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Wermischtes
Moltkes erster Besuch in Schwaben.
Bei E. S. Mittler und Sohn in Berlin ist ein Hausbuch für die deutsche Familie erschienen: „Moltke in seinen Briefen. Zwei Teile in einem Bande", 5 geb. 6 ^ Einer dieser Briefe ist für uns Württemberger besonders bemerkenswert; enthält er doch die Reise-Eindrücke, die Moltke 1855, von Nürnberg kommend, im Schwabenlande erhielt. Er nennt es „ein köstliches Land mit Waldgruppen und Wiesen, Dörfern und Mühlen, alten Ritterburgen und freundlichen Städtchen bedeckt." Weiter schreibt er: „Die Straßen in Württemberg sind wohl unterhalten, aber unbegreiflich geführt. Es scheint, daß man noch genau die Richtung beibehalten habe, die sie zur Zeit hatten, als die Ritter noch oben auf den Gipfeln der spitzen Basaltkegel, auf dem Rechberg, Staufen und Hohentwiel, horsteten. Später hat man die Saumpfade in Fahrwege und diese in Landstraßen umgewandelt. Sie scheinen die Höhen absichtlich anfzusuchen; und selbst im schönen Remsthal, in dem man zehn Meilen weit hinfährt, erklimmt man mühsam Anhöhen, um jenseits mit zwei Hemmschuhen wieder hinabzufahren. Wer zu seinem Vergnügen reist, verliert dabei nichts, aber es ist ein schreckliches Los, Postpferd in Württemberg zu sein. Wo die Rems sich in den Neckar ergießt, senkt man sich in weites, wunderbar schönes Thal. Das liebliche Städtchen Cannstatt mit einer prachtvollen Brücke über den Strom, der hier über ein langes Wehr braust, reiche Felder und Dörfer mit stattlichen Kirchen und Türmen füllen den Grund aus. Das im antiken Stil erbaute Lustschloß Rosenftein erhebt sich über dem Städtchen und hohe Berge schließen den Kessel ein, an dem Weinberge mit zahllosen Weißen Winzerhütten viele hundert Fuß emporsteigen und deren Gipfel Burgtrümmer krönen. Eine schöne Straße zwischen hohen Pappeln und durch Gartenanlagen führt in einer halben Stunde nach Stuttgart. Ich ziehe in mancher Hinsicht die württembergische der gefeierten bayrischen Hauptstadt vor. Hier hat der König alles, dort haben die Einwohner mehr gethan; und die Lage von Stuttgart ist ebenso schön, als die von München trostlos ist. Stuttgart füllt den ganzen Boden eines tiefen Bergkessels aus. Unmittelbar hinter den Häusern steigen die Anhöhen schon empor, welche bis zu ihrem Gipfel mit Weingärten bekleidet sind. Felder und Aecker sieht man nirgends; es ist, als ob die Stadt nur von Trauben lebte. Es war eben Weinlese und Raketen und Schüsse leuchteten rings umher aus der Abenddämmerung hervor. Ein Vorzug von Stuttgart ist endlich das Marquardtsche Hotel, der beste Gasthof, den ich irgend gefunden und in dem ick mich nach drei auf dem Postwagen zugebrachten Nächten köstlich erquickte."
„Mein erster Gang war auf den hohen Turm der Stiftskirche, und es lohnt wohl, die 250 Stufen zu ersteigen. Man überblickt hier alles und kann sich nachher leicht zurechtfinden. Dann besuchte ich das alte Schloß, eine schöne Burg mitten in der Stadt mit großen runden Türmen und Prachtvollen Arkaden im Schloßhof. Die Vorfahren liebten nicht nur, ihre Wohnungen auf den höchsten Gipfel zu legen, sondern bewohnten auch in denselben gern die obersten Geschosse. Ein alter Gras von Württemberg hat sich daher eine Stiege anlegen lassen, auf welcher man bequem bis zum vierten Stockwerk hinaufreiten kann. Ein Stein an der Thürschwelle diente zum Auf- und Absitzen. Im Erdgeschoß befindet sich eine schöne Reitbahn, in der die Tourniere abgehalten wurden. Das neue Schloß ist ein recht schönes Gebäude und steht im besseren Verhältnis zur Größe des Landes als das Christiansborger, wo die Kräfte des Staates nicht ausreichen, die Zimmer zu Heizen. Vormittags fuhr ich nach Cannstatt, wo ich ein köstliches Bad in einem Sauerbrunnen nahm. Dieser sprudelt mannsstark und zwei Fuß hoch in einer großen Marmorschale empor. Er hat einen höchst angenehmen Geschmack. Nach der Parade besah ich noch die Kgl. Ställe mit 200 Landbeschälern. Im Leibstall bewunderte ich einige echte Araber, kleine Schimmel die kaum 4 Fuß 10 Zoll maßen und von denen man aus englischen Stuten die größten Pferde gezogen hatte. Der
König (Wilhelm I) kam darüber zu. Er geht öfters in seine Ställe; der Zutritt ist auch eigentlich untersagt, indes grüßte er freundlich. Ueber Tübingen, das ebenfalls sehr hübsch liegt, richtete ich nun meinen Weg nach Basel.
Die große Gedankenlosigkeit ist Schuld daran, daß jährlich in Deutschland gegen 80000 Briefe und Postkarten unbestellbar sind und vernichtet werden müssen, weil sowohl Adresse als Absender vergessen oder schlecht bezeichnet sind. Bei weiteren 250 000 Sendungen in einem Jahr war die Adresse so ungenügend, daß die Briefe oder die Karten an den Absender zurückgehen mußten. Die Absender setzen oft die Kenntnis des unbedeutendsten Dorfes bei jedermann voraus und halten deshalb die Angabe der Bestellungspostanstalt, des Kreises, der Provinz u. s. w. für überflüssig. Hat aber ein Absender wirklich die Lage des Orts näher ausgedrückt, so ist die Angabe häufig unbrauchbar. Zum Beispiel kann „i. B." ebensowohl in Baden als auch in Bayern oder Böhmen heißen, „i. Br." kann für Brandenburg, Braunschweig, Breisgau, „i. H." für Hannover, Hessen, Holstein, „i. W." für Westfalen, Württemberg gelesen werde» u. s. w. Fast ebenso schlimm sind Briese mit unleserlicher Hand schrift. Alles das gilt aber nicht allein vom Bestimmungsort, sondern auch in gleicher Weise vom Namen des Empfängers. Wie häufiig sehht auch der Vorname Stand, Wohnung, (Straße, Hausnummer, Stockwerk) oder die Angabe, ob der Adressat im Vorder- oder Hinterhaus, oder, wenn er sich nur vorübergehend im Orte aufhält, die Bezeichnung des Gasthauses, der Pension oder eines etwaigen sonstigen Absteigequartiers. Endlich ist es ein empfindlicher Mangel, daß die Absender meist unterlassen, ihren Namen auf den Briefen anzugeben. Bei 66,8 Prozent der endgiltig unbestellbar gebliebenen Postsendungen haben sich die Absender nicht genannt. Möchten darum alle Briefschreiber folgende Punkte genau beachten:
1. Deutlich schreiben. 2. Empfänger und Bestimmungsort so genau bezeichnen, daß jeder Ungewißheit vergeugt wird. 3. Absender, namhaft machen. 4. Adresse vor Auflieferung durchlesen. Den Schreibern von Ansichtskarten aber ist zu empfehlen: erst die Adreßseite, dann die Rückseite der Postkarte beschreiben.
Stuttgart, 19. Stürmische Heiterkeit erregte allenthalben das neueste Stückchen des Frhrn. Oskar v. Münch. Derselbe darf bekanntlich laut Verfügung des Ministeriums des Innern nur zeitweilig in Württemberg zur Wahrnehmung der ihn betreffenden Gerichtstermine sich aufhalten und muß stets von einem Jrrenwärter begleitet sein. Vor kurzem kam er auch in Begleitung seines Jrrenwärters auf sein Schloß nach Mühringen. Der Jrrenwärter verliebte sich nun dort in die Köchin des Herrn Barons. In seiner Entrüstung darüber setzte sich von Münch hin und erstattete bei dem Staatsministerium eine schriftliche Strafanzeige gegen den Herrn Minister des Innern wegen: — Kuppelei. Von Münch führte darin aus, der Jrrenwärter sei mit seiner (des Barons) aus Berlin mitgebrachten Köchin bereits so weit gekommen, daß er mit der Köchin in der Küche gespeist habe. Für die Richtigkeit dieser Meldung verbürgt sich das Südd. Corresp. Bureau.
Straßburg, 17. Juni. Von einer unter sehr merkwürdigen Umständen vollzogenen Zahnoperation lesen wir im „Elsaß" was folgt: Einem 18jährigen Schriftsetzer von hier sollten letzthin 3 Zähne gezogen werden. Der hiesige Magnetopath Luttenbacher versetzten nun den jungen Mann in hypnotischen Schlaf, worauf der Zahnarzt die Operation mit geringer Mühe vollziehen konnte, ohne daß der Patient etwas spürte, trotzdem die kranken Zähne mit außergewöhnlich starken Wurzeln behaftet waren. Dem Patienten wurde vor der Operation gesagt, daß die Zähne nnr untersucht werden sollten. Nachdem er wieder zum Bewußtsein zurückgerufen war, fragte er ganz verwundert, ob denn seine Zähne gezogen seien, er spüre sie nicht mehr im Munde. Bemerkenswert ist noch der Umstand, daß bei der schweren Zahnoperation nur einige Tropfen Blut geflossen sind und sich der Patient gleich darauf ganz Wohl und unbehelligt fühlte.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg
Ich Kirchheim i. Baden machte sich ein junger Mann in einem Garten mü einem Gewehr zu schaffen, daß sich entlud, wobei der Schuß seiner 14jährigen Schwester in die Brust drang ! Schwer verletzt wurde das Mädchen in das !
akademische Krankenhaus nach Heidelberg verbracht. i
Eine blutige Zigeunerschlacht spielte sich am Sonnabend in Fuhlsbüttel auf dem rechten Msterufer ab. 50 Zigeuner bekamen Streit schossen mit Revolvern, stachen mit Messern und ! hetzten sogar Bären gegeneinander. Der Kampf nahm solche Dimensionen an, daß aus Hamburg berittene Schutzleute geholt werden mußten. Als die Polizeimannschaften eintrafen, flohen die braunen Excedenten auf preußisches Gebiet, ließm aber mehrere Schwerverletzte zurück.
Ans der Schweiz, 18. Juni. Kürzlij, stand man im Ständerat in der Beratung dä Zolltarifs bei der Position „Menschenhaai'. Da ließ ein Herr Hoffmann noch einen Prüfenden Blick auf die Häupter seiner Kollegen die sehr richtige Bemerkung fallen: „Meine Herren, wenn ich ihre illustr. Versammlung überschaue, komme ich mehr und mehr zu der Üeberzeugung, daß im Artikel Menschenhaar die inländische Produktion in keiner Weise deckt.
(Barnums größter Elefant „Fritz") mußte i» j Tours mittels dicker Seile und Kloben erwürgt werden, weil er plötzlich wild wurde und nicht nur das Publikum, sondern auch seine Wärter bedrohte. Er hatte schon früher einen Menschen getötet und mehrere andere verwundet. .Fritz' war der größte von den 16 Elefanten, die Barnum ^ besaß, und soll überhaupt der größte Elefant gewesen sein, der jemals öffentlich gezeigt wurde.
Er war 2 Meter 60 Centimeter hoch und ist 80 Jahre alt geworden. Die „Hinrichtung' des Riesen fand, da die Zirkuszelte bereits abgebrochen waren, auf einem öffentlichen Platze statt, der von Soldaten abgesperrt wurde. Mehrere Male drohte der Elefant sich loszureißen, bis er schließlich mit großer Mühe gefesselt werden konnte. Das Skelett des Dickhäuters, der einen Wert von 80000 ^ gehabt haben soll, ist von Barnum dem Museum zu Tours überwiesen worben.
(Auf Liebeswegen.) In Berlin suchte eine . Mutter, eine Rentnerin in den besten Jahre«, s durch eine Zeitungsanzeige einen Mann. Es meldeten sich ohne Angabe ihres Namens viele, welche die Bekanntschaft der Frau mit „impo- sanier Figur" machen wollten. Die Heirats- ' lustige entschied sich für einen Bewerber aus der Provinz. Auf dem Fernbahnsteig an der s an der Friedrichstraße sollte er sie treten. Sie wollte einen Maiglöckchenstrauß tragen und er sollte eine rote Rose ins Knopfloch stecken. Sehnsüchtig harrte die Witwe der Ankunft des Zuges; der einzige Reisende aber, der mit der roten Rose ausstieg war ihr Sohn, der in der Provinz angestellt ist. Das Wiedersehen war für beide etwas Peinlich. !
sDer Offenherziges „Lieber Großpapa, wir i wünschen dir auch viel, viel Glück, und Mama ' hat gesagt, wenn du jedem von uns einen Thaler schenkst, sollen wir ihn auf dem Rückwege ja i nicht verlieren!" !
sSie kann zitieren.! Dame (zur Köchin, di! am Tage vorher eine Landpartie mitgemacht U auf deren zahllose Mückenstiche deutend): „DL sehen Sie nun, Bertha, die Folgen einer Landpartie! Die Insekten haben Sie ja förmlich zerfressen!" — Köchin (selbstbewußt): „Es find die
schlechtesten Früchte nicht, woran die Wespen nagen!"
(Große Auswahl.) Heiratskandidat: „Die Dame gefällt mir aber nicht, mit der Sie mich ! bekannt gemacht haben. Die schielt ja auf dem rechten Auge." — Vermittler: „Wollen Sn eine haben, die auf dem linken Auge schielt?"
Mutmaßliches Wetter am 20. und 21. Juni.
(Nachdruck verboten).
Bei vorherrschend östlichen Winden ist für Freitag und Samstag fast ausnahmslos trockenes und auch vorwiegend heiteres Wetter bei steigender Temperatur in Aussicht zu nehmen.
Am 21. und 22. Juni.
Für Samstag und Sonntag ist fortgesetzt größtenteils trockenes und heiteres Wetter zu erwarten, doch sind bei der rasch zunehmenden Wärme vereinzelte uns lokale Störungen nicht ausgeschlossen.