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.Also in «ine Photographie; ei, das ist ja reizend!"
.In keine Photographie, in ein Bild, zu dem Du das Modell gewesen sein mußt." Emma brach in ein unbändiges Gelächter aus. .O, wie Haft Du Dich blamiert, mein Lieber. Das ist ja meine Schwester Klara!"
.Du scherzest, Du treibst Dein Spiel mit mir!"
.Nicht im mindesten. Vor einigen Jahren nahm ich Klara zu einem Kostümkränzchen mit und lieh ihr die Toilette eines Blumenmädchens. Unser Vetter Fritz vergaffte sich in sie und wollte sie malen. Sie verschmähte ihn — das dumme Ding ist ja so spröde — und wollte ihm auch nicht sitzen. So malte er sie denn aus dem Gedächtnis; es war nur eine Skizze, so viel ich weiß. Wie aber kam das Bild in Deine Hände, Du Thor, Du Phantast?"
Bei ihrem Gelächter erschien ihm seine Schwärmerei doppelt lächerlich. Rasch entschlossen warf er das Bildchen in das lodernde Kaminfeuer.
„Es hat ja seine Schuldigkeit gethan! Ich bin geheilt."
.Wir sehen einander ähnlich, Klara und ich," sagte Emma, „das ist Deine einzige Entschuldigung."
Am folgenden Tage reiste Guido Plötzlich ab. Er hatte in Emma s Wohnung einen glatzköpfigen Herrn getroffen, der sich wie der Hausherr geberdete und nicht üble Miene machte, dem „Vetter" die Thür zu weisen. Emma machte ein unsäglich verlegenes Gesicht und sah wirklich einer Göttin nicht im mindesten mehr ähnlich.
Es war ein Irrtum, eine Täuschung! sagte sich Guido, und erst jetzt bin ich wirklich geheilt.
So kam er nach Hause, beschämt, innerlich gebrochen. Als er Klara erblickte, ging es wie ein elektrischer Schlag durch sein Inneres. In seiner schmerzlichen Betäubung war es ihm erst jetzt voll in s Bewußtsein gekommen: Sie war eS ja, die er im Bilde so lange geliebt, so lange schmerzlich gesucht hatte! Wie immer, stand sie gelassen, mit gesenkten Wimpern abseits.
„Klara," sagte er fast schüchtern, „hast Du denn keinen einzigen freundlichen Blick für mich zum Willkommensgruß?"
Sie hob die Lider, und zum ersten Mal sahen sie sich tief in die Augen.
Klara hatte ganz dieselben schönen, klaren, blaugrünen Augen wie Emma, aber die ihren waren ernst, sehnsüchtig, schwärmerisch — seltsame unergründliche Augen!
Guido zitterte. Was ging mit ihm vor- und wie sonderbar war dies alles! Mit einem Schlage erschien ihm Klara wie eine verkleidete Fee, welche sich herabgelassen hatte, in den Kleidern einer Magd Dienste in seinem Eltern, Hause zu verrichten. Plötzlich sah er alle ihre häuslichen Beschäftigungen in einem andern, einem rührenden Licht. Ihre „Latzschürze" verbarg nur unvollkommen die edeln Linien ihrer königlichen Gestalt.
Zum Staunen der Eltern trat er zuerst mit dem energischen Verlangen heraus, Klara dürfe nicht mehr an der Kaffe sitzen. Man willfahrte ihm; dann begann er schüchtern, zaghaft wie ein Gymnasiast, um sie zu werben. Sie blieb ungerührt, sie entzog sich ihm. Eines Mittags, als er aus der Schule kam, iraf er sie allein in dem um diese Stunde einsamen Laden. Er dachte nicht an die Prosa des Ortes, er wollte nur die günstige Gelegenheit ergreifen, und da sie seinen Gruß kühl erwiderte, ohne den Blick zu heben, rief er in ausbrechender Leidenschaft: „Klara, warum bist Du so kalt, so unfreundlich gegen mich? ich ertrage es nicht länger, ich will den Grund wissen!"
Langsam wendete sie sich um und richtete den Blick auf ihn: Plötzlich rief auch sie in leidenschaftlichem Tone: „So magst Du ihn wissen! Ich bin nicht immer kalt gewesen gegen Dich. Du — Du warst meine erste, meine einzige Liebe! Du hattest mich von dem Tage an bezaubert, da ich, ein halbes Kind, in dieses Haus kam. Deinetwegen liebte ich dieses Haus, empfand ich seine Freudlosigkeit mcht. Du kehrtest endlich aus der Fremde heim als ein frivoler, oberflächlicher, selbstsüchtiger Weltmann. Du hast mich lieblos und geringschätzig behandelt, weil ich bescheiden und unscheinbar war. Seit
habe ich mein Herz bezwungen, Guido. Und wenn Dir mir jetzt vielleicht eine flüchtige Sultanslaune zuwendest, ich glaube nicht mehr an Dich — es ist zu Ende!"
„O Klara!" stammelte er unter hervor- brechenden Thränen, „Du strafst mich gerecht, aber ich verdiene dennoch Deine Verzeihung. Ich habe einen langen innern Läuterungsprozeß durchgemacht — Du sollst noch davon hören. Und jetzt, jetzt fange ich an Deiner wert zu sein, Deiner, des Weibes meiner Liebe! O, sie mich nur einmal freundlich an!" — Noch einmal tauchte sein Blick in den ihren, und jetzt waren es die liebessehnsüchtigen, wunderbaren Augen des „Mädchens aus der Fremde", in das er sich verliebt hatte. Was er gefunden, war schöner als sein Traum: ein Weib, schön wie das „Mädchen aus der Fremde" und von starkem, reinem, treu liebendem Herzen.
Und obgleich eine Reihe von geräucherten Zungen gerade über seinem Kopfe baumelten, so fühlte er sich dennoch überselig. Er hatte einen Mick in das Märchenland gethan, dem das „Mädchen aus der Fremde" entstammte.
Aber Klara beharrte dabei, das Bild hätte Emma vorgestellt, denn so hätte sie, Klara, niemals ausgesehen. Da Fritz inzwischen nach Amerika ausgewandert und das Bildchen in Flammen aufqeqangen war, blieb die Sache ein ungelöstes Rätsel.
Vermischtes.
Das „Grüß Gott "-Blatt, herausgegeben von Stadtpfarrer Unfried in Stuttgart, veröffentlicht folgendes Zeitbild: „Aendert euch, hört auf zu klagen! Alles klagt und alles macht mit. Man klagt über die hohen MilchPreisekund trinkt Wein. Man klagt über das Aufbringen der Zinsen und kauft den Töchtern Hüte, die nicht standesgemäß sind. Man klagt über den Niedergang der Gewerbe und kauft ausländische Ware. Man jammert über den schlechten Geschäftsgang und geht allabendlich ins Wirtshaus. Man jammert über Zerrüttelung des Familienlebens und tritt in den 10. Verein als Mitglied ein. Man jammert über hohe Lebensmittelpreise und kauft die neuesten Modeartikel. Alles klagt über Festschwindel und alles besucht Feste. Man klagt über die teueren Kleider und schämt sich der halbleinenen Anzüge. Man klagt über Mangel an tüchtigen Landarbeitern und schickt die Buben in die Schreibstuben. Man jammert wegen der Leere der Geldtasche und schämt sich, ohne glimmende Zigarre über die Straße zu laufen. Hört auf zu klagen, so lange ihr Euch nicht ändert!"
(Eine glückliche Familie.) Eine Frau in Dingsweiler, die sich durch große Unsauberkeit auszeichnete, verlor ihr einziges Mutterschwein, als es gerade Junge geworfen hatte. Um die kleinen Weltbürger nicht zu verlieren, entschloß sie sich, sie mit der Flasche groß zu ziehen. Die Frau, die sich in dem Dunstkreis eines Schweinestalles heimisch fühlte, saß jetzt stundenlang darin und zog die kleinen Grunzer mit mütterlicher Sorgfalt auf. Als nun eine Nachbarin sich bei ihr nach dem Befinden der Ferkel teilnehmend erkundigte, erwiderte sie gerührt: „Ach, Ihr wißt nicht, welche Freude ich an den lieben Tierchen erlebe; kaum trete ich in den Stall, so kommen sie auf mich zugelaufen und meinen, ich sei die alte Sau!"
Röntgen-Automat. Für einen merkwürdigen, echt modernen Apparat ist ein Patent in Amerika unlängst ertheilt worden. Es ist dies nach dem „Electrician" ein Apparat für Röntgenstrahlen zu öffentlichem Gebrauch. Wie uns das Internationale Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln schreibt, ähnelt das Aeußere einem Mutoskopen, wie solche allenthalben zu sehen sind wo sie gegen Einwurf eines Geldstückes ihre Bilder vorführen. Bei dem Apparat wirft der Kunde eine Münze in einen Schlitz, dreht den Hebel und steckt die Hand, oder was er sonst besichtigen will, in eine beiderseits offene Schachtel. Er sieht dann durch einen fluoreszierenden Schirm in den Apparat und erblickt die Hand pp. „durchleuchtet". Die Bauart des hübschen Spielzeugs bedingt, daß die eingeworfene
Münze den Stromkreis einer Induktionsspule schließt; der Strom wird durch Trockenelemente geliefert, außerdem ist natürlich unter der Schachtel eine Röntgenröhre angebracht. (Obengenanntes Bureau ertheilt den geschätzten Lesern dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen weitestgehend und bereitwilligst.)
(Trost.) Junger Arzt (am Klavier singend); „Verlassen, verlassen bin i . ." — Diener (gut- mütig). „Na, nur nicht den Mut verlieren, Herr Doktor; wir werden auch schon noch Patienten kriegen!"
(Fortschritt.) Junge Frau: „Mir brannte früher das Essen immer gleich nach dem Ansetzen an — jetzt meist erst zu Ende der Koch zeit!"
Mutmaßliches Wetter am 25. und 26. Oktober.
Am Samstag und Sonntag wird sich das Wetter fast ausnahmslos trocken und auch mehrfa ch heiter gestalten.
Nkiie-e Nachrichten ii. Telrgmmc?
Berlin, 23. Okt. Reichstag. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. In der fortgesetzten Beratung über die Gersten- und Haferzölle spricht sich Franker (natl.) für den Regierungssatz aus. Lucke (Bd. d. Landw.) erklärt, der Antrag Wangenheim sei zurückgezogen worden, weil man zeigen wollte, daß er nicht zur Demonstration dienen solle, aber nicht, weil man den geforderten Zollsatz für zu hoch halte. Möge das Ausland sich mit seinem Export nach unserem Bedarf richten, nicht aber wir mit unserer Produktion nach den Ueber- schüssen der ganzen Welt. Echinger (Ztr.) tritt für höhere Gerstenzölle ein. Stolle (Soz): Die ganze Schutzzollära sei von Bismarck aus finanziellen Gründen eingeleitet worden. Abgeordneter Heim (Ztr.) führt aus, da die Gerste kein Brotgetreide sei, handle es sich hier nicht um Brotwucher. Sodann folgen die Abstimmungen über die Gersten- und Haferzölle, wovon 12 vorgesehen sind, davon 4 namentliche. Zuerst wird über den Antrag Minimulgerstenzoll ^ 6.— abgestimmt. Die Abstimmung ist auf Antrag Barth eine namentliche. Der Antrag Heim wird mit 242 gegen 83 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen abgelehnt. Der Kommissionsantrag auf einen Gerstenminimalzoll von 5^/r ^ im Tarifgesetze wird in namentlicher Abstimmung mit 183 gegen 133 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen angenommen. Sodann wird der Kommissionsantrag für Hafer: Minimalzoll 5 50 mit 180 gegen 139 Stimmen an
genommen. Die übrigen Abstimmungen werden hinfällig. Morgen 1 Uhr: Fortsetzung.
Dünkirchen, 23. Okt. Im Laufe des Vormittags begingen die ausständigen Hafenarbeiter wiederum Ausschreitungen. An verschiedenen Orten wurden die Läden geplündert und auf den Quais die Gebäulichkeiten in Brand gesteckt. Auch mehrere Privatgebäude wurden geplündert. Etwa 500 an den Ausschreitungen beteiligte Personen begaben sich nach Rosendael, um auch dort Brandstiftungen vorzunehmen. Die Unterdrückung der Ausschreitungen ist wegen der Lage des Hafens und wegen der zahlreichen Kanäle, die die Stadt und die Vorstädte durchziehen, schwierig. Das Militär ist um 2 Regimenter Infanterie und 2 Regimenter Kavallerie verstärkt worden. Eine Anzahl Ausständiger drang gegen den Justizpalast vor, während dort Verhandlungen stattfanden, so daß letztere abgebrochen werden mußten. Vor dem Justizpalast wurden die Ausständigen von Kavallerieabteilungen zurückgedrängt. Aus der Menge wurden Ziegelsteine und Stücke von Sandsteinen gegen das Militär geschleudert, wobei ein Leutnant am Kopf verwundet wurde. Wie dem „Temps" aus Dünkirchen gemeldet wird, hat der Platzkommandant den Belagerungszustand proklamiert. Der Bürgermeister hat alle Befugnisse dem Platzkommandanten übergeben, der dem Vernehmen nach 4 Regimenter zur Anfrecht- erhaltung der Ordnung verlangen will.
Buenos-Aires, 23. Oktbr. Im ganzen Gebiet der Republik ist Regen gefallen, wodurch die Weizen- und Flachsernte günstig beeinflußt worden sind. Die bebaute Fläche beträgt nach einer Feststellung des Finanzministers für Weizen 3 254000 Hektar, für Flachs 956 000 Hektar.
Redaktion, Druck und Vertag von C. Meeh in Neuenbürg.