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eingeschränkt und die Fabrikate hatten teilweise unter dem Herstellungspreis abgegeben werden müssen. So kam es, daß die Fabrik nicht nur keinen Gewinn erzielte, sondern sogar mit Verlust abschloß. Die Direktion der Deutschen Verlagsanstalt habe der Fabrik eine neue tüchtige Kraft als Leiter gegeben, der am 1. d. M. seine Stellung angetreten hat. Der Fabrik wieder zu normalem Ertrag zu verhelfen, werde allerdings nicht so rasch geschehen können, wie es wünschenswert wäre." Für das neue Geschäftsjahr glaubt die Direktion zu der Hoffnung berechtigt zu sein, daß die Gesellschaft jetzt wieder Zeiten mit normalen Erträgnissen entgegengehe.
Heilbronn, 15. Okt. Die vom hiesigen Heilbronner Schwurgericht gegen die Heilbronner Gewerbebankdirektoren am vorigen Samstag ausgesprochenen Strafen sind bekannt; sie sind namentlich für den vormaligen ersten Bankdirektor und Gemeinderat Fuchs, der 8 Jahre Zuchthaus und 8 Jahre Ehrverlust erhielt, recht empfindlich und man kann die Familie des Verurteilten aufrichtig bedauern. Fuchs selbst aber verdient wahrlich kein Mitleid; denn es gehört eine ausgesprochene Spitzbubennatur dazu und ein völliger Mangel an Gewissen, um so zu wirtschaften, wie er es gethan und namentlich auch minder bemittelte Leute um Hab und Gut zu prellen. Als ehrlos und gewissenlos wurde er deshalb auch mit Recht von dem Staatsanwalt bezeichnet und die Geschworenenbank hat sich dieser Ansicht angeschlossen. Unbegreiflich muß es heute noch erscheinen, wie Fuchs, der in bewußter Weise jahrelang seine schweren Verbrechen fortsetzte, auf dem Heilbronner Rathaus sich als den Bolks- mann aufspielte, der unter Zustimmung seiner thörichten Wähler dem Oberbürgermeister die wütendste Opposition machte und sich als einen Mann aufspielte, der alles und jedes in rohester Weise zu kritisieren und vor der Oeffentlichkeit anzuklagen bereit sei. Derartige „Volksmänner" verzeichnet und schildert freilich die Weltgeschichte seit den Zeiten des Thersites und des Gerbers Kleon in ziemlich reicher Auswahl und da derlei Leute stets eine große Anhängerschaft bis auf den heutigen Tag gewonnen haben, so geht die daraus betrübende Thatsache hervor, daß die Völker in dieser Frage nichts lernen.
Heilbronn, 17. Oktbr. Die „Neckarztg." meldet: Der Bankprozeß kann eine neue Auflage erfahren: Fuchs hat durch seinen Verteidiger, Reg.-Rat Dr. Schmal, heute gegen das Urteil des Schwurgerichts Revision beim Reichsgericht beantragt. Die beiden Mitverurteilten, Keefer und Krug, werden sich, wie wir vernehmen, diesem Antrag voraussichtlich nicht anschließen. Die Frist dazu geht am morgigen Samstag zu Ende.
Heilbronn, 13. Okt. Nunmehr ist auch in Heilbronn, der ersten Handelsstadt Württembergs, dem Vorgänge anderer größerer Städte folgend, unter der vortrefflichen Leitung ihrer Vorsteherin, Frl. Emma Groß, eine „Töchterhandelsschule" errichtet worden. Die heutigen Frauenbestrebungen nach einer ernsteren Lebensauffassung unserer Töchter haben die immer größere Mitverwendung junger Damen aus den mittleren und höheren Kreisen für Handel, Gewerbe und Verwaltungen zur Thatsache gemacht und erfordern tüchtig geschulte Kräfte. Es können deshalb auch nur solche Damen Anstellung und eine gesicherte Existenz finden, die vermöge ihrer Ausbildung in der Lage sind, wirklich Tüchtiges zu leisten. Bei der seither vielfach verbreiteten irrigen Ansicht, daß die Erlernung einzelner Handelsfächer für Damen schon genügend sei, um zu einem Fortkommen auf kaufmännischem oder gewerblichen Gebiete zu verhelfen, sei darauf aufmerksam gemacht, daß nur eine gediegene und vollständig gründliche Ausbildung in sämtlichen Handelsfächern zur Erlangung besser bezahlter Stellen befähigt. Je geringer die Vor- und Durchbildung ist, desto schwerer wird es dem einzelnen bei der großen Konkurrenz gelingen, eine gesicherte Existenz zu gründen. Dessen ist sich die Töchterhandelsschule vollauf bewußt. Sie hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, den ihr anvertrauten Töchtern eine umfasfende und gediegene Ausbildung angcdeihen zu lassen.
Rottenburg a. N., 14. Okt. Das großartig angelegte Elektrizitätswerk der Firma Jung- Hans, Haller u. Co., Uhrenfabrik, in der Nähe von Krebingen, geht rasch seiner Vollendung entgegen; durch 4 große Turbinenanlagen werden 1500 Pferdekräste gewonnen. Die Luftleitung, bestehend aus 6 starken Kupferdrähten, wird gegenwärtig hergestellt. Das Fabrikgebäude selbst soll in einer Länge von 80 m diesen Herbst noch fertiggestellt werden. Das frühere Holzherr'sche Mühleanwesen wird zu einem städtischen Schlachthaus umgebaut. Die der Stadt gehörige Wasserkraft dagegen wird verwendet zur elektrischen Beleuchtung der Stadt. Bedeutende bauliche Veränderungen (Turbinenanlage, Tieferlegung des Neckarbettes, Verlegung des Mühlekanals) haben eine wesentliche Steigerung der Kraft (von 70 auf 150 Pferdekräfte) bewirkt. Soweit diese für elektrisches Licht und Motorenbetrieb nicht ausreicht, giebt das Junghans'sche Elektrizitätswerk noch Kraft ab.
Tübingen, 17. Okt. Gestern wurden hier laut „Tüb. Chronik" 3 verdächtige Personen, 2 Franzosen und 1 Russe, festgenommen und dem Amtsgericht übergeben. Man vermutet, daß die Verhafteten an dem Einbruchsdiebstahl in Altstadt-Rottweil beteiligt waren.
In der Silberwarenfabrik von Gebrüder Kühn in Gmünd wurde aus Unvorsichtigkeit ein Gefäß mit sogenanntem Scheidewasser umgestoßen, wobei sich dasselbe entleerte. Ein daneben beschäftigter Arbeiter goß in der Unkenntnis der schrecklichen Folgen gewöhnliches Wasser auf das Scheidewasser. Dieses entwickelte alsbald starke rötliche Gase, nach deren Einatmung der genannte Arbeiter unmittelbar unter schrecklichen Schmerzen verschied.
Maulbroün, 15. Oktbr. Bei der heute von Fabrikant Bürkle aus Bruchsal im Schillingswald, Markung Knittlingen. gehaltenen Jagd kam ein Rudel Wildschweine von 6 Stück in Trieb; leider konnten durch den Umstand, daß die Jäger nur Schrot geladen hatten, blos 2 Keiler im Gewicht von 60 Kilogr. zur Strecke kommen, die andern entkamen, mehr oder weniger angeschossen. Es kamen weiter zur Strecke 35 Hasen, 6 Rehe und 2 Füchse. Der Stand in Hühnern und Fasanen ist ein guter; die Wildschweine scheinen sich stark vermehrt zu haben.
Vom „Heurigen". Auf der Versammlung des landwirtschaftlichen Vereins Weinsberg führte Professor Dr. Meißner aus, daß es Heuer bei dem gesunden Zustand unserer Trauben unbedingt nötig sei, die Gärung des Traubensaftes durch Anwendung der Reinhefe zu fördern. Der Wert des neuen Gärverfahrens, wissenschaftlich begründet und tausendfach in der Praxis erprobt, dringe nach und nach auch in Württemberg durch und schon im Laufe des heurigen Herbstes werden Weinkäufer erscheinen und nur nach solchen Weinen fragen, die mit Reinhefe behandelt worden sind. Nach Abhaltung etlicher weiterer Kurse in der Weinbauversuchsanstalt werden künftig die Anhänger des neuen Verfahrens von entscheidendem Einfluß bei den Weinverkäufen im Herbste sein.
Friedrichs Hafen, 17. Okt. Infolge der großen Nachfrage nach württ. Seeobst sind hier die Preise auf 5.20—5.40 -/L Pr. Ztr. für Birnen und Aepfel gestiegen und es wird auf dem Land um diesen Preis rasch aufgekauft, so- daß innerhalb 14 Tagen die hiesige Ernte ihr Ende erreicht haben dürfte.
Ausland.
Der Besuch der Burengenerale in Paris bedeutet für dieselben einen großen Persönlichen Erfolg, Dewet, Botha und Delarey wurden von den Parisern geradezu begeistert gefeiert. Besonders geschmeichelt hat es offenbar den Parisern, daß die Generale wiederholt die Blutsverwandtschaft zwischen den Buren und den Franzosen betonten. Im übrigen waren die Generäle bei ihrem Auftreten in Paris streng bemüht, demselben seinen unpolitischen Charakter zu wahren und lediglich den Humanitären Zweck ihres Erscheinens hervorzuhebeu.
Aus der Schweiz, 14. Okt. In der Nähe von Lutry (Waadt) hat ein 15 jähriger Knabe an einem um 2 Jahre jüngeren Kameraden einen
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbm
scheußlichen Raubmordversuch verübt. In hinterlistiger Weise fiel der Thäter, ein gewisser Dizerens über sein Opfer, den kleinen Bron, her und brachte diesem mit einem Messer 8 lebensgefährliche Verletzungen bei. Dem wie tot Daliegenden nahm er einen Geldbetrag von etwas über 50 Fr. weg und ging flüchtig. Einen Tag nach der Thal wurde man des jugendlichen Verbrechers habhaft. Er gab an dem kleinen Bron, der regelmäßig in Woche Geld nach einer Molkerei zu überbringen hatte, schon öfters aufgelauert zu haben, um diesen zu ermorden und zu berauben.
vermischtes.
(Raffinierter Betrug beim Ochsenhandel.) Hierzu wird der Deutschen Landwirtschaftlichen Tierzucht aus Amberg geschrieben: Am 9. März d. I. kaufte Oekonomierat Kebbel in Fronbera dem Müller Andraes Pamler in Willhof ein paar Ochsen nach dem Lebendgewicht ab. Bei der Uebergabe der Ochsen am 16. März fiel der unnatürliche Leibesumfang der Ochsen auf, die doch einen Weg von sechs Stunden zurückgelegt hatten, und es stellte sich heraus, daß Pamler die Ochsen kurz vor dem Abtrieb mit ungeschro- tetem Weizen gefüttert, vielmehr überfüttert hatte so daß ;die Tiere großen Durst bekamen und' eine beträchtliche Wassermenge aufnahmen. Infolgedessen war das Gewicht der Tiere, die vor dem Kaufsabschluß 27,10 oder 27,20 Ztr. wogen, bei der Ablieferung trotz des vorausgegangeneü anstrengenden Marsches auf 27,22 Ztr. gestiegen, während gewöhnlich ein Gewichtsverlust von vier Pfund für jedes Kilometer des Weges bei einem Tier angenommen wird. Zwei Tage nach der Ueberführung in den Kebbelschen Stall hatten die Ochsen um nahezu zwei Zentner abgenommen. Das Schöffengericht Schwandorf erblickte in der Handlungsweise Pamlers ein Vergehen des Be- trugsversuchs und verurteilte ihn unter Annahme mildernder Umstände zur Geldstrafe von 10 ^ Gegen das Urteil legten Pamler und der Amtsanwalt Berufung ein. Die Strafe wurde vom Landgericht auf 100 erhöht.
s Eifersucht.) Frau (ihren schlafenden Mann betrachtend): „Was er für ein vergnügtes, glückliches Gesicht macht; am Ende träumt er gar nicht mal von mir!"
Gedankensplitter.
Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, ein gescheuter Mann gebranntes Wasser.
Die Leidenschaft hat hundert Sklaven, aber keinen Herrn.
Je mehr einer weiß, desto geringer denkt er von seiner eignen Weisheit.
's giebt manche Menschen um uns her,
Die eignes Mißgeschick Empfinden lange nicht so schwer,
Als andrer Leute Glück.
Mutmaßliches Wetter am 19. und 20. Oktober.
Für Sonntag und Montag ist bei vorherrschend westlichen Winden und ziemlich kühler Temperatur neben kurzer Aufheiterung größtenteils bewölktes und auch zu vereinzelten Niederschlägen geneigtes Wetter zu erwarten.
Meut-e Nachrichten«. Telegramme.
Berlin, 17. Okt. An dem für die Burengenerale in der Philharmonie veranstalteten Abend nahmen etwa 3000 Personen teil, darunter viele Abgeordnete. Botha, Dewet und Delarey wurden stürmisch begrüßt. Lückhoff brachte ein Kaiserhoch aus. Botha dankte für die erwiesene Sympathie und den begeisterten Empfang. Er gedachte der deutschen Mitkämpfer, auf die das deutsche Volk stolz sein könne. Die Buren thaten alles, um ihr Vaterland zu retten; sie verloren dabei alles. Gott wollte den Frieden und wir wollen ihn halten. Delarey wurde gleichfalls stürmisch begrüßt. Er führte aus, daß ihnen der Weg hieher schwer geworden sei. Die Dankbarkeit sei um so größer, da sie mit offenen Armen empfangen wurden. Jeder schildert die Not seines Volkes und spricht die Hoffnung aus, die neue Regierung werde weiter helfen. (Hoffentlich! Die Red.)
London, 17. Okt. Lord Kitchener ist heute vormittag nach Aegypten und Indien abgereist.
Mit einer vierseitigen Beilage.