Ein Wort M Stichwahl!
Durch die ganz außerordentliche Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen sind wir vor eine Stichwahl gestellt. Dieselbe soll am Donnerstag den 25. Juni darüber entscheiden, ob unser bisheriger Reichstagsabgeordneter
Friedrich Schrempf
unseren Wahlkreis auch fernerhin vertreten wird, oder ob mit Hilfe der Sozialdemokratie der stets national und konservativ gesinnte Wahlbezirk an die demokratische Partei verloren gehen soll. Unser seitheriger Vertreter im Reichstag hat den Sitzungen fleißig angewohnt. Er hat durch seine wohlüberlegten und gewissenhaften Abstimmungen die Interessen seiner Wähler unabhängig nach oben und unten gewahrt. Seine Tätigkeit in den Kommissionen für das Weingesetz, für das Urheber- und Verlagsrecht, für die Bittschriften, für das Kinderschntzgesetz und für den Zolltarif hat bewiesen, daß er zur Mitarbeit an der Gesetzgebung befähigt ist. Seine Reden über die Veteranenversorgung, über den Schutz und Erhaltung der Mittelstände — insonderheit des Handwerker- und Bauernstandes — über den Schutz unseres natürlichen Butters, Weines und Honigs gegen betrügerische und gesundheitsschädliche Verfälschungen, gegen das neue Fleischbeschaugesetz, gegen Mißstände in unseren deutschen Kolonien, gegen unberechtigte Angriffe auf die Basler Mission, gegen die Mißhandlung der Deutschen in Ungarn und gegen die burenfrenndliche Haltung der deutschen Kolonialregierung wurden im Reichstag von Freund und Feind beachtet und von den christlich und national gesinnten Kreisen unseres Volkes mit dankbarem Beifall ausgenommen.
Was will man gegen Schrempf's Tätigkeit im Reichstag nun Vorbringen? Er soll in einseitiger Weise für die Interessen der Landwirtschaft eingetreten sein! Wer die Verhältnisse unseres Wahlkreises und die Lage der bäuerlichen Verhältnisse kennt, wird ihm aus seiner Haltung keinen Vorwurf machen, zumal er auch für die berechtigten Interessen unserer einheimischen Industrie, von Handel und Gewerbe volles Verständnis zeigt. Er soll bei Bewilligungen für Heer und Flotte zu nachgiebig gewesen sein. Kann und darf der demokratische Kandidat — als Reserveoffizier! — den Forderungen der Regierung mehr Widerstand entgegensetzen? Haben Schrempf und seine politischen Freunde nicht dafür gestimmt und gesorgt, daß die neuen Lasten durch die Börsensteuer, die Champagnerfteuer und die Steuer auf Pilsener Bier den wohlhabenden Kreisen auferlegt wurden. Während die Schultern der Schwachen verschont blieben. Hat die demokratische Partei nicht alle die getadelten Ausgaben des Reiches, selbst die Ausgaben für die angebliche Liebesgabe.der Großbrenner, die Zuckerprämien und die Chinaexpedition mitbewilligt?
Hätte unser Bezirk von einem Mann, der in politischer Erfahrung, in parlamentarischer Geschäftsgewandtheit und in rednerischer Schlagfertigkeit unserem seitherigen Vertreter Schrempf das Wasser nicht bieten kann, eine bessere Vertretung zu erwarten?
Wir glauben es nicht!
Ist die sogenannte Volks Partei nicht stets den berechtigten Forderungen unserer Kaufleute, unserer Handwerker und unserer Bauern gleichgiltig oder gar feindlich gegenübergestanden? Mit welcher Nachlässigkeit sind die demokratischen Reichstagsabgeordneten den Verhandlungen in Berlin Wochen und Monate lang ferne geblieben? Welch feindselige Stellung hat die „Bolkspartei" gegen unsere Viehzucht bei dem Fleischnotgeschrei des letzten Jahres eingenommen? Hat nicht der demokratische Abgeordnete Hofmann im Reichstag das Verlangen gestellt, man solle die Grenzen öffnen und ausländisches Schlachtvieh in Hülle und Fülle hereinlassen?
Wer das Großkapital, die Börse und den Auslandshandel begünstigen will, der möge sich von den glatten Worten und unerfüllbaren Versprechungen der Bolkspartei einfangen lassen.
Wer aber eine gesunde Mittelstandspolitik will, wer den Schutz der werktätigen Stände in Stadt und Land und eine
echt deutsche vaterländische Heimtspolitik
will, der arbeite in den kommenden Tagen mit Eifer und Nachdruck für die Wiederwahl unseres bewährten
Friedrich Schrempf
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Redaktion, Druck und Verlag von L. Meeb in Neuenbürg.