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Friede.

Der heldenmütige Kampf, den die beiden Burenrepubliken in Südafrika fast drei Jahre gegen die Weltmacht Großbritanien um ihre Frei­heit geführt haben, ist zu Ende. Die Delegierten der Buren haben die schicksalsschwere Urkunde unterzeichnet, die dem Kriege ein Ziel setzt. Was England gewollt, hat es erreicht: Seine Macht in Südafrika ist unbestritten. Transvaal und der Oranjestaat sind als selbstständige Gebilde von der Landkarte verschwunden und dem britischen Weltreiche einverleibt. Es ist müßig, heute dar­über zu rechten, ob es so kommen mußte und auf welcher Seite der größte Teil der Schuld war. In der Politik entscheidet der Erfolg. Aber auch der Erfolg des Siegers kann nicht das herzliche Mitgefühl mit dem Besiegten ersticken. Mit vollen Ehren sind die Buren aus dem un­gleichen Kampfe mit dem übermächtigen Gegner hervorgegangen. In der Weltgeschichte ist ihnen einer der ersten Plätze gesichert für alle Zeiten. Wir hoffen, daß den Buren ein Los zu teil werde, das ihnen ein erträgliches Dasein in dem von ihnen in der Kultur erschlossenen Lande er­möglicht. In alter Zeit konnte das Wort gelten: Vk6 vietis! Wehe den Besiegten. Heute sollte ein gesittetes Volk für einen unterlegenen, würdigen Gegner nur die Parolehaben: Ehreund Schonung!

Die Engländer haben ihren Erfolg teuer er­kauft. Der Krieg hat nicht nur große Menschen­leben und gewaltige Summen Geldes verschlungen, sondern auch das Ansehen des britischen Reiches hat durch die Niederlagen, die seine Truppen in dem ersten Teile des Krieges erlitten, eine schwere Erschütterung erfahren. Dazu kommen die Verluste, die England infolge der Verbindung seiner Kräfte an den südafrikanischen Boden hat in den Kauf nehmen müssen, wo sich seine Interessen mit denen anderer Mächte kreuzten. England hat wichtige Grundgedanken seiner Politik preis­gegeben. Ohne den Burenkrieg hätte Rußland schwerlich Herr in Golf von Liatong werden und in der Mandschurei festen Fuß fassen können. Ebenso würde sich England unter andern Verhält­nissen schwerlich bereit gefunden haben, den günstigen Boden zu verlassen, den ihm der Clayton- Bulwer-Vertrag in der Frage des Nicaragua- Kanals verlieh. Dasselbe gilt Wohl von dem Abkommen über Klondyke.

Trotz alle dem würde es verfehlt sein, Eng­land nicht mehr als Großmacht zu betrachten. Das Gefüge des britischen Weltreiches ist nicht gelockert. Die Treue, mit der die Kolonien während des Krieges zum Mutterlande gehalten haben, ist nicht zu unterschätzen. Kanadische Artilleristen und australische Schützen, indische Regimenter, britische Garden und schottische Hoch­länder, alles kämpfte in geschlossener Einheit, Mann bei Mann. Es war kein Unterschied zwischen den Truppen aus den verschiedenen Teilen des Königreichs und denen aus den Kolonien. Auch die Opferwilligkeit des englischen Volkes und das zähe Festhalten an der Verfolgung des Ziels muß als musterhaft bezeichnet werden. Kurz, die Welt wird nach wie vor mit der Thatsache rechnen müssen, daß England in der Reihe der Großmächte eine der stärksten ist.

Wie keine Regierung eine Hand gerührt hat, uvl den Buren Hilfe zu bringen, so wird auch keine Macht sich bereit finden, England an der Einheimsung der Früchte seines Sieges zu hindern. Wirtschaftlich wird durch die Umwälzung in Südafrika manches geändert. Eine Masse Güter ist durch den Krieg zerstört worden. Zahlreiche Bauten müssen neu errichtet werden. Was Wunder, daß man in England mit einem kräftigen Aufschwung von Handel und Industrie rechnet. Auch in Deutschland hoffen die Gewerbetreibenden, an diesem Aufschwünge teil zu haben, da die britische Regierung die Politik deroffnen Thür" verfolgt und der deutsche Handel schon lange lebhafte Beziehungen zu Südafrika unterhält. Das deutsche Volk, das beim Beginne des Krieges mit Leidenschaft für die Buren Partei ergriff, hat sich nur schwer zu der Einsicht be­kehren lassen, daß Deutschland eine Intervention nicht auf sich nehmen durfte, wenn es nicht den Krieg auf sich ablenken wollte. Jetzt wird kaum ein Zweifel herrschen, daß die Neutralitäts-

Politik des Grafen Bülow den Pflichten entsprach, die wir vor allem dem eignen Volke gegenüber zu erfüllen haben.

Unterhaltender Teil.

Ein Burenweib und sein Kind.

Wahre Episode aus Südafrika.

Von Miß Annie Lear.

(Nachdruck verboten.)

Auch ich lebte schon einige Jahr hindurch in Transvaal. Ich hatte meine guten Eltern verloren, als ich in Manchester mein Erzieherinnen Examen bestanden; im Verlaufe von nur einer Woche hatte sie beide der Typhus dahingerafft. So stand ich mit einem Male allein in der großen, weiten Welt da; ja . . . allein!

Geschwister hatte ich keine; weil mein Vater, der sich vom niedersten Werftarbeiter bis in eine sehr hohe, geachtete Stellung hinaufge­schwungen hatte, ein großes Haus zu führen beliebte, hatten sich auch unsere Verwandten, die alle in weniger guten Verhältnissen leben, von uns zurückgezogen; und als sich jetzt bei dem allzuschnellen und direkt unvorhergesehenen Ableben meines Vaters herausstellte, daß wir eigentlich gar kein Barvermögen besaßen, sah ich auch all unsere früheren sogenannten guten Freunde, einen nach dem andern, mich, die arme Waise, verlassen.

Und wie sie alle, wie seine Eltern auch, so ging auch er, er, dessen Namen ich deshalb nie in meinem Leben mehr über meine Lippen bringen will, obwohl ich ihn dereinst so unendlich geliebt habe um seiner selbst willen! Auf Grund eines Inserates hatte ich bdi einer reichen englischen Familie in Transvaal Stellung als Erzieherin gefunden.

O, mir war es damals so leicht ums Herz, als der Dampfer ins Meer stieß von Dover aus mit dem ReisezielSüdafrika!"

Nun hatte ich schon einige Jahre dort gelebt und mich recht wohl gefühlt.

Da brach die Zeit des schrecklichen Krieges aus der nun schon so lange, lange währt!

Gleich bei Beginn desselben verließ die Fa­milie mit ihren beiden Töchtern, die inzwischen schon junge Damen geworden waren, das un­ruhige Land und schifften sich nach England ein. Ihre Bitte, mitzukommen, erfüllte ich nicht, weil meine Herzenswunde noch nicht ganz vernarbt war und ich den Drang in meinem Innern verspürte, den Verwundeten im Kriege Hilfe, Linderung und Trost zu bringen. Ich meldete mich und fand Aufnahme in einer englischen Ambulanz. Zwei australische Soldaten waren mir zum Transport des Feldlazaretbettes bei­gegeben, welches ich bediente. Ungezählte Kranke, von Freundes- und Feindesseite, hatten in diesem Bette schon geruht, hatten aus meiner schwachen Hand Medikamente empfangen... da fanden wir, als er wieder einmal, leer war, einen jungen Buren mit durchschossenem Halse, aber noch lebend, in einem Graben liegen, derweil er sich vor Schmerzen wälzte.

Einer der australischen Soldaten zog sein Messer aus dem Gurte hervor und wollte dem armen Sterbenden schneller in die Ewigkeit ver­helfen, als ich aus dem Daliegenden Aug' einen unsagbar bittenden Blick auffing. Dem Soldaten das Mordinstrument entreißend, trat ich zu dem jungen Buren. Aber er konnte nicht mehr sprechen; mir zeigte er in einemfort nach einer bestimmten Richtung und aus seinen Gebärden hatte ich bald entnommen, daß in der ange­deuteten Richtung nicht weit von hier seine Farm sich befinde, nach welcher noch einmal zu kommen, der letzte Wunsch seines Lebens war' Ja, der letzte . . . denn das wußten wir so gut, wie er, daß sein Dasein nur noch nach Stunden zählte.

In kaum einer halben Stunde waren wir am Ziel . . .!

Ein bildhübsches, junges, kräftiges Buren­weib, einen Säugling an der vollen Brust, kniete schluchzend am Sterbelager ihres geliebten Mannes, der in der Blüte des Lebens, in der Vollkraft seiner Jahre, auf immer von ihr gehen mußte...

Weine Weib, Thränen erleichtern das Men­schenherz . . !

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.

Der Bure war eine Leiche; ich hatte das Weib in diesem Moment des Zusammenseins so lieb gewonnen, wie noch niemanden seit meiner Abreise von der Heimat.--

... Ein Jahr war vergangen seit jenem Tage, den ich in meinem Tagebuche wohl ver­zeichnet, mir im Herzen jedoch noch weit besser notiert hatte.

Ich war durch einen Streifschuß verwundet worden, den ich in der Nähe von Jagersfontein erhalten hatte, befand mich in einem Lazaret und brachte in Erfahrung, daß unweit ein Konzen­trationslager sich ausdehnte. Dahin erhielt ich den Auftrag.

Dort nun kam ich mit jenem Burenweib und seinem Kinde wieder zusammen.

Offen gestehen muß ich es, daß ich das der­einst so hübsche, junge, kräftige Weib nicht wieder erkannt hätte, wenn es sich nicht an mich heran­gedrängt und sich zu erkennen gegeben haben würde.

Selbstredend raubt der Tod eines lieben, jungen Gatten der Schönheit des Hinterbliebenen gar oft den Schmerz; der Schmerz zehrt auch am Menschen, und ein muntrer, strammer Bub von einem Jahre macht einer Mutter gar viel zu schaffen: aber alles in allem, konnte das Burenweib nicht so aussehen, wie es in erbarmungs­würdigem Zustande jetzt vor mir stand ... ein Schatten des Weibes vor einem Jahre!,

Ich lebe nur meinem einzigen, herzigen Jungen zu Liebe, der ganz das Ebenbild seines Heimgegangenen Vaters ist," gestand mir das Weib und setzte hinzu, daß der Aufenthalt in diesem Lager unerträglich sei.Es sind ihrer zu viele auf einem verhältnismäßig keinen Platz, direkt an den Zelten läuft der Drahtzaun hin, so daß man sich in der freien Luft überhaupt nicht ergehen kann. Man sitzt hier, wie in einem geschlossenen Raume, dazu den Tag über die fürchterliche Sonnenglut, in der Nacht der unauf­hörliche Regen, der unsere Schlaflager feuchtet: Masern, Keuchhusten und Typhus räumen furcht­bar unter Alten und Jungen auf! Mit der Nahrung geht es so ziemlich, weil man gelernt hat, bescheiden zu sein. Aber man füttert ja dach nur dem sicheren Tode einen Menschenkörper auf; denn unter den obwaltenden Verhältnissen werden nicht viele die goldene Freiheit Wieder­sehen. Der Schmerz um die Toten, die Angst um die noch Lebenden, das Weh um die schöne, vernichtete Heimat da draußen zehren am Körper . . . und doch ist's, als zucke es durch alle unsere Adern:Noch ist Transvaal nicht verloren!"

Das Weib hielt mir funkelnden Auges ihren strammen Buben entgegen! Wir sollten uns leider nicht lange des Wiedersehens erfreuen. Meine Wunde, so leicht sie schien, wurde schlimmer; ich war nicht das freie Weib mehr, seitdem ich der Sanitatskolonne angehörte, und mußte mich der Ordre fügen:Mit dem nächsten Dampfer nach England zurück!"

Hier bin ich nun erneut auf meiner Heimat Boden, der mir nicht mehr so heiß unter de» Füßen brennt: er ist ja längst verheiratet mt einer steinreichen Dame, nennt auch ein Kind sein eigen; leider soll es ein unglückliches Ge­schöpf sein: Ich denke weniger an ihn, als an das ferne Südafrika und das Burenweik und sein Kind... sei Englands großer Gott mit ihnen!

Dreisilbige Charade.

Wer liebte meine beiden Ersten nicht,

Die Prosa dieses Lebens auszuschmücken!

Sie würden fehlen uns wie Luft und Licht, Und tausendfach kann uns ihr Gruß entzücken! - Die Dritte ist ein wohlbekanntes Tier,

Doch hier zu Lande ward es nicht geboren.

Es dient zu mancher schöner Zier Und ist zum Liebling auserkoren.

Sein Name auch ein Mensch und sehr beliebt, Weil er stets Munterkeit und Freude giebt, Das Ganze schmückt wohl alle Feste Und zeichnet aus die Ehrengäste! -

Auflösung des Rätsels in Nr. 85 ds. Bl.

Leder.

Auflösung der Ausgabe in Nr. 86 ds. Bl. Der Todestag des Generals von Billaume, des Direktors der Kriegsakademie (5. Ju ni 1900.)