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Fernsprecher Nr. 4.

^ 128

Neuenbürg,

A

amstag dm 12. August 1905.

63. Jahrgang.

rrun Ssch au.

Wenn sonst in den Tagen der Hundstagshitze und säuern Gurte ein lautes Stöhnen durch die Presse geht, die ihre Aufgabe, dem getreuen Leser täglich politische Neuigkeiten darzubieten, scheitern sieht an dem müden Trägheitsbedürfnis des Sommers, so haben die letztverflossenen Wochen eine schroffe Ausnahme gebildet, wie sie seit Jahren nicht ver­zeichnet werden konnte. Da war Marokko mit seine» Zwiespältigkeiten und Gefahren, mit Delcassos Sturz und dem Gespenst eines deutsch-französischen Krieges; die Begegnung des Zaren mit dem deutschen Kaiser in einer Stunde, in der über dem befreundeten Nachbarlande die Hand eines dunklen Geschicks ruht; ferner der erste Versuch, unter der schirmenden Hand des ehemaligen Rauhreiters Roosevelt dem ergreifenden Drama ein Ende zu bereiten, das sich im fernen Osten abspielt; weiter die Ankündigung, daß die englische Flotte in der deutschen Ostsee Manöver- Übungen abhalten will. Und jetzt die Meldung, daß Kaiser Wilhelm mit seinem Oheim, dem König Eduard, in einer deutschen Stadt Zusammentreffen soll. Wahrlich Stoff genug zu politischen Betracht- unge»! Zwar ist über diese angeblich bevorstehende Zusammenkunft des deutschen Kaisers mit dem eng­lischen König noch nichts Zuverlässiges bekannt, aber wenn sie stattfindet, ist sie vielleicht auf den Wunsch des Königs Eduard zurückzuführen, durch diese Be­gegnung, die jetzt auch in englischen Blättern viel­fach in sehr sympathischer Weise besprochen wird, den weitverbreiteten Eindruck politischer Gereiztheit zwischen Deutschland und England wie auch eines Persönlichen Zerwürfnisses der beiden nahe ver­wandten Herrscher zu mildern.

Die angekündigte Zusammenkunft zwischen Kaiser Wilhelm und König Eduard von England, über welche bislang widerspruchsvolle Mitteilungen im Umlaufe waren, soll nun doch statt­finden. Üeber Tag und Ort der Begegnung wird man wohl in den nächsten Tagen näheres erfahren. Wie aus Marienbad gemeldet wird, trifft dort der englische Monarch zwischen dem 14. und 18. August ein, er wird eine Zusammenkunft mit dem Kaiser Franz Josef wahrscheinlich in Pilsen haben.

Der Kaiser wohnte- am Dienstag und Mitt- woch Truppenübungen bei Posen und Gnesen bei. Bei seinem an letzterem Tage erfolgten Besuche in der Stadt Gnesen antwortete der Monarch auf die Begrüßungsansprache des Bürgermeisters mit einer bedeutsamen Rede. In ihr dankte der hohe Herr zunächst für den ihm in Gnesen bereiteten Empfang und bekundete hierbei seine besondere Genugtuung über die Anwesenheit so zahlreicher deutscher Ansiedler. Dann drückte er seine Freude darüber aus, daß die Preußische Stadt Gnesen ihrem Könige auf eine solche schöne Art zu huldigen wisse, und berührte hierauf die polnische Frage. In sehr entschiedener Weise bedeutete der Kaiser, daß jeder katholische Pole un­gestört seiner Religion leben dürfe, daß er aber dafür Ehrfurcht und Achtung vor anderen Konfessionen zu bewahren habe. Hieran knüpfte er die Mahnung an die Deutschen in den Ostprodinzen, stets ihrer Nationalität eingedenk zu sein und namentlich als Landbesitzer daselbst auszuhalten, denn dies sei eine ernste Pflicht gegen das Deutschtum wie gegen das Vaterland.

Auf schweizerischem Gebiete, in Luzern, findet am 19. September ein Weltfriedenskongreß statt. Es haben sich hierzu gegen 300 Delegierte, darunter besonders viele Amerikaner angemeldet. Unter den Beratungen befinden sich die deutsch­französische Annäherung und die Einberufung einer zweiten Haager Konferenz.

Die marokkanischen Rebellen haben den Sultanstruppen eine vernichtende Niederlage beigebracht. DemPetit Parifien" wird aus Oran gemeldet, daß die Truppen des Maghzen in einer

Stärke von 2000 Reitern und einer größeren Anzahl Infanteristen in der Schlacht bei Ayan Sidi Meluk von den Hauptstreitkräften des Prätendenten Buamema vollständig vernichtet wurden. Die Lage in Udjda ist demzufolge sehr gefährdet.

Die Unternehmer des Attentats auf den Sultan gingen mit teuflischer Schlauheit zu Werke. Die Frau des ums Leben gekommenen Kutschers, in dessen Wagen sich die Höllenmaschine befand, erzählte, daß zwei Fremde zu ihrem Manne gekommen seien, welche de» Wage» mieteten und Photographien vom Selamlik anfertigen wollten. Da solche Aufnahmen aber sehr streng verboten seien, hätten sie einen schon eingestellten Apparat mitgebracht, der durchaus unauffällig Aufnahmen mache. Der Apparat bleibe ungesehen im Wagen und der Kutscher brauche nur im Augenblick, wo der Sultan aus der Moschee trete, auf einen durch einen Faden mit dem Apparat verbundenen Knopf zu drücken. Für diese leichte und unauffällige Arbeit gaben die beiden Fremden dem Kutscher ein Geschenk von vierzig Pfund. Der Kutscher führte den Auftrag auf. Aber er drückte einige Sekunden zu zeitig am den Knopf und rettete dadurch den Sultan. Er selbst wurde in Stücke zerrissen.

Paris ist wieder eirftnal der Schauplatz eines Skandals. Der Inhaber des bekannten Kaufhauses Printemps", der nationalistische Abgeordnete und Zeitungsbesitzer Jaluzot, hat die Millionen, welche ihm namentlich diekleinen Leute" in die mit dem Printemps verbundenen Sparkassen zutragen, ver­spekuliert; die Pariser PrMe erörtert die. Affäre in spaltenlängen Artikeln. Ein gerichtliches Vorgehen gegen Jaluzot, der schon 72 Jahre alt ist, hat noch nicht stattgefunden; jedenfalls wird er sein Abge­ordnetenmandat niederlegen müssen.

Der Lohnkampf in der sächsisch-thüringi­schen Färbereibranche scheint unmittelbar vor seinem Ende zu stehen. Hierzu berechtigt wenigstens folgende Meldung aus Glauchau, die vom 9. August datiert ist: Die infolge des Rücktritts des Textil- arbeiterverbandes hier zwischen den Vertretern von sieben Fabrikbetrieben und 15 Vertretern der Arbeiter unter dem Vorsitze der Bürgermeister von Glauchau und von Meerane stattgefundenen Einigungsverhand- lungen lassen die Hoffnung aus einen sofortigen Friedensschluß zu, da die Arbeitsvertreter ihren Auf­traggebern die Vergleichungsvorschläge der Färberei- besttzer zur Annahme empfehlen wollen. Darnach darf man damit rechnen, daß am Montag die Arbeit wieder ausgenommen wird.

Mannheim, 10. Aug. Das Reichsgericht hat die Revision des Mörders Becker, der wegen Er­mordung des Dienstmädchens Sysanne Senges zum Tode verurteilt wurde, verworfen.

Neustadt, 10. August. Das heute vormittag über die Hardt niedergegangene schwere Gewitter hat die ganze Weinernte vernichtet: sämtliche Trauben sind durch den Hagel abgeschlagen, die Reben zerzaust worden. Tausende von Ziegeln sind an den Häusern zerschlagen worden. Im Feld be­findliche Leute wurden erheblich verletzt. Viele Vögel sind durch die Hagelkörner getötet worden. Im sog. Gäu hat das Unwetter viel Obst vernichtet. Auch die Tabakfelder, die Hopfenfelder und der Zucker- rübenbau haben erheblich gelitten. Infolge des wolkenbruchartigen Regens sind verschiedene Wasser, läufe über die Ufer getreten und haben Ueber- schwemmungen verursacht. Besonders groß ist der Schaden in den Gemarkungen Edenkoben, Landau, Maikammer, Haßloch und Diedesfeld.

Vom Rhein, 6. August. (Holzwochenbericht.) Die in letzter Zeit im Walde zum Verkauf gebrachten Menge» Rundholz waren nicht mehr bedeutend. Im allgemeinen schnitten aber die Verkäufe immer noch grtt ab, da fast überall rege-Nachfrage zutage trat. Überschreitungen der Forstschätzungen waren bei den Nadelstammholz-Versteigerungen in den württemb.

Staatswaldungen fast immer die Regel. In kurzer Zeit wird der Spätjahrseinkauf wieder in Gang kommen, und man ist gespannt, ob die Beteiligten wiederum die Preise so in die Höhe treiben, wie im Vorjahre. Am süddeutschen Brettermarkte war die Bewegung fortdauernd recht ruhig. Da die rheiu- ischen Abnehmer nur den dringendsten Bedarf ein- deckten, waren die Umsätze nicht belangreich. Daher kommt es auch, daß die Verladungen von Schnitt­waren vom Oberrhein nach dem Mittel- und Nieder» rheiu nicht stattlich waren. Die Schiffsfrachten im Verkehr vom Oberrhein nach dem Mittelrhein blieben bei genügendem Angebot von- Kahnraum niedrig. Gute" Bretter waren neuerdings am meisten ge­fragt. Breitegute" Ware wurde nicht in großen Posten angeboren. Annehmbarer Begehr machte sich nach geschnittenen Tannen- und Fichtenkanthölzern bemerkbar, so daß sowohl die rheinischen als auch die Schwarzwälder Sägewerke befriedigende Be­schäftigung hatten. Nicht selten waren jedoch die Erlöse, die sich erzielen ließen, gedrückt. Dies war hauptsächlich bei Vergebung solcher Lieferungen der Fall, wo längere Fristen zur Ausführung gestellt werden konnten, und wobei eben die Sägewerke des Schwarzwaldes die Preise stets unterboten haben. Die mit Wasser arbeitenden Sägewerke des Schwarz- Waldes hatten neuerdings stark unter Wassermangel zu leiden. Die Lage des rheinischen Hobclholzmarktes erwies sich auch neuerdings als recht zuversichtlich.

Automobilrennen. Das große, über 600 Kilometer führende Arden-Rennen auf der sogen. Brdennen-Rssdftrqbr M Mlgieri wurde ^on-Höiuärtz auf einem Opel-Daracq-Äagen in der vorzüglichen Zeit von 5 Std. 58 Min. 31 Sek. g-wonnen. Der Sieger fuhr also eine Durchschnills-Gcschwindigkeit von über 100 Kilometer in der Stunde, eine ganz vorzügliche Leistung bei dem vorwiegend bergigen Terrain. Das große Rennen nahm einen völlig ein wandsfreien Verlauf, während des.ganzen Rennens ereignete sich kein einziger Unfall. 14 Wagen be­teiligten sich an der Konkurrenz, von denen 8 das Ziel passierten. Jenatzy, der einen deutschen Mercedes- Wagen lenkte, mußte in der letzten Runde, nachdem er bisher vorzüglich im Rennen gelegen, wegen Rad­felgenbruchs aufgeben.

Der Zudrong zur Eismeerstation der Jung­fraubahn ist enorm; täglich werden 900 bis 1000 Personen befördert.

In Albany (Ver. Staaten) ist in dem großen Warenhaus von Meyer eine Eisenkonstruktion, die zum Zwecke von Reparaturarbeiten errichtet worden war, infolge einer Unvorsichtigkeit vom Dach bis zum Keller zusammengebrochen. In dem Waren­haus sind 400 Personen angestellt; die meisten sind junge Mädchen. 125 find verunglückt; viele find tot, viele lebensgefährlich verletzt.

Die Friedenskonferenz.

Portsmouth, 11. August. Die Sitzung der gestrigen Friedenskonferenz währte 2 Stunden und trug einen sehr fraglichen Charakter. Bei Beginn überreichte Witte den Japanern eine diplomatische Note darüber, daß die Japaner gestern versäumt hätten, ihre Vollmachten mitzubringen. Da die Ja­paner keinen Einspruch dagegen erhoben, wurde dies offiziell zu Protokoll gegeben. Die russische amtliche Erklärung sagt, daß die Frage der Beglaubigung der Bevollmächtigten der Mächte jetzt in der Weise geregelt ist, daß über diesen Gegenstand keine Schwierigkeiten mehr entstehen werden.

New-York, 11. Aug. DieNew-York Tri- bunal" erklärt: Es kann mit Bestimmtheit versichert werden, daß Rußland sich nicht allein darauf vor­bereitet hat, eine angemessene Kriegsentschädigung zu bezahlen, sondern daß es, seitdem Ihm die Friedens­bedingungen bekannt sind, schon Schritte getan hat, um den erforderlichen Betrag aufzubringen.