Neuenbürg

-Fm Tale rauscht die Enz, vom Berge schaut ein Schloß hernieder und die Spitze eines Gotteshauses erhebt sich aus der Bäume Kronen, verbergend ein gar sriedsam Plätzchen, aus dem die Toten schlafen. Und doch ist es so wonnig hier, so heiter und sv sonnig. Es schweift der Blick auf waldige Hügel, die in weichen Wellen, so weit das Auge schant, den Horizont begrenzen. Zu ihren Füßen schmiegt sich hi» das schmucke Städtchen. Der Gewerbe wirrer Lärm, des Flusses Rauschen, der Mühlen treibt, der Hämmer in Bewegung setzt und aus dem Rücken seiner Wellen Floße trägt, verkündet rühriges Leben, wie überall in Württemberg, wo mit des Landmanns Fleiß die Emsigkeit des Bürgers eifert. Das Klingen, das du hörst, das dringt aus Sensen­schmieden, doch vergeblich späht dein Blick nach jenen rauch­geschwärzten Säulen, die anderwärts verkünden, wo Fabriken ihre Stätten sich erkoren.

Gastlich ist cs in dem freundlichen, sauberen Städtchen, dessen Wohlhabenheit sich nicht verleugnet. Trefflicher Bürger­sinn macht sich überall bemerklich, er bekundet sich auch in dem stattlichen Schulhaus, in der reichlichen, aus dem Evachtal geleiteten Quellwasserversorgung und dem neuen städtischen Elektrizitätswerk. Die Lage an der Enz, die eine hübsche Gruppierung der Häuser mit sich bringt, gibt dem Städtchen ei» malerisches Aussehen', das sich durch den romantischen Hintergrund erhöht.

Wer unserem Neuenbürg jemals einen Besuch abge­stattet, in ihm Einkehr gehalten hat, wird gerne bestätigen, daß gerade das landschaftliche Bild von Neuenbürg eines der schönsten und reizendsten des ganzen Teils unseres schönen, immergrünen Schwarzwalds ist. Ilm einen Berg­vorsprung, der das im Jahre 1568 von Herzog Christoph an Stelle einer älteren Burg erbaute Schloß trägt, zieht sich das enzumslossene, waldumgebene Städtchen in großem Bogen dahin. Von dem malerisch gelegene» Bahnhof aus erreicht man es auf schöner Straße, die in ihrem oberen Teile eine prächtige Lindenallee bildet, in etwa 10 Minuten. Die durch ihre respektable Breite sich auszeichnende, sauber gehaltene Hauptstraße mit dem Marktplatz, dem Rathaus, den stattlichen Staats- und Privatgebäuden und der aufs freundlichste herausgeputzten Stadtkirche macht einen gefälligen Eindruck. Zwei Brücken führen einerseits zum Borstädlchen, anderseits zu der emporsteigenden Hasnerstcige, über welche die alte Pforzheimer Straße und der Weg nach Herrenalb- Badcn geht. Links der Enz über dem Vorstädtchen liegt die Ruine Waldenburg, deren Grundmauern so bloßgclegt sind, daß man die einstige Lage erkennen kann. Von dem, den Mittelpunkt der Stadt bildenden langgestreckten Berg­vorsprung grüßen herab das neue und das alte Schloß, umgeben vom Schloßwäldchen, das mit seinen vielgewundenen Fußpfaden und lauschigen Ruheplätzchen neben den heimischen Holzarten einen seltenen Schatz von Bäumen, Nordmanns­tannen, Taxus, andalusische und canadische Tannen, Weyh- muts- und Zürbelkieser, ja sogar auch eine echte Libanon­zeder birgt. Diese Schöpfung einer reizenden Waldanlage hat man dem in den 30er bis 50er Jahren hier amtierenden Forstmeister Frhrn. v. Moltke zu verdanken. Von da an sorgfältig gepflegt, erfreut sich dasSchloßwäldchen" unter der Obhut des gegenwärtigen Oberförsters Frhrn. von Gaisberg ganz besonders liebevoller Pflege. Angenehme Spaziergänge in den die Stadt sonst noch rings umgebenden Tannen- und Buchenwäldern erhöhen die Lust des Auf­enthalts.

Die Stadt Neuenbürg verdankt ihren Ursprung einer Burg, welche zu Anfang des 13. Jahrhunderts ein Sprosse der Calwer Grafenfamilie erbaute undnovum esstrum" lueue Burg") nannte. Ihr erster urkundlicher Besitzer in der Mitte des 13. Jahrhunderts ist ein Graf Konrad von

Vaihingen, dessen Familie ein Nebenzweig der Grafen von Calw bildete. Auch Berthold von Neusten erscheint im Besitz der Burg, jedenfalls im Mitbesitz, denn er veräußerte castrnni Xnvoubni'elc an den Grafen Albrecht von Hohenberg, welcher es an König Rudolf verkaufte. Gegen Ende des >3. Jahr­hunderts waren die Herren von Waldeck angesessen, deren einige sich daher auchvon Neuenbürg" nannten.

Der Ort Neuenbürg befand sich im Jahre 1272 in den Händen Otto's, des älteren Grafen von Eberstei», dessen Haus wohl auch denselben Ursprung wie das der Calwer Grafen hat. Später, als Markgraf Rudolf von Baden durch seine Heirat und durch Kauf einen Teil des Besitzes derer von Eberstein an sich brachte, wurde der Ort badisch.

An Württemberg kamen Burg und Stadt jedensalls durch Graf Eberhard den Erlauchten, wenigstens ist von diesem unter dem 1. April 1321 und dem 23. Februar 1322 die Ausstellung von hierauf bezüglichen Urkunden bekannt.

Graf Ulrich von Württemberg stiftete den 2. Jan. 1332 in Neuenbürg im Tal nahe bei seiner Veste Neuenbürg eine Pfründe für die Egidicnkapelle und begabte sie mit Gehältern aus seinem Ort Birkenseld, Kapfenhardt und der Krieser Mühle an der Alb.

Im Jahre 1355 verkaufte Conrad von Mönsheim seinen Teil an Gefällen zu Gräseuhausen und Obernhausen an dw Grasen Eberhard und Ulrich zu Württemberg oder ihren Vogt Berthold Wagner zu Neuenbürg. Im Jahr 1361 übergaben Gras Eberhard und Graf Ulrich Neuenbürg, Burg und Stadt, Beilstein, Burg und Stadt, und Botwar und Lichtenberg, dem Kaiser Karl IV. als König von Böh­men, als böhmische Lehen.

Unter den Verbündeten gegen Eberhard II., d. Greiner, waren auch die von Strubenhard und von Schmalenstein, die eine bei Neuenbürg gelegene Burg Strubenhard und viele Güter um Neuenbürg besaßen. Diese Burg wurde von Graf Eberhard II. ini Jahr 1367 erobert. Im Jahr 1368 übergab Kunz von Schmalenstein mit Einwilligung seiner Söhne an Wolf von Wunnenstein, einen der Hauptstifler der Schlegler-Gesellschaft, seine Güter um Neuenbürg zu Lehen. Edelknecht Reinharo von Schmalenstcin stiftete eine Jahreszeit für den Pfarrer zu Nuwenburg, den Pfarrer zu Gräseuhausen, den Frühmesser zu St. Georgen in der untern Burg und dem zu St. Egidien, jeglichem vier Viertel Weiu- gült auf seinen Gütern zu Niebelsbach und den 16. Sept. 1399 stifteten Bürger und Bürgermeister von Neuenbürg für die St. Gcorgen-Kapelle ohne Schaden der Pfarrkirche eine Pfründe mit Bewilligung Gras Eberhards von Wirtemberg.

(Diese ursprünglich sehr alte Kapelle zum Heiligen Georg, gewöhnlich Schloßkirche genannt, ist gut erhalten, bei ihrem hohen Alter ein Merkmal und bei ihrer malerischen Lage in Mitte des Schloßbergs eine Zierde der Gegend. Altadeligen Geschlechtern und anderen bedeutenden Familien angehörende Grabdenkmale befinden sich daselbst. Der hohle Tausstein scheint noch aus der romanischen Periode zu stammen.)

Im Sommer 1395 lagen die Schlegler in Neuenbürg, welche aber vor dem Grafen Eberhard dem Milden nach der Einnahme von Heimsheim Reißaus nahmen. 1417 war Hans von Sachsenheim württembergischer Vogtzu der Nuwenburg". Im Jahr 1442 teilten die Brüder, Grasen Ulrich von Württemberg, ihr Land, wo Graf Ludwig Neuen­bürg, Wildbad und den Schutz über Herrenalb erhielt. Im nämlichen Jahr fiel heim Absterben des Strubenhardischen Mannsstammes, Dobel als Lehen an Württemberg.

Als das Herzogtum Württemberg im Jahr 1519 von dem schwäbischen Bunde erobert wurde, so nahm Franz von Sickingen, Neuenbürg, und behielt Stadt und Amt für die ausgewandten Kriegskosten. Er behauptete, daß auch die

Stadt Wildbad von alters her zu Neuenbürg gehört habe, und zwang diese, daß sic ihm den 1. Nov. 1519 huldigen mußte. Das Herzogtum wurde vom schwäbischen Bund an Kaiser Karl V. verkauft und von diesem im Jahr 1522 an seinen Bruder, Erzherzog Ferdinand, übergeben, der nach dem Tode des Franz von Sickingen im Jahr 1523 diese Städte wieder mit der Landschaft zum Land einlösete.

1530 wurde vorübergehend die Hälfte der Universität Tübingen wegen einer dort herrschenden Seuche hieher verlegt.

Im Jahr 1553 überließ Herzog Christoph Stadt und Amt Neuenbürg samt dem Forst und aller hohen und niederen Obrigkeit, jedoch unter Vorbehalt der Oberherrschaft für das regierende Haus, seinem Netter, Grafen Georg von Württemberg. Er erbaute ein neues Schloß für ihn, daß er hier wohnen sollte. Graf Georg gab jedoch nach wenig Jahren Stadt und Amt wieder zurück, und erhielt dafür andere Einkünfte.

Am 28. Mai 1617 wurde das Schloß dem Prinzen Magnus von Württemberg, demselben, der 1622 in der Schlacht von Wimpfen mit 400 Pforzheimer» sein Leben verloren hat, zur Wohnung angewiesen. Während des 30jähr. Krieges wurde das Schloß hart mitgenommen; dasselbe ließ Prinz Ulrich, dem es am 7. April 1651 abgetreten wurde, im Jahr 1658 wieder Herrichten.

In den Jahren 1688 und 1692 rückte das französische Kriegsheer in Württemberg ein, plünderte zuerst die Stadt Neuenbürg und verbrannte nachher Calw, Liebenzell und das schöne Kloster Hirsau. Im Jahr 1796, als das französische Heer unter ihrem Anführer Moreau auch unsere Gegend durchzog, siel bei Neusatz zwischen französischen und kaiserlichen Völkern ein Gefecht vor, wo beim Rückzug der Kaiserlichen die Orte bis herüber nach Neuenbürg Plün­derungen erleiden mußten.

Erwähnt mag noch werden, daß im Jahre 1431 Kaiser Sigmund aus Bitten des Grafen Ludwig von Württemberg der Stadt Neuenbürg das Recht erteilte, an jedem Samstag einen Wochenmarkt und an den Feiertagen Himmelfahrt und Andreas Jahrmärkte abzuhalten.

Vor Zeiten hatte die Stadt Neuenbürg eine sogenannte Freiung". Wer einen unüberlegten Totschlag beging, durste sich 6 Wochen und 3 Tage hier sicher aufhalten. Diese Freiheit wurde im Jahre 1454, nachdem die ursprüngliche Urkunde bei einem großen Brande verloren gegangen war, erneuert. Ein Stein an der Mauer am Eingänge der Stadt, an der Hafnersteigc, mit der Jahreszahl 1593, auf welchem eine Hand cingehaucn war, bezeichnte den Anfang dieser Freiung. Wer diesem Steine so nahe kam, daß er mit einem Handschuhe nach demselben werfen konnte, der war frei.

Als hervorragende Neuenbürger werden genannt: Joh. Ulrich Schwindrazheiin, geb. 11. Nov. 1736, 1768 Präzeptor in Ludwigsburg, Schillers Lehrer; Karl August v. Eschen­mayer, geb. 4. Juli 1768, Professor der Philosophie in Tübingen, gest. zu Kirchheim 17. Nov. 1852; Heinrich Ernst Ferdinand v. Bolay, geb. 18. April 1770, gest. I. April 1847 als Präsident des Obertribunals zu Stuttgart.

In der Nacht vom 23. auf 24. Mai 1783 wurde Neuen­bürg von einem schweren Brandunglück heimgesucht, indem gegen 70 Gebäude, worunter die Kirche und das Rathaus, eingeäschert wurden. Bei dem Wiederaufbau verlor die Stadt ihre Ringmauern und ihre drei Tore, das obere Tor, das untere Tor und das Burgtor; auch die Stadtgräben wurden eingesüllt und teilweise überbaut.

Besonders große, verheerende Hochwasser der Enz ereigneten sich im Jahre 1824, im Jahre 1851 am 1. August, im Jahre 1882 am 26. Dezember und zuletzt am 9. März 1896.

Ans aller Jett.

Wie Christoph ins Land kam und seinem Vater gehorsam war."

(Bon Gustav Schwab).

Zu Neuenbürg im Grunde Der Taimen ragt ein Schlaf;;

Dort steigt zur Abendstunde Der Fürst von seinem Roß.

Kein Auge soll es schauen,

Wie ihn der Ulrich spricht,

Dem Sohne mag er trauen,

Dem Volke traut er nicht.

llnd Christoph ist's zufrieden;

Ja, süßer wird er nun,

Bon aller Welt geschieden,

Am Vaterherzen ruhn.

öffnet sich die Pforte,

Die ihm den Vater zeigt: Versucht euch nicht, ihr Worte,

Ihr Liederklänge schweigt.

Sie hatten Mahl gehalten,

Herr Ulrich schickt nach Wein,

.Es soll vom besten alten,

Soll roter und weißer sein.

Er läßt die Futterale Von Sammet bringen her,

Und ziehet zwei Pokale Daraus von Golde schwer.

Mit seinem roten, heißen Gießt er den einen auf;

Mit seinem sanften, Weißen Füllt er den andern drauf, llnd einen Becher hält er In jeder Hand empor,

Und alle beide stellt er Zuletzt dem Sohne vor.

Und sprach:Mein Kind, bedenke Dich, eh Du nippen willst,

Nicht rüst' ich dies Getränke,

Daß Du den Durst Dir stillst. Ich möchte Dich vermählen,

Mich schmerzet nur die Wahl, Drum sollst du selber wählen Bon Zweien ein Gemahl.

Schau an die beiden Weine; Fürwahr, sie sind gleich gut!

So süß wie Milch der eine,

Der andre wie Feucrglut.

So weiß ich Dir zwei Frauen, Jetzt trink', und wähle, Kind!

Doch darauf darfst Du bauen;

Daß beide lieblich sind."

Wie ist es doch geworden Ums Herz dem jungen Herrn?

Es blinkte g'rad aus Norden Durch's Fenster ein goldner Stern: Was lockst du, himmlisch Zeichen? Ich muß gehorsam sein!"

So greift er nach dem bleichen, Dem stillen, weißen Wein.

Nach Anspach ohne weiters!"

So rief der Vater aus.

Fort, in des frommen Streiters, Des Brandenburgers Haus! Ihm blüht' von sechzehn Jahren Ein schönes Töchterlein!

Du sollst zur Werbung fahren llnd bald getrauet sein!

Ja, ja, das konnt' ich hoffen Von Deinem sanften Sinn,

Du hast das Beste troffen,

Das Milde zum Gewinn.

Mir haben einst die Alten Vom Herben eingeschenkt:

Ich Hab' ein Weib erhalten,

Das mich noch heute kränkt!

Dir ist ein bcssres Leben Vom Vater aufgespart;

Ich will Dir übergeben Die Grafschaft Mömpelgard. Dort lernest Du bei Zeiten Beherrschen Hans und Land; Jetzt aber mußt Du reiten,

Geh, sei in Gottes Hand!"

Er eilt, auf's Roß zu steigen, Küßt seines Vaters Mund,

Und trabt hinaus mit Schweigen In den beschneiten Grund. Verlieren und Entsagen,

Das macht auf Erden reich.

Das Finden und Erjagen Ist für das Himmelreich!

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.