durch ihren Schmutz auf. Man untersuchte sie und fand, daß sie durch und durch mit Typhusbazillen verseucht waren. Es stellte sich nun heraus, daß diese Decken im südafrikanischen Kriege zur Unterlage für typhuskranke Soldaten benutzt und nach dem Frieden verkauft worden waren. Aber nicht nur die Decken an Bord des Schulschiffes, sondern noch tausend andere sind vom Kriegsamte veräußert und eine Unmenge gefährlicher Typhusherde ist damit über ganz England verbreitet worden. Wen die Schuld für dieses Vorkommnis trifft, hat sich noch nicht herausgestellt. Jedenfalls muß in der Inten­dantur eine große Liederlichkeit herrschen. Entweder hat man die Ballen mit den zum Ausrangieren be­stimmten Decken unter gesunde Ballen geraten lassen und an die Händler in gutem Glauben verkauft, oder es haben spitzbübische Beamte mit Absicht gehandelt und den Erlös in die eigene Tasche gesteckt. Man macht jetzt verzweifelte Anstrengungen, um den Ver­bleib der verkauften Decken festzustellen. Die Affäre wird zweifellos auch das Parlament beschäftigen.

New-Jork, 25. Mai. Infolge der Ausstände und Aussperrungen in New-Jork und Umgebung wird die Zahl der beschäftungslosen Arbeiter auf 200000 geschätzt.

Württemberg.

Stuttgart, 26. Mai. Die Kammer der Ab­geordneten setzte heute die Beratung des Etats des Innern bei Kap. 38, Zentralstelle für Handel und Gewerbe, fort. Zur Beantwortung der in der letzten Sitzung vorgebrachten Wünsche verschiedener Redner ergriff zunächst Minister v. Pischek das Wort zu längeren Ausführungen, in denen er auf die einzelnen Punkte näher einging und insbesondere darauf hinwies, daß die württembergische Regierung bei der Erlassung, der Ausdehnung und der Entwick­lung der Arbeiterschutzgesetzgebung im Bundesrat für die Arbeiter stets ihr möglichstes getan habe, und daß sie auch in Zukunft die Interessen der Arbeiter nicht aus dem Auge verlieren werde. Sodann sprach sich der Minister sehr entschieden gegen die von Rem- bold Aalen verlangte Widereinführung des allge­meinen Befähigungsnachweises aus, der die freie Selbstbetätigung des Handwerkes unterbinde und seine Selbständigmachung erschwere. Auch für das Bauhandwerk erklärte der Minister den Befähigungs­nachweis als kein Bedürfnis. Sehr scharf (unter lebhaftem Beifall des Hauses) antwortete der Minister später auf die heutigen Ausführungen des Abg. Keil, indem er sagte, er wisse gut, daß auf der Welt noch vieles Elend herrsche, daß für den Arbeiter noch manches zu tun sei, er wisse aber auch, daß auf keinem Gebiet so viel geschehen sei, wiS auf dem der Sozialpolitik. Solche maßlosen Uebertreibungen, eine solche vergiftete Polemik wie diejenige Keils dienen sicher nicht dazu, diejenigen, die für die Arbeiterfür­sorge alles tun wollen, zu ermutigen. Liesching sprach von einer Massenfabrikation von Gesetzen auf gewerb­lichem Gebiet und zeigte sich dadurch befremdet, daß in den Reisekosten für den Wanderlehrer bei der Gewerbeinspektion Ersparnisse gemacht worden seien, und daß dieser Wanderlehrer die Düsseldorfer Aus­stellung nicht besucht habe. Eine längere ziemlich erhitzte Debatte knüpfte sich an die Ausführungen des Abg. Käß, der der Zentralstelle für Handel und Gewerbe den Vorwurf machte, daß sie durch zu hohe Forderungen die Verhandlungen bezügl. der Errich­tung einer Gerberfachschule in Backnang zum Scheitern gebracht habe. Diesen Angriffen gegenüber wies Staatsrat von Gaupp nach, daß er von einem Scheitern der Verhandlungen erst heute etwas erfahre. Er habe geglaubt, daß die Sache nur ruhe, und er protestiere feierlich dagegen, daß es der Zentralstelle von An­fang an lediglich darum zu tun gewesen sei, die Angelegenheit zum Scheitern zu bringen. Auch Minister v. Pischek wies die der Zentralstelle gemachten Bor­würfe als unberechtigt zurück und betonte seine Be­reitwilligkeit, in weitere Verhandlungen einzutreten. Schließlich wurde Titel 1 des Kap. 38 angenommen und die Weiterberatung auf morgen vormittag vertagt.

Stuttgart, 25. Mai. (Korresp.) Man hört neuerdings mehrfach, die Bauern bekämen jetzt laut jüngst beschlossenem Zolltarif einen höheren Zoll für Weizen und Roggen, als sie ihn jemals besessen und damit wird der Vorwurf verbunden, warum die Bauern jetzt auch noch eigene Kandidaten für den Reichstag aufstellen, wobei ganz übersehen wird, daß im Tarif kein Viehzoll, kein Haferzoll und kein Hopfenzoll gebunden, d. h. für die Handelsvertrags­verhandlungen als Mindestsatz festgelegt sind. Was nun den gegenüber der Zeit von 1879/91 höheren Weizen- und Roggenzoll betrifft, so vergessen die offenen und versteckten Gegner der Bauern 3 Tat­sachen vollständig, nämlich 1) daß seit 1879 allein

in den Laplatastaaten (Südamerika) mehr als 4 Mill. Acres mit Weizen weiter bepflanzt worden sind und 2) daß die Verschiffungsgebühren für Weizen seit jener Zeit ganz kolossal gefallen sind. Damals zahlte man noch anfänglich 6 Dollar 25.20 für Verschiffung von einer Tonne 20 Zentner Ge­treide aus einem amerikanischen nach einem europä­ischen Hafen. Heute aber ist der Frachtsatz auf 1'/- Dollar 6.30 -/A pro 20 Zentner gefallen. Seit­dem sind auch Getreideexhaustoren eingeführt, die wie ein Saugheber der Küfer, aber natürlich in größeren Dimensionen arbeiten und in unglaublich kurzer Zeit das Getreide aus dem großen Seeschiff in das kleinere Flußboot herüberschaffen. Erwägt man diese Tat- sachen unparteiisch, so wird man zugeben, daß es kein unbilliges Verlangen der körnerbautreibenden Be­völkerung ist, wenn sie Zollsätze verlangt, die den wesentlich veränderten Verhältnissen wenigstens einigermaßen entsprechen.

Die ordentlichen Schwurgerichtssitzungen des II. Quartals in Tübingen sind am Donnerstag den 18. Juni 1903, vormittags 9 Uhr zu eröffnen. Zum Vorsitzenden ist Landgerichtsrat Dr. Kap ff ernannt worden.

Vor der Tübinger Strafkammer stand am 25. Mai die 74 Jahre alte Elisabeth Vatter, Lackierswitwe in Calmbach bei Neuenbürg, wegen fahrlässiger Brandstiftung. Die Frau hat, wie sie selbst zugab, glühende Asche in eine Holzkiste auf ihrem Speicher geschüttet. Dadurch wurde am 5. April das Holzwerk des Dachraumes vom Feuer ergriffen und der ganze Dachstuhl durch einen Brand zerstört. Der Gebäude- und Mobiliarschaden betrug 1900 Mit Rücksicht auf ihr hohes Alter erhielt die Vatter nur eine Gefängnisstrafe von 3 Tagen zudiktiert, dabei hat sie aber alle Kosten des gerichtlichen Ver­fahrens zu tragen.

U l m, 26. Mai. Heute früh 7 Uhr wurde dem hier in Haft befindlichen Schäfer Jakob Raach von Oberstetten und der Maurerswitwe Magdalene Schenzle von da, welche am 16. April d. I. vom kgl. Schwurgericht hier wegen gemeinschaftlich be- gangenen Mords an dem Ehemann der Schenzle zum Tode verurteilt wurden, eröffnet, daß der König durch Entschließung vom 25. d. M. erklärt habe, von dem ihm zustehenden Begnadigungsrecht keinen Gebrauch machen zu wollen und demnach die Voll­streckung der Todesstrafe zu erfolgen habe. Die Hinrichtung wird am Donnerstag den 28. Mai d. I.. früh 5 Uhr, im Hofe des Justizgefängnisses erfolgen.

Cannstatt, 25. Mai. Ein 300pferdiger Schiffs­motor mit Spiritusbetricb für die russische Marine ist vor kurzem in der Fabrik der Daimler-Motoren- gesellschaft fertig gestellt und von einer russischen Sachverständigenkommission abgenommen worden. Der Motor ist nach dem System Daimler-Loutzky gebaut; er nimmt trotz seiner hohen Kraftleistung einen sehr geringen Raum ein und man sieht hieraus, daß es nunmehr gelungen ist, die Herstellung derartiger Motoren so zu vervollkommnen, daß sie auch zur Erzeugung großer Kräfte mit Vorteil Verwendung finden können.

Eßlingen, 26. Mai. Zur Renovation des Langschiffes der hiesigen Stadtkirche sind die Arbeiten im Betrag von 81460 ^ zur Vergebung ausgeschrieben.

Balingen, 26. Mai. Nachdem erst vor 2 Jahren über die offene Handelsgesellschaft Stotz und Cie. hier der Konkurs ausgebrochen war und durch Zwangsvergleich beendet wurde, ist nunmehr gestern, nachdem Fabrikant Martin Stotz, Alleininhaber der Firma M. Stotz u. Cie, mechanische Trikotwarenfabrik, seine Zahlung eingestellt hat, das Konkursverfahren auch über diese Firma eröffnet worden. Man ver­mutet, daß die Passiven bedeutend sind.

Bietigheim, 25. Mai. Die Oelfabrik von Gottlob Weller hier ist um die Summe von 204500 in den Besitz einer Gesellschaft mit beschränkter Haft­pflicht übergegangen.

Aidlingen, 25. Mai. Vorgestern abend starb hier der ca. 20 Jahre alte Karl Weinbrenner an Blutvergiftung. Bei unvorsichtiger Handhabung einer Schußwaffe drang ihm vor ca. 2 Monaten ein Schuß in den Unterschenkel. Trotzdem der Fuß amputiert wurde, ist nun der junge Mann nach langem schweren Leiden an den Folgen seiner Unvorsichtigkeit gestorben.

Wurz ach, 26. Mai. Zwischen hier und Roß­berg wurde der Postknecht Wusch von hier von einem Radfahrer niedergefahren und erlitt eine schwere Erschütterung des Gehirns, so daß sein Leben in Gefahr schwebt.

Weingarten, 22. Mai. Der Blutritt ging heute, vom schönsten Maiwetter begünstigt, von statten. Es hatte sich eine überaus große Schar Pilger ein­gefunden. Zehn Musikkapellen waren im Zuge ver­teilt. Die Reliquie des hl. Blutes wurde von Vikar

Bürkle, umgeben von einer berittenen Ehreneskorte zu Pferd, der Verehrung ausgesetzt. Die Zahl der Reiter war eine ungewönlich große. Trotz des ge­waltigen Andrangs von gegen 40 000 Menschen und weit über 500 Pferden, kam nicht der geringste Un­fall vor. Bei Eintritt der Dämmerung wurde die Lichtcrprozession auf dem nahen Kreuzberg gehalten, wobei die Stadt und der Berg sinnreich illuminiert war.

Stuttgart. iLandesprodultendörjey Bericht vom 25. Mai von dem Vorstand Fritz Kreglinger. In der abgelaufenen Woche herrschte an den Getreide­märkten für Weizen ruhige Stimmung bei unveränderten Preisen. Für greifbare Ware besteht indessen fortgesetzt gute Kauflust. Mchlpreisep. 100 Kg inkl.Sack: MehINr. 0:28 so ^ bis 29 ^ Nr. 1: 26 ^4 50 ^ bis 27 ^

Nr. 2: 25 bis 25 50 ^», Nr. 3: 23 50^.

bis 24 Nr. 4: 20 -a so ^ bis 21

Suppengries 28 SO ^ bis 29 Kleie 9 ^<4

Letzte Nachrichten u. Telegramme.

Danzig, 26. Mai. Der Kaiser ist heute nach­mittag kurz vor 6 Uhr zum Stapellauf des Linien­schiffes 4 hier eingetroffen.

Kiel, 26. Mai. (Hüssener - Prozeß.) Es wurden die Aussagen des Kapitänleutnants Kueset verlesen, in dessen Kompagnie Hüssener eingestellt war. Hwtmch mar Hüssener bei seinen Kameraden wenig beliebt und als ein jähzorniger, unberechen­barer Charakter bekannt. Bezüglich der Behandlung von Untergebenen und des Benehmens auf Urlaub, besonders in den Jndustriebezirken, sei verschiedentlich instruiert worden. Ob Hüssener diesen Instruktionen beigewohnt habe, sei nicht bestimmt festzusteüen. Hüssener ist dies nicht erinnerlich. Auch von einer Instruktion, betr. die Behandlung von Betrunkenen, will er nur wissen, daß dieselben mit Vorsicht zu behandeln seien. Auf die Frage des Verhandtungs- führers Tamaschke sagt Hüssener, daß er es nicht anders gewußt habe, als daß, wenn er die Waffe ziehe, diese auch als Waffe gebraucht werden müsse. Wenn er gesagt habe, es müsse auch Blut fließen, so habe er damit gemeint, daß er den Arrestan­ten verletzen, nicht töten könne. Der Angeklagte macht auf Anregung de Bary's die Bewegungen nach, die er bei dem Toten gemacht hat. Aus dem im weiteren Verlauf der Verhandlung ver- lesenen Sektionsprotokoll geht hervor, daß der Tod infolge des von Hüssener mit dem Dolche geführten Stoßes erfolgte, und daß keine Anzeichen von über­mäßigem Alkoholgenuß und Erbrechung vorliegen. Hüssener erklärte auf Befragen, er habe nicht geglaubt, daß der Stich Hartmann habe töten können. Er habe den Fliehenden nur so verletzen wollen, daß es ihm unmöglich gewesen wäre, weiter zu laufen. Der Ankläger beantragte eine Strafe von 6 Jahren Zuchthaus und Ausstoßung aus der Marine.

Kiel, 26. Mai. Hüssener ist wegen Unge­horsams gegen den Dienstbefehl betreffend die Hand­lung betrunkener Untergebener und wegen Körper­verletzung mit tödlichem Ausgang zu 4 Jahren 1 Woche Gefängnis und Degradation verurteilt.

Bremen, 26. Mai. In einer heute abgehaltenen Versammlung der Maler-, Tischler-, Glaser- und Dachdeckermeister wurde mit überwiegender Majorität beschlossen, sich dem Beschlüsse der Maurer- und Zimmermeister auf Aussperrung sämtlicher Arbeiter anzuschließen und sämtliche Arbeiter am Samstag den 30. Mai zu entlassen, falls die Klempnergesellen bis dahin die Arbeit nicht wieder ausgenommen haben.

Paris, 26. Mai. Deputiertenkammer. Congy (ntl.) richtet eine Anfrage an die Regierung betr. die Automobilfahrt Paris-Madrid. Ministerpräsident Combes erwidert, er habe seine Genehmigung zu dem Rennen erteilt, weil die Antragsteller sich auf die berechtigten Interessen der französischen Industrie beriefen. Die Unfälle seien nicht dem Mangel an Vor­sichtsmaßregeln zuzuschreiben, sondern lediglich der Schnelligkeit. Die Regierung sei nicht geneigt, ein neues Experiment zu gestatten. Jedoch sei es nicht erforderlich, daß die Kammer äußerste Maßregeln beschließe, unter dem Vorwand, daß es sich um den Schutz von Menschenleben handle. Combes fügte hinzu, wenn die Automobil-Gesellschaft Schnelligkeits­proben ansteüen wolle, so müsse sie dies auf einer ihr gehörigen Rennbahn tun. Die Kammer müsse darauf bedacht sein, die öffentliche Sicherheit und das Interesse der Industrie zu wahren. Nach kurzer Er­örterung wird die von Combes erbetene einfache Tagesordnung angenommen.

Arras, 26. Mai. Bei einem Feuer, das gestern bei einem Hochzeitsmahl auf der hiesigen Zitadelle durch Umfallen einer Petroleumlampe entstand, sind 3 Frauen ums Leben gekommen. Die Zahl der Verletzten beläuft sich auf 27, wovon 8 sehr schwer verletzt sind.

Hiezu zweites Blatt. EWA