Die Lösung der ungarischen Kabinetts- I bildung bietet noch immer ihre Schwierigkeiten dar. Auch Herr v. Szell, bekanntlich vor dem Grafen Khuen-Hedervary ungarischer Ministerpräsident, hat! in einer am Mittwoch beim Kaiser Franz Josef ge- habtrn Audienz, die Aufgabe, das neue ungarische Ministerium zu bilden, abgelehnt!In Szegedin haben magyarische Hitzköpfe förmliche Äufruhrszenen veranlaßt; das Militär mußte wiederholt zur Wieder­herstellung der Ruhe wieder eingreifen.

Im n ord französischen Textilindustrie- bezirkc ist ein großer Arbeiterstreik ausgebrochen, bei welchem es zu bedenklichen Ausschreitungen der Streikenden gekommen ist, so besonders in der Stadt Lille. Infolge der Gewalttätigkeiten der Streikenden ist das ganze erste Armeekorps in Bereitschaft gesetzt worden. An mehreren Orten des Streikgebietes mußten die Truppen bereits gegen die meuterischen Arbeiter Vorgehen. Indessen wird aus Lille vom 7. Oktober gemeldet, daß der Abend ruhig verlaufen sei. Am Donnerstag trat in Lille das Weberei­syndikat zusammen, um über den allgemeinen Aus­stand der Textilarbeiter des Bezirkes die Entscheidung zu treffen. In verschiedenen Orten an der belgischen Grenze plünderten streikende ausländische Arbeiter die Bäcker- und Fleischerläden.

In einer Versammlung von Buren in Vrpheid hat General Botha mitgeteilt, daß cs sich bei den in Europa gesammelten Geldsummen im Ganzen um 130000 Pfund Sterling handle. Das Geld würde von einer Kommission in Transvaal verwaltet. Diese habe die Summe zwischen der Kapkolonie, der Oranje-Kolonie und Transvaal geteilt. Der auf Transvaal entfallende Teil sei sehr gering und be­laufe sich auf 40 bis 50 Pfund für Witwen, 30 000 Pfund seien für die Erziehung der Kinder bestimmt. Die ihm selbst und Delareh zugewendeten Summen seien in obiger Summe nicht einbegriffen und bildeten einen Reservefonds von 15000 Pfund. Botha forderte die Versammlung auf, die Unab hängigkeit zu wahren, welche jetzt darin bestehe, die Muttersprache nicht Preiszugeben.

Der Schiffdruch eines idealen Anhängers der Sozial­demokratie.

Unter den politischen Tagesneuigkeiten hat die Meldung, daß der sozialdemokratische Abgeordnete für den 15. sächsischen Wahlkreis, Paul Göhre, sein Mandat niedergelegi, gewiß einige Ueberraschung verursacht, aber bei einer näheren Betrachtung der Persönlichkeit und des Lebensganges Paul Göhres wird diese freiwillige Ausscheidung aus der sozial­demokratischen Reichstagspartei zum politischen Er­eignis, denn sie zeigt nicht nur den tragischen Schiff bruch eines ideal angelegten Anhängers der Sozial­demokratie, sondern sie beweist auch, daß eine unüberbrückbare Kluft zwischen der heutigen Sozial­demokratie und wahrer Geistesbildung besteht, und die Behauptung gewisser sozialistischer Parteiführer, daß die Sozialdemokratie auch eine Partei der Wissen­schaft und modernster Geistesbildung sei, eine große Anmaßung ist. Man hat ja schon auf dem sozial­demokratischen Parteitage in Dresden genügend er­

Des Kaisers stoppelgiinger.

Historische Episode aus dem Leben Kaiser Joses's 11.

2s -- (Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Am nächsten Morgen ließ der Kaiser durch einen seiner Vertrauten unauffällige Erkundigungen über den Ruf und das Vorleben von Therese Mettler einzieheu und erhielt hierauf in jeder Beziehung die günstigste Auskunft. Noch am selben Tage wurde auch der Chef der Firma, bei welcher Josef Horba angestellt war, zu seinem nicht geringen Erstaunen in die Hofburg beordert und dort sofort in das kaiserliche Arbeitszimmer geführt, wo der erlauchte Burgherr bereits des Herrn Johann Hollitzer, wie der Name des Prinzipals Josef Horbas lautete, wartete. Ungesäumt befragte der Kaiser Herrn Hollitzer über den Charakter und die geschäftlichen Leistungen des jungen Horba und der alte Herr konnte nicht umhin, seinem Angestellten in jedem Punkte das trefflichste Zeugnis zu geben; freilich kam der Großkaufmann aus seinem stillen Verwundern darüber, welches Interesse denn Oesterreichs mäch­tiger Herrscher an einem einfachen Handlungsbe- flissenen nehmen könne, nicht heraus.

Schließlich mußte Hollitzer dem Monarchen auch die Privatverhältnisfe des jungen Horba ausein. andersetzen, wobei sich denn die Tatsache ergab, daß der reiche kinderlose Oheim desselben, von welchem

fahren, wie die alten Führer der Sozialdemokratie die Anhänger der freien wissenschaftlichen Ueberzeugung behandeln und mit was für Vorwürfen sich die HerrenGenossen" gegenseitig überschütteten. Der Fall Paul Göhre beweist aber noch ganz andere Dinge. Paul Göhre ist nämlich keineswegs einer der Ersten Besten, der Hergelaufenen", wie der Partei­führer Bebel ihn bezeichnet, sondern Paul Göhre ist ehemaliger evangelischer Pfarrer, der ein guter Christ sein und bleiben wollte, aber in der christlichen Religion vor allen Dingen die soziale Arbeit an den Bedrückten und Armen erblickte. Paul Göhre hat nun geglaubt, in der großen sozialdemokratischen Bewegung, die sich angeblich allein der Bedrückten und Armen annimmt, das rechte Arbeitsfeld zu finden, und er ist dabei sehr ernst und sehr gründlich vor­gegangen. Er, der gebildete evangelische Pfarrer, hat auf die theologische Laufbahn verzichtet und ist Fabrikarbeiter geworden und hat auch wirklich eine Zeit lang als Fabrikarbeiter gearbeitet, um das Leben derselben kennen zu lernen. Ehe er zur sozial­demokratischen Partei überging, war aber Göhre einer der Führer der national-sozialen Partei, und erst als er erkannte, daß die National-Sozialen nicht genug Einfluß auf die Arbeitermassen hatten, schloß er sich der Sozialdemokratie an, und diese hat aus diesem neuen Anhänger, so lange es ihr in den Kram Paßte, Kapital genug geschlagen. Göhre galt bei den Sozialdemokraten auch als eine ganz außerordentliche Erscheinung, er mußte auf den meisten großen sozial­demokratischen Versammlungen paradieren und hat auch durch seine Reden und Schriften der sozialisti­schen Propaganda viel genützt. Bei den letzten Reichstags Wahlen wurde Göhre im 15. sächsischen Wahlkreise auch als der Kandidat der Sozialdemo­kraten gewählt. Aber trotz aller dieser Leistungen und Vorgängen bestand zwischen Göhre und der sozial­demokratischen Parteileitung keine wirkliche geistige Verbindung, kein einmütiges Band, denn der Geist der Sozialdemokratie, der sich aus maßloser Hetz- und Berleumdungssucht und der Anschürung dunkler Volksinstinkte zusammensetzt, konnte die positive soziale Seite in Göhres Wesen nicht gebrauchen, man be­handelte ihn daher, als sich die erste Freude über Göhres Auftreten unter den Sozialisten gelegt hatte, mit wachsendem Mißtrauen, und zwar in einer Göhres persönliche Ehre geradezu verletzenden Weise. Des­halb hat nun Göhre auch sein Mandat für den Reichstag niedergelegt, und er wird zu der Einsicht gelangt sein, daß die heutige Sozialdemokratie nicht das kleinste positive Fünkchen besitzt, sondern nur demagogische Hetzkunst ist.

Württemberg.

Stuttgart, 7. Okt. Die durch den Tod des Prälaten v. Schwarzkopf im Frühjahr d. I. frei gewordene Stelle eines Oberhofpredigers ist jetzt endlich wieder besetzt worden. Gutem Vernehmen nach ist der Ludwigsburger Dekan Kolb, früher Stadt­pfarrer in Freudenstadt, auf diesen Posten berufen worden. Kolb steht im Alter von 55 Jahren. Zu den Nachrichten aus Nachod über anonyme Briefe, die mit der Ermordung der damals dort weilenden

Joseph Horba geglaubi hatte, er würde ihm einst­mals sein großes Vermögen hinterlassen vor etwa 3 Wochen Plötzlich gestorben war. In seinem Testa- ment, das unmittelbar nach seiner Beerdigung ge­öffnet worden war, hatte aber der alte Sonderling das gesamte von ihm hinterlassene Vermögen dem Wiener Schottenkloster vermacht, seinen Neffen in keiner Weise bedenkend, in Folge dessen dem jungen Manne auch die Möglichkeit, aus den Mitteln seines Onkels ein eigenes Geschäft gründen zu können, ge­nommen war.

Josef II. wußte nun, da er ja über den edlen Charakter des jungen Handlungsbeflissenen durch dessen Prinzipal soeben genügend unterrichtet worden war, sofort, warum Joseph Horba plötzlich seine Beziehungen zu der Geliebten abgebrochen hatte, und er verstand es vollkommen, das schöne Motiv für das Verhalten des Jünglings zu würdigen. Mit der dem Kaiser eigenen Schnelligkeit in seinen Ent­schließungen nahm er es sich vor, gegenüber Joseph Horba und seiner Therese ein wenig Vorsehung zu spielen, und ließ daher, kaum daß Herr Hollitzer entlassen war, Horba aus dessen Comptoir zu sich in die Hofburg holen. Derartige Vorgänge war man allerdings in Wien gewohnt, und so fand es Joseph Horba in Uebereinstimmung mit dem übrigen Personal der Firma Hollitzer gerade nicht als etwas so Außerordentliches, ohne alle Vorbereitug schleunigst nach der kaiserlichen Hofburg zitiert zu werden, ob- Wohl er sich freilich vergebens frug, was wohl der Kaiser von ihm, dem in Hofkreisen doch sicherlich

Königin von Württemberg drohten, erfährt man hier aus unterrichteter Stelle, daß es sich hier lediglich um den Versuch einer Mystifikation gehandelt hat.

Stuttgart, 7. Okt. Die selbständigen Gärtner in Württemberg, denen es bisher an einer über das ganze Land sich erstreckenden Organisation fehlte, beabsichtigen die Gründung eines württembergischen Landesverbands.

Cannstatt, 9. Okt. Die diesjährige Gemeinde- ratswahl ist auf 1. Dez. anberaumt. Die Ansetzung dieses frühen Termins läßt vermuten, daß die Ein­gemeindungsfrage nach anderer Zusammensetzung des Gemeinderals noch vor Weihnachten zu erneuter Behandlung kommen wird. Zu wählen sind 6 Mit­glieder. Von den ausscheidenden Herren sind 2 für die Bereinigung mit Stuttgart. 3 dagegen, während 1 Sitz durch Todesfall in Erledigung gekommen ist.

Gaildorf, 9. Okt. Bei der heute vorgenom­menen Stadtschultheißenwahl waren 258 Bürger wahlberechtigt, abgestimmt haben 238. Davon er­hielten Schultheiß Nietzer-Obersontheim (früher in Herrenalb und Neuenbürg) 109, Schultheiß Taxis- Unterroth 55, Natsschreiber Müller-Geislingen 39, Schultheiß Roller-Ruppertshofen 26 und Schultheiß Knabe-Mittelfischach 9 Stimmen.

Rottweil, 8. Okt. Das Schwurgericht ver­urteilte heute den früheren Bankier Wilhelm Speidel von Tuttlingen nach dreitägiger Verhandlung wegen betrügerischen Bankerotts und Dcpotunterschlagung zu zwei Jahren Gefängnis und drei Jahren Ehrverlust. Aus die Gefängnisstrafe wurden drei Monate als durch die Untersuchungshaft verbüßt in Anrechnung gebracht.

Reutlingen, 5. Okt. Das hiesige Rathaus hat eine treffliche Verbesserung erfahren; der große, einfach gehaltene Ratssaal des spätgotischen um 1850 von Rupp hübsch erbauten Hauses wurde stilgerecht nach den Wünschen der neuern Zeit verändert; eine reich­geschnitzte Holzdecke und Passende, an die Geschichte Reutlingens erinnernde Glasmalereien und ent­sprechende Bemalung überhaupt schmücken nun den schönen Raum, namentlich sind die Wappen der Städte des Schwarzwaldkreiscs, dessen Regierung sich hier befindet, und diejenigen um Reutlingen verdienter Fürsten und Bürger angebracht. Mit letzteren hat der Vers Ludwig Uhlands in seinem GedichtDie Schlacht bei Reutlingen" neue Illustration erhalten:

Dort aut den Rathausfenstern in Farben bunt und klar

Stellt jeden Ritters Name und Wappenschild sich dar.

Uhland selbst hat laut seines Tagebuchs 1811 noch die alten gemalten Scheiben gesehen und wer weiß, wie viel Anteil sie an der Entstehung seiner schönen Ballade hatten! Inzwischen waren sie verschwunden, vielleicht bei der Rathauserneuerung vor 50 Jahren. Nun sind sie aufs neue und mit ansprechenden Wappenbildern wieder erstanden, ein Schaustück für die Fremden, die seit den Lichtensteinfestspielen unser Tal häufiger besuchen.

In Rommelshausen wurden zwei Mitglieder des Veteranen- und Militärvereins wegen sozial­demokratischer Umtriebe ausgeschlossen. Der Militär­verein Wildberg wurde seitens des Präsidiums des württembergischen Kriegerbundes beauftragt, den

gänzlich unbekannten Handlungskommis Joseph Horba, eigentlich heische. Doch schon stand er jetzt vor dem erlauchten Herrscher, sich tief vor demselben verneigend, um ihn dann ehrerbietig, aber voller Spannung in das Antlitz zu schauen. Der Kaiser seinerseits betrachtete den jungen Mann voll Inte­resse und fand die Aehnlichkeit desselben mit ihm in der Tat frappant, Zug um Zug, Linie um Linie glichen sich das Gesicht des Kaisers und dassenige des jungen Mannes genau, auch das eigentümlich leuchtende Blau der Augen hatten beide gemeinsam. Nur war Joseph Horba offenbar um ein Paar Jahre jünger als der Kaiser, welcher Altersunterschied in­dessen bei dem ungewissen Scheine des hereinbrechen­den Abends nicht weiter auffiel und darum auch von Therese Mettler nicht bemerkt worden war.

Horba schien zu glauben, daß er wegen seiner Aehnlichkeit mit dem Kaiser zu demselben befohlen worden sei, und um ihm diesen Irrtum zu nehmen, setzte ihm der kaiserliche Burgherr kurz auseinander, weshalb er die Bekanntschaft des jungen Kauf­mannes zu machen gewünscht habe. Um, wie man zu sagen Pflegt, bei dem jungen Manne auf den Busch zu klopfen, frug ihn dann der Kaiser, wes­halb er den eigentlich seine Braut im Stich ge­lassen habe.

Majestät," erwiderte hierauf Joseph Horba, seinem kaiserlichen Vornamensoetter frei und offen in's Auge sehend,ich versichere auf Ehren und Gewissen, daß ich der Demoiselle Mettler gegenüber die reellsten Absichten verfolgt und bestimmt gehofft