Irrtum zu bekehren, daß es möglich sei, durch Widernatur und Unnatur zu verbessern, was die Natur hervorgebracht habe. Mit einem Appell an die Männer, die Reform zu unterstützen, schloß die Vortragende ihr mit lebhaftem Beifall aufgenommenes Referat. — Die Ausstellung der Reformkleider war nach dem Bortrage dem allgemeinen Besuche zugänglich.
Tübingen, 28. März. Der letzte Schwur- gcrichtsfall, der gestern zur Verhandlung stand, betraf eine Anklage gegen den Bauern Ehr. Friedr. Mayer von Neckarthailfingen O.A. Nürtingen und dessen Sohn Friedrich Mayer wegen Meineids. Die Angeklagten hatten in einem Prozeß wegen Jagdvergehens gegen ihren Nachbar, den Bauer Aug. Bauer, mit dem sie in Feindschaft lebten, vor Gericht zeugeneidlich ausgesagt, sie hätten ihn am Sonntag die Jagd ausüben sehen. Da Bauer sein Alibi Nachweisen konnte, erfolgte die Anklage gegen die Zeugen wegen Meineids. Die Beweisaufnahme gab jedoch nicht genügend Material zu einer Ueberführung der beiden Mayer, weshalb ein freisprechendes Urteil erging.
Tübingen, 2K März. Von der Strafkammer wurde der 21jährige aber schon vielfach vorbestrafte Kaufmann Georg Danzer von Burgberg O.A. Heidenheim, der bei einem seiner Bettelgänge einem Gold- arbeiler in Conweiler OA. Neuenbürg eine Taschenuhr mit Kette und eine Tabakspfeife gestohlen hatte, zu einer Gefängnisstrafe von 4ffr Monaten verurteilt.
Kirchberg a./J., 28. März. Gestern abend fuhren Stadtschultheiß R. und sein Assistent K. von Leuzendorf her der Heimat Kirchberg zu auf einem einspännigen Fuhrwerk. Bei der Bahnüberbrückung in Roth a./S. scheute das Pferd und raste davon; die Insassen wurden herausgeschleudert, Stadtschultheiß R. brach den linken Arm, sein Assistent kam mit einigen leichten Verwundungen an den Händen davon. Der Knecht wurde eine zeitlang geschleift, konnte sich zwar wieder erheben als er frei war, hatte aber das Bein verrenkt, und war infolge schwerer Verwundungen an Kopf und Hals längere Zeit in Roth a./S. bewußtlos und mußte in das hiesige Krankenhaus geführt werden.
klus StaSt» Bezirk uns Umgebung.
Eine Schulstelle in Neuenbürg wurde dem Schullehrer Weidle in Sulgau übertragen.
Altensteig, 28. März.- Zu dem jüngsten Wirtshaushandel wird uns mitgeteitt, daß der Käufer des Schindelgefährtes es nicht auf einen Prozeß hat ankommen lassen. Im Wege der Vermittlung zahlte er an den Verkäufer eine Buße von 30 und letzterer nahm sein Gefährt zurück.
Pforzheim, 29. März, Mit Cyankali ver- giftet hat sich am Freitag Abend der im 61. Lebensjahre stehende, in guten Vermögensverhältnissen befindliche Bijouteriefabrikant Joh. Heinrich Müller, hier. Motiv: Unheilbare Krankheit.
vermischtes.
Aerztliche Mission.
Der Gedanke der ärztlichen Mission, den Menschen nicht nur innere, sondern auch äußere, leibliche Hilfe zu bringen, ist so alt wie das Christentum selbst. Von Jesu berichten die Evangelien, daß er predigte und allerlei Seuche und Krankheit im Volk heilte. Seinem Beispiel folgten die Llpostel als die ersten Sendboten des Evangeliums nach Maßgabe der ihnen verliehenen Gaben und Kräfte. Bald jedoch schwand in der Christenheit der Missionseifer und damit auch das Verständnis für die ärztliche Mission. Erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts zeigte sich wieder neues Leben. Damals wirkte Dr. Thomas mehrere Jahre im Segen als Missionsarzt an der Seite Careys, des Bahnbrechers der indischen Mission. Bald darauf verband sich Dr. Morrison, der Apostel Chinas, mit dem Arzt Dr. Livingstone zu gemeinsamer Missionsarbeit in der portugiesischen Kolonie Makao, nahe der chinesischen Küste. Seit 1827 stellte auch der deutsche Arzt und Missionar Gützlaff von Tientsin aus seine ärztliche Kunst in den Dienst der Mission.
Schnell brach sich nun in England und Amerika die Ueberzeugung Bahn, daß die Heidenländer durch die ärztliche Mission am wirksamsten für das Evangelium erschlossen werden könnten. Die dortigen Missionsgesellschaften ließen sich deshalb die sorgfältige Aus- bildung von Missionsärzten ganz besonders angelegen sein. Der erste Misssonsarzt, Dr. Parker, wurde im Jahre 1853 nach China ausgesandt. Heute steht eine Schar von 500 Missionsärzten an der Arbeit, dazu 220 Aerztinnen, die namentlich in der indischen Frauen- und Senanamission thätig sind. Außerdem sind 380 Mlssionsspitäler im Betrieb, in denen jährlich gegen 90000 Kranke verpflegt werden. Die Zahl der vorübergehend behandelten Kranken stieg im Jahr 1901 auf 2397000! Welche Fülle menschlichen Elends, aber zugleich auch erbarmender christlicher Nächstenliebe schließen diese Zahlen ein!
In Deutschland ist die Notwendigkeit der ärztlichen Mission erst in neuerer Zeit erkannt worden. Im Jahr 1898 trat der „Verein für ärztliche Missionin Stuttgart ins Leben. Er möchte das Verständnis für den Segen der ärztlichen Mission in weiteren Volkskreisen, vor allem unter den jungen Medizinern wecken und die Mittel für die Ausbildung von Missionsärzten, sowie für die Erbauung von Missions- spnälern aufbringen helfen. Schon ist mit seiner Hilfe in Bonaku (Kamerun) ein Missionsspital um 40 000 ^ erbaut worden. In Indien konnte die ärztliche Station Kalikut erweitert und eine zweite Station in Beltigeri errichtet werden. Ein weiteres Missionsspital giebt im fernen China, in der Stadt Kayintschu, Kunde von seiner rastlosen Thätigkeit zur Linderung des Kcankenelends in den Heidenländern.
Wendung der K. Regierung beim Herrn Reichskanzler für die Zulassung der Bittstellerin zur ärztlichen Vor- und Staatsprüfung in Württemberg. Der Minister des Innern, v. Pischek, sagte eine nochmalige Befürwortung dieser Bitte beim Reichskanzler zu, nachdem letzterer dieselbe erstmals abschlägig beschieden hatte. Eine lebhafte Debatte knüpfte sich an diesen Gegenstand der Beratung. Alle Redner sprachen sich für den Kommissionsantrag aus, die Eingabe der Regierung zur Berücksichtigung zu übergeben. Kanzler v. Schönberg rechtfertigte die Haltung der llniversiät Tübingen gegenüber der Bittstellerin und wies durch ein überzeugendes Beispiel die Behauptung Hildenbrands zurück, daß niemals Fortschritte auf dem Gebiet der Sozialpolitik gemacht worden wären, wenn sie von Universitätsprofessoren hätten ausgehen müssen. Haußmann-Balingen warf der medizinischen Fakultät in Tübingen falsche Schamhaftigkeit vor, weil sie sich für die Trennung der Vorlesungen für weibliche und männliche Zuhörer ausgesprochen hatte, und beantragte schließlich namentliche Abstimmung über den Kommisstonsantrag, damit der Reichskanzler wisse, welche Mehrheit hinter dem Antrag stehe. Diese Abstimmung ergab die Beschlußunfähigkeit des Hauses. So mußte nach 4 ständiger Beratung die Weiterberatung auf Dienstag nachmittag vertagt werden. Auf der nächsten Tagesordnung steht auch die Beratung des Etats des Innern. Außer den genannten Abgeordneten haben noch an der Debatte teilgenommen die Abgeordneten Sommer, Betz, Galler, Rembold-Aalen, Keil, v. Kiene, Nieder und Prälat v. Sandberger.
Heidenheim, 28. März. Der volksparteiliche Abg. Kommerzienrat Hähnle hat die Kandidatur für die bevorstehende Reichstagswahl entschieden abgelehnt.
Stuttgart. Ueber Reformfrauenkleidung sprach Montag Abend im Vortragssaale des Landesgewerbe- museums die Vorsteherin der Frauenarbeitsschule des Schw.FrauenvereinsFrl.Ries. Die „konstruktive" Frage sei der Ausgangspunkt der ganzen Bewegung gewesen. Dies müsse gegenüber den Behauptungen betont werden, daß sie nur eine Modeströmung sei. Für die konstruktive Frage könne nur Ausschlag gebend sein der Frauenkörper selbst. Die Rednerin zeigte nunmehr an Tafeln, die von Prof. Dr. Fetzer zur Verfügung gestellt worden waren, das Gesundheitswidrige des Tragens des Korsetts. Sie wies daraus hin, daß die Möglichkeit, die Kleider auf den Hüften zu tragen, nur darauf beruhe, daß die Frauen sich zusammenschnüren und daß die naturgemäße Stelle, wo die Kleider getragen werden können, der Schulterring sei. Den Klagen über Schmerzen infolge Tragens der Reformkleidung gegenüber sei zu bemerken, daß die Muskeln des Oberkörpers, die geschwächt seien, an Kraft zunehmen. Viele schrecken aus ästhetischen Gründen vor der Reformkleidung zurück. Es bedürfe aber sicher nur einer Vertiefung, um alle von dem
Jungfer Elstern.
Von K. Kscherich.
(Nachdruck verboten.'!
Blutenburg. Welche Erinnerungen steigen nicht auf bei diesem Namen. Von hier aus bis Alling zog sich einst die mörderische Schlacht, von der Augenzeugen berichteten, daß das rote Blut der Kämpfenden, wie in Bächen über dem Boden rieselte. Noch soll der Name des Schlößleins daher stammen, oder auch davon, daß die Blüte der Ritterschaft allda zu Tode kam. Andere haben den Namen von den vielen duftenden Blüten der dortigen Bäume und Wiesen ableiten wollen — vielleicht auch ließe das eine sich mit dem anderen verbinden, besser gesagt: das reichliche Blühen sich auf das reichlich vergossene Blut zurückführen: Blut ist ja ein besonderer Saft! Doch wie dem auch sei, einmal hat eine Menschenblüte hier gelebt, süß und wonnig, wie kaum eine ihrer holden Blumenschwestern.
Das war Jungfer Elslein, des Blutenberger Haushofmeisters Kind. Die konnte so herzlich lachen, und so lustig plaudern mit den Schwänen, die Herzog Siegmund in der Würm hegen ließ. Aber sie konnte auch zürnen und wild blicken, zumal wenn Herzog Wolfgang nach Blutenburg kam, seinen herzoglichen Bruder zu besuchen. Denn immer suchte der junge Herr Gelegenheit, Jungfer Eislein zu treffen und niemals versäumte er, ihr sein Wohlgefallen sehr unumwunden auszudrücken.
Ihr aber war leidig seinen Schmeichelworten lauschen zu müssen, denn ihr Herz fand keine Freude an dem vornehmen Herrn.
Es schlug ja längst Einem, der aus viel minder hohem Geblüt und auch nicht allzureich mit Glücksgütern gesegnet war. Aber Hartwig's treuehrliche
Augen und der milde Klang seiner Stimme schufen ihr mehr Zutrauen, als des Herzogs Hermelin- verbrämter Fürstenmantel.
Freilich war Hartwig arm und ihr Vater streng, so war keine Aussicht auf fröhliche Zukunft.
Einst da Elslein zwischen den grünen Himbeersträuchern am Rand der Würm saß und eben ein Maßliebchen im alten Schicksalsspiel zerpflückte: „Er liebt mich! — er liebt mich nicht! — er liebt mich!" Da kam wieder Herzog Wolfgang und als er sie von Weitem erschaute, ritt er von der Straße über die Wiese her, sprang ab, band sein Pferd an den nächsten Baum und wollte sich eben mit fröhlichem: „Grüß Gott!" neben Elslein ins Gras werfen, als diese aufsprang.
„Guten Abend, Herr!" sagte sie kühl, in dem sie sich das krause Haar aus der Stirn strich.
Den Herzog verdroß ihr herber Ton. „Hast Du keinen freundschaftlicheren Empfang für mich?"
Sie aber schüttelte den Kopf: „Was soll Euch mein Gruß,der Ihr fürstlichen Willkomm s sicher leid?"
Herzog Wolfgang zog die Stirn in Falten: „Ich Hab' mehr Freude an Deinem Lachen, denn an dem meines Bruders!"
Wie sie ihm keine Antwort gab und nur ernst mit den großen Kinderaugen in's Weite schaute, mochte er sie noch begehrenswerter finden, denn je. „Ich Hab viel an Dich gedacht, auch da ich nicht hier war."
Sie lachte spöttisch: „Aber ich nicht an Euch!"
Da ward Wolfgang ärgerlich. So sollst Du künftig an mich gedenken, sei Dir's zu Lust oder Leid!" und er wollte nach ihr greifen.
Sie aber entwischte ihm und sprang barfüßig, wie sie war behend durch die Würm, wußte sie doch genau die seichte Stelle, wo die Schwäne nur umher
gehen und nimmer schwimmen konnten. So schmal er war, so vertraut war ihr der Ort. So kam sie, ohne daß auch nur der Saum ihres Röckteins feucht geworden, hinüber. Der Herzog aber, unkundig der Gelegenheit, mußte Wohl oder übel Zurückbleiben, wenn er nicht vor seinem Bruder in nassen Kleidern erscheinen wollte.
Droben am spitzbogigen Burgfenster stand indessen Herzog Siegmunb uno schaute wohlgefällig lachend auf das enteilende Mädchen. „Tapfer ist sie und brav!" murmelte er, „sie soll ihren Lohn haben." —
Wie er Elslein wieder im Hof traf, hielt er den Schritt an: „Haft Du einen Wunsch?"
Sie sah verwundert zu ihm aus: „Viele!"
„Und der größte?" flug er wieder.
Da sann sie eine Weile nach, dann ward sie feuerrot und lief davon, wie ein gehetztes Reh. Dieweil sie aber ganz achtlos dahinrannte, so flog sie mit aller Gewalt in des, eben über den Hof gehenden, Hartwig's Arme; also daß sie an seiner Brust lag, sie mochte wollen oder nicht.
Bis sie sich aufgerafft, kam auch Herzog Siegmund herbei. „Ich meine, es sei ein Gottesordal, oder willst Du Dich vor dem Hartwig auch wieder durch die Würm flüchten?"
Sie aber schüttelte bestimmt das flechteubeschwerte Köpflein: „Nein!"
Da ernannte Herzog Siegmund den Hartwig zu seinem Schwanenfütterer und schuf also das Glück des jungen Paares. Herzog Wolsgang aber, soll der Braut einen silbernen Becher in Form eines Schuhes als Hochzeitsgeschenk verehrt haben, auf daß sie niemals m die Lage kommen sollte, mit bloßen Füßen die Flucht ergreifen zu müssen.
Anmerkung: Die Geschichte spielt im IS. Jahrhundert und ist das Schlößlein Blutenburg i - Stunden von München außerhalb Nimpfenburg gelegen.