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Unterhaltender Teil.
Um einen Widder.
Novelle von Karl Bienenstein.
3 ^Nachdruck verboten.)
Er war aber mehr tot. als lebendig. Eine Weile lag er regungslos mit geschlossenen Augen und selbst sein Atem stockte; dann aber überkam ihn erst recht die Angst und eine eisige Todesfurcht. Es war ihm, als griffe es über den Abgrund heraus mit langen, langen Spinnenarmen, die ihn Herunterreißen wollten, es kam ihm vor, als rücke der Absturz näher und näher an ihn heran und jetzt, jetzt wollte der Boden unter ihm weichen, da raffte er sich aus und lief, angstgepeitscht, so schnell ihn seine schlotternden Beine trugen, den Abhang hinunter, den er kurz vorher io mühsam heraufgekeucht hatte. Erst als ihn das Wäldchen wieder ansnahm, verlangsamte er den Lauf zu einer schnellen Gangart.
Nach Mitternacht kam der Hofstetter heim.
Sein Weib staunte nicht wenig, als er sich halb entkleidet vor dem kleinen Hausaltar in der Ecke über dem Tische niederwars und voll Inbrunst betete. Darauf stieg er stillschweigend in's Bett.
Nun konnte das Weib seine Neugierde nicht mehr bezähmen.
„Was hast denn Mann?" fragte sie. „Du bist ja ganz dasig," (niedergeschlagen.)
„Morgen sag' ich Dir's, heut' kann ich nicht reden!" antwortete er leise und löschte die Kerze aus.
Er lag aber noch lange wach, dachte an die überstandene Gefahr, betete und dachte wieder. Erst als die Hähne zu krähen anfingen, schlief er ein.
Spät wurde er wach. Hätte die Hosstetterin auch das sonderbare Wesen des Mannes in der Nacht vergessen gehabt, so hätte sie doch jetzt sehen müssen, daß ihn irgend etwas gänzlich aus seinem Geleise geworfen habe. Der Hofstetter that und unterließ eine Menge gewöhnlicher Kleinigkeiten; so wusch er sich mit Seise, was er sonst an Arbeitstagen nie that, er fuhr in die Hose ohne „Auweh" zu sagen und er stopfte nach dem Frühstück keine Pfeife voll.
Da mutzte sie nun doch fragen. Und er erzählte ihr mit umständlicher Genauigkeit seine gestrigen Erlebnisse, die Todesgefahr, in der er geschwebt hatte und mit Worten und Gesten versuchte er das Fürchterliche auszumalen.
„Und weißt, was ich jetzt thu'," schloß er, „ich geh' jetzt zum Hofbauern hinüber, erzähl' ihm alles und der Widder muß weg. So ein böses Vieh kann man nicht frei umherlaufen lassen."
Die Hosstetterin rang während der Erzählung ein- ums andremal die Hände, oder schlug sie wohl gar über dem Kopf zusammen. Dann aber feuerte sie ihren Mann an.
„Recht hast," sagte sie „geh' nur hinüber und sag' ihm's ordentlich. Der Widder muß weg! So ein Vieh, das den Leuten an's Leben geht, gehört nicht in freie Weide. Was wär's denn, wenn einmal die Kinder vorbeigingen. Und sie gehen öfter über die Halb'. Die lägen ja beim ersten Stoß schon in der Rasing! Na, das wär' was; Sag' ihm's nur ordentlich: der Widder muß weg! Wenn er's nicht thut, thut's wer anders."
So machte sich also der Hofstetter aus den Weg zum Hofbauern hinüber.
„Grüß' Dich Gott Hofstetter," rief dieser, der eben vom Futtermähen heimkehrte, dem Ankommenden entgegen: „Wo aus denn in aller Früh'?"
„Grüß' Dich auch Gott!" gab der Hofstetter ernst zurück. „Nicht weit, nur ein bis! zu Dir!"
Der Hofbauer stutzte. Der Ton, in dem der Nachbar sprach, ließ nichts Angenehmes erwarten. Da er sich aber nichts bewußt war, was der. Hofstetter gegen ihn ausgebracht haben könnte, lud er diesen freundlich und ruhig ein in die Stube zu kommen.
Als die Männer allein waren, fragte der Hosbauer: „Also, Hofstetter, rück' mit der Färb' heraus: was hast mir denn?"
„Wird Dir nicht b'sonders gefallen!" war die Antwort.
„Soooo?" — Der Hosbauer nahm erwartungsvoll seine Pfeife aus dem Munde.
Der Hofstetter begann in ernstem, beinahe strengem Tone: „Durch Dich, Hosbauer, wär' ich heut' nacht schon gleich um's Leben kommen. Weißt das?"
Der Hofbauer riß die Augen auf. Ueberzeugt, daß da ein Mißverständnis obwalten müsse, nahm er die Sache auf die leichte Seite und lachte.
Aber der Andere fuhr scharf drein: „Da ist nichts zu lachen, lieber Hofbauer, cs ist so! Du hätt'st die Schuld, wenn ich heut' nacht hin gewesen wär. Weißt, es, daß mich heut' nacht, wie ich über Deine Schafhald' gangen bin, schon gleich Dein Widder übern Riß hinuntergestoßen hält'? Auf einem kleinen Föhrerl bin ich draußen gehängt. Noch ein Paar Minuten hätt's gehalten und drunten war' ich gelegen!"
Er schlug mit der Faust auf den Tisch, daß der Mostkrug klapperte.
„Geh', geh'," sagte der Hosbauer beschwichtigend, „wirst wohl ein bisl was dazu machen!"
Das brachte den Hosstetter aber erst recht auf.
„Nein, nein," schrie er, da mach' ich nichts dazu. „Mit solchen Sachen thut man nicht freveln und ich thu's auch nicht. Willst es sehen, wie das Bäumerl hinuntergedrückt ist, so geh'n wir miteinander zum Riß und ich zeig' Dir das Platzl!"
„Wenns wirklich so ist," begütigte nun der Hofbauer, „ich glaub's schon. Aber warum gehst Du denn auch bei der Nacht über die Schafhald' heim? Jst's denn auf der Landstraße nicht viel schöner geh'n?"
„Bin ohnehin das letzte mal dort gegangen," versetzte der Hosstetter, „ich Hab' nur gemeint, weil's näher ist und weil's ohnehin schon spät war, wie ich aus dem Wirtshaus bin."
Dem Hosbauer war die Art, wie das Gespräch geführt wurde unangenehm und er versuchte nochmal demselben eine heitere Wendung zu geben.
„Na sieh'st," meinte er, „da hat Dich halt Dein Namenspatron doch gern!"
Der Hofstetter ging aber auf den Scherz nicht ein.
„Ah, mein lieber Nachbar," sagte er, „so thnn wir die Geschichte nicht ab, das ist keine Hetz'."
Nun wurde auch der Hofbauer ärgerlich und fragte gereizt:
„Na, was willst denn dann?"
„Dein Widder muß weg!" forderte der andere barsch.
„Mein Widder?" — Nein, da wird nichts draus. Ich bin froh, daß ich ihn Hab'. Ich Hab' mir ihn eigens vor ein paar Wochen vom Bergbauern geholt, weil er so bös ist. Seit ich den Widder Hab', wird mir kein Schaf mehr gestohlen. Den gieb ich nicht her.
Der Hosstetter beharrte aber fest auf seiner Forderung: »Nachbar Dein Widder muß weg!"
Der Hofbauer schlug aber in Hellem Zorn und dröhnend auf den Tisch und gab ebenso entschieden zurück: „Und der Widder bleibt da!"
Da stand der Hofstetter auf und sah seinen Nachbar steif an. Dann fragte er mit gedämpfter Stimme: „Hosbauer, ist das dein letztes Wort?"
Dieser glaubte nun. es sei der Zeitpunkt gekommen, wo eine Verständigung aus freundschaftlichem Wege doch noch möglich sei, und treuherzig sagte er, indem er zugleich die Reckte seines Nachbars ergriff: „Du Nachbar, schau', ich seh's ja ein, daß Du bös bist. Es hat Dich wirklich sakrisch g'habt, wenn man so nach- denkl. Aber wenn ich meinen Widder wegthu' wirds ja auch nimmer anders. — Weißt das? Am Sonntag gehen wir mitsammen in's Wirtshaus und ich zahl ein paar Liter Guten für den Schrecken, den Du ausgestanden hast. Wir werden doch miteinander keine Feindschaft anfangeu, gelt, Nachbar?"
Einen Augenblick schien es, als wollte der Hosstetter den Bersöhnungsvorfchlag annehmen, gleich aber verschwand wieder das weiche Gefühl, das ihn bei des Hofbauern Rede überkommen hatte. Er dachte an seine Todesangst, an sein Weib, was dieses wohl sagen würde, wenn er sich so einfach wieder abthun ließe und er schlug nicht ein.
Statt dessen sprach er: „Also, Hofbauer, wenn Du schon willst, daß wir gute Nachbarn bleiben sollen, so thu' Deinen Widder weg!"
„Und mein Widder bleibt da," schrie der Hofbauer, den die Hartnäckigkeit des Andern nun außer Rand und Band brachte, „wer haben will, daß ihn mein Widder nicht stoße, der soll nicht über meine Halde gehen. Die Haid g'hört mir und der Widder auch. Und mit diesen zwei Sachen hat sonst niemand zu kommandieren!"
Der Hofstetter war blaß geworden; eine Weile stand er noch unschlüssig da, dann sagte er mit ganz leiser, bedeutsamer Stimme: „Werden sehen, wer Recht behält. B'hüt Dich Gott, Nachbar!" Und ging.
^Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Großes illust. Kräuterbuch mit nach der Natur color. Abbildungen von Dr. C. Anton St ahl's Verlag, Breslau. Vollständig in 10 Lieferungen ä.50 Die bis jetzt erschienenen Lieferungen 1—8 des in seiner Art großartig angelegten Werkes, belehren uns, daß wir es hier mit einem Buche zu thun haben, dessen Verfasser es versteht, in gelungener Darstellung eine gründliche Kenntnis über alle Pflanzen und Früchte zu geben, welche der Gesundheit des Menschen dienlich und für den praktischen Haushalt überaus nützlich sind. Dieses Kräuterbuch ist mit großem Fleiß und vieler Fachkenntnis zusammengestellt und die beigegebencn malerisch gruppierten farbigen Takeln zeigen uns die Pflanzen und Flüchte in größter Naturtreue. Wir empfehlen das vortreffliche Werk allen Freunden der Natur, ganz besonders aber allen jenen Wißbegierigen, welche den bekannt hohen Wert der Kräuter im Dienste der Menschheit kennen lernen wollen.
(Die Kunst des Sparens.) Man spare die Zeit, so heißt das erste Rezept, indem man lerne, die Augenblicke zu benutzen, denn die Minuten machen die Stunden, die Stunden die Tage. Oft geht aber mit der einzelnen Minute der Wert von Jahren und Tagen verloren, die man durch die Arbeit eines ganzen Lebens nicht wieder einbringen kann. Man lerne ferner das rechte Ding zur rechten Zeit und auf die möglichst beste und kürzeste Weise thun. Es ist kaum zu glauben, was alles geleistet werden kann, wenn man seine Zeit weise benutzt. Es kommt unendlich viel auf eine vernünftige Einteilung der Zeit an, und dabei gewährt es einen großen Vorteil, wenn mit dem Gegenstand der Beschäftigung abgewechselt wird, denn bei abwechselnder Thätigkeit ruht sich der Mensch von der einen Arbeit bei der andern aus. Und wer Kraft spart, der spart auch Zeit. Spare Geld, so heißt die andere Heilmixtur, und diese besteht aus verschiedenen Ingredienzien. Die erste davon ist, vergeude nicht das Geld für übermäßige, luxuriöse, aber auch nicht für billige,
schlechte Kleidung. Kaufe stets verläßlich Gutes und Dauerhaftes, aber nur Dinge, die man wirklich braucht. Man vergeude nicht das Geld für überflüssigen Tand und Trödel, ist der zweite Bestandteil des Heilmittels. Und schließlich verschleudere man keinen Pfennig auf unnötige und unnütze Weise, heißt die letzte Zuthat des Sparrezepts. Alle nun, welche das heilsame Mittel anwenden und darauf achten, daß alle seine Bestandteile gewissenhaft vertreten sind, werden bald merken, daß es mit ihnen vorwärts geht und im Erfolg erst recht einen Sporn zum Sparen finden.
(Unfreiwilliger Zeitungshumor.) Nach der „Altenburger Landes-Zeitung" (Nr. 117) haben die neuen Uniformknöpfe „2,05 m Durchmesser." Das ist doch Wohl etwas übertrieben. Bei ge- nügender Dicke wäre ein Knopf von dieser Größe ja ein vortrefllicher Schild, aber wo sollte man das Knopfloch dazu anbringen? — In Nr. 126 der „Kocher-Zeitung" macht das Stadtschultheißenamt der Oberamtsstadt Aalen, gez. I. V. Polizeikommissar Krauß, bekannt: „Nach tz 360 Ziffer 11 Str.-G.B. wird bestraft, wer Tiere hält und diese an einem ruhestörenden Lärm nicht hindert, z. B. Hunde oder Hühner in der Nacht übermäßig bellen, heulen, krähen läßt". Das Krähen von Hunden und das Bellen und Heulen von Hühnern muß allerdings unheimlich anzuhören sein. — In der „Neckar- Zeitung" (Nr. 113) zeigt H. Kirschbaum in Ludwigsburg an: „In einem schönen, reichen Orte in der Nähe von hier ist mir der Verkauf eines schönen Anwesens übertragen worden. Das Anwesen enthält im ersten Stock Wohnung mit Küche, im zweiten Stock die gleiche Einrichtung, sowie große Bühnenkammern, Stallung, Scheuer, gewölbten Keller und einen schönen großen Wurzgarten beim Hause, sowie einen Schuppen auf Freipfosten ruhend". Wenn Stallung, Scheuer und Keller im zweiten Stock untergebracht sind, so wäre dort für den Wurzgarten und den Schuppen auch wohl noch Platz zu finden gewesen. — Die „Konstanzer Zeitung" (Nr. 148) erzählt: „Die Menagerie Ehlbeck fuhr, wie berichtet, am 22. Mai von Biel nach Solothurn. Vor Mett gelang cs einer Löwin, das Freie zu gewinnen und vom Zuge zu springen, da jedenfalls aus Unachtsamkeit der Käfig nicht ehörig verschlossen war. Mehrere Leute, welche ie Bestie sahen, machten durch Geschrei die Wärter aufmerksam und der Zug wurde zum Stehen gebracht. Das Personal machte sich mit eisernen Gabeln daran, die Löwin, die am Wege graste, wieder einzufangen." (Das ist keine richtige Löwin gewesen. Es wird sich um eine gelblich gefärbte Kuh oder Ziege gehandelt haben.) — In der „Geflügelbörse" (Nr. 43) wird an- aezeigt: „Offeriere folgende tadellos ausgestopfte Exemplare: 1 Steinmarder mit Beute, Winterkleid, 4,50 1 Iltis, Winterkleid, 5,50 ,/L,
1 Bussard mit Beute 6 1 Ringeltaube
2,75 1 Teschin-Pistole, vernickelt, 2,50 F,
1 gute alte Violine mit Zubehör 18 Empfehle meine Tierausstopferei einer geneigte« Beachtung. Preise billigst. Edward Becker, Präparator, Mülfort bei Oldenkirchen, Bezirk Düsseldorf." Welchen Zweck hat es, eine Pistole und eine Violine auszustopfen, auch wenn man mit der Pistole nicht mehr schießen und auf der Violine nicht mehr spielen will? (A. d. Kladdcrd.)
(Gekränkt.) (In der Kunstausstellung, Herr und Frau Kohn stehen vor einem Bilde.) „Sie: „Was is dos for e Bild?" — Er: „Still- Leben!" — Sie: „Nu, man wird doch noch was sagen dürfen!"
(Ein Gemütsmensch.) Gattin: „Gehst Du schon wieder fort? Ach, wenn Du wüßtest, ^ langweilig es hier abends ist!" — Gatte: „Weiß ich! Darum gehe ich ja eben weg!"
(Herausgerisfen.) Frau (ungeduldig): „Muß man hier aber lange warten, bis man sein Bier kriegt!„ — Mann (mit Genugthuung): „Siehst Du, Frau, und da wunderst Du Dich immer, wenn ich abends so spät nach Hause komme!,
(Einwand.) „Eben Hab' ich mal meine ganzen Schulden zusammengerechnet." — „Wie hoch ist die Summe?" — „120000 — „Die kannst
Du aber gleich bezahlen, wenn Du die kleine Silberstein heiratest?" — „Was Hab' ich da von . "
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg