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Während er dies sprach, tastete er an dem Rahmen des mittleren Bildes umher, rüttelte daran, es wich nicht, saß fest gefugt da.

Er wurde immer aufregender, Feodora mit ihm.

Irgendwo in der Wand oder in dem Rahmen des mittleren Bildes war gewiß ein Mechanis­mus verborgen.

Er untersuchte den oberen, sie den unteren Teil des Rahmens.

Wohl eine Stunde verfloß mit dieser Unter suchung, ohne daß es ihnen gelungen wäre, den Mechanismus, der vorhanden sein mußte, zu entdecken.

Olaf! Olaf! Sie doch, sind das nicht halb verwischte alte gothische Buchstaben?"

Sie deutete mit dem Finger unten auf das Bild.

Er nickte, studierte die Striche ganz genau, um die einzelnen Buchstaben zusammensetzen und Worte daraus bilden zu können.

Er hoffte, daß jene Buchstaben ihm das Geheimnis, auf welche Weise der geheime Gang geöffnet werden könne, verraten würden.

Nun?" fragte Feodora.Kannst Du die krausen Striche entziffern?"

Lass' mein so lese ich die Buch­staben," antwortete Olaf.Sieh' zu, ob ich recht habe." Er zeigte ihr die einzelnen Striche, welche sich zu diesen Worten verschlangen.

Du hast recht, Olaf. Lass' mein so heißt's. Aber wie weiter? Die übrigen Striche scheinen mir keine Buchstaben mehr zu sein."

Ganz recht, Buchstaben sind's nicht, aber andere Zeichen. Achte genau darauf! Diese gewellten Striche deuten ein Herz, jene schrägen einen Hammer an, der auf ein längliches Viereck, das offenbar einen Sarg vorstellen soll, nieder­fällt das Ganze ist eine Art Bilderrätsel. Also: Lass' mein Herz ein Hammer, der auf einen Sarg schlägt. Ich deute das so: Lass' mein Herz schlagen. Durch den Sarg soll wahrscheinlich die Totengruft bezeichnet werden, wohin der geheime Gang führt"

Ein Ah! der Ueberraschung entfloh ihren Lippen.

Das dürfte stimmen, Olaf. Lass' mein Herz schlagen damit wird geheimnisvoll ge­sagt: Auf der Herzseite des Bildes befindet sich die Feder, welche den Mechanismus, durch den der Gang geöffnet werden kann, in Bewegung setzt. Suchen wir!"

Der geschuppte Panzer, worin der Ahnherr gemalt worden war, wies auf der linken Brust­seite eine etwas verwischte Stelle auf, als ob sie häufig berührt worden sei.

Olaf untersuchte diese Stelle und wirklich! eine der Schuppen bildete einen Knopf, der sich Niederdrücken ließ.

Ein leises Geschwirr, als ob eine Feder sich allmählich ausspanne und langsam wurde das Bild emporgeschoben.

Eine längliche viereckige Oeffnung gähnte ihnen entgegen und schwüle, dumpfe, feuchte Luft strömte herein.

Olaf und Feodora sahen sich freudig über­rascht an.

Das ist der Gang, der zur Totengruft führt," erklärte er.Durch diesen Gang drangen auch jene Personen, die Dich in voriger Nacht als Gespenster erschreckten, in den Saal. Diese Gespenster waren ich glaube das ganz ge­wiß Kurt und Marie."

Ja, ja," entgegnete Feodora hastig.Ich bin davon überzeugt. Weh' ihnen! Jetzt sind sie unserer Macht verfallen und wir werden kein Erbarmen haben."

Wir können von dem Saale aus in die Totengruft dringen, Feodora. ohne daß jemand eine Ahnung davon hat. In nächster Nacht wollen wir diesen Gang benutzen und das Werk unserer Rache finden. Vielleicht begegnen uns auf dem Wege schon die Gespenster."

Sie sollen mich nicht schrecken," sagte Feo­dora, leise lachend.Wollen wir den Gang nicht jetzt erst näher untersuchen?"

Warte, ich will mich eine Strecke den Gang hinabbegeben."

Als er mehrere Schritte gegangen war, führten einige Steinstufen in die Tiefe.

Es war ein mannshoher, aus mächtigen Steinquadern gebauter gewölbter Gang.

Der Boden war feucht und schlüpfrig, fiel zunächst etwas schräg ab und führte dann in schnurgerader Richtung weiter. Die Luft war stickig, legte sich schwer auf seine Brust, benahm ihm den Atem. Er fürchtete, ohnmächtig zu werden und wandte sich zur Rückkehr um. Als er wieder aus der Tiefe emporstieg, empfing ihn Feodora, die ungeduldig auf sein Wieder­erscheinen gewartet hatte, mit der Frage:

Wie ist der Gang? Kann man in ihm un­gefährdet gehen?"

Er atmete erst einige Male tief auf bevor er erwiderte:

Der Gang ist noch wohlerhalten, die Luft darin aber stickig. Verschließen wir die Oeff­nung nicht wieder, damit die Stickluft ausströmen kann und öffnen wir die Fenster. Wir werden uns dann in der nächsten Nacht ohne Gefahr in die Totengruft begeben können."

Feodora mar damit einverstanden. Nachdem sie sämtliche Fenster geöffnet hatten, verließen sie den Ahnensaal und verschlossen die Thür, damit keiner von der Dienerschaft ihn betreten könne.

Vermischtes.

Prinz Heinrich von Preußen hat bei dem zehnten Sohne des Feilenhauers Karl Kirchner in Remscheid eine Patenstelle angenommen und dem glücklichen Familienvater gestattet, die Ein­tragung des prinzlichen Namens in das Gemeinde­kirchenbuch zu veranlassen. Gleichzeitig übersandte der Prinz für den kleinen Täufling ein nam­haftes Geldgeschenk. Bemerkt sei hierbei, daß bei dem siebenten Sohne des Kirchner seinerzeit der Kaiser eine Patenstelle übernommen hatte. Sämt­liche zehn Kinder sind gegenwärtig noch am Leben.

Vom Lande, 22. August. Das massen­hafte Auftreten von Feldmäusen, das in ver­schiedenen Gegenden zur Kalamität geworden, veranlaßt das Landwirtschaftliche Wochenblatt daraus hinzuweisen, daß die gesetzlichen Bestim­mungen zur Bekämpfung der Mäusenplage so unpraktisch sind und der Termin zum Legen von Mausgift so ungenügend ist, daß die Ge­meinden gut daran thun sollen, jetzt schon um Erleichterungen nachzusuchen. Es wird von der Behörde die Erlaubnis erteilt, acht Tage lang durch erwachsene männliche Personen unter Aufsicht der Gemeinderäte Gift zu legen. Acht Tage genügt gerade, vorausgesetzt, daß die ge­nügende Anzahl von Personen zur Verfügung steht, um eine größere Gemeinde durchlegen zu können. Jeder erfahrene Landwirt wird sich aber damit nicht begnügen, sondern sein Feld wiederholt begehen und in jedes frisch gehobene Mausloch einige Zeltchen oder Körner legen.

Das Vermögen von Präsident Krüger. Englische Blätter faseln von Millionen; hierüber schreibt der gut unterrichteteHaarl. Courant": Präsident Krüger hat wenig Barmittel nach Europa gebracht. Vor seiner Abreise aus Süd­afrika hat er sein ganzes Guthaben bei der Nationalbank in Pretoria im Betrage von 40 000 Pfund Sterling der Regierung als zins­freie Anlage zur Verfügung gestellt, da für den Unterhalt der Kommandos und fernere Kriegs­kosten viel Bargeld erforderlich war. Außerdem hat er seinen Kindern das freie Verfügungsrecht über seinen Grundbesitz gegeben, um nötigenfalls auch diesen für allgemeine Zwecke zu verwenden. Für sich selbst hat er außer dem zur Reise und zur Bestreitung der ersten Ausgaben nötigen Geld nur zwei Farmen behalten, von deren Ertrag er jetzt lebt.

DelareysZerstreuung während der Ueber- fahrt von Südafrika war gelegentlich eine Partie Dame" mit einem Mitgliede der deutschen Burenambulanz, der einen überlegenen Gegner in dem General fand. Hierbei trug sich folgende amüsante Geschichte zu: Eines Morgens saß Delarey stirnrunzelnd vor dem Damebrett. Ein unüberlegter Zug hatte ihn in die Hände seines Gegners geliefert, eS schien kein Ausweg mehr vorhanden. Plötzlich blitzte es in des Generals Auge auf, aufspringend rief er:Da ist ein Walfisch!" Sein Gegner sprang gleich zeitig auf, und sämtliche Steine des Damebrettes fielen durcheinander. Während die Damesteine auf­gesucht wurden, war der Walfisch natürlich ver­

schwunden. Delarey entschuldigte sich wegen Ungeschicklichkeit und versuchte die unmögliche Arbeit, die Steine wieder in ihre frühere Stellung zu bringen. Botha, der den Vorgang beobachtet hatte, äußerte nachher, Delarey könne manchem bei seinen Zügen etwas vormachen. Wenn Delarey nicht spielte, war er meistens der Mittelpunkt einer bewundernden Gruppe von englischen Offi­zieren, denen er liebenswürdig auseinandersetzte, warum es ihnen so oft mißlungen, ihn bei dieser oder jenerFontein" zu fangen. Bei ver­schiedenen dieser gelegentlichen Gespräche hielt der General kurze Vorträge über Strategie, wie er sie verstand und mit glücklichen Erfolgen geübt hatte.

(Zeitungen in der Schweiz.) In der Schweiz giebt es im Verhältnis zur Bevölkerungszahl zweimal mehr Zeitungen als in Deutschland und neunmal mehr als in Oesterreich-Ungarn. Im Jahre 1901 sind im deutschen Reiche in 2101 Ortschaften 3641 politische Zeitungen erschienen, in Oesterreich-Ungarn in 293 Ortschaften 68k Zeitungen und in der Schweiz in 212 Ort­schaften 422 Zeitungen. Es trifft eine Zeitung in Deutschland auf 147 Quadratkilometer und auf 15675 Einwohner, in Oesterreich-Ungarn auf 981 Quadratkilometer und auf 61 224 Ein­wohner, in der Schweiz auf 98 Quadratkilo­meter und auf 7075 Einwohner.

(Die zehn Gebote für Radfahrer) sind nach demKampioen" folgende: 1. Fahre nie ohne Glocke, gut anfgepumpte Reifen, gut angezogene Schrauben und eine zuverlässige Bremse. 2. Fahre nie mit vollem Magen. 3. Vergiß keine gefüllte Laterne, noch Werkzeugtasche, noch gefüllte Börse.

4. Mache keinen krummen Rücken wie eine Katze und sitze nicht wie ein aufgeblasener Frosch.

5. Fahre nicht dicht hinter einem Fuhrwerk oder einem Kraftwagen. 6. Mäßige deine Fahrt bei Straßenbiegungen. 7. Fahre keinem Fußgänger in den Weg. 8. Trinke unterwegs wenig. 9. Ruhe nie auf einem zugigen Platze. 10. Fahre mit geschlossenem Mund und offenen Augen.

(Reinigung gelb ledernen Schuhwerks.) Am besten ist es, den dazu gehörigen Reimgungslack fertig zu kaufen. Kann man ihn aber nicht haben, so reibt man das Schuwerk zunächst mit einem Weichen in Benzin getränktem Wolltuch ab, reibt es dann mit einem Seidenläppchen trocken und bürstet es, wenn es dunkelgelb ist, mit einer in ganz fein pulverisiertem Ocker ge­tauchten Bürste. Ist das Schuhwerk aber hell­gelb, so muß die Mischung zum Bürsten bestehen aus fein pulverisiertem Ocker und ebensolcher Schlemmkreide. Die ganze Prozedur darf aber wegen der leichten Entzündlichkeit des Benzins nicht bei Licht oder in der Nähe von Feuer vorgenommen werden.

(Auf dem Lande.)Die Hunde sind ja so unruhig, die Schweine und Hühner eilen ängstlich in die Ställe? Ist ein Gewitter im Anzuge?,, Bauer:Nein, wahrscheinlich ein Automobil."

(Liebe macht blind.)Aber, Johann, wie konntest Du mir nur so schmutzige Stiefel geben?! , . . . Sogar meine Braut hat mich darauf aufmerksam gemacht!"Na, Herr Leutnant da seh n Sie Sich man vor die lichtste Liebe is det nich!"(FI. Bl.")

(Ganz einfach.)Wenn ich nur wüßte, wie ich es anfangen soll, meinen Mann mehr zu Hause zu halten!"Kaufen Sie ihm ei» Automobil!"Aber dann ist er ja noch mehr draußen!"Doch nicht! Mein Mann hat sich neulich eines angeschafft und der Arzt meinte, er müsse mindestens drei Monate zu Hause bleiben!" (FI. Bl.")

Dreisilbige Charade.

Siehst Du die erste, überkommt Dich allezeit So ein Gefühl für Größe und Erhabenheit! Die zweiten sind ganz sittsam hier zu Lande, Doch haben sie gar schreckliche Verwandte. Das Ganze findest Du in heißer Zone,

Man sagt, es sei verwandt uns zweifelsohne!

Auflösung des Kettenrätsels in Nr. 132. Berlin, Linde, Deli, Lima, Marie, Riesa, Sago, Gobi, Biber, Berber.

Redaktion» Druck und Verlag von C. Mreh in Neuenbürg.