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Ausland.
R o m, 10. Sept. Dem Minister der Posten und Telegraphen wurde ein neues Verfahren unterbreitet, um auf elektrischem Weg in Aluminiumbehältern Briefe zu befördern, und zwar mit 400 Kilometern Geschwindigkeit in der Stunde. Ein Brief von Rom nach Neapel würde demnach 25 Minuten brauchen, ein solcher von Rom nach Paris 5 Stunden. Der Minister ernannte eine Kommission von Technikern, um die Neuerung zu Prüfen.
In Frankreich veranstalteten am Montag gegen 30 000 Personen eine Wallfahrt nach dem Dorfe Le Volgoet, wobei der Bischof, der mit zahlreichen Geistlichen daran teilnahm, in einer Ansprache während der Andacht die Bretonen zu ihrem Widerstand gegen die Schließung der Schulen beglückwünschte.
Paris, 9. Sept. Nach einem Telegramm aus Fort de France vom 6. ds. Mts. an den Marineminister hat der Gouverneur angeordnet, den nördlichen Teil der Insel zu räumen und die Flüchtigen im Süden anzusiedeln. Man fährt in Morne Rouge und Ajonpa-Bouillon fort, die Leichen zu verbrennen.
Washington, 10. Sept. Der amerikanische stellvertretende Generalkonsul von Venezuela Ehrmann, meldet dem Staatsdepartement telegraphisch. daß Aguadulce den Regierungstruppen übergeben worden sei. Zur Zeit befinden sich 4 Kriegsschiffe der Aufständischen im Meerbusen von Panama. Berichten zufolge, rücken die Aufständischen gegen die Eisenbahn vor. Der Konsul betrachtet die Lage in Colon und in Panama als ernst.
Vom haitianischen Kriegsschauplatz berichtet der deutsche Dampfer „Valencia", daß in Santa Martha vom Freitag bis Montag ein heftiges Gefecht stattgefunden habe. 100 Mann Regieruugstruppen seien gefallen und schreckliche Greuelthaten verübt worden.
Paris, 10. Sept. Zu einem Gelddiebstahl von 220000 Franken in Goldstücken, der in dem Keller der Bank von Paris verübt worden ist, wird berichtet, daß der mutmaßliche Thäter ein Bediensteter ist, der die Gelddepots zu bewachen hatte und seit kurzem verschwunden ist. Man glaubt jedoch, daß er Helfershelfer gehabt hat, da es ihm allein nicht möglich gewesen wäre, auf unauffällige Weise die Goldstücke, die ein Gewicht von etwa 70 kg hatten, zu entwenden.
Bern, 10. Sept. Martin Levy aus Berlin, der sich als Kurgast mit Frau und Kammermädchen in Pontresina aufgehalten hatte, wollte über den Julierplatz nach Chur fahren. Auf der Paßhöhe (2240 Meter) wurde Halt gemacht, um die Pferde zu füttern. Herr Levy stieg aus, die Damen blieben im Postwagen, Plötzlich brannten die Pferde durch und der Wagen stürzte eine 25 Meter hohe Halde hinunter. Frau Levy erlitt einen Schädelbruch und war sofort tot, das Kammermädchen ist nicht unerheblich verwundet.
Unterhaltender Teil.
Auf dunklen Pfaden.
81 Roman von E. Eiben.
Es war im Herbst — der Wind heulte klagend um das alte Gerichtsgebäude, in welchem sich soeben eine erschütternde Tragödie abspielte.
In dem düsteren Schwurgerichtssaale saßen Kurt und Marie auf der Anklagebank, beschuldigt der furchtbarsten Verbrechen. Kurt war bereits wegen Muttermordes zum Tode verurteilt, jetzt sollte Marie wegen eines gleich grauenvollen Verbrechens, wegen Vatermordes, das Urteil empfangen und er mit ihr.
Alle Beweise zeugten Wider die Unglücklichen <— was halfen ihnen da alle Unschuldsbeteuerungen? — Genug, diepGeschworenen sprachen beide des gemeinschaftlich verübten Mordes für schuldig. Die Richter verurteilten Kurt und Marie zum Tode.
Feodora und Olaf hatten gesiegt — die Hölle triumphierte.
Sechs Wochen waren verflossen. Der Winter war ins Land gezogen, das Weihnachtsfest, das Fest der Liebe, war nahe.
Die allgemeine Erregung, welche die Verurteilung Kurt's und Maries im Lande hervorgerufen hatte, legte sich allmählich. Das Urteil hatte die Bestätigung des Herzogs erhalten.
Nichts schien die Unglücklichen mehr retten zu können. Kurt war nun zwei Mal zum Tode verurteilt. Gemeinsam sterben zu dürfen, dieser Gedanke war's, der Kurt und Marie den Abschied von der Welt leichter machte. Was sollten sie auch noch auf der Erde? Wären sie begnadigt worden, hätten sie doch nur ein elendes Leben im Zuchthause weiter führen dürfen. Sie hofften nicht mehr, das ihr Schicksal sich wenden, ihre Unschuld an den Tag kommen werde.
Kurt hegte noch einen Wunsch, um dessen Erfüllung er als um eine Gnade den Oberstaatsanwalt Stein bat. Er wünschte, daß er und Marie vor dem Tode miteinander ehelich verbunden würden.
Der Oberstaatsanwalt setzte Marie davon in Kenntnis und sie war mit Freuden dazu bereit, ihm, dem Auserwählten ihres Herzens, angetraut zu werden.
Sie selbst hatte sich darnach gesehnt, daß ihre Liebe zu Kurt vor dem Altar noch die kirchliche Weihe empfange, aber nicht gewagt, dies auszusprechen.
Der Oberstaatsanwalt berichtete darüber an den Justizminister und dieser wiederum an den Herzog. Das Gesuch wurde bewilligt. Es war eine wehmütige Ueberraschung für Kurt und Marie, als der Oberstaatsanwalt ihnen diese Mitteilung machte! An demselben Tage noch sollte die Trauung vollzogen werden.
Um die vierte Nachmittagsstunde — es war ein trüber Wintertag, der Schnee wirbelte vom Himmel und deckte ein weißes Leichentuch über die Erde — wurde Kurt, nachdem man ihm die Ketten abgenommen hatte, aus seiner Zelle geholt und in die Gefängniskirche geführt.
Auf dem Altar brannten zwei Wachskerzen, die einen ungewissen Schimmer verbreiteten.
Zwei Aufseher blieben bei Kurt; sie hießen ihn auf eine Bank vor dem Altar sich niedersetzen und stellte sich hinter ihn.
Er faltete die Hände, dankte Gott für die Gnade, Marie noch auf dieser Welt angetraut werden zu dürfen.
Marie wurde von dem Inspektor Mohn und einem Aufseher hereingeführt.
Als sie nahte, erhob sich Kurt und ging ihr einige Schritte entgegen. Marie legte ihre Arme um seinen Hals. Er schloß sie an seine Brust, selig lächelnd sahen sie einander in die Augen.
„Dein!" flüsterte sie.
„Dein!" wiederholte er, „Dein! auf ewig!"
Der Oberstaatsanwalt in seiner Amtstracht erschien.
Mit gekreuzten Armen blieb er, finster auf das junge Paar blickend, neben dem Altar stehen.
Der Gefängnisgeistliche kam, kniete auf den Stufen des Altars nieder und sprach ein Gebet.
Er erhob sich und sprach:
„Graf Kurt von Bärenfeld und Marie Bertram, Sie sind an dieser heiligen Stätte erschienen, um ehelich verbunden zu werden. Angesichts des Grabes, das seinen Hügel bald über Ihren Leibern wölben wird, angesichts des Todes - beschwöre ich Sie: Bekennen Sie! Sind Sie schuldig? — Wollen Sie nicht auf ewig verloren sein, dann legen Sie Ihre Herzen reuevoll zu den Füßen des Gekreuzigten. Sein Blut ist als Sühnopfer für die furchtbarsten Verbrechen vergossen worden, auch Sie dürfen, wie groß auch Ihre Schuld sein mag, auf Gottes Erbarmen rechnen, um seines Sohnes, unseres Herrn und Heilandes, willen. Kurt von Vären- feld, antworten Sie: Sind Sie schuldig?"
„Nein!" beteuerte Kurt. „Gott im Himmel weiß es!"
„Marie Bertram, sind Sie auch unschuldig?"
„Ja, ich bin's!" tönte es weich und innig von den Lippen Marie's. „Aber ich sterbe freudig, ich sehne mich nach meinem seligen Vater dort droben in der ewigen Heimat."
„So rufe ich Gott an zum Zeugen dieser Ihrer Unschuldsbeteuerung," rief der Priester und seine Gestalt reckte sich. „Wehe, wehe aber Ihnen, wenn Sie dem Allwissenden in s Angesicht gelogen haben! Sie wären verdammt auf ewig!"
Redaltion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg
Er vollzog nun nach der Vorschrift der Kirche die Trauung.
Als Marie und Kurt sich das Jawort gegeben hatten, einander anzugehören auf immerdar der Geistliche den Segen der Kirche über die Häupter ausgesprochen hatte, sanken sie einander wortlos in die Arme.
Marie weinte vor Glück und Weh. Kurts Augen aber waren mit starrem Glanze auf ihr liebliches Engelsgesicht gerichtet.
Wie ganz anders hatte er sich's einst geträumt! —
Die heilige Handlung war zu Ende.
Der Oberstaatsanwalt trat an das junge Ehepaar heran.
„Ihrem Wunsche ist willfahrt worden," sagte er, „Sie sind jetzt miteinander ehelich verbunden. Der Tod stand neben dem Altar, als Sie einander die Hände reichten, sich treue Liebe gelobten. Graf Kurt von Bärenfeld und Gräfin Marie von Bärenfeld, geborene Bertram, ich habe Ihnen zu verkünden, daß morgen früh ^ um die achte Stunde das Todesurteil, das über ! Sie verhängt wurde, vollstreckt werden soll."
Kurt starrte mit tätlicher Erschrockenheit den ! Oberstaatsanwalt an. ;
„Schon jetzt, schon jetzt?" kam's bebend von, seinen Lippen.
Der Oberstaatsanwalt nickte ernst.
Marie sah zu Kurt auf.
„Schon jetzt, Kurt?" sprach sie mit tiefer Innigkeit. „Warum bist Du erschrocken? Freue Dich doch, daß wir so bald schon nach der ewigen Heimat gehen dürfen. Dort erwarten uns Deine, meine Eltern, um uns segnend die Hände auf's Haupt zu legen. Dort erwartet ; uns die Seligkeit nie erlöschender Liebe. Kurt ! weine nicht!" !
Und doch, — Thränen überrieselten auch ! ihr Antlitz.
„O Marie," schluchzte er. „Du, Du sollst sterben und ich bin schuld daran!"
„Kurt!" sagte sie mit sanftem Vorwurfe, „glaubst Du denn, ich hätte weiter leben können, wenn man Dich getötet hätte? Nein, nein! Mir wäre das Herz gebrochen und mein Geist Dir nachgeeilt zu den Gefilden der Seligen. Meine Seele ist froh, daß sie mit Deiner Seele Hinaufschweben darf zur ewigen Heimat und mein Herz ist so müde, es sehnt sich nach dem Frieden des Grabes."
„Kürzen Sie den Abschied," sagte der Oberstaatsanwalt. Morgen früh zur Todesstunde sollen Sie einander noch einmal Wiedersehen! Marie stirbt vor Ihnen, Kurt von Bärenfeld, Sie sollen Zeuge ihres Todes sein!"
Kurt bebte zusammen.
sBoshaft.s Wirt: „Hier, Herr Amtsrichter, gebe ich Ihnen zum Abschiede noch eine Flasche Wein zum besten!" — Amtsrichter: „Aber, lieber Herr Adlerwirt, machen Sie mir den Abschied doch nicht so sauer!"
Mutmaßliches Wetter am 12. und 13. September.
(Nachdruck verboten).
Für Freitag und Samstag ist bei fortgesetzt warmer Temperatur und nur ganz sporadischer Gewitterneigung größtenteils trockenes und auch mehrfach heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
Am 13. und 14. September.
Für Samstag und Sonntag ist nur noch zeitweiliz gewitterhast bewölktes, in der Hauptsache trockenes und auch zeitweilig heiteres Wetter bei fortgesetzt warmer Temperatur zu erwarten.
Neueste Nachrichten u. Telegramme.
Frankfurt a. O,, 11. Sept. Von 6 Uhr an fand in dem gleichen Gelände wie gestern ein großes Gefecht statt. Die „blaue" Armee ^ und ein Kavalleriekorps von 16 Regimentern, letzteres unter dem Kommando des Kaisers, griff von Norden und Osten her das V. Korps an. Das Kavalleriekorps ritt eine große Attake. Die „rote" Armee ging nach Südwesten zurück. Die Kaiserin wohnte den Manövern zu Pferde bei, ebenso die Prinzen und die fremdem Offiziere.
Amsterdam, 11. Sept. Die Burengenerale sind in Begleitung Wessels, Wolmarans und Reitz hier eingetroffen. In einer Ansprache dankte Delarey für den Empfang und sagte, ihre Sendung sei keine politische, ihr einziger Zweck sei, Unterstützung zu erlangen.