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Stuttgart, 28. August. Wie jetzt erst bekannt wird, hat sich auf der Zahnradbahn nach Degerloch am Sonntag Nachmittag ein Unfall zugetragen, indem in einem bergwärts fahrenden, aus Kraft- und Anhängewagen bestehenden elek­trischen Zug im Motorwagen Kurzschluß eintrat, bei dem sich nach einem starken Knall Rauch und Funken entwickelten, worauf der Zug sofort stillstand und etwa eine Wagenlänge zurückrollte, bis es dem Führer gelang, ihn festzubremsen. Der zahlreichen Fahrgäste bemächtigte sich eine große Angst, und es entstand großer Lärm. Der Zug mußte zurückgeholt werden. Die Fahrgäste setzten ihren Weg zu Fuß fort. Ueber die Ent­stehung des Unfalls ist sofort eine Untersuchung eingeleitet worden.

Besigheim, 28. Aug. Am 1. September soll die elektrische Beleuchtnng hier in Kraft treten. Probeweise sind schon seit einigen Tagen die Straßen elektrisch beleuchtet. In heutiger Sitzung der bürgerl. Kollegien wurde der Stadt­pflegeetat beraten. Es ergiebt sich eine Umlage von 31000 (im vorigen Jahr 29000 ^.) Diese wurde einstimmig genehmigt.

Eßlingen/ 29. August. (Schon wieder!) Die 38 Jahre alte Marie Hauser dahier goß gestern abend beim Feuermachen Erdöl in den Herd. Hiebei erfolgte eine Explosion der Kanne. Im Augenblick stand die Bedauernswerte in Flammen und erlitt dabei so schreckliche Verletz­ungen, daß sie gestern abend noch starb.

Besigheim, 29. August. Auf der Domäne Liebenstein brachte gestern vormittag ein auf dem Gut beschäftigtes Dienstmädchen in die mit Dampf betriebene Dreschmaschine einen Fuß, wobei der­selbe vollständig abgerissen wurde.

Völlkofen, 29. August. Wie derOber­länder" aus sicherer Quelle erfährt, wurde einer hiesigen Dienstmagd, die 9 Jahre bei einer Herr­schaft treu gedient hat, von der verstorbenen Herrschaft testamentarisch 1000 vermacht.

Vom Hagenschieß wird demSchwäb. Merk." geschrieben: Vielleicht ist es nicht ganz ohne Wert, wenn wir von den vielen möglichen und unmöglichen Eisenbahnprojekten das alte Kornwestheim- (besser Ludwigsburg-)Pforz heim" wieder aufgreifen, das unseres Erachtens niemals hätte aufgegeben werden sollen. Freilich müssen wir zugeben, daß es eben am not wendigsten fehlt, am Geld; und nachdem eine Privatgesellschaft einmal auf den PlanKorn- thal-Weisfach" angebisfen hat, und andererseits Sersheim-Baihingen, Enzweihingen gebaut werden soll, lehrt ein Blick auf die Karte, daß es näher liegt, von Enzweihingen über Rieth, Eberdingen und Flacht nach Weissach weiter zu bauen. Damit wären dann die Ortschaften auf und an der sog.Platte" wohl für alle Zeiten umgangen und mit ihren Eisenbahnwünschen kalt gestellt; denn weder der Staat noch eine Privatgesellschaft wird dann auf das alte ProjektLudwigsburg- Pforzheim" wieder zurückgreifen, wenigstens in absehbarer Zeit nicht. Und doch wäre diese Linie die zwei bedeutende Plätze die Garnisons­und Fabrikstadt Ludwigsburg und die Fabrikstadt Pforzheim verbinden würde, nach der Ueberzeug- ung Vieler die allein richtige gewesen, denn von Ludwigsburg ans kann man jederzeit nach allen Richtungen weiter reisen, die große und fruchtbare Gegend zwischen Pforzheim und Lud­wigsburg würde aufgeschlossen und die landwirt­schaftlichen Erzeugnisse könnten leicht nach Pforz­heim und Ludwigsburg abgesetzt werden. Ohne allen Zweifel würde auch der Zuckerrüben und Zichorienbau eine weitere Ausdehnung finden zum Vorteil unseres Bauernstandes. (Dem gegenüber erinnert ein Einsender im folgenden Blatt an die Versammlung vom Frühjahr 1896 in Pforzheim, wo von 17 beteiligten Ge­meinden 16 ausdrücklich die Führung der Linie gegen Stuttgart, statt gegen Ludwigsburg wünschten, sowie an die in gleichem Sinn lau­tenden Auseinandersetzungen in der Ständekammer. Thatsächlich steht die Sache so, daß die jetzt zu nächst beteiligten Gemeinden ihre Opfer an Geld und Grund und Boden mit zusammen mindestens 350000 -^ü, die sie für die Bahn Kornthal- Weissach zugesagt haben, auch nicht einmal zu einem Drittel für eine in Ludwigsburg an­schließende Bahn bringen würden.)

Ausland.

Der neue französische Botschafter für Berlin ist nun definitiv ernannt in der Person des Herrn P. L. G. Bihurd, der seit März 1900 Botschafter der Republik in Bern war. Er tritt an Stelle des Marquis de Noaillcs, der seit 1896 den Berliner Posten bekleidete.

Die Generalräte, die parlamentarischen Provinzialvertretungen Frankreichs, habe» nun ebenfalls Stellung zu dem Kampfe des Ministeriums Combes gegen die Congregations- schulen genommen. Die große Mehrzahl dieser Körperschaften tritt hierbei auf die Seite der Regierung, denn 47 Generalräte richteten an dieselben Beglückwünschungsadressen wegen ihres Vorgehens gegen die genannten Schulen. Vier Generalräte sprachen ihre Mißbilligung des Ver­haltens der Regierung aus, gegen welche Be­schlüsse indessen 5 andere Generalräte wiederum protestieren. Zwei Generalräte forderten Frei­heit des Unterrichtes, d. h. der Congregations- schulen, drei andere faßten einen gegenteiligen Beschluß, 13 Generalräte drückten den Wunsch nach Wiedereröffnung der Congregationsschulen aus und 13 Generalräte erklärten sich dagegen. Alles in allem genommen, haben demnach von 87 Generalräten nur 19 die Regierungspolitik bezüglich der Congregationsschulen gemißbilligt, was das Ministerium Combes in seinem Ent­schlüsse, auf dem betretenen Wege auszuharren, nur bestärken kann. Vereinzelt kommt es in der Provinz allerdings noch immer zu Tumulten infolge der Ausführung des Kongregationsgesetzes, wie erst jüngst wieder in der Stadt Angers. Auch dauern in der Armee die Zwistigkeiten wegen der Schließung der Congregationsschulen fort, wie ein in Avignon aus diesem Anlaß stattge­fundenes Degenduell zwischen 2 Leutnants beweist.

Vom Schauplatze desKulturkampfes" in Frankreich ist nicht mehr viel des Sensatio­nellen und Neuen zu verzeichnen. Die radikale Regierung des Herrn Combes überwindet durch jähe Konsequenz wie durch nachdrückliche Energie mehr und mehr den Widerstand der klerikal gesinnten Bevölkerungskreise gegen die Schließung der Kongregationsschulen. Auffallend bleibt die Zurückhaltung, welche der Vatikan bei dem Vor­gehen der gegenwärligen französischen Regierung gegen die Kongregationen und deren Anstalten beobachtet, offenbar wird die päpstliche Politik durch gewichtige Erwägungen davon abgehalten, sich für die Kongregationen in Frankreich schärfer ins Zeug zu legen.

^Präsident Roosevelt laboriert an einem förmlichen Redefieber während seiner gegen­wärtigen Rundreise durch die Vereinigten Staaten. So hielt er auch in Augusta, der Hauptstadt des Bundesstaates Maine, eine Ansprache, die nament­lich dadurch bemerkenswert war, daß in ihr Roosevelt mit Entschiedenheit für dieMonroe- Doktrin"Amerika den Amerikanern" eintrat.

Die Burengeneräle Botha, Dewet und Delarey haben gelegentlich ihres Aufenthaltes in Holland durch dieCorcespondenz Nederland" eine energische .Verwahrung gegen die Preß- gerüchte einlegen lassen, wonach in den Kon­ferenzen, die sie mit dem Präsidenten Krüger und mit den europäischen Burendelegierten ge­pflogen haben, Meinungsverschiedenheiten hervor­getreten seien. Die Generäle versichern dem gegenüber in der von ihrem Sektretär Brebner Unterzeichneten betreffenden Erklärung, es habe zwischen ihnen und Krüger wie den übrigen burischen Persönlichkeiten stets die vollkommenste Harmonie geherrscht und herrsche dieselbe auch jetzt noch. Die Sensationsnachricht, bei dem Besuch der Burengeneräle in Holland sei aus­gemacht worden, daß Präsident Krüger auf seine Stellung als Oberhaupt der Buren endgültig verzichte und daß künftig Louis Botha als der politische Führer des Burenvolkes zu gelten habe, bedarf offenbar noch der Bestätigung. General Cronje, der durch seine mit 4000 Mann bei Paardeberg erfolgte Kapitulation die für die Buren unheilvolle Wendung im südafrikanischen Kriege herbeiführte, ist mit einer großen Anzahl weiterer Buren aus der britischen Kriegsgefangen­schaft auf St. Helena nach Südafrika zurückgekehrt.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg

Ueber eine hochherzige Stiftung wird auz. Schlesien berichtet: Der kürzlich in Hirschberq verstorbene Generaldirektor der Henckel-Donnerz. marckschen Verwaltung Kessel hat den größten Teil seines Vermögens von 3 Millionen Mark zur Gründung eines Erziehungsheims für Hand- Weberkinder bestimmt. Da der Verstorbene in seinem Beruf das Elend der Handweber-Be- völkerung Schlesiens kennen gelernt hat, hat er bestimmt, daß die Knaben in andere Berufe als den ihrer Eltern übergeführt werden und die Mädchen in der Führung des Haushalts unter­richtet werden sollen. Das Heim soll in Schweid- nitz errichtet werden.

(Aus den Vorträgen eines zerstreuten Professors.) i

Homer.

. . . Ob Homer gelebt hat, weiß man nicht; daß er blind gewesen, steht außer allem Zweifel."

Die Aegypter.

. . . Die Aegypter duldeten nicht, daß den Kroko- dilen auch nur ein Haar gekrümmt werde."

Cäsar und Napoleon. !

Wenn man fragt, wer von beiden der größere Mann gewesen: Cäsar oder Napoleon und wenn ma« erwägt, jo muß man unbedingt mttja" antworten/

Zerstörung Magdeburgs.

Dem General Tilly wurde das brennende Magde­burg in die Schuhe geschoben."

Ueber die Freundschaft.

Wenn von zwei Freunden der eine reich, der andere arm ist, oder wenn wir den umgekehrten Fall annehmen . . ."

Napoleon in Rußland.

. . . Als er aber seine nach Ruhm lechzende Zunge bis auf die eisigen Felder Rußlands zu strecken wagte, mußte er mit verbrannten Fingern zurückziehen."

Mutmaßliches Wetter am 31. Aug. und 1. Sept,

Ueber dem ganzen Deutschen Reich, sowie über Italien und weiter ostwärts steht das Barometer über Mittel bis auf 763 mm. Ueber Nordskandinavien liegt noch ein Hochdruck von 765 mm Der Feuchtigkeits­gehalt der Lust hat in Süddeutschland bedeutend zu­genommen und wird in Verbindung mit zahlreichen gewitterigen Lufteinsenkungen am Sonntag und Montag mehrfache und zum Teil heftige Entladungen, aber keine wesentliche Abkühlung bringen. Weiterhin ist aber Wiederaufheiterung in Aussicht zu nehmen, welcher voraussichtlich eine längere Trockenperiode folgen dürfte.

Neueste Nachrichten u. Telegramme. !

Potsdam, 29. August. Der Kaiser hatte > heute im Neuen Palais eine Besprechung M ' dem italienischen Minister des Auswärtigen Prinetti, an der auch der Chef des Zivilkabinetts Dr. v. Lucanus teilnahm. Heute vormittag 9^2 Uhr traf der König von Italien in Be­gleitung des Generals v. Lindequist und eines : kleinen Gefolges in einem offenen Zweispänner > im Neuen Palais ein. Der König von Italien unternahm heute vormittag eine Pürsch aus ! Rotwild im Wildpark und schoß dabei 3 Hirsche.

Potsdam, 29. August. Der König von Italien empfing heute den Reichskanzler Grafen Bülow und hatte mit ihm eine längere Unterredung. !

Berlin, 29. August. Der Reichskanzler ^ Graf Bülow hatte heute eine eingehende Be- i sprechung mit dem italienischen Minister des Aeußeren Prinetti.

Potsdam, 29. August. Eine.prächtige Illumination des Schlosses und Parkes von Babelsberg, die zu Ehren des Königs von Italien heute abend veranstaltet wurde, bildete den Be­schluß der Festlichkeit des heutigen Tages. Weit­hin erglänzte das Schloß in bengalischer Be­leuchtung. Die große Fontaine sprühte in alle» Farben. Auf der Havel entrollte sich ein präch­tiges Bild. Dampfer und Boote mit Lampions in italienischen Farben belebten die weite Wasser­fläche, die von Scheinwerfern fast taghell be­leuchtet war. Auch die Villen der Havelufer erstrahlten in prachtvoller Beleuchtung. Den wirkungsvollen Abschluß bildete die Glienicker- Brücke mit ihren zahlreichen weißen Lämpchen. Rote bengalische Flammen ließen die Bogen der Brücke malerisch hervortreten. Das eigenartige und fesselnde Bild hatte eine große Menschenmenge herbeigerufen.

BeMmgeil llllf -euCnztW"

für den Monat September werden von allen Postanstalten und Land« Postboten entgegengenommen.

LM" Mit einer Beilage.