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Neuenbürg, Mittwoch den 24. Juni 1903

61. Jahrgang.

RunSschau.

Die am 20. Juni in Gegenwart des Kaisers stattgefundene Feier der Einweihung des Kaiser Wilhelm I.-Denkmales in Hamburg hat eine be­deutsame rednerische Kundgebung des erlauchten Monarchen gezeitigt. Bei dem am Abend des ge­nannten Tages von der Stadt Hamburg gegebenen Festmahle beantwortete der Kaiser eine an ihn ge­richtete Ansprache des Bürgermeisters Dr. Burchard mit einer längeren Rede, in welcher er zunächst seinen bewegten Dank für die ihm in Hamburg gewordene begeisterte und glänzende Aufnahme bekundete und auch weiter der Stadt Hamburg für die Errichtung des Denkmales seines unvergeßlichen Großvaters seinen Dank sagte. Der hohe Redner wies dann auf die Einigung Deutschlands unter Kaiser Wil­helm I. hin und betonte, wie groß und gewaltig jene Zeit gewesen sei. Zugleich hob er aber hervor, daß auch der heutigen deutschen Generation noch eine große Zeit Vorbehalten sei und daß auch ihrer noch gewichtige Aufgaben harrten. Bestimmt drückte der Kaiser seine feste Ueberzeugung aus, daß Deutsch, land durch den Ausbau des Gebäudes, zu welchem Kaiser Wilhelm mit seinen Mithelfern den Grund­stein gelegt, noch eine fernere bedeutende Zukunft bevorstehe, nur gelte es, die in der Zukunft liegenden Aufgaben mit Hingabe aller Kräfte zu lösen. In Anknüpfung an diesen Passus wünschte der kaiserliche Sprecher, daß das deutsche Volk seinen Idealen und sich selber treu bleiben möge, dann würde ihm auch die Erfüllung aller ihm noch bestimmten Aufgaben gelingen. Im weiteren Verlaufe der Rede brachte der Kaiser wiederum sein Gottvertrauen zum er­hebenden Ausdruck und betonte im Schlußteile der­selben seine feste Zuversicht, Deutschland werde, wie Hamburg in der Welt vorneweg gehe, auf der Bahn der Erleuchtung, der Aufklärung, des praktischen Christentums vorangehen zum Segen der Menschheit und als Hort des Friedens. Er endete mit einem dreimaligen Hurrah auf die Stadt Hamburg. Man darf diese bemerkenswerte Kundgebung des Kaisers vielleicht als ein Zeichen betrachten, daß der Triumph der Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen vom 16. Juni den tatkräftigen Herrscher nicht im mindesten niedergebeugt hat, daß er vielmehr nach wie vor der unverzagten Zuversicht einer ersprießlichen und ge­deihlichen Weiterentwicklung Deutschlands lebt.

Mannheim, 22. Juni. Die hiesigen Freisinn­igen haben in einer gutbesuchten Mitgliederversamm­lung einstimmig beschlossen, in der Stichwahl zwischen dem nationalliberalen Kandidaten Reiß und dem sozialdemokraten Dreesbach für Reiß einzutreten. Im Interesse der Annäherung der verschiedenen liberalen Parteien ist dieser Beschluß der Freisinnigen sehr zu begrüßen.

Der kürzlich in Baden-Baden wiederholt ge­wählte Reichstagsabgeordnete Dekan Lender erläßt entgegen der bekannten Parole der Leitung der Zen­trumspartei in den badischen Zeitungen in Bezug auf die Stichwahl im 9. badischen Reichstagswahl- kreise (Ettlingen-Durlach-Pforzheim-Gernsbach) fol­gende Erklärung:An die verehrten Gesinnungs­genossen im 9. Reichstagswahlkreis! Auf Ansuchen nehme ich keinen Anstand zu erklären, daß nach meiner Ansicht, welche der Parteileitung keineswegs vorgreifen soll, angesichts der politischen Lage bei Stichwahlen zwischen Nationalliberalen und Sozialdemokraten die Zentrumswähler ohne Rücksicht auf die Personen Elfteren die Stimme geben können und sollen. Ich halte dafür, daß Christen sozialdemokratische Kandi­daten weder durch Stimmgebung noch Stimment­haltung unterstützen dürfen. Sasbach-Achern, 19. Juni 1903. gez. Lender." Einer Abordnung von Zentrumswählern gegenüber erklärte Prälat Dr. Lender am 20. ds. weiter, daß jeder Zentrumswähler im 10. Reichstagswahlkreis Karlsruhe - Bruchsal ver­pflichtet sei, für den nationalliberalen Kandidaten

Bassermann, sowie im Wahlkreis Pforzheim-Ettlingen- Gernsbach für Wittum zu stimmen, ein Standpunkt, den jeder, der nicht Parteifanatiker ist, teilen wird.

Frankfurt a. M., 22. Juni. Auf der heutigen Ruderregatta gewann den Germaniapreis (Wander­preis) für Achter der Berliner Ruderklub mit 6,38 b/s Minuten, der kürzesten Zeit von allen gestern und heute gefahrenen 22 Rennen. Zweiter wurde der Ludwigshafener Ruderverein mit 7 Minuten 27^ Sekunden, Dritter die Frankfurter Rudergesellschaft Sachsenhausen" mit 7 Minuten 32Sekunden. Die Berliner gewannen im ganzen 6 Rennen.

Hamburg, 22. Juni. Die feierliche Einweihung der von der deutschen Studentenschaft errichteten Bismarksäule fand gestern abend auf dem Hamberge bei Friedrichsruh unter Beteiligung von etwa 1000 Studenten von 44 Hochschulen und einer ungeheuren Zuschauermenge statt. Die Studenten begaben sich bei Einbruch der Sonnenwendnacht von Aumühle nach dem Hamberge, wo die Säule dem Fürsten Herbert v. Bismark, der eine längere Ansprache an die Studenten hielt, in feierlicher Weise übergeben wurde.

Köln, 21. Juni. Unter erhebenden Feierlichkeiten fand heute die Einweihung einer Bismarcksäule statt, die am Rheinufer bei der Alteburg errichtet worden ist. Die Uebergabe des Denkmals an die Stadt erfolgte unter einer begeisternden Ansprache des Vorsitzenden des Denkmalsausschusses, Oberlandes­gerichtspräsidenten Dr. Hamm.

Peter I. von Serbien empfing am Sonntag Vormittag die abends vorher in Genf eingetroffene Abordnung der serbischen Nationalversammlung. Die Huldigungsansprache des Führers der Abordnung beantwortete der König mit kurzen Worten, in der er seine Dankbarkeit für seine Wahl zum Herrscher Serbiens ausdrückte. Bei der Vorstellung der ein­zelnen Mitglixder der Deputation hielt König Peter I. eine zweite Ansprache, in der er namentlich seiner tiefen Genugtuung darüber Ausdruck verlieh» daß er jetzt nach 45 jähriger Verbannung in sein teueres Vaterland zurückkehren dürfe.

Der bisherige unbefriedigende Verlauf des Somali-Feldzuges für England hat weitere militärische Anstrengungen englischerseits gezeitigt, um den tollen Mullah endlich unterzukriegen. In In­dien ist eine neue Somalilandexpedition zusammen­gesetzt worden, welche aus dem 27. Pundschabregiment und 500 Mann berittener Infanterie besteht und unter dem Befehle des Generalmajors Egerton, der sich in den indischen Grenzkriegen ausgezeichnet hat, sofort nach Somaliland abgehen soll. Weitere Truppen werden in Bereitschaft gehalten.

Neapel, 22. Juni. Der Vesuv entwickelt eine lebhafte Tätigkeit. An drei Kratern zeigen sich Aus­bruchserscheinungen. Von Neapel sieht man, wie die feurigen Gesteinsmassen ausgeworfen werden'

Württemberg.

Stuttgart, 22. Juni. Die Kammer der Ab­geordneten trat heute in die Beratung des Etats der Eisenbahnen ein. Der Berichterstatter Dr. von Kiene (Ztr.) führte in langer formvollendeter Rede aus, die eingeführten Reformen bei Arbeiterfahrkarten, dem Sanitätsdienst usw. seien zu begrüßen. Er wünsche Kilometerhefte auch für 500 Kilometer und fragte, ob nach deren Einführung die Landeskarten fortbestehen sollen. Die Selbständigkeit der württ. Eisenbahnen müsse erhalten bleiben, aber gemäß Art. 43 der Reichsverfassung sollten die Mißstände auf dem Gebiet des Wettbewerbs der Eisenbahnen und die Umgehung des württ. Eisenbahnnetzes, wo­durch für uns ein Ausfall von jährlich 1 Million entstehe, endlich beseitigt werden. Die Kommission habe den Reinertrag unserer Bahnen auf 16,3 Mill. hinaufgesetzt, aber zur Verzinsung unserer Eisenbahn­schuld müssen noch für das 1. Jahr 1 Mill. und für das 2. Jahr weitere 600000 aus Steuer­mitteln aufgebracht werden. Harttmann (Vp.) hat

einen Antrag eingebracht, die Kammer der Abgeord­neten wolle die Regierung ersuchen, sich bezüglich der Ausgabe einheitlicher Kilometerhefte mit der badischen Regierung ins Benehmen zu setzen. Hauß- mann-Balingen hält eine scharfe Rede gegen Preußen, Bayern und Baden, die unseren Eisenbahnverkehr völlig boykottieren. Zwischen Bayern und Baden einerseits und der Schweiz, sowie Preußen anderer­seits müsse das reinste Komplott bestehen. Die Ver­hältnisse seien haarsträubend, es sei höchste Zeit, daß wir nun ernst Vorgehen und zwar auf Grund des Artikels 42 der Reichsverfassung, gegen welche Preußen, Baden und Bayern schwer verstoßen. Gegen diese Staaten erhebe er öffentliche Anklage, und bitte sämtliche Parteien, wie ein Mann aufzustehen und zu sagen, das kann und darf nicht so fortgehen. Der Verkehrsminister v. Soden gab eine Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben des vorliegenden Etats. Der erste Monat des laufenden Jahres habe eine Mehreinnahme von 4,7 °/o ergeben, lieber die schwebenden Verhandlungen mit anderen Staaten kann sich der Minister noch nicht aussprechen, wird aber später dem Haus Bericht erstatten. Die Um­leitungen werden z. Zt. von einer Kommission des Bundesrats näher geprüft. Staatsrat v. Balz be­schäftigt sich mit dem Stückguttarif und will Berech­nungen hierüber anstellen lassen. Die Frage betr. die Konkurrenzierung sei ein wunder Punkt, durch welchen Württemberg alljährlich um 1 Mill. ge­schädigt werde. Redner verspricht, alles zu tun, um eine Aenderung dieses Zustandes herbeizuführen. Minister v. Soden erklärt, daß der Art. 42 für Bayern nicht bindend sei. v. Geß glaubt, daß der Verwirklichung der Forderung des Art. 42 große Hindernisse im Wege stehen werden. Tauscher bittet um eine Berücksichtigung der Werkstättearbeiter, während Henning die Tätigkeit der Eisenbahntechniker kritisiert, welche Vorwürfe der Minister entschieden zurückwies. Schickhardt bringt die Mißstände auf der Zahnradstrecke der Honauer Bahn zur Sprache und bittet dringend um Abhilfe.

Stuttgart, 23. Juni. Die Kammer der Ab- geordneten setzte heute die Beratung des Eisen­bahnetats fort. Auch heute wurden noch weitere Klagen über die Umgehung Württembergs bei dem Güterverkehr von verschiedenen Rednern vorgebracht. Ein Antrag Kiene und Genossen wurde einstimmig angenommen. Derselbe besagt, die Kammer der Ab­geordneten ersucht die Regierung, das Interesse Württembergs an der gleichartigen Entwicklung des Eisenbahnwesens gegenüber den anderen Eisenbahn­verwaltungen mit aller Entschiedenheit zu verfolgen und auf eine Beseitigung der künstlichen Unter­bindung des württembergifchen Bahnverkehrs durch andere Bundesstaaten hinzuwirken. Der Antrag Hartmann wurde mit 51 gegen 18 Stimmen ange­nommen. Derselbe verlangt eine durchgreifende all­gemeine Verbilligung des Personentarifs, und wenn dies nicht möglich sei, wenigstens die Einführung von Kilometerheften in Württemberg unter möglichster Vereinbarung mit der badischen Eisenbahnverwaltung damit die beiderseitigen Kilometerhefte in beiden Ländern Geltung haben. Auch verschiedene Spezial­wünsche wurden vorgetragen. Einige Redner ver­teidigten die Beibehaltung der Landeskarten. Hier­auf wurden die Voranschläge für die Einnahmen aus Personen- und Gepäckverkehr angenommen und verschiedene Beschwerden vorgebracht bezüglich der Ueberfüllung von Wagen, während leere Personen- wagen manchmal geschlossen bleiben, ebenso über die Absperrung der Bahnhöfe bei gewissen Gelegenheiten, über das Liegenbleiben der Expreßgüter, welche über Stuttgart geleitet werden, und auch über die Nicht- berücksichtignng der kleineren Geschäftsleute bei staat­lichen Submissionen. Die Sitzung wurde um 1 Uhr abgebrochen. Nächste Sitzung Freitag nachmittag 3 Uhr.

Mit einer vierseitigen Beilage.