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Knirschen flußabwärts. Zur Vorsicht ist die Feuerwehr alarmiert worden, doch ist zunächst noch keine unmittelbare Gefahr vorhanden. Auf der Brücke verfolgt eine große Menschenmenge das interessante Naturschauspiel.
Plochingen, 17. Dez. Nachdem sich hier bereits gegen Mittag das Eis im Neckar in Bewegung setzte, kam es zwischen 4 und 5 Uhr bei Altbach gleichfalls in Gang. Die dort befindliche Holzbrücke konnte nicht genügend Widerstand leisten und wurde teilweise weggerissen.
Ausland.
Der vergangene Sonntag hat in Frankreich wieder einige Ministerreden gezeitigt. In Cherbourg hielt der Marineminister Pelletan eine im allgemeinen friedlich angehauchte Politische Banketrede, denn er führte in derselben ans, sein Ideal würde es sein, alle Völker solidarisch und befreundet zu sehen. Allerdings hielt es dann Herr Pelletan für nötig, der vaterländischen Gloire eine kleine Konzession zu machen, er betonte, wie er trotz dieses seines Ideals wohl wisse, den Erfordernissen der Machtstellung Frankreichs gerecht zu werden und daß er daher alles thnn Werde. Was das höhere Interesse und die Ehre der französischen Fahne erheische. Am selben Tage sprach der Kriegsminister General Andre in Luneville, wo er an der Enthnllungs- feier des Denkmales für den Schriftsteller Erck- mann beiwohnte. Nicht weniger als drei Ansprachen hielt General Andro bei dieser Gelegenheit, sie waren bedenklich chauvinistisch gefärbt. Dies gilt namentlich von seiner Rede bei dem Einweihungsakte selbst, denn mit deutlicher Anspielung auf den Revanchekcieg gegen Deutschland schloß Andrö diese Kundgebung mit dem Ausdruck der Erwartung, daß die heutigen Lothringer ebensowenig den Mut sinken lassen würden, wie die von Erckmann geschilderten Lothringer Arbeiter und Landsleute, die in deu Verteidigungskampf Frankreich gegen die verbündeten Mächte zogen. Abends hielt Andre eine Banketrede, in welcher er sein Vertrauen aussprach, daß die Truppen des Ostens ihr Gebiet gegebenen Falles gegen den Feind zu verteidigen wisse» würden. Im weiteren erklärte der Kriegsminister in letzterer Rede, daß er es sich angelegen lassen sein würde, das Los des gemeinen Soldaten zu verbessern.
Zum Konflikt mit Venezuela ist zu bemerken, daß die Nachrichten über die Haltung Castros sich widersprechen. So meldet „Reuters Bureau" aus Caracas, Castro habe neuerdings eine andere Haltung angenommen und angeordnet, daß die Repressiv-Maßregeln eingestellt und der britischen und der deutschen Bahngesellschaft ihr Eigentum zurückerstattet werde. Andererseits scheint Castro versuchen zu wollen, ob es ihm nicht durch Aufhetzen der Gläubiger Venezuelas gegeneinander gelingt, die Mächte zu bestimmen, daß sie Deutschland und England in den Arm fallen.
New - Ä) ork, 17. Dez. Nach Berichten aus Süd- und Mittelamerika besteht bei den verschiedenen Republiken einmütig die Absicht, sich an dem gegenwärtigen Streit mit Venezuela nicht zu beteiligen.
New-Aork, 17. Dez. Einem Telegramm des „NewPork Herald" aus Port of Spain (Trinidad) zufolge stellte der Agent der venezolanischen Aufständischen in Abrede, daß diese sich mit Castro gegen die verbündeten Mächte verbunden hätten. Er erklärte, die eingegangenen Berichte meldeten, daß die Aufständischen die Regierungstruppen bei Guiria und später bei EI Chico geschlagen hätten, wo letztere vollständig zersprengt worden seien. Ebenso wird berichtet, daß 6000 Aufständische auf Caracas zu marschieren.
Washington, 17. Dez. Es ist nicht mehr wahrscheinlich, daß amerikanische Kriegsschiffe nach La Guayca abgeschickr werden, da man fürchtet, daß ihre Anwesenheit den verbündeten Mächten Verlegenheit bereiten und Castro ermutigen könnte.
Auf dem Schießplätze in Havre werden gegenwärtig, wie aus Paris gedrahtet wird, Schießversuche mit einem Riesengeschütz von 15 m Länge und einem Gewicht von 42000 kg angeftellt. Das Geschütz schleudert
ein Geschoß von 600 kg Schwere auf Ent- fernungen von 18 kin. Es ist dies das einzige bisher in solchen Dimensionen existierende Geschütz.
Paris, 12. Dez. Die Vorlesungen über neuere deutsche Literatur, die Dr. Benignus in deutscher Sprache an der Sorbonne unter starkem Andrange der Studentenschaft — er hatte 300 Zuhörer am ersten Tage — eingerichtet hat, sind die ersten, die in einer fremden Sprache an der Pariser Universität gehalten werden. An deutschen Universitäten sind französische, englische, italienische u. s. w. Lektoren schon lange erfolgreich thätig.
New-Jork, 17. Dezbr. Der Milliardär Rockfeller stiftete 2',s Millionen Dollars für die Universität Chicago.
MnterHirltender Teil.
Besiegt.
Weihuachtsgeschichte von S. H a l in.
(Nachdruck verboten?)
Herr Seibold schüttelt sich. „Wollen Sie wirklich dahinein?" fragt er die Begleiterin.
„Wenn all die Leute Tag für Tag, Jahr für Jahr darin leben und atmen; so vermag ich's Wohl für eine halbe Stunde zu ertragen."
Die Antwort hat nicht sehr freundlich geklungen, der reiche Mann aber nimmt sie schweigend hin, begleitet die junge Dame bis zur Thür, vor der der Junge, Hampelmänner und Eßwaren im Arme, schon ungeduldig wartend steht, und erklärt ihre Rückkunft abwarten zu wollen.
Pfui! Wie die eklen Düfte seine verwöhnte > Nase beleidigen, wie endlos, ewig — lang ihm! die 20 Minuten Wartezeit erscheinen!! Franz ^ Ferdinand Seibold schilt sich einen sentimentalen ! Narren, einen inconsequenten Bühnenhelden, dem ; ein Weiberrock alle Prinzipien über den j Haufen stößt. !
„Na haben Sie nun genug?" poltert er j denn auch, als Dela endlich wieder neben ihm steht.!
„Sie hätten ja nicht zu warten brauchen" ! klingt es kühl zurück und dann wärmer: „Sie! hätten allerdings besser gethan, sich an der s Freude der armen Frau zu sonnen." ;
„Danke, danke!" knurrt der alte Herr eine i abwährende Geste machend und dann diesen - Punkr weiter gar nicht berührend, auf ihre erste j Bemerkung zurückkommend, halb ingrimmig halb ! seltsam weich. §
„Glauben Sie, ich werde Sie hier in diesem > Spelunkenviertel allein, in der Dunkelheit umherspazieren lassen? Eine alleinstehende Dame sollte sich derartige Liebhabereien überhaupt ab- ! gewöhnen, wissen Sie das auch?" >
Das klingt etwas seltsam in dem Gemisch ; väterlicher Besorgnis und gemachter Barschheit; l Dela aber achtet nicht darauf. Das „alleinstehende" hat ihr zu denken gegeben.
„Woher wissen Sie?" beginnt sie gedehnt.
„Ach so!" macht Seibold. „Da hätten wir ja gleich die diplomatische Anknüpfung" denkt
er schmunzelnd, sagt aber laut: „hm-na,
wissen Sie — — hm — ich könnte ja wäh- i
rend Ihres Samariterwerkes da-vielleicht
ans dem nächsten Polizeiamt nachgeforscht haben. Neugierig genug bin ich ja dazu, meinen Sie nicht auch?" fragt er sie grimmig lächelnd, anblinzelnd.
Delas feines Gesicht trägt einen verdutzten, nachdenklichen Ausdruck. Eine Ahnung kommt ihr, daß sie diesem Herrn Franz doch nicht so ganz fremd sei, als sie gedacht.
„Wenn Sie mir vielleicht erklären wollten." i . . . sagt sie zögernd, ohne auf seinen Scherz! mit dem Polizeiamt einzngehen.
„Ach so" macht Seibold schmunzelnd, „Sie glauben mir nicht? Na etwas Wahres war doch dran. Ich war nämlich auf dem Wege zum Polizeiamt."
„Meinetwegen? Aus reiner Neugier doch Wohl kaum?"
„Na bei Gott nicht! denn Pardon für meine Ehrlichkeit, aber mir lag gar nichts an Ihrer Bekanntschaft — und ich kannte Sie ja gar nicht."
„Ich verstehe noch immer nicht ... ."
„Ja liebes Kind da war eben ein anderer."
„Dem lag an einer Polizeilichen Auskunft
über mich?" fragt Fräulein Rother sehr erstaunt und etwas indigniert.
„Na na so schlimm wars nun nicht! Mir lag nur an Ihrer Adresse. ..."
„Und dem — — andern?"
„Kind Sie sind der reine Detektiv. Na ich seh s schon mit meinen diplomatischen Anlagen ist's Essig. Also zur Raison bringen wollt ich
Sie und statt dessen — ha ha-haben
Sie mir den Kopf gewaschen. Na warum sagen Sie denn gar nichts? Sind Sie etwa noch nicht mit Ihrem Erfolg zufrieden Sie Teufelskröte? Ich sage Ihnen, es ist gut, daß meine Herren Kommis und Arbeiter nicht gesehen haben, was Sie aus mir gemacht haben. Denn vor solchem Troddel könnte die Sippschaft ja keine Raison mehr haben." Er hat sich breit, dicht vor sie hiugepflanzt.
„Ist Ihnen die Zunge davon gelaufen, Töchterchen? Denn das werden Sie mir ja nun doch, das weiß ich, ob ich will oder nicht: Sie setzen s durch! Gott gnade dem Reimar — — kommt der aber unter den Pantoffel! Armer Kerl!!"
Dela hat's ja schon seit etlichen Minuten gewußt, wen sie vor sich hat, aber erst die Nennung des geliebten Namens giebt ihr ja die glückverheißende Gewißheit.
Sprechen kann sie nicht, nur sich hinabbeugen auf die Hand, die sich ihr hinstreckt und sie küßen, wortlos, dankbar. Eine Thräne fällt auf den Handschuh. Fühlen kann Herr Franz Ferdinand sie nicht, aber er sieht eine Nachfolgerin in Delas Wimpern glänzen.
Da schaut er vorsichtig die nur schwach beleuchtete, stille Straße hinauf und hinunter und zieht die nicht mal widerstrebende Gestalt an dis mächtige Brust. „Den Kuß Hab ich mir doch verdient, was? Schon um meiner Manierlichkeit von vorhin ha ha ha" und Dela stimmt mit ein. „Hat die eine Stimme wenn sie lacht!" denkt Seibold entzückt. „Na, so eine Lachtaube kann mein Haus gerade brauchen;" laut aber sagt er: „So jetzt aber marsch mit mir! Sonst fehlte dem Reimar doch noch das beste Weihnachtsgeschenk."
MermifchLes
Vom Hegau, 16 . Dez. Ein nettes Stücklein eines Schlaumeiers wird aus der Bodenseegegend berichtet. Einem „Seehasen" wurde in jüngster Zeit über Nacht von seinem im Freien liegenden Scheiterhaufen Holz gestohlen. Er gab nun einem der größten Scheiter eine Pulverladung. Und siehe da! Nach wenigen Tagen fand im Nachbarhause eine Explosion statt. Es hatte, wie es hieß, wegen Ueberheizung den Kochherd auseinandergerissen. Der Bestohlene ist heute noch anderer Meinung.
(Bravo, Placke!) Dem Reichstagsabgeordneten Placke ist von einem unbekannten Verfasser folgendes Gedicht zugegangen :
Es haben viele gedacht in deutschen Gauen:
„Kan", man dem Kerl nicht eine hincinhauen?" War es auch nicht ganz parlamentarisch,
Trifft es die Stimmung doch exemplarisch. —
Solch treffendes Wort kann nur dem entfahren,
Der Courage bewiesen in jungen Jahren,
Seinen Mann gestanden in blutiger Schlacht,
Seine Schuldigkeit that aus einsamer Wacht.
Bravo, Placke! Du meintest nicht dabei,
Daß der Reichstag ein wüster Raufplatz sei;
Du fühltest nur ein Zucken in Deiner Rechten, Meintest gegen Baterlandsfeinde zu fechten,
Wie Du einst gethan, wie die Kunde preist,
Als Ihr das Reich mit teurem Blute geschweißt, Als Du, heiliger Pflicht bewußt,
Dir das Kreuz erwarbst auf der pochenden Brust. Bravo, Placke! Das war ein Wort,
Bravo, Placke! So immer fort,
Und hält die Partei es auch nicht für taktisch,
Keile sind meistens unendlich praktisch,
Nicht Worte, 's sind Thaten,
Zieren alte Soldaten,
Die kaum es begreisen Warum sie verkneifen. —
Zur Attacke — dort schau ihn Den Feind und dann hau ihn. —
fLnkuuk korriblo.j Tante (die im Begriffe ist abzureisen): „Wenn ich nur nicht den Zug versäume!" — Der kleine Hans: „O nein, Tante! Der Papa hat die Uhr schon eine halbe Stunde vorgerückt!" („Fl. Bl.")
Redaktion, Druck und Verlag von C. Mech in Neuenbürg.