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Sonnenbestrahlt liegt das kurze Dichterleben da, von der Wiege, die im schönen Stuttgart stand, bis zum Grabe, das ihn am 19. Nov. 1827 ebenfalls in der heitern Hauptstadt des herrlichen Schwabenlandes aufnahm.
Derjenige deutsche Stamm, der ob seiner Liebesgabe bekannt und berühmt ist seit ältester Zeit, dem unsere teuren, sangesfrohen Hohenstaufenkaiser entsprossen, der uns einen Kepler, einen Wieland. Schiller, Uhland, Schelling, Hegel, einen Gustav Schwab und so viele andere bedeutsame Dichter und Denker gab, hat uns auch dieses reiche, liebenswürdige Talent geschenkt. Nachdem Hauff sich auf der Lateinschule von Tübingen und der Klosterschule in Blaubeuren aus das akademische Studium vorbereitet, bezog er, achtzehn Jahre alt, die Universität Tübingen, auf der er sich der Theologie und besonders eifrig der Philosophie und Philologie widmete. Er war von Körper nur schwächlich, aber schönen Antlitzes, und aus seinen großen blauen Augen lachte Geist und Leven, Heiterkeit und Frohsinn. Die Ideale jener Zeit, die damals alle edlen Jünglinge und Männer begeisterte: die Hoffnung auf endliche freie Ausgestaltung des politischen Leben und freie Einigung des geliebten Vaterlandes erfüllten auch seine reine, allem schönen und wahren zugewaudte Seele. Hier sang er seine ersten Lieder — und ihr Inhalt ist durchweht vom Hauche der Freiheit.
An dem wüsten Treiben des damaligen Burschentums fand seine zartbesaitete Seele wenig Geschmack und er hat diese Auswüchse später mit den „Memoiren des Satans" mit feinster Saiyre geschildert. Um so tiefer ging ihm die Poesie des brüderlichen Studentenlebeus auf und manchen treuen Freund hat er sich hier hier erworben. Die „Feuerreiter" nannte sich die Verbindung, der er angehörte und die, von allem politischen Treiben sich fernhaltend, ideale Güter vflegte und ihre vierzehn Genossen mit einem Freundschaftsbande umschlang, das weit über die Universitätsjahre dauerte. In diese Jahre fallen die Anfänge der Novelle „der Mann im Monde", und manches schöne Lied entströmte den Saiten seiner Leyer, das seine Freunde zum Kampfe für die ewigen Güter der Menschheit anfeuerte Besonders war es die am 18. Juni von den Burschenschaften alljährlich begangene Waterloofeier, die ihn zu mancher schwungvollen poetischen Aeußerung begeisterte. In einem dieser Lieder sagte er:
Drum tretet mutig in die Kämpserbahn!
Noch gilt es ja, das Ziel uns zu erringen.
Für's liebe Vaterland hinan, hinan!
Doch nur von innen kann das Werk gelingen,
Und nicht durch Völkerzwist, durch Waffenruhm, Nein, unser Weg geht durch Minervas Hallen ;
Laßt uns vereint zum Ideal, zum höchsten, mallen, Erschaffen uns ein echtes Bürgertum!"
In diesem Liede ist derselbe Ton angeschlagen der in Uhlands Gedichten so machtvoll erklungen ist. Auch den Ton des Volksliedes hat Hauff meisterhaft getroffen, und seine beiden bekanntesten Lieder: „Reiters Morgengesang" („Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod") und Soldatenlied („Steh ich in finstrer Mitternacht.") sind geradezu aus dem Gemüte des Volkes heraus gedichtet und deshalb auch in den Mund des Volkes übergegangen.
Nachdem er im Jahre 1824 seine akademische Laufbahn durch seine Promotion zum Doktor der Philosophie abgeschlossen hatte, nahm er eine Hauslehrerstelle bei dem damaligen Kriegsratspräsidenten, späteren Kriegsmimster Frhrn. von Hügel zu Stuttgart an. In dem Hause dieses feingebildeten Mannes, der zugleich auf der Höhe des gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt stand, verlebte der junge Dichter zwei glückliche Jahre, veröffentlichte seine novellistischen Erstlingsarbeiten im Stuttgarter Morgenblatte und ließ seine Märchen, sowie den ersten Band der„Memoiren des Satans" erscheinen. .
Im Jahre 1826 unternahm er seine genußreiche Reise durch Deutschland und hielt sich namentlich längere Zeit in Berlin auf, wo man ihn in den schöngeistigen Kreisen wegen seines jungen literarischen Ruhmes mit offenen Armen aufnahm. Denn in jener Zeit der Reaktion, da die Regierung das Volk ängstlich von aller politischen Thätigkeit fernhielt, wandten sich die
besten Köpfe und Kräfte der Literatur und den schönen Künsten zu, und von dem Interesse der damaligen Gebildeten für die neuesten literarischen Erscheinungen kann man sich in unserer heutigen, von Politischen und materiellen Interessen gänzlich erfüllten Zeit kaum noch eine Vorstellung machen.
Nach seiner Rückkehr aus Berlin erschienen nun in rascher Folge seine übrigen Werke.
Damals verschlang man in den breiteren und unteren Schichten des Volkes die seichten und schlüpfrigen Romane und Novellen des Berliner Vielschreibers H, Clauren (Hofrat Karl Heun) und Hauffs Streben richtete sich zunächst darauf, diesem Manne in einer scharfen Satyre entgegenzutreten und durch eigene gehaltvolle Arbeiten den Geschmack zu verbessern. In diesem Bestreben vollendete er die Novelle „der Mann im Monde" und fügte derselben noch eine kräftige „Kontroverspredigt" bei. In der That hat diese Novelle nicht wenig dazu beigetragen, der Begeisterung für Clauren ein jähes Ende zu bereiten — weit wirksamer, als die schärfsten vernichtendsten Kritiken in den literarischen Journalen, die von dem Claurenschen Lesepublikum kaum jemandem zu Gesicht kamen.
Von seinen eigenen Arbeiten folgten dann „die Bettlerin vom Pont des Arts," „die Sängerin", „das Bild des Kaisers", „Othello" u. a. Sie entnahmen ihre Stoffe der Gegenwart, trugen aber dem romantischen Geschmack der Zeit durch eine gewisse Vorliebe für das Geheimnisvolle und grell Phantastische Rechnung. Die Krone dieser Werke seines damaligen Lebensabschnittes bilden die prächtigen „Phantasien im Bremer Ratskeller", die in den weitesten Kreisen vollste Anerkennung fanden.
Die Waverley-Novellen des berühmten schottischen Dichters Walter Scott, die zu jener Zeit einen wahren Sturm der Begeisterung erregten, der sich durch seine nachfolgenden historischen Romane wie „Kenilworth", „Jvanhoe," „Quentin Durward," und wie sie alle heißen mögen, von Jahr zu Jahr steigerte, gab dem Schaffen Hauffs eine neue Richtung. Er wollte der Walter Scott seines Volkes werden und so wandte er sich denn mit Eifer dem historischen Genre zu.
Seine erste Arbeit auf diesem neuen Gebiete war „Jlld' Süß". Jener Günstling des Herzogs von Württemberg, der sich des vollsten Vertrauens seines Herzogs zu erfreuen hatte, als allmächtiger Minister das Land an den Rand des Verderbens brachte und an dem das erbitterte Volk im Jahr 1738 so entsetzliche Rache nahm, lebte noch dunkel im Gedächtnis der Zeitgenossen, und daraus erklärt sich zum Teil der große Erfolg, den die Hauff sche Dichtung hatte.
Bei weitem aber übertraf Hauff diese Arbeit, und alles, was er bisher geschrieben in seinem wundervollen Roman „Lichtenstein", den er in unglaublich kurzer Zeit vollendete, gleichsam, als habe er geahnt, daß ein früher Tod bald seinem Wirken ein Ziel setzen werde. Hauff hat in dieser Dichtung all die Sagen, die sich um die Gestalt des gewalthätigen Herzogs Ulrich, eines Zeitgenossen der Hutten, Sikkinger, Ber- lichingen, Frundsberg :c. gewoben, zu einem farbenreichen, fesselnden Bilde verwoben.
Die Aufnahme, die das Buch, das den Autor zu einem der beliebtesten und populärsten Dichter seiner Heimat machte, war auch im übrigen Deutschland eine überraschend günstige. Große Hoffnungen küpften sich !an dieses Buch auf die Zukunft dieses reichen Dichtergenius — aber schon stand der Tod auf der Schwelle seines Hauses und über dem Entwurf eines neuen Romanes, der in Tyrol spielen sollte, führte er ihn sanft in die Gefilde der Seligen.
Noch im Februar hatte Hauff die Leitung der Eottaschen „Morgenblätter" übernommen und dann seine längst geliebte Cousine geheiratet, die ihm im November ein Töchterlein schenkte. Gattenglück, Vaterstolz und glänzender Dichterruhm verklärten sein Leben, da faßte ihn plötzlich ein heftiges Nervenfieber, dem er schon nach wenigen Tagen erlag. In seinen Fieber- Phantasien weilte er bei den Griechen, die damals ihren Fceiheitskampf führten und die
Nachricht von der Vernichtung der türkischen Flotte bei Navarin war das letzte, was er bei Bewußtsein vernahm.
Allgemein war die Teilnahme, die sein früher Tod erweckte, das deutsche Volk betrauerte in ihm einen seiner besten Söhne, einen Dichter von kindlich reinem Gemüt, glanzender Phantasie, köstlichem Humor und sprühendem, schlagendem Witz. Uhland, Schwab und andere Männer mit glänzendem Namen umstanden trauernd seine Gruft und widmeten ihm ehrende Nachrufe und auch das heutige Geschlecht bewahrt dem Jünglinge, dem es so viel schönes dankt, ein treues Andenken.
Neue-e Nachrichten u. Telegramm.
Berlin, 27. Nov. Die Verständigung der Mehrheitsparteien über den Zolltarif ist nunmehr perfekt geworden. Die Parteien unterbreiteten dem Reichstag den Antrag auf on-bloo- Annahme des Zolltarifs unter Herabsetzung gewisser Jndustriezölle um 25 Prozent. Wird der Antrag angenommen, so kann die ganze Zolltarifvorlage noch vor Weihnachten in 3. Lesung erledigt sein.
Berlin, 27. Nov. (Reichstag.) Präsident Graf Ballestrem verliest einen vom Abgeordneten v. Kardoff als erstem Unterzeichneten Antrag und eröffnet die Debatte über die Zulässigkeit des Antrags. Ec appelliert an die Mitglieder, bei der Erörterung die Würde des Hauses zu wahren. Der Antrag will die en Kloo-Annahme des Zolltarifs nach den Kommissionsbeschlüffen, jedoch sollen die Zollsätze für landwirtschaftliche Geräte und Maschinen um durchschnittlich 25 Prozent herabgesetzt werden. Es folgt eine lebhafte, teilweise stürmische Geschäftsordnungs- debatte. Im Verlaufe derselben betont Abg. Bassermann (ntl.), wenn die Beratung über den Antrag Kardoff hinansgeschoben werde, werde die Linke Abänderungsanträge stellen und die Beratung verschleppen. Abg. Singer (Soz.): Der Antrag sei geeignet, der zollwucherischen Mehrheit die Maske vom Gesicht zu reißen. (Großer Lärm rechts; mehrere Sozialdemokraten, darunter der Abgeordnete Ulrich schlagen aus die Pulte und rufen der Rechten zu: Taschendiebe!) Der Präsident ruft den Abgeordneten Ulrich, der fortwährend leidenschaftliche Rufe ausstößt, dreimal hintereinander zur Ordnung, ebenso den Abg. Singer. Derselbe fährt fort und nennt den Antrag Kardorff lächerlich und niederträchtig. Als weiterhin Abgeordneter v. Kardorff sagt: Die Annahme des Tarifs sei im vaterländischen und nationalen Interesse geboten, erhoben die Sozialdemokraten wiederum stürmischen Lärm. An der weiteren erregten Debatte beteiligten sich besonders die Sozialdemokraten. Abgeordneter Spahn (Zentr.) mit Zurufen empfangen, legt dar: Der Antrag sei geschäftsordnungsmäßig zulässig; über die Auslegung der Geschäftsordnung entscheidedieMehrheit des Hauses. Das Haus vertagt auf Antrag des Abg. Grafen Hompesch (Ztr.) die Fortsetzung der Geschäftsordnungsdebatte auf morgen 2 Uhr.
Berlin, 27. Nov. Die „Germania" meldet: Die Hauptpunkte der perfekt gewordenen Verständigung über die Zolltarifvorlage sind folgende: Der Mindestzoll für Braugerste soll auf 4 ^ erhöht werden, auf die Mindestzölle von Vieh und Fleisch unter den noch mitzuteilenden Kautelen verzichtet und gewisse Jndustriezölle herabgesetzt werden.
München, 27. Nov. Die „Münchener Allg. Ztg." meldet: Es wird hier der bayerischen Regierung nachgesagt, daß sie einer Verständigung im Reichstag, insbesondere betreffs der Minimalsätze für Gerste mit nichts weniger als freundlichen Augen gegenüberstehe. Wie uns von absolut zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, ist festzustellen, daß auch Bayern nichts gegen eine gedachte Erhöhung des Minimalzolls für Brauerei-Gerste einzuwenden hat, wofern es durch dieses Zugeständnis möglich wird, auf dem Boden der Tarifvorlage eine so große Mehrheit des Reichstags zu vereinigen, um für die Zukunft des deutschen Reiches ein so enorm wichtiges Gesetz zu Stande zu bringen.
Petersburg, 27. Nov. Im Kirchspiel Jusniem in Finnland sind infolge von Hungersnot Fälle von Hungertyphus vorgekommen.
R.daktiou. Druck und Verla« von L. Meej in Neuenbürg.