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Ulm, 9. Olt. Eine Abteilung des Ulmer Pionierbataillons war gestern damit beschäftigt, die von dem kürzlich in Söflingen ausgebrochenen Großfeuer stehen gebliebenen Brandruinen mit­telst Dynamit zu sprengen. Schon der erste Schuß richtete aber an den in der Nähe befind­lichen Gebäuden ganz bedeutenden Schaden an, weshalb die weiteren Sprengarbeiten vorerst ein­gestellt wurden.

Eßlingen, 8. Olt. Dem hiesigen Stadt- lirchenbauverein ist zu Gunsten der Wieder­herstellung der Stadtkirche die Erlaubnis zur Veranstaltung einer Lotterie mit zwei Serien von je 100000 Losen zu 1 erteilt worden. Die erste Ziehung soll am 9. März 1903 statt- finden. Der Ausschuß der Bezirkskranken. Pflegeversicherung' hat in seiner letzten Sitzung einstimmig beschlossen, freie Arztwahl unter den dem Verein Etzlinger Aerzte angehörigen Aerzte durchzuführen.

Reutlingen. 8. Okt. Der Haupttreffer der Kirchenbaulotterie im Betrag von 10 000 fiel nach Rottenburg a. N. Die Glücklichen find 4 hier in Kondition stehende junge Ver­waltungsleute.

Göppingen, 8. Okt. Gestern hatte der Bankier Gutmann von hier das Unglück, auf der Feldhuhnjagd den Bauer Vogel samt seinem 3 jährigen Kind anzuschießen. Beide wurden verletzt, das Kind ziemlich schwer am Auge, so- daß es sofort in die Klinik verbracht werden mußte.

Ne n dingen (Tuttlingen), 8. Okt. An der Verlegung des Donaubettes wird zur Zeit immer noch eifrig gearbeitet. Mit der Korrektion ist zugleich der Bau einer eisernen Brücke ver­bunden, welche gegenwärtig aufmontiert wird. Die Einleitung der Donau ins neue Flußbett kann in Bälde erfolgen.

Vom Nemsthal, 7. Okt. Die Hoffnung, daß der Oktober für die 23 Wochen in der Reifeentwicklung zurückgebliebenen Trauben noch einen Nachsommer bringen werde, hat sich bis jetzt leider nicht verwirklicht. Der Stand der Trauben ist der Quantität nach in manchen Ge- länden unseres Remsthals ganz befriedigend; der Qualität und Süßreife nach aber sind nam­hafte Unterschiede bemerkbar. Die Portugieser und Trollinger sind in der Reifeentwicklung be­deutend voran, andere Sorten aber lassen noch sehr zu wünschen übrig. Dies muß besonders von den Nachtrieblingen gesagt werden. Wenn die Witterung sich nicht bald für den vielge­prüften Weingärtnerstand günstiger wendet, so ist das Weinergebnis ein recht nachteiliges und betrübendes.

Münsingen, 6. Okt. Ein hoffnungsvolles Früchtchen ist der Lehrling eines hiesigen Uhr­machers. Schon seit längerer Zeit bemerkte der Lehrherr, daß Uhren, Schmuckgegenstände rc. aus dem Laden verschwanden, ohne daß irgend eine Spur des Diebes zu finden war. Endlich ent­deckte man unter den Effekten des jungen Mannes einen Brief von seiner Mutter, der die Aufforder­ung enthielt, doch wieder Waren zum Verkauf zu senden. Der Bursche wurde verhaftet und beim Durchsuchen seines Koffers fanden sich außer Uhren, Ketten und Schmucksachen :c. Kleider, Wäschestücke, die von den Eigentümern zum Trocknen aufgehängt waren. Außer dem Bürschchen, das sein Verfehlen eingestanden hat, wird wohl auch die Mutter sich zu verant- Worten haben.

In Esenhausen OA. Ravensburg wurde im Hause eines Maurermeisters ein Kind mit zwei Köpfen geboren. Dasselbe starb nach 2 Stunden.

Ausland.

In Oesterreich-Ungarn sind die Aus­gleichsverhandlungen nun offenbar an dem sog. toten Punkt angelangt. Keiner der beiderseitigen Minister will weiter nachgeben, sodaß bereits Gerüchte entstanden, daß beide Ministerpräsi­denten, v. Koerber und v. Szell, dem Monarchen ihre Demission augeboten hätten. Eine.offizielle Bestätigung hiefür liegt zwar nicht vor, aber im höchsten Maße kritisch ist die Situation doch ge- worden und zwar in dem Maße, daß allen Ernstes die Frage erhoben wird, ob der Dualis­mus uud der Parlamentarismus nicht völlig abgeschafft zu werden verdienen.

Anläßlich des Jahresbankets des republi­kanischen Handels- und Jndustriekomites in Paris hielt der Ministerpräsident Combes eine längere Rede, worin er die Kongregationen und deren Freunde scharf angriff und sagte, ihre ganze Thätigkeit ziele auf eine Abschaffung der Repu­blik ab, und deshalb müsse diese Gegenrevo- lution bis zum äußersten bekämpft werden, womit die große Mehrheit des französischen Bolkkes zweifellos einverstanden sei. Combes will also auch denjenigen Kongregationen, die etwa um die staatliche Konzesstoniernng nachsuchen, keiner­lei Entgegenkommen zeigen. Demnach wird es also in Frankreich zu einem förmlichen Kultur­kampf kommen, den deutsche Zentrumsblätter ihren Gesinnungsgenossen vorausgesagt haben, als diese in der Dreyfusangelegenheit ihre Ohren vor der Stimme der Vernunf und der Gerechtig­keit absichtlich verstopfen.

Die Amerikaner befinden sich z. Zt. in einer großen Geldnot. Zuerst kam eine große Geldklemme, die trotz einer kräftigen Hilfsaktion seitens der Staatsfinanzverwaltung noch nicht ganz gehoben ist und wohl auch nicht so rasch gehoben werden kann, weil die verschiedenen Trustleute uugehcuere Geldbeträge aus dem offenen Markt gezogen haben. Nun kommt aber auch noch eine große Kohlennot dazu, weil in den nordamerik. Kohlenbergwerken die Arbeiter einen schon seit Monaten dauernden Streik auf­recht erhalten, so daß in New Jork die Kohlen den 4 fachen Betrag des sonst üblichen Preises koste. Englische uud deutsche Kohlen werden nun zwar mit Extraschiffen nach New Jork ver­bracht, aber in das Innere des Landes können die fremden Kohlen nicht geschafft werden, weil die Kohlenbergwerkbesitzer auch zugleich die Be­sitzer der Eisenbahnen sind und durch eine all­gemeine Not, die zunächst auch alle Fabriken zur Einstellung ihres Betriebs zwingen muß, den Widerstand der Kohlenbergleute zu brechen hoffen. In Amerika herrscht die politische Frei­heit, die aber genau betrachtet weiter nichts ist als eine tote Phrase; denn die amerik. Milliardäre beherrschen das Land und knechten es viel ärger, als der schlimmste Despot auf einen Throne es Lhun könnte.

Brüssel, 8. Okt. Die Burengenerale sind heute nachmittag nach Genf abgereist. Sie wurden vom Hotel bis zum Bahnhof von einer zahlreichen Menschenmenge begleitet, welche Bei­fallskundgebungen veranstaltete. Zur Aufrecht­erhaltung der Ordnung waren vor dem Bahnhof Polizei und Gendarmerie zu Pferd, im Bahnhof Grenadiere aufgeboten.

Aus den Alpen, 8. Okt. Auf dem Gott­hardt schneit es seit mehreren Tagen; der Schnee liegt meterhoch. Auch in Oberitalien herrscht starker Schneefall.

Wermischtes

Mülhausen i.E. Unzufrieden mit dem Gang der Geschäfte ist der Kolporteur H. von hier. Er schiebt die Schuld den großen Warenhäusern zu, denen er Rache geschworen zu haben scheint. Letzten Montag Mittag kam seine Unzufriedenheit zum Ausbruch. Vor dem Warenhaus Wronker in der Dornacherstraße schimpfend, schlug er schließlich mit einem Hammer sämtliche Schau- fenster ein. H. wurde sofort verhaftet. Der Schaden, den er angerichtet hat, beläuft sich auf ca. 2000

(Wasserradfahrer.) Auf dem Rhein zwischen Maxau und dem Eingang des Karls­ruher Hafens kann man gegenwärtig ein inte­ressantes Schauspiel beobachten. Fünf Radler treiben ihren Sport auf der Wasserfläche. Diese Wasserfahrräder" bestehen im Wesentlichen aus einem länglich gebauten vorn und hinten zuge­spitzten Kasten. Hinten sind zu beiden Seiten die Räder angebracht, die mit Schaufeln ver­sehen sind und den Mühlrädern sehr ähnlich sehen. Der Sitz des Fahrers befindet sich auf dem Vorderteil, Derselbe besteht aus einem erhöhten Eisengestell, an welchem die Tretvor­richtung angebracht ist. Die Verbindung der letzteren mit der Achse der Räder wird durch Ketten, die auf Zahnrädern laufen, bewerkstelligt. Das Schauspiel lockt immer zahlreiche Zu­schauer herbei.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbü

Amerikanisch. Nach einer Meldung der Evening News" aus New-Aork wurde in Co- rinth (Mississippi), ein Neger, der eine weihe Frau ermordet hatte, am Pfahle verbrannt. Das Verbrennen war um einen Tag verschoben worden, damit der Neger erst von Bruder und Mutter Abschied nehmen konnte. Das Komitee, welches das Lynchen leitete, telegraphierte nach den Verwandten des Negers und arrangierte Extrazüge für Zuschauer. Dem Schauspiele wohnten 5000 Personen bei. Für Frauen und Zeitungsreporter waren besondere Plätze reser- viert. Der Mord, den der Neger begangen hatte, war vor 6 Wochen geschehen, der Thäter vlieb aber unentdeckt. Am letzten Sonntag prügelte der Neger seine Frau, weil sie be­trunken war, und darauf zeigte sie ihn an.

(Ernte das ganze Jahr hindurch.) Während , des ganzen JahreS wird in irgend einem Teil > unserer Ernte geerntet. Im Januar, so schreibt man der Liverpooler Post, schneiden die Neu- ' seeländer und Argentinier ihren Weizen, im Februar und März die Westindier und Aegypter.

Im April steht die Ernte in Cypern, Kleinasien Persien und Kuba in vollstem Schwung. Im Mai kommt die Reihe an China und Japan, während Juni und Juli die Erntemonate für Südenropa und Südamerika sind. Im August erscheinen die Schnitter auf den Feldern Groß. ? britanniens, und im September und Oktober erklingt die Sense in Schweden uud Norwegen. > In Peru und Südafrika reift das Korn im November, und so würde sich der Ring schließen, wenn nicht der Dezember einen Strich durch die Rechnung machte, wenigstens weiß die Liver­pooler Post nichts über ihn zu berichten. >

(Gegen Mäuse und Ratten.) Man streut an die Orte, wo man Mäuse oder Ratten spürt, die Blätter und zerquetschten Stengel der Hunds­zunge (Oxuoglossulll oiücinalk), welche im An­fänge des Sommers, wenn die Pflanze die größte Kraft besitzt, gesammelt werden. Dieses Unge­ziefer hat eine solche Abneigung dafür, daß es ein Haus, in welches diese Pflanze gestreut wird, spätestens in einem Tage verläßt. Oder: !

Man zerstößt 60 Gr. Glas zu feinem Pulver, !

mischt 30 Gr. gestoßenen Zucker dazu und macht ^ mit frisch gemolkener Milch und Roggenmehl einen steifen Teig daraus, den man in kleine Kügelchen formt, in etwas Fett abröstet, mit gestoßenem Zucker bestreut und an die Orte > legt, wo man das Ungeziefer spürt, das vom ! Genuß dieses Teiges, den sie sehr gern fressen, zu Grunde geht.

(Nobel.s A.:Besuchten gnädige Frau die ! letzte Zeit häufig das Theater?" Parvenüs­gattin (die vor Kurzem geadelt wurde):Nein! Wir geh'n jetzt nur mehr in adelige Stück', wie: Götz von Berlichingen, Jungfrau von Orleans, Mina von Barnhelm! (Fl. BI.")

Mutmaßliches Wetter am 11. und 12. Oktober.

Für Samstag und Sonntag ist durchweg trockenes und heiteres Wetter bei ziemlich warmer Temperatur zu erwarten.

Neueste Nachrichten u. Telegramm.

Genf, 9. Okt. Der Staatsrat beschloß die Mobilmachung weiterer Truppen und die Schließ- ^ ung des Theaters. Etwa 100 Personen wurden heute über die Grenze abgeschoben. Vor der Buchdruckerei im Genfer Journal de Geneve sammelte sich vormittags ein großer Trupp Aus­ständiger an, weil 10 Arbeiter ihrer Beschäftigung nachgiagen. Der Direktor des Blattes mußte um polizeilichen Schutz nachsuchen. Das Blatt beschloß, seine Werkstätten zu schließen. Alle übrigen Blätter thaten das Gleiche. Gegen Mittag durchzog ein ordnuugsloser Zug Ausständiger die Straßen und zwang die dort thätigen Arbeiter, die Arbeit niederzulegen. Auf den Bauten ruht die Arbeit seit 2 Uhr gänzlich.

Paris, 9. Oktbr. In allen Kohlengruben des Departements Pas de Calais ist der Aus­stand vollständig. Die Zahl der Ausständigen erreicht 47 600.

Rheydt, 9. Okt. In einer hiesigen Ma­schinenfabrik wurden heute mittag durch Explosion einer Granate, die sich unter dem zum Ein­schmelzen verwandten alten Eisen befand, ein Arbeiter getötet und zwei schwer verletzt.