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^ 1.
63. Jahrgang.
Zum neuen Jahre 1905.
Hoch vom Kirchturm hallt 's hinaus . . .
Zwölf gewalt'ge Schläge dröhnen:
Mitternacht! . . . Doch Haus um Haus Hörst Du's jubeln bei den Tönen!
Lebensfreude kreist im Blut;
Junges Volk grüßt aus dem Fenster,
Und die Stunde der Gespenster Hallt von Hellem Uebermut!
Denn in dieser Mitternacht Muß das alte Jahr entschweben,
Und das Scepter seiner Macht An ein and'res weiter geben!
Aus dem dunkeln Nichts hervor Kam das neue schon geschritten,
Und mit tausend heißen Bitten Fleht die Welt zu ihm empor! . . .
Ach, da ist kein Herz zu alt.
Das es nicht mit rascherm Klopfen Heischte von der Lichtgestalt Späten Glücks noch einen Tropfen!
Graues Haar und blondes Haar Stürmt begehrend ihm entgegen:
Weihe uns mit Deinem Segen,
Liebes, goldnes, neues Jahr! . . .
Doch sein Antlitz, unberührt
Noch vom Lärm und Streit der Tage,
Schweigt sich aus, wen es erkürt,
Daß er Heldentorbeer trage;
Wem es b-ut der Liebe Gunst,
Oder goldne Schätze spendet;
Wem es still die Pfade wendet Zu den Höhen seiner Kunst! . . .
Grüble d'rum um Künft'ges nicht:
Frisch ans Werk mit regem Eifer!
Tu mit Freuden Deine Pflicht;
Werde edler, werde reifer! . . .
Ob sich auch kein Glück Dir neigt,
Laß zum Groll Dich nicht verführen,
Wenn Du wirst den Segen spüren,
Wenn das Jahr zur Tiefe steigt! . . .
sNachdr. Verb.)
Heil zum Jahr 1905!
Unter allen Erdengütern ist das wertvollste leider auch das vergänglichste, nämlich die Zeit. Darüber haben alle Völker vor uns geklagt, und für ein Geschlecht, das mit dem Blitz schreibt und mit dem Dampf fährt und in seinen Werkstätten viel Tausend Räder rastlos treibt, ist der Augenblick nicht länger geworden; auch das Rad der Zeit dreht sich für uns noch schneller. Aber eines haben wir aus der guten alten Zeit herübergerettet in die neue, die Hoffnung, sie begleitet uns durch alle Jahre, von der Wiege bis zum Grab und je höher sie ihren Flug nimmt, je tiefer sie sich gründet, desto reichlicher werden wir endlich erfahren: „Hoffnung lässet nicht zu schänden werden."
Hoffnungsfroh treten wir deshalb in das neue Jahr ein. Hinweg mit allem fruchtlosen Klagen über die Flucht der Jahre; sie mögen hinfahren, wenn sie nur mitnähmen, was uns im persönlichen, im bürgerlichen und kirchlichen Leben seitdem gebunden hat, wenn wir nur sprechen lernten: „Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist!" Vor uns, nicht hinter uns liegen alle Ziele unseres Glaubens, unserer Liebe, unserer Hoffnung. Der alte Gott lebt noch und will, daß wir diesen Zielen näher kommen. Und wenn einmal die Zeiger der Weltenuhr die elfte, die letzte Stunde weisen, sie schreckt den Glauben nicht, denn dann kommt das Jubeljahr, wonach wir uns sehnen, dann heißt es: „Ende gut, alles gut/
„Weil Christen darüber beruhigt find, vermögen sie die Gegenwart mit froher Tatkraft zu erfassen.
Dankbar genießen sie jede Freude des Augenblicks und lassen den morgenden Tag für sich selber sorgen; ihr Heute aber kaufen sie aus und wirken so lauge es Tag ist. Die Leichtfertigen, die Träumer, die Tagdiebe könnten erfahren müssen:
„Was man von der Minute ausgeschlagen,
Gibt keine Ewigkeit zurück."
Also „aufwärts die Herzen"! Heil zum Jahr 1905! Fröhlich treten wir die neue Wegfahrt an; ihr Ausgang liegt in GotteS Hand geborgen.
Politische Iahresrrrrrdschau.
i.
Bei einem Rückblicke auf das politische Jahr 1904 gedenken wir ehrfurchtsvoll zunächst der erlauchten Person unseres allverehrten Kaisers Wilhelm, dessen tatkräftiges Wirken unserem deutschen Vater- lande wiederum ein Jahr deS Friedens und zugleich ein Jahr des wirtschaftlichen Wiederaufschwunges ermöglichte. Gewiß haben die Begegnung Kaiser Wilhelms mit König Viktor Emanuel von Italien anläßlich der im Frühjahr ausgeführten Mittelmeer- reise des Kaisers und weiter dessen Zusammenkunft mit König Eduard von England in Kiel während der „Kieler Woche" mit das ihrige zur Erhaltung des europäischen Friedens beigetragen; dagegen kann der in Vigo vor sich gegangenen Begegnung Kaiser Wilhelms mit König Alfonso XIII. von Spanien Wohl schwerlich eine größere politische Bedeutung beigemessen werden Zu seiner besonderen Erholung führte Kaiser Wilhelm auch im soeben zu Ende gehenden Jahre wiederum seine gewohnte Nordlandsreise aus, wobei er das durch einen verheerenden Brand schwer heimgesuchte Aalesund durch einen Besuch auszeichnete. Mit herzlicher Freude begrüßte man in den weitesten Kreisen des deutschen Volkes die frohe Kunde von der Verlobung des Kronprinzen Wilhelm des deutschen Reiches und Preußens mit der Herzogin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin, und ebenso nahm man lebhaft Anteil an der Vermählung des Großherzogs Friedrich Franz IV. von Mecklenburg mit der Prinzessin Alexandra von Cumberlaud. — Aus dem Kreise der regierenden deutschen Bundesfürsten wurden durch den Tod abberusen König Georg von Sachsen, Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strclitz, Herzog Friedrich I. von Anhalt und der Graf-Regent Ernst von Lippe-Detmold. Von sonstigen fürstlichen Persönlichkeiten zollten ihren Tribut der Zeitlichkeit die Fürstin-Witwe Sophie von Lippe-Detmold, die Prinzessin Johann Georg von Sachsen, die Herzogin-Witwe von Koburg-Gotha, der 4 jährige Prinz Heinrich von Preußen u. s. w. Es gingen außerdem heim Generalfeldmarschall Graf Waldersee, Fürst Herbert Bismarck und der berühmte Maler Franz Lenbach. Das Hinscheiden des Graf- Regenten Ernst von Lippe-Detmold hatte die Wiederaufrollung des Streites um den erledigten Thron von Lippe-Detmold zwischen den Linien Schaumburg- Lippe und Lippe-Westerfeld zur Folge, doch einigten sich die beiden Parteien schließlich dahin, ihren Streit einer schiedsgerichtlichen Entscheidung durch das Reichsgericht zu unterbreiten.
Auf dem Gebiete der inneren deutschen Politik zeitigte das Jahr 1904 keinerlei Ereignis von ganz besonders markanter Bedeutung. Der im vorigen Jahre neugewählte Reichstag, welcher im November 1903 zusammengetreten war, wurde vom Juni 1904 bis 29. November vertagt; in diesem ersten Sessionsabschnitte erledigte der Reichstag u. a. den Etat, sowie die Vorlagen über die sogenannte kleine Reichsfinanzreform, über die kaufmännischen Schiedsgerichte und über die Truppenverstärkungen für Deutsch. Südwestafrika, das Reblausgesetz, die Novelle zum Münzgesetz u. s. w. Ungleich wichtiger erweist sich der am 29. November 1904 begonnene weitere Abschnitt der Reichstagssesston, da in demselben vor allem die Entscheidung über die neuen I
Handelsverträge zu erwarten ist. Im preußischen Äbgeordnetenhause bildete die neue Wasserwirtschaft- liche Vorlage den Mittelpunkt der Verhandlungen; sie ist von der Kanalkommission bereits angenommen worden und wird zweifellos auch die Zustimmung des Plenums finden.
Recht unerfreulich gestaltete sich die Lage in Südwestafrika, wo noch in den letzten Wochen des Jahres 1903 der große Hereroaufstand ausbrach. Er ist jetzt nach fast einjähriger Dauer im allgemeinen zwar wieder niedergeschlagen worden, doch konnte dies Ergebnis deutscherseits nur unter Dar- bringung verhältnismäßig bedeutender Opfer an Geld und Menschenleben erreicht werden. Inzwischen ist in der Kolonie ein neuer Aufstand zum Ausbruch gelangt, derjenige der Witbois-Hottentotte»; seine Niederwerfung scheint sich ebenso in die Länge ziehen zu wollen, wie die Bekämpfung der Hereros. Auf handelspolitischem Gebiete ist der Abschluß neuer Handelsverträge des Reiches mit fast allen wichtigen europäischen Staaten zu verzeichnen, nur die be- treffenden Unterhandlungen mit Oesterreich-Ungarn schweben noch.
Oesterreich-Ungarn erlebte auch im Jahre 1904 mancherlei innerer Erschütterungen und Krisen. Im Mai mußte das österreichische Abgeordnetenhaus nach fruchtloser Tätigkeit infolge der tschechischen Obstruktion abermals vertagt werden. Im November trat es zwar wieder zusammen, doch wurden die Abgeordneten alsbald wieder nach Hause geschickt, weil die Körbersche Negierung hierdurch e>ne von ihr in der Budgetkommission erlittene Niederlage verdecken wollte. Im Ministerium Körber fanden Veränderungen statt, der Finanzminister Böhm von Bawerck und der Ackerbauminister Giovanni traten von ihren Posten zurück, auf welchen sie durch politisch vollständig farblose Persönlichkeiten ersetzt wurden. Ferner wurde wieder ein tschechischer Landsmann-Minister ernannt, und zwar in der Person des Hofrats Dr. v. Rauda; Ministerpräsident v. Körber will es eben mit den Tschechen durchaus nicht verderben! Große Erregung unter den Deutschen Oesterreichs riesen die Innsbrucker Unruhen hervor. Dieselben wurde» dadurch veranlaßt, daß die Innsbrucker Bürgerschaft im Verein mit den deutschen Studenten große Straßenkundgebungen gegen die Errichtung einer besonderen italienischen Rechtsfakultät an der Innsbrucker Universität ins Werk setzte. Hierbei rotteten sich die italienischen Studenten zusammen und feuerten aus Revolvern auf ihre deutschen Kommilitonen, infolgedessen eine Anzahl der letzteren verletzt wurden. In geradezu brutaler Weise ging das Militär gegen die demonstrierenden Deutschen vor; hierbei wurde der Kunstmaler Pozzi durch einen Bajonettstich getötet, welcher Vorgang nicht zum wenigsten zu der Erregung unter der deutschen Be» völkerung über die Ereignisse in Innsbruck beitrug. Die italienische Rechtsfakultät mußte übrigens wieder geschlossen werden. — Ungarn geht im Zeichen einer schweren politisch - Parlamentarischen Krisis in das Jahr 1905 hinüber. Die Oppositionsparteien leisteten der vom Ministerpräsidenten Grafen Tisza im Verein mit der liberalen Regierungspartei beschlossenen Verschärfung der Hausordnung des Abgeordnetenhauses erbitterten Widerstand, wobei es zu, selbst in Ungarn, unerhörten Skandalszenen kam. Die Regierung hat sich nun zur Auflösung des Abgeordnetenhauses und zur Anordnung von Neuwahlen entschlossen. Mit Tod ging der bekannte Romanschriftsteller Maurus Jokai ab; es wurde ihm eine nationale Leichenfeier veranstaltet.
In Italien trat ein vom ganzen Lande jubelnd- begrüßtes frohes Ereignis ein, die Geburt des Krön- Prinzen Humbert, womit die Fortdauer der savoy'schen Dynastie in der männlichen Linie bis auf weiteres gesichert ist. Im April empfing der Königshof den Gegenbesuch des Präsidenten Loubet in Rom, welcher Vorgang zu erneuten Demonstrationen in Italien