650
London, 26. August. Die Memoiren des Präsidenten Krüger werden im November bei der Münchener Verlagsfirma I. A. Lehmann in mehreren Sprachen zugleich erscheinen.
Kapstadt, 26. Äug. Seit dem 6. Juni sind bereits 80 000 Mann Truppen aus Afrika zurückgesandt worden. Bis zum 17. September werden weitere 37 000 Mann in die Heimat zurücktransportiert.
Unterh altend er Teil.
Auf dunklen Pfaden.
23 Roman von E. Eiben.
Feodora lag, mit halb geöffneten Lippen hastig atmend, auf den Kissen, ein schönes bleiches Bild.
Er vermochte sich nicht zu erklären, was sich begeben hatte.
Es mußte etwas unheimliches sein, was sie so sehr erregte, mit Phantasien von Geistern erfüllt hatte, Sie war nahe daran gewesen, in ihrem Fieberwahn sich selbst und ihn zu verraten. Lucie hatte die irren Reden gehört, vielleicht schon einen Verdacht gefaßt. Wenn Lucie nicht schwieg, wenn sie plauderte, wie gefährlich konnte sie dann Feodora und ihm werden!
Wenn er nur erst Klarheit über das, was Feodora in dieser Nacht widerfahren war, gehabt hätte! Aus ihrem Munde allein konnte er darüber Gewißheit erlangen und sie mußte es ihm allein, ganz allein sagen, niemand durfte zugegen sein.
So kniete er still, regungslos, die Blicke unausgesetzt auf sie gerichtet, neben dem Bette.
Feodora wurde nach und nach ruhiger, ihr Atem regelmäßiger, ein erquickender Schlaf schien ihre Glieder zu fesseln.
Er hoffte, daß der Schlaf ihren Körper und ihren Geist stärken und ihre Sinne entwirren werde.
So ungeduldig er auch war, aus ihrem Munde Aufklärung zu erhalten, bezwang er sich doch und verharrte ruhig.
Stundenlang saß er so da. Die Morgensonne schien schon hell durch das Fenster, als Feodora endlich aus dem Schlaf erwachte.
Langsam öffnete sie die Augen.
Ihr erster Blick fiel auf Olaf.
«Hab' ich geträumt oder war es Wahrheit?" lispelte sie.
Er antwortete nicht darauf, fragte nur:
„Wie geht es Dir, Geliebte? Fühlst Du Dich gestärkt?"
„Mir ist Wohl," erwiderte sie leise, träumerisch. „Aber ich habe Furchtbares geträumt. Olaf, Olaf, diesen Traum vergesse ich nicht und würde ich hundert Jahre alt!"
„Was träumtest Du?"
„Olaf, bei der Erinnerung daran beschleicht mich ein heimliches Grauen," erzählte sie mit matter Stimme. „Kalt überschauert's mich, Olaf. Ich war im Ahnensaale, da kamen sie, die Gespenster, der Graf und die Gräfin. Sie klagten mich furchtbarer Blutschuld an. Ha, was sagte sie doch, die bleiche Gräfin? Die Worte brennen mir im Hirn, die entsetzlichen Worte: „Ich werde Dich verfolgen, so lange Du atmest!" Olaf, Olaf! es war ein verworrener Traum! Könnte ich ihn doch vergessen — vergessen!"
„Ermuntere Dich, Feodora! Behaupte Deine Ruhe! Lasse Dich nicht vom Gespensterglauben bethören! Du hast nicht geträumt, eswar Wahrheit."
Da richtete sie sich halb empor, stützte sich auf den Ellenbogen ihres rechten Armes, starrte ihn erschrocken an.
„Nicht geträumt!" kam's von ihren Lippen. „So habe ich sie wirklich gesehen, jene furchtbaren bleichen Gespenster?!"
„Höre, Feodora! Zwei Schüsse fielen mitten in der Nacht. Ich gedachte, mich eben zu Dir zu begeben — Du weißt, wir wollten gemeinschaftlich in die Bärenfeld'sche Totengruft. Durch die Schüsse wurde die Dienerschaft geweckt. Ich kam, gebot allen, das Schloß nach Dir zu durchsuchen. Ich ging mit Lucie in den Ahnensaal. Dort fanden wir Dich, Geliebte, bewußtlos auf dem Boden liegen. Die Trümmer der Stutzuhr lagen zerstreut umher-"
„Also kein Traum?" rief sie aus. „Sie war Wahrheit, die gräßliche Geistererscheinung! Ich erinnere mich jetzt des Vorgegangenen wieder deutlich. Ich wartete auf Dich, Olaf. Die Stutzuhr begann 12 mal zu schlagen und den Choral zu spielen: Nun ruhen alle Wälder. Ich, erregt über das Spiel der Uhr, konnte den Choral nicht mit anhören, nahm die Uhr, trug sie in den Ahnensaal, wollte sie dort hinstellen. Ha! Olaf — ich wagte meinen Sinnen kaum zu trauen! — da trat eine bleiche Frauengestalt aus dem Hintergründe des Saales hervor, löste sich aus dem Schatten ab —- die Gräfin Amalia von Bärenfeld! O, wie ich erschrak, schauderte! Du kannst es Dir denken. Die Uhr siel aus meinen Händen, zerbrach, klirrend umrollte mich das Räderwerk. Ich war unfähig, ein Glied zu bewegen, starrte mit weit aufgerissenen Augen die Erscheinung an. Furchtbar anklagende Worte waren es, welche die Gräfin wider mich schleuderte, dann verschwand sie, wie sie gekommen war, lautlos, ein schwebender Schatten. Da wich der Bann von mir. Ich erkannte, daß man mit mir Komödie spielte, daß jenes Gespenst ein Wesen von Fleisch und Blut wie ich sein mußte. Kaum war ich zu dieser Erkenntnis gelangt, als ein zweites Gespenst mit einem langen Silberbarte erschien, der alte Graf von Bärenfeld. Das Grauen beschlich mich wieder, aber ich fand doch den Mut, meinen Revolver zu ziehen und einen Schuß auf das Gespenst abzugeben. „Töte, was sterblich ist, nicht mich!" tönte es mir dumpf entgegen — meine Kugel hatte ihr Ziel verfehlt. Das Gespenst trat auf mich zu, streckte die Arme nach mir aus. Da ließ ich den Revolver fallen und er muß sich Wohl im Fallen zum zweiten Male entladen haben. Ich wich zurück und sank, überwältigt von namenlosem Grauen, bewußtlos zu Boden."
Mit atemloser Spannung lauschte Olaf dieser Darstellung.
„Lass' uns ruhig über das Geschehene Nachdenken!" sagte Olaf. „Gespenster giebt's nicht. Tote kehren aus den Gräbern nicht wieder, um die Lebenden zu schrecken. Diese Ueberzeugung wurzelt in meinem Herzen und auch gewiß in Deinem. Diese Geister können nur Freunde Kurt s sein, welche ihn wahrscheinlich auch verborgen halten. Wir haben sie zu fürchten, müssen versuchen, sie zu entlarven und unschäd lich zu machen. Beweise wider uns kann man nicht in den Händen haben, sonst würde man zu solchen Mitteln seine Zuflucht nicht nehmen. Wir wollen den Ahnensaal auf das Gründlichste untersuchen. Du sagst, im Hintergründe seien die angeblichen Gespenster aufgetaucht und verschwunden. Wahrscheinlich befindet sich dort eine geheime Thür, welche zu den Verließen im Schlosse führt. Wir müssen diese Thür entdecken, dem Spuk auf die' Spur kommen. Wir sind - das erkenne ich nun klar — von einer Gefahr umgeben, die größer ist, als ich dachte."
„Ja, wir müssen auf unserer Hut sein, mein Freund! Du hast recht mit Deiner Ännahme; die Gespenstergeschichte war eine plumpe Komödie und ich ärgere mich jetzt darüber, daß ich mich davon berücken lassen konnte."
„Wir müssen der Dienerschaft irgend eine Erklärung über den Vorfall der letzten Nacht geben," meinte Olaf. „Die Wahrheit darf niemand erfahren. Es kann nicht gut verschwiegen bleiben, daß Du im Ahnensaale gefunden wurdest. Die Trümmer der Uhr hat Lucie zweifellos auch gesehen."
„Ich denke, wir sagen der Dienerschaft ein Dieb, der die Uhr habe fortbringen wollen, sei von mir überrascht und mit Schüssen verfolgt worden," entgegnete Feodora. „Er habe, um leichter entfliehen zu können, die Uhr weggeworfen und sei durch ein Fenster des Ahnensaales entsprungen. Ich wäre in meiner Erregung darüber ohnmächtig zu Boden gesunken. Des Scheins wegen kannst Du ja mit der Dienerschaft darüber ein Verhör anstellen, vielleicht entdecken wir bei der Gelegenheit auch irgend etwas, das uns über die Geistererscheinung aufklärt."
„Mir erscheint die ganze Gespenstererscheinunq ohne Hilfe eines Teiles der Dienerschaft kaum möglich," sagte Olaf in nachdenklichem Tone.
Es wäre besser gewesen, wir hätten die gesamte Dienerschaft, als wir Besitz von dem Schlosse ergriffen, entlassen und eine neue angenommen.
„Du hast recht, Olaf. Vorläufig gilt es aber, dem geheimnisvollen Spuk auf die Spur zu kommen. Ich glaube, die Vermutung trifft zu, daß vom Ahnensaale aus geheime Gänge nach irgend welchen uns noch unbekannten Räumen führen."
Wenn wir nur einen alten Plan des Schlosses aufstöbern könnten! Vielleicht sind darauf die j unterirdischen Gänge und geheimen Räume vermerkt.
„Daß mir das nicht gleich einfiel!" rief Feodora aus. „Ein solcher Plan ist in der Schloßbibliothek vorhanden, er ist mehr als 300 Jahre alt. Die Jahreszahl 1560 steht darauf geschrieben."
Geh' hole den Plan, er liegt, in einen in Schweinsleder gebundenen Band, auf desser Rückseite mit verblaßter Goldschrift das Wort: „Chronik" eingeprägt zu lesen ist. Dieser Band ist der erste in der vierten Reihe von links.
„Sofort," erklärte Olaf, indem er sich erhob.
„Ich werde derweil Toilette machen und und nach Lucie klingeln," fuhr sie fort, „und ihr das Märchen von dem Dieb, der die Uhr rauben wollte, aufbinden, damit es schnell unter der Dienerschaft bekannt wird."
Olaf eilte ins Bibliothekzimmer.
Mutmaßliches Wetter am 29. und 30. August.
Für Freitag und Samstag ist warme Temperatur und vorwiegend trockenes und heiteres Wetter bei nur ganz vereinzelter Gewitterneigung zu erwarten.
Am 30. und 31. August.
Für Samstag und Sonntag ist bei fortgesetzt sehr warmer Temperatur vorwiegend trockenes und heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
Neiikße Nachrichten». Telkgrm«.
Berlin, 28. August. Die Ankunft des Kaisers und des Königs von Italien zum Besuche der Reichshauptstadt erfolgte um halb 10 Uhr vormittags auf dem reichgeschmückteu Potsdamer Bahnhofe. Pünktlich um die festgesetzte Zeit lief der Hofzug ein. Dem Zuge § entstiegen der Kaiser in Generalsuniform, der . König in der Uniform seines Preußischen Hu- ! sarenregiments, die Kaiserin, der Kronprinz, ! Prinz Joachim, Prinzessin Viktoria Luise, Minister ' Prinetti und das Gefolge des Königs. Der ! Oberbürgermeister Kirschner hielt eine Begrüß- ! ungsansprache, in der er die freundschaftlichen Beziehungen der Häuser Savoyen und Hohen- zollern betonte. Der König erwiderte aufs > freudigste und reichte ihm die Hand. Dann traten die Ehrenjungfrauen heran; Fräulein i Kirschner überreichte einen Blumenstrauß. Don- ! nernde Hochrufe ertönten, als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, untermischt mit den begeisterten „Evviva"-Rufen der Italiener. Vor dem Zeughaus hatte die Leibkompagnie des 1. Garderegiments zu Fuß in ihren historischen Blechmützen aus der Fridericianischen Zeit Aufstellung genommen und begrüßte die Herrschaften, die vor dem Zeughaus vorfuhren, mit schmetternder Musik. Auf dem Lichthofe des Zeughauses fand die Einweihung von 41 an Regimenter neu verliehenen Fahnen statt. Der Feier wohnten auch der Reichskanzler und Minister Prinetti bei. Im Lustgarten wurden während dessen 101 Schüsse abgefeuert. Abends 6 Uhr fand in der Bilder- gallerie des Berliner Schlosses beim Kaiserpaar Galatafel statt.
Berlin, 28. Aug. Der Kaiser teilte dem König von Italien mit, er habe dem Ministerpräsidenten Zanardelli aus Anlaß der Erneuerung des Dreibunds den Schwarzen Adlerorden verliehen. Prinetti erhielt den Verdienstorden der Preußischen Krone. Der König von Italien verlieh dem Reichskanzler Grafen v. Bülow den Annunciatenorden, dem Staatssekretär Frhrn. v. Richthofen das Großkreuz des Mauritius- und Lazarus-Ordens und dem Unterstaatssekretär Dr. v. Mühlberg das Großkreuz der italienischen Krone.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.