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Die Gothaer FeuervrrsicheruugSbauk auf Gegenseitigkeit, die im Jahre 1821 errichtet wurde, hat mit dem Jahre 1906 Füofuudachtzig Jahre ihrer gemeinnützigen Tätigkeit vollendet. Im Jahre 1905 waren ftir 61S3013100 (gegen daS Borjahr mehr 109873000 Versicherungen in Kraft. Die Prämieneiunahme betrug im Jahre 1906: ^ 20282511.20 .j (gegen das Vorjahr mehr 686839.70 ^j). Bon der Prämieneinoahme wird in jedem Jahre derjenige Betrag, der »icht zur Bezahlung der Schäden und Verwaltung?- kosten, sowie für die Prämienreserve erforderlich ist, den Versicherten znrüagewährt. Nach dem jetzt veröffentlichten Rechnungsabschlüsse für das Jahr 1905 beträgt dieser an die Versicherten zurückflirßrnde Ueberschuß 15238368.40 ^ oder 75°/« der eingrzahlteu Prämie. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre von 1896 bis 1905 find jährlich 74°/« der eingezahltru Prämie an Ueberschuß den Versicherten zmückerstattet worden.
Vom Bodeusee, 5. Febr. Etwa '/s Stund« vom GebhardSberg liegt daS den Pfänderbesuchern bekannte idyllische Bergdörfchen .Fluh' mit seinem schmucke» Kirchlein, genannt St. Wendelin. Seit längerer Zeit schon, so berichtet der „Schw. Merk.', hat unter einem Teil der Bewohner eine erregte Stimmung gegen den Ortspfarrer Platz gegriffen. Aach in dieser stillen Bergeinsamkeit haben sich manche den Fehler zuschulden kommen lassen, ihr politisches Denken nicht ausschließlich nach dem Winde zu richten, welcher auS dem Pfarrhaus weht, sich auch in bezug auf das Lesen politischer Zeitungen kein Rezept vom Pfarrer vorschreibeu zu lassen. Wie überall kamen auch auf der Fluh solche Dinge auf der Kanzel zur Sprache, wovon die übrige Welt in deu gegrnparteilicheu Blättern Vorarlbergs sattsam zu lesen bekam. Auf der einen Seite blieb ma» der freimütig vertretenen liberalen Anschauung treu und die sich dazu Bekennenden mehrten sich zusehends, auf der anderen Seite wurde wacker von der Kanzel herab gegen die sogenannten Feinde der Religion gewettert. Endlich wurde diesen die Sache zu bunt und sie beschlossen am nächsten Sonntag in der Kirche Obstruktion zu treiben, um dem Pfarrer das Predigen unmöglich zu machen. Di« Art und Weise, wie sie dies vvllführten, dürfte bisher noch nirgends praktisch durchgeführt wordm sein. Die Demonstranten begannen nämlich, sobald der Geistliche mit seiner Rede anfing, so laut ihren Rosenkranz zu beten, daß man von der Predigt nichts verneinen konnte. Wenn eine Stille eiuge- treten war und der Geistliche doch noch beginnen zu kSnuru glaubte, ging daS Beten wieder loS, bis schließlich der Pfarrer die Kauze! unverrichteter Dmge verlasse» mußte. Er hat nun bei Gericht Klage gestellt und mau ist allgemein auf deu AuS- aang gespannt. Die Hälfte der Gemeindrglieder soll sich im Buklagezustand befinden.
Konstanz, 5. Febr. Bor kurzem ereignete sich hier ein sonderbarer Krankheitsfall. DaS 11jährige Töchtercheu eines Restaurateurs war an Influenza leicht erkrankt/ ES harte Schwindelgefühl, etwas Fieber und viel Durst. Auf seine Bitte, ihm etwas za trinken zu geben, reichte ihm die Kellnerin ein GlaS Wein, etwa 0,25 Liter enthaltend. DaS Kind trank deu Wein auf einen Zug und sagte gleich darauf: .So, nun kann ich schlafen'. Es schlief auch gleich darauf ein und ist erst nach vier Tagen wieder erwacht. Während der ganzen Zeit war eS an allen Gliedern gelähmt, nur Atmung und Puls verrieten Leben. ES war gegen Berührung deS Augapfels vollständig unempfindlich, kurz, die Nerven waren wie anSgrschaltet. Nach dem Erwachen hat eS sich bald wieder erholt.
Zwei Dienstmädchen des Gutsbesitzers Schlein- strder in Gaschwitz bei Dresden sprangen wegen unglücklicher Liebe in den Muldefluß und ertranken.
In einem ZirkuS in London hat sich ein schwere- Unglück ereignet. Eine französische Artistin, eine bildschöne junge Dame, fiel bei der Fahrt durch den TodeSring auS der Höhe herab und wurde mit hmetterteu Gliedern tot vom Platze getragen, rter den Zuschauern entstand eine Panik.
Rätsel.
Verehrt ward einst im Orient Ein Gott, deS Namen jeder kennt. Ihm wurden Opfer dargebracht. Man sagte, groß sei seine Macht, ES, umgekehrt, statt a hinein, So zeigt eS eine Stadt am Rhein.
Klebe «ud Gold!
Kriminalerzühlung von Gustav Loessei.
7) —— (Nachdruck verboten.)
.Hast Da schon je eine so taktlose Person gesehen?' sagte sie in dem hvchfahrenden Ton einer beleidigten Dame. .Nicht einen Augenblick bleibst Du mir länger hier. Du überfiedelst mit nach dem Hotel. ES war überhaupt unrecht, Dir zuzumuten, iu dieser niedrigen Umgebung noch länger zu bleiben. Pah, die Luft hier bringt einen ja um!'
DaS war laut genug gesprochen, um draußen vernommen zu werden und natürlich antwortete Frau Böttcher vom Korridor in der ihr eigenen starken Sprache, die für die neugeschaffene .Dame' wenig Schmeichelhaftes hatte. DaS wollte Helene eben. Marie durfte nach dieser Begegnung hier nicht länger bleiben. Im Hotel konnten fie getrennte Zimmer beziehen; ein zweites solches Zusammentreffen mußte um jeden Preis vermieden werden.
.Helene,' sagte Marie, sobald sie zu Worte kommen konote, .Du verbirgst mir etwas. Du ließest mich bisher immer glauben, daß Deine Eltern beide tot seien und dieser Herr sprach von Deinem Vater; er kennt Dich uicht, wozu sonst das Bild, uud er ist es, zu dem Du gehst, er lebt iu Australien. Und wie kam dieser Mann dazu, meiuru Namen zu neunen? Woher kennt er mich, der mir vollständig fremd ist?"
.Liebes Närrchen,' lachte Helene und legte den Arm um ihren Nacken, „wozu Dich so aufregeu über Dinge, die schließlich doch nur mich aagehen uud vorläufig noch Geheimnis bleiben müssen. Allerdings verberge ich Dir etwas, aber nur auf Anordnung, der ich mich vorläufig fügen muß Wie Du immer meine intimste Busenfreund«« gewesen, so wird auch später rin« Zeit kommen, wo ich Dir alles werde anvertraueu können. Jetzt darf ich es nicht. Dieser Herr kennt Dich aus meinen Gesprächen über Dich, denn wo könnte ich sein, ohne von Dir zn sprechen?'
Mit solchen und anderes Schmeicheleien verstand eS Helene, Mariens Zweifel zu beschwichtigen und ihren unbequemen Fragen auszuweichrn. Eiue lln- Wahrheit zog die andere nach sich, und schon saß fie in einem Lügeunetz eingefponuen, dessen Maschen sich immer enger um fie zusammeazogen. Der Bodeu wurde ihr doch nun selbst heiß unter den Füßen und sie wünschte nichts sehnlicher, als daS Abfahrtssignal zu hören, daS letzte auf dem Boden der Heimat.
6. Kapitel.
Aus der Biehstation.
ES war im Dezember, der in Australien heißestes Jahreszeit.
Unter dem glühenden Sonnenbrand begann das Gras allgemach zu verdorren. Trostlos ist der An- blick deS Busches, wie man dort deu Urwald nennt, in diesen Sommermonates. Die weit von einander stehenden Gummibäume oder Eukalypten sprödes trotz ihrer Rieseugröße kaum irgend welchen Schatten, denn die uur spärlich wachsenden blaugrünen Blätter stehen senkrecht zu Bodeu. WaS, von weitem gesehen, als eiue Oase in der Wüste erscheint, ist iu der Nähr betrachtet nur rin .Scrub" oder Grbüschwald, der sich über dem tennevharten Boden ohne Stammansatz verästelt.
So war eS auch hier in deu Ebenen östlich vom indergebirge. Die ganze Natur schrie nach Wasser, ie soust die uach Tausenden zählenden Rinder iu ihrer Bantscheckigkrtt den Plan anmutig belebt hatten, fanden jetzt die beständig auf der Wanderung begriffenen großes Schafherden um noch eiue spärliche Aesung.
Auf magerem Klepper trabte eia Buschmann mm ebenso verwittertem, als verwegenen Aussehen urtter deu schattenlosen Bäumen dahin. Iu sein wie aus Bronze gegossenes Antlitz hatte» die Zeit, die Leidenschaften oder ein verschwiegener Kummer tiefe Furche» gegraben. Haar uud Bart hatte lange keine Scheere mehr berührt. Die buschigen Brauen verdeckten fast die jetzt zusammeugekuiffeveu Augen. Ab und zu schweifte sein Blick m dir Ferne, als wenn es dort etwas zu beobachten gäbe, und dann ward der Mensch ein ganz auderrr; sriue Gestalt regte sich, seine Nasenflügel bebten, seine Augen blitzten. Seine nervige Faust zuckte nach einer Waffe oder nach der am Dattelknopf hängenden, sechs Meter langen Hetzpeitsche. Das waren uur Anwandlungen. Es war der gewöhnliche BuschmaunStyp, nachlässig iu Haltung und iu der nächsten Sekunde ein Riese, der alles vor sich her uiedermäht und niedrrreitet, WaS ihm in den Wegkommt.
Man hätte es dem Manne »icht angesehen, daß er der Herr all dieser fürstlichen Liegenschaften und Besitzer der uach Huuderttausendeu zählende» Heerdeu war; der Mann, den sie wett druuteu iu deu be
siedelte» Grevzdistriktell de» Eattle-Kmg, dkv Vieh. König, von Südaustralien nannten. Sem bürgerlicher Name war Henry Lankwitz.
BiS zu den fer« verdämmernden, von Höhenrauch umzogenen Fliodersbergen reichten seine Weideugrüude. Sie waren von keinem Punkte aus ganz zu über- schauen, kein Horizont war so weit, der ihnen eine Grenze gezogen hatte.
Nach mehrstündigem unverdrossenen Ritte im glühenden Sonurnbrand Näherte er sich einer Außen- station.
Ein Elltentümpel, eiue Lehmhütte, ein freistehender Backofen und im weiten Umkreis mehrere, hoch und dicht umzäunte Biehhöfe waren hier die einzigen Kulturzeugen.
Unter der erhöhten Veranda der Lehmhütte hockt« aus den Stufen ein alter, weißhaariger Mann und rauchte mechanisch auS dem schwarze», laudesüblicheu Toustummel. Er machte keine Bewegung und faßte nicht einmal an seine abgeschabte Hutkrempe, als der Squatter (Herdenbcsitzer) herankam.
„Nun, Tom, fie kommt!" ries letzterer schon von weitem, ei« Matt in Depeschenform wie eine Trophäe schwenkend.
„Wer ist sie?' fragte der andere lakonisch, rühm weiter rauchend.
.Wer sonst als meine Tochter."
„So -- die kommt. Und — die Mutter?"
„Ist — tot!"
„Tot!"
Wie ein Blitz fiel das Wort in die Seel« des Mannes und riß ihn empor auS seiner jahrelangen, tiefen Versunkenheit. So möge» Teufel jauchzen über «ne Seele, weiche zur Hölle wandert. Er sprang auf, als hätte er eben den törlichen Biß eiuer Natter empfangen; Schmerz, Wut, befriedigte Rsch- gier tönten zugleich aus diesem einsilbigen Aufschrei. In seinen allen Augen lohte das Feuer der Jugend. Er machte eine Bewegung gegen den Reiter, als wenn er ihn vom Pferde reißen und mit seinen zeier- artig gekrümmten Fingern erwürgen wollte.
Und jener sah das uicht. Er hatte de» Blick «senkt Ein konvulsivisches Zitters lief durch seine mke Gestalt. Seine Gedanken weilten weit ab von diesen soundeglänzteu Gefilden bei einem einsame» Grabe, um welches die Eichen ranscheu, an dem der Herbstwind die dürren Blätter zusammeagefegt, über welches gespenstisch im Abenddunkel die bleichen Nebel wallen.
„Ja, sie ist tot,' wiederholte er dumpf.
„Und unversöhnt grstorbeul' klang es hart und herbe von deS anderen welken Lippe».
„Unversöhnt. Keine Hand reicht dort hinab, wo die Toten schlummern, keine Hand mehr dort heraus. Sie ist im Frieden uud mir bleibt — der Kampf.'
„Bon Dir selbst wieder heraufbeschworeu uach sechzehn Jahren der Ruhe,' schalt Tom. „Narr, der Du bist! Und darüber noch Freude empfinden! Sie kommt! Möge die See fie verschlingen! Oder meinst Du, fie käme den weiten Weg hierher ans Liebe zu Dir? Haha! Dein Geld will fie, Deine Herden, Dein Land. Dein Leben, Dein Blut! Denkst Du, fie hätte vergessen, daß fie ihr Leben lang in Armut und Elend hat dahingehen müssen? Den besten Teil desselben hast Du ihr geraubt. Du hast fie um ihre Jugend betrogen. Und dann ihre Mutter — eine würdige Lehrmeisterin in der Kunst der Ber- strllnng! WaS mag sie ihr wohl von dem Vater gesagt haben, wie mag sie ihr die junge Seele vergiftet habe« mit ihren Klage» und Anklage»! WaS man in der Jugend iu sich aufuimmt, daS ist uicht mehr auszurotten, daS haftet für's ganze Leben. Sie hat, sozusagen, mit der Muttermilch deu Haß gegen Dich eiogesogen. Deinen Namen hat fie, wie etwas Entehrendes, abgelegt, jetzt aber wieder gierig darnach gegriffen, vielleicht wie der Ertrinkende nach einem Strohhalm, vielleicht wie uach einer Waffe. Reichtum ist Macht. Du hast eL erfahren. Und wehe Dir, wenn sie diese Macht nun gegen Dich kehrt! Auch eiue Tochter kann einen Bitter an deu Bettelstab bringen, so gut wie ein Sohn. Weißt Du den», iu welche Gesellschaft sie gerate» ist? Wen fie noch ans Dich loSgelassen hat, um Dir daS, WaS Du ihr nicht gutwillig geben willst, mit Lift und Gewalt zu entreißen? LirS uur den Brief des Berliner Rechts- auwalts richtig. Es steht da mehr zwischen als auf den Zeilen. Er fand fie in einem von zweifelhaften Elementen bewohnten Hause iu Gesellschaft einer Stubenaenosstn, die am Hellen Tag im Schlafrock im Sessel lag. Auch Wein stand auf dem Tisch. Die Wirtin machte keine« vertrauenerweckende« Eindruck Deine Tochter war über sein Erscheinen so erschrocken, daß sie zuerst gar keine Worte finden konnte. Sehr gewissenhaft von dem alten Herrn, Dir auch die Kehrseite der Medaile zu zeigen.' Forts, folgt.
rktattwn, vrn«k und Verlag von L. tn »tyrn-Lr».