte auf ihm und ließ keinen Zweifel darüber, wem die Bemerkung galt.
Rüdiger fühlte es sehr Wohl, die Stimmung war gegen ihn, und der Präsident hatte ihm schon eine Probe von dem gegeben, was ihm bevorstand.
Aller Augen ruhte» auf Rüdiger, als wenn er ein Schandmal au der Stirn trüge; besonders der Polizeisekretär Fischer beobachtete ihn aufs Schärfste.
„Könnten schnell mal nach Hause fahren und sehen, wie es da steht, Hermann," sagte Baumann laut genug, um von den Umstehenden vernommen zu werden.
Er glaubte natürlich kein Wort von dem sogenannten „Geständnis" seiner Nichte, andererseits verkannte er nicht die schwierige Lage Rüdigers, dem er Gelegen- heit geben wollte, sich zu sammeln und der ihn ver- wirrenden Beobachtung zu entziehen. Eine Aus- einandersetzung mit ihm wäre dem Meister auch nicht willkommen gewesen, da er sich bei dem eigenen Verhör gegen seinen Erstgesellen nicht gerade rühmlich benommen hatte.
Rüdiger atmete auf. Er sprang auf den in der Nähe haltenden Geschäftswagen, mit dem sie herge. kommen waren und fuhr in raschester Gangart davon.
Kaum war er den Blicken der Nachschauenden entschwunden, so richtete sich das ganze Interesse auf den neuen Polizeisekretär Fischer, den eben der Bürgermeister und Polizeichef in eine Private Unter- redung gezogen hatte. Sein Verhör versprach be- sonders sensationell zu werden. Alle, auch die geheimsten Fäden dieses dunklen Verbrechens lagen offenbar in seiner Hand. Er hatte die Recherchen geleitet und sie zu einem so verblüffenden AuSgang geführt. Nun würde man erfahren, wie er, der Neue, eine so überraschende Orts- und Sachkenntnis so schnell sich angeeignet und alle Welt über sein Vorgehen getäuscht hatte. —
Den ungeduldig harrenden Zuschauern in diesem Lebensdrama stand eine neue Ueberraschung bevor, von der sich kein Mensch hätte etwas träumen lassen.
Die Stunde war um. Pünktlich eröffnet« der Präsident die Sitzung. Bei dem Namensaufruf ergab es sich, daß gerade die beiden Hauptzeugen fehlten, sie, denen der Präsident schon vorher angekündigt hatte, daß er mit ihrer Vernehmung beginnen würde. Auf Befragen nach seinem Gesellen mußte Baumann sich zu dem Geständnis bequemen, daß er selbst Rüdiger nach Haus geschickt hatte. Es sei dort vielleicht etwas vorgefallen, was jenen noch abhielt, er hätte sonst in der Zeit Wohl zurück sein können. Bauwann erhielt hierfür einen Verweis. Wann und wohin der Polizeisekretär Fischer sich entfernt hatte, wußte niemand zu sagen. Jedermann
vermutete ihn irgendwo im Innern des Gerichtsge- bäudeS. Sein Name schallte bald durch alle Korridore.
Auf einmal betrat der Polizeichef Allmers in großer Erregung den Sitzungssaal.
„Rufen Sie nicht weiter," sagte er im Tone tiefster seelischer Erschütterung; „der Polizeisekretär kann nicht mehr antworten, er ist — tot!"
„Tot?" schrieen alle wie auS einem Munde.
Man wollte es nicht glauben, daß der junge Man», den man noch vor weniger als einer Stunde frisch und gesund hier gesehen hatte, so schnell hin- weggerafft worden sei.
„Tot?" fragte ganz bestürzt der Präsident. „Ein Schlaganfall?"
„Nein, er ist — ermordet worden."
„Ermordet?!"
Die Anwesenden waren wie gelähmt von dieser Schreckensnachricht.
In das dumpfe Schweigen hinein tönte die bewegte Stimme des Bürgermeisters: „Er hegte einen bestimmten Verdacht gegen den Zeugen Hermann Rüdiger, gegen den ich vorhin, nach dem mir von Fischer erstatteten Bericht, einen Äerhaftsbefehl erlassen hatte. Mit dem Polizeibeamten Winkler begab sich Fischer eiligst nach dem Baumannschen Geschäft, leider zu spät. Rüdiger hatte, kaum angekommen, in wahnsinniger Hast verschiedene Sachen zusammengerafft, auch aus Baumanus Geldschrank, zu dem er einen eigenen Schlüssel besaß, etwas genommen, von dem er sagte, daß es Papiere seien, die der Meister für den Prozeß dringend benötigte."
„Ich?" stammelte Baumann schreckensbleich. Er wankte und mußte sich setzen.
„Fischer wußte genug," fuhr der Bürgermeister in seinem Berichte fort. „Er nahm einen Mtetswagen und jagte nach dem Bahnhof. Der Zug stand schon zur Abfahrt bereit. Im Stadtpark holten sie den Flüchtling ein. Er hatte dort im dichten Buschwerk eine Verwandlung seines äußeren Menschen vorge- nommen, die ihn unkenntlich machte. Fischer erkannte ihn trotzdem. Er, der jüngere und behendere Beamte, sprang aus dem noch fahrenden Wagen, lief hinter Rüdiger her, ihn bei seinem Namen rufend und seine Verhaftung ihm ankündigend. Der hatte Wohl den Wagen und den Fischer folgenden uniformierten Beamten nicht gleich gesehen. Von Fischer ereilt und - gepackt, wandte er sich rasch um und stieß jenem das Taschenmesser ins Herz. Nach verzweifelter Gegen- wehr und selbst schwer verwundet, wurde er über- wältigt und fortgebracht. Er hat bereits gestanden, den Diebstahl bei seinem Meister selbst ausgeführt und Fischer darauf hingelenkt zu haben, wo das ge- stohlene Geld zu suchen sein könnte. Die 5000 Mark hatte er auf dem Grabe der Meisterin versteckt, um Fräulein Olga Mertens in Verdacht zu bringen, wie er sagt: aus Rache wegen verschmähter Liebe. Er machte dieses Geständnis unter dein Eindruck, daß er selber werde sterben müssen. Die fehlenden 6000 Mark uud noch eine andere große Summe wurden in seine Kleider eingenäht gefunden."
Der alte Herr schwieg erschöpft.
„Und sein Zustand?" fragte der Präsident.
„Hoffnungslos meinte der Arzt."
Dem traurigen folgte ein frohes Ereignis auf dem Fuße, die sofortige Entlassung der zu Unrecht Ange- klagten aus der Haft, was mit Jubel begrüßt wurde.
Baumann war ganz in sich zusammengesunken; er stützte den Kopf schwer in die Hand, ein dumpfes Stöhnen entrang sich seiner Brust.
Da legten sich ein paar weiche Arme liebkosend um seinen Nacken und eine sanfte Stimme flüsterte an seinem Ohr: „Onkel — vergib!"
Starr richtete er sich in die Höhe. Dann stürzten die Tränen aus seinen Augen.
Er breitete die Arme aus. „ Olga—mein Kind?" —
Der Engel der Liebe hatte auch zu dieser Stätte strenger Gerechtigkeit und starrer Vergeltung seinen Weg gefunden und, wie überall, so predigte er auch hier nun Friede, Freude und Erlösung.
-t-
Reinhardr's erster, wenig trostreicher Brief aus Amerika wurde mit seiner schleunigen Rückberufung beantwortet, und den hatte Meister Baumann in den herrlichsten Ausdrücken selbst geschrieben. So hatte der traurige Gräberfund doch noch Segen gestiftet und das scheinbar verlorene Lebensglück dreier würdiger Menscheii neu gegründet.
Logogriph.
In Preußen wohut's uud Oesterreich; Entfernt ihr einen Laut,
So trägt's verschämt und stolz zugleich Am Hochzeitstag die Braut.
Auflösung des Wechsrlrätsels in Nr. 45. Orlow, Bülow.
Sedaktio«, vnuk »n- Verlag von L. m»»h t« Nroenbürg.